Das Herz schlägt für Vinyl. Seit 1998 unterrichtet djane mithras Mädchen und Frauen in der Kunst des Plattendrehens. Seit 2002 betreibt sie im schweizerischen Basel mit „rubinia djanes“ ihre eigene djane-Schule. Auch 2009 bietet mithras ein umfangreiches Kursprogramm an, um, wie sie selber sagt, „an der Sichtbarmachung von Frauen in dem Business“ zu arbeiten. Denn auch wenn es ihrer Meinung nach „Plattendreherinnen wie Sand am Meer“ gibt, die Meisten denken beim Begriff DJ dann doch an einen Mann.
Woran das liegt, was sich verändern lässt und wie jede einzelne das anpacken kann, das erklärt mithras uns im Interview:
mithras, erzähl uns einleitend mal etwas über das Kursprogramm 2009 bei rubinia djanes.
In den Kursen wird die Grundlage des DJings vermittelt. Der Grundaufbau ist immer der Selbe: 1. Block gründliche Einführung in die Equipment-Technik, damit die Frauen ihre ansozialisierte Technik-Hemmung loswerden und sehen, wie viel Spass das Ganze macht. Im 2. Block vermittle ich Mix-Techniken, die auch grad von den Teilnehmerinnen ausprobiert werden. Der Rest des Kurses bleibt zum experimentieren und spielen.
Die Teilnehmerinnen-Anzahl der offiziellen rubinia djanes-Kurse liegt bei maximal sechs bis sieben, damit auch tatsächlich alle profitieren können.
Die rdj-Interessentinnen sind übrigens auch nicht nur junge Frauen. Ich arbeite auf zwei Schienen: über die eine mit den Angeboten innerhalb der Mädchenarbeit, da sind die Mädelz zwischen 10 und 18 Jahren. Über die Zweite laufen die Angebote für (junge) Erwachsene, hier rangiert das Alter der Ladiez ab 17 bis 50 Jahre.
Dein Projekt besteht seit 1998 – welche Veränderungen kannst du bei den Frauen, die heute deine DJ-Schule besuchen, gegenüber denen von vor zehn Jahren bemerken?
Allgemein betrachtet sind sicherlich heute Frauen hinter den Plattenteller sichtbarer und häufiger anzutreffen. Trotzdem gibt es noch viel zu wenig Ressourcen, die Frauen sich selbst aneignen und diese dann auch mit anderen Frauen teilen. In denen sie Netzwerke bilden, sich gegenseitig anspornen und motivieren. Und vor allem sich gegenseitig Plätze freihalten, diese gemeinsam besetzen und sich gegenseitig Jobs / Gigs zuschieben.
Bei den Frauen der Generationen ab 20-25, die die rdj-Kurse besuchen, beobachte ich ein vermehrtes Interesse eigenständige Ziele als DJ, im Partybizz und/oder als Produzentinnen zu verfolgen. Es gibt mehr eigenständige Ideen, was sie in dem Feld umsetzen könnten. Sie haben mehr Zugang zu motivierenden Vorbildern, die ihre eigenen Visionen abstützen.
Bei den jüngeren Frauen im Teenie-Alter sehe ich wieder einen Backlash. Da kommen schon mal Aussagen wie, dass das DJing doch nur was für Jungs wäre. Bestünde mehr allgemeines Interesse, auch von den Jungs, an ihren allfälligen Talenten und Fähigkeiten (zum Beispiel als djane), die letztlich ihre Mädchenkulturen mit ausmachen, sähe ihre gesellschaftliche Situation wohl anders aus. Es ist übel, dass Mädelz zu 90 Prozent über Kosmetik und Fashion angesprochen werden. Dazu gehören auch DJ-Kopfhörer fürs weibliche Geschlecht, die na na na? – ja genau rosarot, mit Plüsch oder mit glitzernden Strasssteinen verziert sind.
Als vor einigen Jahren die international erfolgreichste Schweizer Trance-DJ Tatana landesweit auf weltformatiger Werbung für eine Joghurt-Produzentin, mit dem Slogan „Ready to Mix!“ zu sehen war, wollten Mädelz unbedingt djane werden und konnten endlich ein Vorbild nennen.
Du sprichst von notwendigen Vorbildern. Welche Djanes würdest du als international erfolgreich bezeichnen?
Miss Yetti, Monika Kruse, Gayle San, Miss Kittin, Storm (Ex Kemistry & Storm), Andrea Parker oder Chloé, über die das Groove Magazin auch schon eine Titelstory gemacht hat. Oder eben auch DJ Tatana, die kürzlich und zu aller Überraschung als ersteR DJ überhaupt den Prix Walo, mit dem Schweizer NachwuchskünstlerInnen ausgezeichnet werden, und den Swiss Music Award 2008 gewonnen hat.
Aber gerade DJ Tatana hat auch schon weniger Gage als die männlichen Kollegen erhalten. Obwohl sie viel länger und erfolgreicher Platten dreht als viele andere, mehr Cds verkauft und auch international bekannt ist.
Mit welchem Problemen haben junge Frauen im Musikbiz, und speziell in deinem Ressort, dem DJ’ing denn außerdem zu kämpfen?
Ein absolut nicht zu unterschätzendes Problem ist, dass über die weiblichen Protagonisten, DJ’s und Produzentinnen in den gängigen Musikmedien kaum berichtet wird.
Mich gurkt es massiv an, Jahr ein Jahr aus, nur Berichte über das Schaffen der Herren der Erschöpfung zu lesen. Nicht nur Raveline könnte mehr Geld verdienen, wenn sie in diesem Gender-Punkt nicht so antiquiert umgehen würden und tatsächlich zeitgenössisch und trendy wären. Das betrifft auch viele andere Magazine, wie De:Bug, knowledge und die meisten Rock- und HipHop-Magazine. Die Groove ist die einzige Zeitschrift, wie ich finde, die einigermaassen ausgeglichen schreibt und auch viele Frauen in der Redaktion haben, die auch große Artikel schreiben.
Dein Kursangebot richtet sich an 13-18 Jährige und an über 18-jährige – warum sprichst du bewusst auch „ältere“ Mädchen an?
Oft dauert es für Frauen länger, einen Einstieg in die Materie zu finden. Frauen sind auch häufig mit verschiedenen Lebensprojekten befasst, dies verlängert die Dauer zur Umsetzung eines einzelnen. Seltener sind Frauen tagein tagaus mit den gleichen Tätigkeiten befasst, wie beispielsweise Männer die Jahre am Skaten sind.
Nach dem Aneignen der Grundlagen muss man üben, üben, üben, sich ein Musik-Repertoire zulegen, stundenlang in Plattenläden rumstehen, eine eigene Stilnische finden und erste Erfahrungen an Gigs in kleinerem Rahmen sammeln. Hat eine Zugang zu djanes / DJs im Bekanntenkreis, die sie zu den ersten Gigs mitnehmen und die die eigene Auflegezeit mit ihr teilen, dann kann’s ratzfatz losgehen. Ein Netzwerk ist enorm wichtig! Denn, sich alleine zu positionieren ist schwer und benötigt einen ungebrochenen Willen, ein starkes Selbstbild als djane und Selbstvertrauen und endloses Durchhaltevermögen.
Jetzt sagst du, auch wenn der Weg als weiblicher DJ nicht immer rund läuft, selber hast viele gute Erfahrungen gemacht – auch mit Jungs, „die nicht in Panik ausbrechen, wenn sie mit Frauen zusammenarbeiten müssen“ Letzte Frage fürs DJ-Pult: Was können dort denn die Jungs von den Mädchen und umgekehrt die Mädchen von den Jungs lernen?
Jungs / Männer können von Mädchen / Frauen solidarisches und empathisches Miteinander lernen, dass es auch ohne Egotripping geht. Sie können einen unkonventionellern Umgang mit Musikstilen lernen. Sie können von uns lernen, dass Kommunikation einem unter Umständen weiterbringt als narzisstisches Getue. Ich höre jedenfalls immer wieder mal erleichtertes Aufschnaufen von ClubbetreiberInnen, dass es angenehmer wäre mit Frauen zu arbeiten, weil die zum Beispiel nicht gleich beleidigt wären, wenn sie gebeten würden die Musik etwas leiser zu stellen, weil weitere Anzeigen gestörter NachbarInnen den Fortbestand des Clubs gefährden.
Mädchen / Frauen können von Jungs / Männer lernen mutiger die eigenen Visionen und Ziele umzusetzen, auch wenn man den Schiss in der Hose hat. Wir können von ihnen lernen, dass Netzwerke nicht unbedingt eine Form der Freundschaft sind, wo sich alle lieb haben und die Stimmung immer gut ist, sondern eine Interessengemeinschaft über die man sich gegenseitig portiert uns somit auch selbst mehr von den Gesamt-Ressourcen profitiert. Und dass man mal was wagen kann, auch wenn es noch nicht perfekt ist und dem Prinzip ‚lerning by doing‘ zu vertrauen. Und ganz wichtig sich zu beteiligen, sich einzuschalten, aktiv zu sein, Impulse zu setzen!
Für ihre Djane-Schule hat mithras noch viele Pläne. Ein professionelle Bookingagentur unter dem rubinia djanes-Label für angehende Plattendreherinnen wäre ein Traum Oder auch einfach noch ein paar Leute, die der Allrounderin unter die Arme greifen, denn bisher schmeißt mithras den Laden ganz alleine – Leiterin, Kursdozentin, Geldbeschafferin, Öffentlichkeitsarbeiterin, Web-Bewirtschafterin, Flyergrafikerin – für das eigene DJ-Pult bleibt da nicht immer Zeit. Für Kontakte, Tipps, Ideen oder auch Geschäftspartnerinnen verschiedenster Sparten ist mithras offen. Alle Infos zu mithras, rubinia djanes und allen Kursen und Angeboten gibt es hier.
„Jungs / Männer können von Mädchen / Frauen solidarisches und empathisches Miteinander lernen, dass es auch ohne Egotripping geht. Sie können einen unkonventionellern Umgang mit Musikstilen lernen. Sie können von uns lernen, dass Kommunikation einem unter Umständen weiterbringt als narzisstisches Getue.“
Absolut daneben.
Warum? Weil es längst schon so ist. Ich kenne einige DJ’s, die treffen sich, tauschen Tips und Tricks aus. Gute mit schlechten, Bekannte mit Unbekannten usw. Genau das gleiche mit dem unkonventionellen Umgang mit Stilen, längst vorhanden, in deren Plattensammlungen findet sich so einiges.
Mir scheint, hier musste unbedingt ein Unterschied Mann Frau vom Zaun gebrochen werden, weil’s ja sonst kein Thema geben würde
Und das mit den Anzeigen halte ich für Unfug, weil jeder Club sowieso Lizenzen hat, bis dann und dann laut Musik zu machen. Als wäre das nicht geregelt
Schönes Interview und schönes Thema! Gracias! (Mensch muss ja nicht mit allem Gesagten übereinstimmen, um das zu finden)
access denied: ob der Club seine Lizenz behalten darf, hängt aber durchaus davon ab, ob die Nachbarn beim Ordnungsamt Terror machen oder nicht.
Will nicht in Abrede stellen, dass man es als DJane (halte dieses Wort übrigens für den Grund, weswegen man bei DJ meistens an einen Mann denkt) mehr um Akzeptanz kämpfen muss, habe aber ebenfalls den Eindruck, dass die Differenz hier bewusst stilisiert und überzeichnet wird um ein Thema zu haben.
“Jungs / Männer können von Mädchen / Frauen solidarisches und empathisches Miteinander lernen, dass es auch ohne Egotripping geht. Sie können einen unkonventionellern Umgang mit Musikstilen lernen. Sie können von uns lernen, dass Kommunikation einem unter Umständen weiterbringt als narzisstisches Getue.”
Da wird ein Bild von Männlichkeit und Weiblichkeit entworfen, von dem ich nur schwerlich glauben kann, dass es in DJ Kreisen (bin da nicht drin, deswegen nehme ich mir kein Urteil heraus) anders sein soll als im Rest der Gesellschaft.
Frau = solidarisch, empathisch, kooperativ, kreativer
Mann = egoistisch, konventionell, narzistisch
Sorry, da habe ich sowohl mit Frauen als auch mit Männern sehr unterschiedliche Erfahrungen gemacht.
OMG! Ich bin mit access denied einer Meinung!
Andere Frage: Wieso ist der Artikel weder in der Reihe „Wilde Mädchen“ noch in der Reihe „Gespräch mit der Künstlerin“? (Okay, letzteres, weil es „3 Fragen an die Künstlerin“ heißt und hier mehr als 3 Fragen gestellt wurden.)
@access denied
Schön, dass du andere Erfahrungen gemacht hast, aber mithras macht den DJ-Job + ihre Schule auch nicht erst seit gestern.
Nein – denn eigentlich geht es um den Kursplan 2009 bei rubinia djanes und die Frage, auf die du dich beziehst, dient der gegenseitigen Annäherung und nicht der mutwiliigen Diffamierung.
„Nein – denn eigentlich geht es um den Kursplan 2009 bei rubinia djanes und die Frage, auf die du dich beziehst, dient der gegenseitigen Annäherung und nicht der mutwiliigen Diffamierung.“
ABer diesen Unterschied aufzumachen bedeutet doch nicht, dass die Intention die Diffamierung war. Der Artikel wäre z.B. viel uninteressanter für viele, wenn da eben nicht auf die DIfferenz gepocht würde, möchte ich mal vermuten
Ein Fakt ist sicher auch, dass mithras in einer höheren Liga spielt, wo es auch um Geld und Verträge geht usw. Da hört dann meistens die Freundschaft auf, ist klar.
Aber glaub mir, die breite DJ(ane)-Szene funktioniert so nicht, ich hab da nur Gegenteiliges erfahren