Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung und sogenannte „Zwangsprostitution“ sei durch das 2002 von der rot-grünen Regierung verabschiedete Prostitutionsschutzgesetz nicht eingedämmt, sondern befördert worden. So zumindest die Meinung der Regierungskoalition von Union und SPD. Bereits im vergangenen Sommer hatten sich die Parteien auf eine Novellierung des Gesetzes verständigt, das in seiner geplanten Änderung unter anderem eine Anmeldepflicht für Sexarbeiter_innen, eine Kondompflicht für Freier, eine Heraufsetzung des Mindestalters von 18 auf 21 für Sexarbeiter_innen und Zwangsuntersuchungen vorsah. Zum damaligen Zeitpunkt gab es bereits Kritik am Eckpunktepapier, z.B. vom Berufsverband Sexarbeit und dem Deutschen Juristinnenbund und vor kurzem einen Offenen Brief von Verbänden und Beratungsstellen an die Bundesregierung. Offensichtlich ohne großen Erfolg.
Gestern Abend haben sich Vertreter_innen der Koalitionen geeinigt. Die „angenehmen“ Ergebnisse zuerst: Es wird keine Zwangsuntersuchungen geben und das Mindestalter wird auch nicht heraufgesetzt. Trotzdem sind die Pläne mit Pferdefüßen versehen. Statt der verpflichtenden gesundheitlichen Untersuchungen, müssen sich Sexarbeiter_innen nun einmal jährlich zu einer gesundheitlichen Beratung melden. Und es gibt Sonderauflagen für unter 21-Jährige, die in der Sexarbeit beschäftigt sind. Sie müssen doppelt so häufig zu den Beratungen, die gleichzeitig Voraussetzung für die Anmeldung sind. Während sich jüngere jedes Jahr neu anmelden müssen, ist dies für über 21-Jährige alle zwei Jahre vorgesehen.
Betreiber_innen von Bordellen und Clubs, die kostenpflichtige sexuelle Dienstleistungen anbieten, benötigen in Zukunft nicht nur einen Gewerbeschein, sondern eine besondere Erlaubnis zum Betrieb. Damit soll nach Meinung der Regierung sichergestellt werden, dass an diesen Orten kein Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung stattfindet und sichere Arbeitsbedingungen vorherrschen. Selbstorganisationen, Aktivist_innen und Verbände kritisieren allerdings, dass noch völlig unklar ist, welche Arbeitschutzrichtlinien gelten sollen oder ob es einen Bestandsschutz für bestehende Wohnungsbordelle geben wird. Außerdem täten Menschenhändler alles dafür, einen legalen Eindruck zu erwecken, zur Prostitution gezwungene Menschen würden ordnungsgemäß angemeldet und führten Steuer ab, heißt es von Seiten der Verbände.
Weiterhin wird eine Kondompflicht für Freier eingeführt, die nicht mit Bußgeldandrohungen für Sexarbeiter_innen verbunden sind. Trotzdem ist unklar, wie Verstöße kontrolliert und sanktioniert werden. Die Bundesregierung will die Umsetzung des Gesetzes komplett in die Verantwortung der Länder übergeben.
Cornelia Möhring, frauenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion der Linken, fand heute deutliche Worte:
„Unter dem Vorsatz, den Menschenhandel zu bekämpfen, hat die Koalition sich auf Kernpunkte eines Prostituiertenschutzgesetzes verständigt, das diverse Maßnahmen vorsieht, um den staatlichen Zugriff auf den Bereich sexueller Dienstleistungen auszuweiten. SexarbeiterInnen werden durch das Gesetz nicht etwa geschützt, sondern vielmehr entrechtet und in ein Schattendasein zurückgedrängt, in dem sie verstärkt Ausbeutung und Gewalt ausgeliefert sind. Die vorgesehenen Maßnahmen sind Ausdruck der fortdauernden Stigmatisierung von Prostituierten“
Fraglich bleibt, ob das Gesetzesvorhaben in seiner jetzigen Form überhaupt legal ist. In den Niederlanden scheiterte die Anmeldepflicht für Sexarbeiter_innen am Datenschutz. Auch der Deutsche Juristinnenbund äußerte Bedenken, ob die Pläne der Regierung überhaupt verfassungskonform seien (siehe Stellungnahme und Offener Brief oben).
In den Diskussionen um die Neuerung des „ProstSchG“ von 2002 hatten Sozialarbeiter_innen, Sexarbeiter_innen und Aktivist_innen immer wieder betont, dass Zwang und Kontrolle zu einer weiteren Verschärfung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Menschen führt, die in der Sexarbeit tätig sind, egal ob freiwillig, legal oder per Zwang und/oder illegalisiert. Der Ausbau von und die finanzielle Ausstattung freiwilliger Angebote, Beratungsstellen, aufsuchender Sozialarbeit, Notunterkünfte und soziale wie rechtliche Absicherung von in der Sexarbeit tätigen, müssten im Vordergrund stehen.
Danke für den Beitrag <3
Übrigens ist die Überschrift lustig, weil ja nicht das Prostituiertenschutzgesetz reformiert wird, sondern dieses neue Gesetz das Prostitutionsgesetz reformieren soll ;-)