Meglena Kunewa, 54, gilt laut Umfragen als Favoritin bei den Präsidentschaftswahlen in Bulgarien und könnte im Oktober die erste Präsidentin in der Geschichte ihres Landes werden – und damit auch eine der ersten erfolgreichen osteuropäischen Politikerinnen überhaupt. Denn Politik bleibt in diesem Teil der Welt weitgehend Männersache: in den Augen breiter Teile des Publikums, aber vor allem für die politische Kaste, die einem Männerklo ähnlich ist, wie die Vertreterinnen der ukrainischen Frauengruppe Femen zugespitzt behaupten.
Kunewa war zwischen 2007 und 2009 Kommissarin für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit in Brüssel. Das Image einer EU-affinen Politikerin gibt ihr einen wichtigen Vorteil gegenüber ihren männlichen Wettbewerbern. Schließlich steht Bulgarien wegen seiner Korruptions- und Justizprobleme nach wie vor im Visier der Kommission, der Schengen-Beitritt des Landes wurde verschoben. Auf die unabhängige Kandidatin Kunewa wartet jetzt ein schwieriger Wahlkampf: Mit der Unterstützung der Zivilgesellschaft aber ohne eine starke politische Partei hinter sich muss sie beweisen, dass sie mitten in der Wirtschaftskrise Herrin der Lage sein kann.
Doch auch wenn Kunewa Präsidentin wird, bedeutet das noch lange nicht, dass sich die Situation der Frauen in Bulgarien unbedingt verbessert. In einem Interview mit der österreichischen Zeitung Der Standard bedauert die Kandidatin zwar, dass ihr Land in der öffentlichen Verwaltung oder in der Privatwirtschaft „dieses Kapital“, also seine Frauen, nicht nutzt. Gleichzeitig will sie jedoch aus der Bekämpfung von Machismo kein großes Thema machen. Dabei sollte dies in Bulgarien und in vielen anderen Ländern der Region eine der höchsten Prioritäten jeder auch nur halbwegs feministischen PolitikerIn sein.
Ähnlich wie Julia Timoschenko, die ehemalige ukrainische Ministerpräsidentin, die jetzt wegen (politisch motivierter) Korruptionsvorwürfe in Untersuchungshaft sitzt, wird Kunewa die Politik in Bulgarien nicht revolutionieren. Sie wird aber wohl zur Normalisierung der gesellschaftlichen Verhältnisse beitragen – immerhin ein kleiner Schritt in Richtung Gleichberechtigung.