Heng ist freie Autorin, bloggt auf Tea-Riffic – wo auch der folgende Text bereits erschienen ist – und twittert unter @sassyheng. Bei der Mädchenmannschaft hat sie zuletzt das aktuelle Buch von Laurie Penny besprochen.
Bis Halloween sind es zwar noch ein paar Wochen hin, aber die Geschäfte preisen ihre kackscheiszigen Perücken und Kostüme jetzt schon aggressiv an. Dass es rassistisch ist, sich als Schwarze Person, Mexikaner_in, Sinti und Roma, People of First Nations, Inuit, you name it, zu verkleiden, ist bei vielen in Deutschland noch nicht angekommen. Auch sind gegenderte Kostüme in der Regel sexistisch: Als Frauisierte ist es schwer, ein Kostüm zu finden, dass nicht “sexy” ist.
Deshalb habe ich mir ein paar Gedanken gemacht und mir einfach umsetzbare D.I.Y.-Kostüme ausgedacht. Horror habe ich für mich selbst definiert und an alltägliche Dinge gedacht, die mir kalte Schauer von Angstschweiß verpassen.
1) White Tears
Ob in Flaschen- oder Eimerform, als Raumspray oder einzeln verpackt – scary sind White Tears immer. Gerade an Halloween scheint es Hauptsaison zu sein, wenn weißen Leuten empfohlen wird, lieber keine rassistischen Kostüme zu wählen.
2) Nice Guy™
Kinnbart, Fedora und optional ein T-Shirt mit “witzigem” (sexistischem) Spruch und dein Outfit für den Abend ist fertig: Der Nice Guy™. Wer so richtig auf die Kacke hauen will, wirft mit unangenehmen Aufreißsprüchen um sich und zwinkert dabei immerzu. Netzfeminist_innen und OkCupid-User_innen werden schreiend weglaufen (oder dich beleidigen).
3) FEMEN-Aktivistin
Schlanke, weiße, ableisierte Cisfrauen ziehen in Puncto Last-Minute-Verkleidung mal wieder das längere Streichholz: Einfach den Oberkörper mit einem essentialistischen_rassistischen Spruch bemalen, Blumenkranz auf den Kopf, Gruppengespräche sichten und sie durch zielstrebiges Einrennen zersprengen. Pro-Tipp I: Oberteil erst auf der Party ausziehen. Pro-Tipp II: Am besten auf einer Party mit Sexismus-Awareness tragen, da sonst die Wahrscheinlichkeit auf Übergriffe noch höher ist.
4) Mon Chérie
Das wahrscheinlich ekelhafteste Produkt aus dem Hause Ferrero: Mon Chérie. Werbung hat selten so gelogen. #TeamNonCherie Von rosa-rotem, holographischen Stoff umwickelt, mit Kirsche auf dem Kopf (oder in dir drin), notfalls Label auf den Bauch schreiben. Obacht: Den Anlass, als Schokolade verkleidet zu sein, nicht dazu nutzen, die eigene Haut dunkler zu malen. Wenn dein Kostüm ohne dieses Detail nicht erkennbar ist, hast du es nicht gut genug gebastelt, just deal with it.
5) Alice Schwarzer
Mindestens so beliebt wie die FEMEN-Aktivistin ist die Urform der FEMEN-Aktivistin: Alice Schwarzer. Zumal sie “in den 70ern ja richtig gute Arbeit geleistet hat!!11″™, gibt es Menschen, die das Kostüm als empowernd betrachten werden. Wer aber seit den 70ern weitergedacht hat, wird sich fürchten. Und den Kopf tief in die Hände vergraben.
6) Kläffender Schäferhund
Story of my Middle Eastern Childhood tbh: Wir hatten damals so weißdeutsche Nachbar_innen mit einem großen Schäferhund, den sie nicht unter Kontrolle hatten. Immer, wenn wir ihn auf dem Weg nach draußen im Treppenhaus gehört haben, blieben wir noch einen Moment länger in der Wohnung, um nicht von dem Rex II angesprungen zu werden. Mit den Jahren zeigte sich, dass weiße Deutsche mit aggressiven Schäferhunden ein übliches Ding hier in Schland ist. Help.
7) Lesbian Drama
Die Ex der Ex daten? Tegan and Sara CD-Kollektion ausgeliehen und nie wiederbekommen? Bei der Trennung der große Streit um das Adoptionsrecht der gemeinsamen Katze? Der Flüsterfunk ist außer Kontrolle geraten? Das Ex-Dreieck-aus-der-Hölle sitzt beim Sonntagsbrunch zwei Tische weiter? Das Lesbian Drama kennt kein Erbarmen. Einfach sämtlich Szenarios auf kleine Zettel schreiben und an die Klamotten pinnen, tadaaaa: Gruseloutfit.
8) BHs und Binder
Zu eng, zu groß, gerissen, der Bügel bohrt sich in die Brust, die Preise schießen in den Himmel: HELP! HELP! (Umsetzbarkeit: Sämtliche BHs_Binder, gerne mit kaputtem Bügel u.Ä., an die Kleidung hängen. Vielleicht sogar mit überteuerten Preisschildern.)
9) PMS
Aufgequollene Leak-Tampons, vollgerotzte Tempos und Uterus-Rage-From-Hell: Still not loving PMS. Dank zahlreicher Synonyme lässt sich das ganze gut verbildlichen, zum Beispiel als hungriger Hai (#SharkWeek), als Erdbeerstrauß (#ErdbeerWoche) oder als der altbekannte Homie Tante Rosa.
10) Gitarren-Dude
Lerne Wonderwall, Let It Be und Seven Nation Army auf Gitarre und spiele die Songs ungefragt vor der Crowd. Sobald sich andere Leute um dich herum scharen und mitsingen, hast du dein Ziel erreicht. Wenn ein_e wütende_r Feminist_in auf dich zukommt und die Gitarre zerschmettert, hat er_sie ihr_sein Ziel erreicht.
11) Barista mit Bart
Klebe dir einen langen Bart an (am besten rotblond), träge ein Jeanshemd mit einem weißen T-Shirt darunter und lasse die oberen drei Knöpfe offen. Dazu eine enge Hose und Chelsea-Boots, ein Sack Kaffeebohnen und triviales Wissen über den Café-Betrieb – schon bist du genau richtig dafür ausgestattet, Leute ungefragt mit Kaffee-Fun-Facts zu versorgen. Denn viele von uns kennen zu gut diese Situation, in der sie einfach eine Tasse Filterkaffee auf drei Stunden strecken um in der Zeit Wifi zu schnorren und einen auf Public Office zu machen, aber ständig vom nervigen Barista-Dude und seiner Wertschätzung für guten Kaffee genervt werden. NO ONE CARES ABOUT IT.
12) Extra-Gebühr für Soßen
Das schlimmste Imbisserlebnis ist, wenn Soßen extra berechnet werden. Und dann bestenfalls noch in geizigen Portionen herausgerückt werden. Ein Pappkarton kann hier gut zu einer Tafel umfunktioniert werden. Wichtig ist, dass gut zu erkennen ist, dass Soßen 30-50 Cent kosten. Wer so richtig auf die Kacke hauen will, schreibt vielleicht sogar 1€.
13) Kürbis
Mag vielleicht ausgelutscht klingen, vielleicht auch unlogisch, weil Kürbisse superlecker sind. Der Horror beginnt allerdings beim Aushöhlen, Schälen und Schneiden.
Habt ihr noch mehr Ideen für gruselige Halloween-Kostüme? Dann raus mit der Sprache!
Mein Konstümvorschlag ist der „What About The Man“. Einfach den Abend über gequält gucken und bei sich bietender Gelegenheit mit einem beherzten „Aber Männer haben es auch schwer!“ reingrätschen.
Beispiel: „Scheiße, das Bier ist alle.“ „Aber Männer haben es auch schwer!“