Für sexuelles Selbstbewusstsein

Dieser Text ist Teil 10 von 115 der Serie WWW Girls

In jeder Folge der WWW Girls stellen wir euch eine Bloggerin und ihr Weblog vor. Heute:

LES-PETITS-PLAISIRS.blogspot.com

Wie heißt Du?
Viktoria.

Seit wann bloggst du?
Seit Februar 2008.

(c) Frl. Zucker, fraeuleinzucker.blogspot.com

Warum hast du damit angefangen?

In der Zeit vor dem Abi war ich schlichtweg nicht ausgelastet und hatte entdeckt, dass Bloggen wirklich eine fabelhafte Methode ist, seinen Gedanken freien Lauf zu lassen und ihnen Ausdruck zu verleihen. Es gab zu viel, was mich annervte: Geschlechterstereotypen, Frauenzeitschriften, Mager-Trends – die Liste ist lang. Mittlerweile habe ich meine Nische in der Auseinandersetzung mit erotischen Themen gefunden. Erotik und Sexualität werden zu häufig nicht richtig gewürdigt. Die Auseinandersetzung mit ihnen ist oft an Geschlechterbilder gekoppelt, oft verschämt und oft stark moralisch geprägt. Zudem gibt es im Internet ein Überangebot an Pornografie – Erotik sucht man häufig vergebens.

Worüber schreibst du?

Über Erotik, Sinnlichkeit, Ästhetik und Sexualität. Wichtig ist es mir, dabei viele verschiedene Aspekte zu beleuchten. Da ich mich aus selbst in der BDSM- und Fetischszene herumtreibe greife ich auch diese Themen auf. Wichtig ist mir zudem aber auch, für partnerschaftliche Kommunikation einzutreten – vor allem in Bezug auf Sex und ein gestärktes weibliches sexuelles Selbstbewusstsein. Dieses ist meiner Erfahrung nach oft noch viel zu gehemmt und wird von Medien, von Pornografie und moralischen Vorstellungen geprägt, was in meinen Augen keine gute Kombination ist. Weitere Themen sind erotische Moden, Kunst, Literatur sowie Sexspielzeug.

Was dir ohne Internet nicht passiert wäre:
Ohne das Internet hätte ich meinen wunderbaren Partner wahrscheinlich nie kennen gelernt und ich hätte nicht die Möglichkeit gehabt, mir meiner Neigungen bewusst zu werden, mich über sie auszutauschen und wegen ihnen kein schlechtes Gewissen mehr zu haben.

Wovon braucht das Internet mehr?

Das Internet braucht mehr Eigeninitiative. Noch haben wir das großartige Glück, uns im Internet frei über Meinungen, Politik und Gesellschaft auszutauschen. Die Frage ist, wie lange dies ohne Zensur noch möglich ist. Ich halte es für sehr wichtig, alternative Ansätze diskutieren zu können, von Mainstream-Medien unabhängig zu sein und Gegenstände von verschiedenen Seiten beleuchten zu können. Es wäre schön, wenn dies so bliebe und mehr Menschen Interesse daran hätten, für die Freiheit im Internet einzustehen und Zensurvorhaben von Seiten der Bundesregierung entgegenzuwirken. Zudem braucht das Internet mehr Frauen, die über wissenschaftliche, politische und kulturelle Themen bloggen. Ich weiß zwar nicht genau, wie das Verhältnis zwischen männlichen und weiblichen Bloggern im Allgemeinen so steht, aber besonders viele seriöse Blogs von Frauenseite gibt es nicht.

Frauen im Web sind…
leider noch unterrepräsentiert.

Deine tägliche Web-Lektüre:
Heise Telepolis und Infokrieg.tv

Tipps und Bewerbungen für die WWW Girls an mannschaftspost(at)web.de.

17 Kommentare zu „Für sexuelles Selbstbewusstsein

  1. Das blog ist echt super.

    Zum Thema Erotik und BDSM sieht man leider viel Unsinn im Internet und das Blog hebt sich im Niveau wohltuend ab.

    Ich kann es nur empfehlen.

  2. ich bin auch fan!
    hab letztens noch deinen text zu polygamie gelesen. kennst du das buch „the ethical slut“? kann das nur empfehlen, hab allerdings bisher nur die ältere version gelesen.

  3. Mlle Nocturne,

    „… vor allem in Bezug auf Sex und ein gestärktes weibliches sexuelles Selbstbewusstsein.“

    Ich glaube, ich weiß, was Du meinst. Aber ich denke, daß der Begriff „weibliches sexuelles Selbstbewußtsein“, das nicht so genau trifft. Es geht doch eher um die Bereitschaft zur Um- und Durchsetzung des eigenen sexuelles Interesses, weniger um das grds. sexuelle Selbstbewußtsein. Ich denke, das es im Gegenteil so ist, daß Männer viel weniger sexuelles Selbstbewußtsein haben, d.h. sie bewerten ihre eigene Sexualität als der weiblichen nicht gleichwertig – tut ja niemand, sonst hätten wir ja nicht diese ganze Diskussion.

  4. doch, jj, es geht auch um sexuelles selbstbewusstsein – und zwar selbstbewusstsein im ursprünglichen sinne des wortes und nicht wieder diese wertdiskussion im vergleich zur männlichen sexualität. bevor man in irgendeiner form seine sexuellen interessen um-und durchsetzen kann, muss man sich ihrer erstmal bewusst werden. und das sind sich viele frauen eben nicht… ich schätze (kann es aber jetzt grad nicht wissenschaftl. unterbauen) dass männern ihre interessen viel deutlicher sind, wenn man mal überlegt dass eure sexualität sich viel früher und offensichtlicher in den vordergrund eures lebens drängt. die weibliche biologie ist da etwas subtiler (nicht besser! subtil wird ja immer gerne mit was ganz tollem assoziiert) und frauen werden natürlich auch anders mit sexuell sozialisiert. weibliche sexualaufklärung ist schon vom grunde auf viel negativer… mädchen müssen lernen grenzen zu setzen und sich zu schützen, uns wird erzählt dass pornos grundsätzlich schlecht und böse sind, masturbation wird nur selten überhaupt erwähnt… und dann kommen schon die ganzen bösen themen (missbrauch u.ä. sexuelle gewalt, prostitution von der „opfer“-seite aus)… ich sage nicht dass diese themen nicht wichtig sind, aber sie beleuchten zumindest nicht die schönen seiten am sex. die auklärung von jungs ist da viel freier (nicht immer besser!), glaube, ich… pornos und masturbation z.B. gehören ganz natürlich dazu (auch wenn mama da nix von mitkriegen sollte). damit will ich nicht sagen dass pornos essentiell sind für die sexuelle aufklärung sind aber die beschäftigung mit fremden (oft auch furchtbar schlecht dargestelltem sex) ist nunmal ein schritt zur eigenen sexualität… so wie etwa R’n’B und deutscher gangster-hip hop zur gesunden musikgeschmack-entwicklung.
    und dann wird jungs noch erzählt, dass mädchen da viel seltener wollen und man das respektieren muss und mädchen kriegen zu hören dass jungs im grunde immer wollen und man da immer vorsichtig sein muss (und da kommen wir dann zu dem von dir erwähnten wert).
    dass sex etwas schönes, gutes und vielfältiges ist haben viele frauen nie gelernt… es täuschen nicht unbedingt soviel frauen einen orgasmus vor, weil sie sich über den mann heimlich lustig machen, der es glaubt oder ihn endlich loswerden wollen, sondern weil sie noch nie einen echten orgasmus hatten (eigenarbeit jetzt mal aussenvor) und nicht über die dinge reden können, die ihnen gefallen, weil sie entweder tatächlich nicht wissen oder das eben nicht ausdrücken können.

    so, ich geh jetzt los und trage meinen teil zur sexualaufklärung von kindern bei….

  5. @Erna: Du sprichst mir aus der Seele. Danke für den tollen Text!

    Ich habe es an mir selbst gemerkt. Ich habe lange gebraucht um mir selbst meine sexuellen Vorlieben einzugestehen.

  6. Das sexuelle Selbstbewusstsein von immer mehr Frauen ist eine der Sonnenseiten der letzten 30 Jahre! Warum die weibliche Sexualität in den letzten …. hundert …. tausend Jahren dermassen marginalisiert und unterdrückt worden ist, ist und bleibt mir ein Rätsel- wie mir noch viel ein Rätsel ist im Bezug auf die patriarchalischen Strukturen der letzten …. hundert …. tausend Jahre.

    Der Text von Erna spricht da Bände.

  7. so rätselhaft ist diese geschichte der unterdrückung nicht. tät ich mal sagen. ist eine sehr eigene christliche ‚erfindung‘. findet sich weder im judentum noch im islam von vor tausend jahren…

  8. Ich habe da letzthin mal den Knigge hervorgeholt- den Freiherrn, notabene.

    Kaum zu glauben, was dieser Mann über Frauen imstande war zu sagen. Wenn wir schon beim Patriarchat sind.

    Nur im Christentum? Worauf wären dann diese abendländischen Wirrungen zurückzuführen?

  9. auf die allmähliche herausbildung einer bestimmten wirtschaftsordnung, welche sich am ende kapitalismus nannte, beispielsweise. verbunden mit der herausbildung einer ‚christologischen‘ herrschaftsordnung, in der so was vorkommt wie „Haupt“ und „Glieder“und „Leib“ und „Geist“. verbunden mit der herausbildung einer wissensordnung… und das ganze in auseinandersetzung mit und abgrenzung zu anderen ordnungen von wirtschaft, herrschaft, wissen – und natürlich auch geschlechtern.

  10. @ Erna, Steve:
    Ich finde den Text von Erna auch ganz toll, so viele essentielle Dinge die einen im Laufe der eigenen Entwicklung beeinflussen und so..

    Was mir nicht so gefällt, ist die Formulierung von Steve „um mir … einzugestehen.“ Das hört sich gleich wieder so nach Sünde und Beichte an.
    „…meine sexuellen Vorlieben herausfinden/darüber bewusst werden“ fände ich besser.

    Es könnte zwar sein, dass du die Formulierung gewählt hast, weil du Vorlieben abseits der Norm meintest. (Selbst dann fände ich die Formulierung nicht notwendig.) Es könnte aber auch einfach verdeutlichen, wie schwer dieser Prozess des „sexuell selbstbewusst Werdens“ eben sein kann.
    Oder dass frau lange nicht so selbstbewusst ist, wie frau meint schon zu sein…

  11. Erna,

    sehr schöne Antwort, danke :). Ok, stimme Dir zu: Selbstbewußtsein im Sinne von „sich seiner Sexualität Bewußt sein“.

    „und dann wird jungs noch erzählt, dass mädchen da viel seltener wollen und man das respektieren muss und mädchen kriegen zu hören dass jungs im grunde immer wollen und man da immer vorsichtig sein muss (und da kommen wir dann zu dem von dir erwähnten wert).“

    Genau. Es ist sicher wichtig, auch Jungs beizubringen, daß es ok ist, „nein“ zu sagen, wenn sie nicht wollen. Und es ist sicher auch wichtig, den Unterschied zwischen nicht vorhanden und subtil aufzuzeigen. Aber die Wahrnehmung ist halt schon die, daß – sagen wir mal außerhalb des emotionalen Duopols einer Liebesbeziehung – männliche Sexualität reichlich vorhanden ist und weibliche Sexualität ziemlich knapp, biologisch und kulturell begründet, und deswegen weibliche Sexualität einen höheren Wert (und, wenn monetär bewertet, einen höheren Preis) hat als männliche.

    „dass sex etwas schönes, gutes und vielfältiges ist haben viele frauen nie gelernt…“

    Nicht nur Frauen. Das ist auch wirklich nicht der Zeitgeist – zumindest im öffentlichen Diskurs wird Sexualität ja geradezu pathologisiert. Die 70er sind echt schon eine Zeitlang her… viel Erfolg bei der Basisarbeit!

  12. so rätselhaft ist diese geschichte der unterdrückung nicht. tät ich mal sagen. ist eine sehr eigene christliche ‘erfindung’. findet sich weder im judentum noch im islam von vor tausend jahren…

    Echt, waren Judentum und Islam früher sexfreundlicher? Heutzutage nehmen sich orthodoxe Juden und Muslime ja eher noch extremer aus als die Katholiken.

  13. ja, Neeva, waren sie und sind sie. aber das gehört eigentlich nicht so kurz gesagt sondern mal etwas ausführlicher auseinandergenommen und dargelegt. dennoch sagt ich noch mal so auf die schnelle, dass der umgang mit und die auffassung von körper und sexuellem begehren in diesen drei monotheistischen groß-konfessionen sehr unterschiedlich sind. – allerdings ist nicht zu übersehen, dass die je eigenen (religionsgebundenen) trennungen von öffentlichem und privatem raum zeit- und teilweise recht bizarre formen annehmen. von außen betrachtet.

  14. @jj: Ja, also besser als Erna hätte ich es garnicht formulieren können! :-) Jedenfalls ist es genau das, was sie schreibt, was ich eben auch meine. Meine Sexualaufklärung zu Beginn des 21. Jahrhunderts bezog sich lediglich auf hygienische und medizinische Aspekte der Geschlechtsorgane sowie den Geschlechtsverkehr und wie man eine Schwangerschaft vermeidet. Dass Masturbation etwas normales ist, habe ich nie erfahren. Meine Freundinnen haben auch „nie“ masturbiert. Nur Jungs machten „sowas“. Derartiges und noch einiges mehr hat mich stark verunsichert. Wenn ich aber sehe, in welcher Form über Sexualität beispielsweise bei „go femin“ gesprochen wird, dann kann ich nur den Kopf schütteln. Alles wird metaphorisiert, die Klitoris wird plötzlich zu einem gesellschaftlichen „Tabuthema“, sodass impliziert wird, dass die Beschäftigung mit dem eigenen Körper irgendwie was unanständiges ist.

    @Noomi: Also wenn ich über meine Sexualität denke, muss ich auch sagen, dass ich mir vieles „eingestehen“ musste. Das mag sich für Dich komisch anhören, aber beispielsweise meine Erniedrigungsphantasien empfand ich als ganz schön unangebracht, ich habe mich für diese geschämt und habe versucht sie zu verdrängen. Ich musste sie mir auch erst „eingestehen“, sie akzeptieren und mögen. Daher kann ich die Formulierung schon sehr gut verstehen und halte sie für angebracht. Denn man ist schließlich vor allem in der Pubertät nicht losgelöst von gesellschaftlichen Normen. Diese wirken sich ja auch persönlichkeitsbildend aus, und anhand ihrer kann man abschätzen, wie „normal“ das eigene Verhalten, die Wünsche und Bedürfnisse sind. Und wenn dies nicht der Fall ist, dann findet man sich komisch und mag es auch verdrängen wollen.

  15. @Noomi: Ich habe eine Zeitlang tatsächlich dafür geschämt, dass ich mich überhaupt selbst befriedigt habe, da auch bei mir im Freundinnenkreis niemand darüber geredet hat. (wie auch Mme Nocturen schön beschrieb)
    Dann habe ich mich lange Zeit als „unnormal“ empfunden, weil ich diverse Phantasien hatte, die ich als „pervers“ empfand, die mich aber total erregten. Mittlerweile habe ich das akzeptiert und bin sehr, sehr froh, dass ich mich mit meiner Sexualität auseinander setzen kann (so ganz im reinen bin ich mit mir leider oft immer noch nicht ganz – aber ich arbeite daran) und auch mittlerweile sogar Sachen ausleben kann, die ich schon immer ausprobieren wollte.

  16. @M. Nocturne (& steve)
    Ich glaube ich war wohl ein wenig missverständlich. Ich wollte auf keinen Fall absprechen, dass man solche Erkenntnisse als ein „sich eingestehen“ erlebt hat.
    Sondern quasi dazu „ermuntern“, das mit der Zeit eben nicht mehr so zu nennen. Und damit bei der Umwelt und einem selbst auf mehr Selbstverständlichkeit hinwirken…

    Also quasi Veränderung der Rollenbilder durch bewußtere Benutzung der Sprache.

Kommentare sind geschlossen.

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