Die Weiber seien untertan ihren Männern

Jimmy Carter hat in einem sehr kritischen Artikel im britischen Observer die Rolle von Religionen in Bezug auf die Unterdrückung der Frauen thematisiert. Und ich muss sagen, er hat in den meisten Punkten Recht, nur leider bleibt er, aus meiner Sicht, nach einer guten Analyse auf halber Strecke stehen.

Oft ist es auf Religionen zurückzuführen, dass Frauen schlechter ausgebildet werden, ihnen Berufe vorenthalten und Macht verwehrt wird – von sexuellen wie freiheitlichen Selbstbestimmungsrechten ganz zu schweigen. Und das gilt nicht nur für eine Religion, in so gut wie jeder finden sich dafür Regeln, sogar in vielen buddhistischen Häusern!

Quotenmann

(C) Eva Hillreiner, www.evahillreiner.de

Es tut wirklich gut, jemanden wie Jimmy Carter – immerhin ehemaliger Präsident eines echt sehr religiösen Landes – das sagen zu hören. Manchmal fühle ich mich mit dieser Position doch eher allein oder unter vielen, die sich das nicht auszusprechen trauen, da sonst religiöse Gefühle verletzt werden. Dieses letztere Argument halte ich, nur mal so ganz kurz nebenbei sowieso für extrem arrogant, da es die Gefühle religiöser Menschen über die von Frauen, Homosexuellen, Huren und sonstigen von der Religion Ausgestoßenen stellt. Religiöse Menschen dürfen diese sehr wohl kritisieren – ihren kompletten Lebensstil – diese dürfen aber nicht den Glauben an ein überirdisches Wesen und die Ableitung für Regeln im alltäglichen Leben kritisieren. Aber ich komme vom Thema ab.

Also, toll dass Jimmy Carter das alles schreibt, aber er zieht irgendwie die falschen Schlüsse. Denn erstens sind es für ihn nur die bösen Gelehrten, die die Unterdrückung der Frau legitimieren und zweitens wäre alles gut, wenn wir uns nur wieder auf Jesus, Mohammed, Moses oder sonstige Propheten berufen würden. Und da kann ich mit ihm schon nicht mehr mitgehen. Religionen sind für mich Herrschaftsmittel. Und dieses Herrschaftsmittel wird von den Herrschenden – und das waren nun mal Jahrhunderte lang Männer – so verwendet, dass ihre Macht vergrößert und zementiert wird. Bei Religionen gilt dies übrigens nicht nur für die formalen, großen Herrscher (gern auch mal Gelehrte genannt), sondern auch für alltägliche familiäre Verhältnisse, denn Religionen versuchen, diese bis ins Kleinste zu regeln. Die Rolle des Mannes und die der Frau innerhalb einer Ehe sind klar definiert – und Vorsicht, hier muss nicht immer nur auf die ach so bösen Muslimen geschielt werden (Zwangsverheiratung, Ehrenmord, …), auch bei den Christen wurde die Frau aus der Rippe des Mannes gemacht und „die Weiber seien untertan ihren Männern.“ (Bibel, Ephesser 5:22) (Anm.: Ich war das mit den Weibern nicht, das war Luther)

Gut ich gebe ja zu, dass ich mich als nicht gläubiger Mensch per se schwer tue, Menschen ernst zu nehmen, die die Unterdrückung anderer damit legitimieren, dass sie irgendetwas glauben. Doch genauso schwer tu ich mich damit, wenn Menschen feststellen, wie sehr Frauen durch Religionen unterdrückt werden, dann aber nicht der Religion, sondern den Menschen, die sie machen, die Schuld geben – denn das ist naiv. Es sind immer Menschen, die hier auf Erden etwas machen, sonst wäre es der Himmel. Und wer sich mal die Bücher der Religionen durchliest – ich habe das bei einigen tatsächlich getan – wird merken, dass die Frau in keinem dieser wirklich gut wegkommt, es sei denn es geht ums Putzen!

Ja, dieses Thema ist nun nur angerissen und somit auch nur oberflächlich besprochen – aber wir können gern in der Diskussion noch bei einigen Fragen in die Tiefe gehen. Zu Jimmy Carter kann ich eben nur sagen, ich freue mich, dass er kritisiert, denn das ist mir allemal lieber als jene, die alles nur als gottgegeben hinnehmen. Von mir aus darf jeder glauben, was er will, aber wenn er deshalb denkt, Frauen weniger Macht, Freiheit oder Spaß zugestehen zu dürfen, dann werde ich das nicht akzeptieren, auch wenn ich damit seine Gefühle verletze.

49 Kommentare zu „Die Weiber seien untertan ihren Männern

  1. „Doch genauso schwer tu ich mich damit, wenn Menschen feststellen, wie sehr Frauen durch Religionen unterdrückt werden, dann aber nicht der Religion, sondern den Menschen, die sie machen, die Schuld geben – denn das ist naiv.“

    Naja, die Religion ist meiner Meinung nach ein Instrument – wie eine Pistole. Der Mensch hat es geschaffen und benutzt es zu seinen Zwecken. Also kann man schon sagen, dass die Menschen, die die Religion machen, Schuld sind, denn ohne sie gäbe es gar keine Religion.
    Ist jetzt vielleicht Haarspalterei, aber man kann ja auch nicht sagen, die Pistole ist Schuld, dass jemand erschossen wurde, das sind der Mensch, der sie benutzt, und der, der sie zu diesem Zweck geschaffen hat.
    Die Leute, die die Bibel geschrieben haben, sind also die Waffenhersteller und die Gläubigen die Waffenbesitzer.

    Ich persönlich nehme auf religiöse Gefühle so gut wie gar keine Rücksicht, aber ich bin auch ziemlich atheistisch.

  2. Ich kann nur über die Religion schreiben, die ich am Besten kenne – das Christentum.
    Man kann die Bibel verwenden, wie einen Steinbruch und damit fast alles belegen – und das Gegenteil auch.
    *1: Es gibt 2 Schöpfungsgeschichten im Alten Testament. Es gibt die Geschichte mit der Rippe – und dann gibt es diesen Text:
    1. Mose 1: 26 Und Gott sprach: Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei, die da herrschen über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über alle Tiere des Feldes und über alles Gewürm, das auf Erden kriecht. 27 Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Frau. 28 Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und machet sie euch untertan und herrschet über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über alles Getier, das auf Erden kriecht. “
    Da ist nicht von Unterordnung der Frau die Rede – oder davon, dass sie später kam. Wer möchte, kann sich einfach auf diesen Text beziehen…
    *2: Das ändert aber nichts daran, dass die Bibel ein Buch ist, das vermutlich von vielen älteren Männern geschrieben wurde, die alle durch die Gesellschaft geprägt waren, in der sie lebten – also eine Gesellschaft von Ackerbauern, Viehzüchtern, Fischern, Soldaten, Priestern, Sklaven. Wo es keine Empfängnisverhütung gab und keine allgemeine Erklärung der Menschenrechte.
    Deshalb kann man die Bibel auch nicht wörtlich anwenden – was leider viele evangelikale Christen tun.

  3. Wenn du sie nicht wörtlich anwenden willst, wie denn dann? Wie du so schön gezeigt hast, wiederspricht sie sich, und wenn man dann auch noch anfängt zu interpretieren wie bei einem Gedicht, kommen so viele Meinungen dabei raus, wie es Menschen gibt.
    Also kann man das Ding eigentlich in die Tonne treten und sich gleich seine eigenen Vorstellungen machen.

  4. Gibt ein schönes Sprichwort: Vernunft hört da auf, wo der Glaube anfängt. Heisst nicht, dass Atheisten immer vernünftig sind. Aber religiöse Leute können es nicht sein.
    Was mich etwas wundert, ist die Verwunderung über buddhistische Häuser. Wer sich auch nur oberflächlich mit der Geschichte Tibets, dem buddhistischen Land schlechthin, beschäftigt, wird schnell feststellen, wie blutig die Geschichte dieser ach so friedlichen Religion ist.

  5. Es gibt noch ein schöneres Sprichwort: „Wer nichts weiss, muss alles glauben.“ Marie von Ebner-Eschenbach

    „die Religion ist meiner Meinung nach ein Instrument – wie eine Pistole“ Sehr schön ausgedrückt, wirklich sehr schön! Also bin ich Pazifist.

    „Die Religion ist das Opium des Volkes.“ Karl Marx

  6. Ein allgemeines Religionsbashing ist m. E. nicht der richtige Weg, um gegen die Unterdrückung von Frauen und Minderheiten vorzugehen, die unter Berufung auf Religion begründet werden. Es gibt zahlreiche Beispiele, wo sich Gläubige aufgrund ihrer Religion gegen herrschendes Unrecht aufgelehnt haben.

    Innerhalb der christlichen Kirchen gibt es breites politisches Spektrum von rechts bis links. Ich möchte nur auf die wichtigen Impulse der feministischen Theologie oder der Befreiungstheologie in den Bereichen Sozialethik oder Pazifismus hinweisen.

  7. Werner,

    Religion in diesem Zusammenhang als relativ statisches Ordnungssystem zu betrachten ist meines Erachtens nicht zielführend. Wenn sich fast überall Glaubens- und Ordnungssysteme gebildet haben, die eine derartige patriarchalische Ordnung mit sich bringen, sollte die Frage doch darüber hinaus führen, sollte man sich neben der Symptombeschreibung mit der anthropologisch und politisch bedeutsamen Frage auseinandersetzen – warum ist das so. Warum haben leben fast alle Menschen in religiösen und gesellschaftlichen Ordnungssystemen, deren Gründungsmythos diesen Bestandteil hat. Das ist eine überaus komplexe Frage und sie ist nicht mit den Mitteln des soziologischen Feminismus zu beantworten, denn dabei geht es um die Ebene darüber, um die Wechselwirkungen von Ökonomie, Ökologie, Soziologie und Anthropologie – natürlicher und sexueller Auswahl im individuellen Fortpflanzungs- und gesellschaftlichen Reproduktionsprozeß.

    Für eine höchst interessante Sichtweise empfehle ich diesen (feministischen) Thread (viel Zeit mitbringen)…

    http://www.reclusiveleftist.com/2006/05/07/the-origin-of-male-dominance/

    Man achte auch hier darauf, daß die Variable „sexuelle Attraktion“ und „female/mutual choice“ wie in so vielen feministischen Analysen nicht oder nicht wirklich berücksichtigt wird/werden kann. Das ist eines der größeren Probleme der feministischen situativen Erkenntnistheorie – oder sagen wir – zumindest ihrer inkonsequenten Anwendung.

  8. Lucy,

    „Danke an jj für den interessanten Link (wobei ich mir die 180 Kommentare dann doch gespart habe) !“

    Würde ich noch nachholen… die Diskussion ist echt spannender als die Auflistung der Theorien.

  9. so so jj, du findest also, dass soziologie, ökonomie, ökologie und anthropologie (ich hoffe, die reihenfolge spielt keine rolle) nicht beachtet wurden und außerdem religion (was ist damit eigentlich gemeint? religion and belief) als statisches ordnungssystem …
    warum diskutierst du das nicht eigentlich gleich mit Jimmy Carter? … war mein erster gedanke. mein zweiter war, dass du zur diskussion von Darwin für kleine jungs vielleicht besser nen anderen thread wenn nicht gleich überhaupt ne andere veranstaltung besuchen solltest… und der dritte, dass es schon ne kleine unverschämtheit ist, mal eben so nen link zu posten, ohne dazuzusagen, inwieweit er nun deine nicht vorgetragene argumentation stützen soll … ach ne, stimmt nicht so ganz, du hast noch nachgeschoben, die diskussion (war es wirklich eine?) sei interessanter als die darstellung der theorien…
    weshalb mir dann auch noch einfiel, dass das alles ein gutes beispiel dafür abgibt, welch verheerende auswirkungen der monotheismus (in religion, belief and theologies) auf das denken mancher männlicher hatte. gewissermaßen als self-fulfilling prophecy eines relativ statischen ordnungssystems, das danach strebt, seine ordnung immer wieder neu statisch zu machen.
    irgendwie klassische paulus-rezeption. dabei versuchen seit einiger zeit feministische theologinnen den ollen Paulus vor seinen geschlechtsgenossen zu retten. ich müßte jetzt den passenden link erst suchen. mal gucken … ach weißte, wenn es dich interessiert, dann gehste mal bei lectio difficilior lesen…

  10. Rahab,

    alles ok? Darwin für kleine Jungs? Hast Du mal in den Thread reingelesen? Meine Argumentation: Religion als Ordnungssystem kann nicht von den Trägern der Ordnung getrennt werden. Welche Gründe zur Entstehung von solchen Ordnungssystemen führen ist, bei aller organisationellen Reproduktionstendenz, entscheidend. Wenn Du die Diskussion in dem Thread nicht spannend fandst, kann ich Dir nicht mehr helfen, sorry. Ansonsten, ich diskutiere morgen gerne weiter, auch gerne über Monotheismus, wobei ich nicht glaube, daß das eine echte Rolle für das Geschlechterverhältnis in der Religion spielt. Und Paulus? Sorry, aber das ist mir etwas zu verwirrend. Vielleicht kannst Du’s mir ja ein wenig entwirren…

  11. alles bestens mit und bei mir, jj!
    kann mir auch gut vorstellen, dass dir ein bißchen schlaf nicht schaden würde. vielleicht weißt du dann morgen wieder, was du so ganz eigentlich zu Carters artikel und seiner vorstellung durch Werner sagen wolltest. außer wirre diskussionen zur lektüre zu empfehlen.
    wirr können wir schließlich auch selber. wa?

    ach so ja… der Darwin für kleine jungs war dir zugedacht. ich dachte, du freust dich!

    und ja – ich denke allerdings, dass monotheisierung von religionen und dergleichen eine rolle für die ausgestaltung etc. von geschlechterverhältnissen spielt. aber nicht nur das – für die details bin ich jetzt allerdings auch zu müde.

  12. guten morgen jj! gut geschlafen?
    dein posting machte mich ärgerlich, weil: Carter schreibt aus einer bestimmten position innerhalb eines bestimmten christlichen ‚kultes‘ einen appell – an seine eigenen wie an andere glaubensbrüder. Werner findet das bemerkenswert und schreibt dazu/darüber – und stellt die frage, ob’s nun an den menschen liege oder an ihrem glaubensgebäude. worauf sich nur antworten läßt: sowohl als auch und alles doch ganz anders und dann doch wieder nicht. – und dann kommt jj und erklärt, symptombeschreibung reiche nicht, ursachenforschung sei angesagt – aha! dem wird wohl keine/r widersprechen – um nach posten eines links zu enden mit: „Man achte auch hier darauf, daß die Variable “sexuelle Attraktion” und “female/mutual choice” wie in so vielen feministischen Analysen nicht oder nicht wirklich berücksichtigt wird/werden kann. Das ist eines der größeren Probleme der feministischen situativen Erkenntnistheorie – oder sagen wir – zumindest ihrer inkonsequenten Anwendung.“
    das ist eine diskussions-totschlag-argumentation. denn sie beinhaltet einen zirkelschluß. und die präsentation eines zirkelschlusses in rechthaberischer pose macht mich nun mal ’not amused‘. – allerdings frage ich mich auf meine alten tage, ob es sinn hat, solche ‚präsentationen‘ überhaupt noch zu diskutieren. oder ob’s nicht reine zeit-verschwendung wäre und stattdessen eine kleine runde lustvoller masturbation zielführender sei!

  13. @jj: Bei bestimmeten Personen kommt das Geschlecht vor den Inhalten- gehörst Du zum falschen Geschlecht, ist die Wahrscheinlichkeit relativ klein, (wenigstens einmal) recht zu haben…

  14. um es noch deutlicher zu sagen: religionskritik kann sich nicht darin erschöpfen, religion(en + kulten + institutionen etc) und deren verknüpfung mit allem möglichen von anthropologie bis zoologie eine art darwinistischen kreationismus entgegenzusetzen. á la: du hast das attraktivitäts-dingens-kirchen etc nicht beachtet. das ist dasselbe in grün wie kapitalismus- und patriarchatskonforme auslegung von genesis oder irgendwelchen anderen schöpfungsmythen. was ja bekanntlich ‚auf feministisch‘ auch nicht klappt.
    … na ja, ich dachte, es ginge darum, was rauszufinden… und nicht ums rechthaben…

  15. Rahab,

    danke, ging so. Bisschen stressiger Tag. Wenn Du den (von einer, hey, selbstidentifizierten radikalfeministischen Anthropologin begonnenen) Thread mal angelesen hättest, wäre Dir vielleicht aufgefallen, daß es dort um genau die Frage geht: male „jojo“ als Ursache von Religion (egal welcher). Wenn ich mir die Frage stelle, warum die meisten Religionen als Ordnungssystem patriarchalisch organisiert sind, komme ich um Ursachenforschung nicht herum. Die Sache mit der sexuellen Attraktivität ist nur ein Punkt der in der Diskussion ein wenig zu kurz kommt (wg. der Grundprobleme des diesbzgl. radikalfeministischen epistemologischen Konstrukts), das war hier mehr endogene denn exogene Kritik. Es geht um die Frage ob und wenn in wie weit weibliche Zentralität in Bezug auf die Fortpflanzung (und das *war* bis vor noch gar nicht langer Zeit ohne Pille und mit kürzerem menschlichen Leben ein sehr viel zentralerer Punkt für Menschen) ein spirituelles/soziales Etwas notwendig gemacht hat, das Männern das Gefühl der Gleichwertigkeit/Zentralität gegeben hat. Didgeridoos, Magische Flöten, Gesänge, die das Universum zusammenhalten, von der Frauen ausgeschlossen sind. Solange die Gesellschaften klein bleiben ist das alles ok, denn es entsteht kein organisatorisches Ungleichgewicht, aber wenn Gesellschaften wachsen, erhält der spirituelle und organisatorische Überbau eine zunehmende Bedeutung, der private aber nicht. Oikos und Polis sind nicht mehr gleichberechtigt. Enter die landwirtschaftliche Revolution und wir haben das System das erst durch die Säkularisierung als Konsequenz von Aufklärung, Industrialisierung und medizinischem Fortschritt veränderbar wurde. Damit haben wir heute religiöse Regelsysteme, deren Anpassung an die neue Situation nicht einfach ist. So. Aber ohne Gedanken um die Frage wo das alles herkommt, kann man einfach auch nicht sinnvoll darüber reden, wie man damit umgeht.

  16. danke jj. das ist eine antwort, mit der ich was anfangen kann. werde sie ‚bebrüten‘.
    und wenn du mir bei gelegenheit noch erklären könntest, was genau du mit „radikalfeministisch“ meinst, dann wäre ich dir sehr verbunden. ich kann mit solchen attributen nur wenig anfangen.

  17. so… ein bißchen weiter angelesen…
    also, was hätten wir da? mutterschaft als ‚centrality‘ und randständige männer, die sich mit religion (ordnung? oder spiritualität?) ‚trösten‘ einerseits (ganz grob) und andererseits stress bei männern und kontrolle weiblicher prokreativität … und die angst der männer, marginalisiert zu werden. also stoppen sie ihre stress-reaktion nicht sondern hauen stattdessen zuweilen so richtig ‚auf die kacke‘.
    das erklärt vielleicht veränderungen in einzelnen religionen/gesellschaften, bis hin zur entstehung neuer religionen.
    aber religion/en selbst erklärt es noch nicht. sondern ’nur‘, was sich in denen so alles abspielen kann und was sie an gesellschaftlichen/kulturellen prozessen widerspiegeln.

    für einzelne, heute noch in betrieb befindliche, religionen läßt sich das mehr oder weniger gut nachvollziehen, also ausbuddeln und auf-/nachzeichnen. wobei es da allerdings auch ‚blinde flecken‘ gibt. zum einen, weil ja nicht alles in ‚heiligen schriften‘ (oder auch mündlichen tradierungen) dokumentiert ist, zum nächsten, weil wie manchmal nicht wissen, wie wir bestimmte andere artefakte dazu in beziehungen setzen sollen/können, zum noch weiteren, weil andere artefakte fehlen/zerstört/verschwunden/aus anderen gründen unbekannt sind, aber auch, weil unsere tradition uns daran hindert, unsere sichtweisen, weltbilder, abgesunkenen mythen … ein ganzes bündel von gründen. bis hin dazu, dass manche religiös-grundierten institutionen bzw. der repräsentanten das überhaupt nicht mögen.

    beispiel: du kannst Genesis als schöpfungsmythos (und für die erschaffung der menschen hast du sogar zwei zur auswahl, die mit sehr unterschiedlichen, aber auch mit fast bis ganz deckungsgleichen ergebnissen ausgelegt werden können) nehmen. und für das non-plus-ultra halten. du kannst aber auch anfangen beispielsweise märchen zu lesen und: dabei entdeckst du schöpfungsmythen, gegen die Genesis ein armseliges konstrukt darstellt. du mußt dich aber garnicht auf schöpfungsmythen weltweit beziehen, es reicht, wenn du dir die im alten orient im schwange gewesenen anguckst (wobei das problem die quellenlage ist ). je genauer du hin- und herguckst, umso überraschter bist du, wenn du parallelen feststellst, überschneidungen, übernahmen, weiterentwicklungen, verkürzungen… alles mögliche. wenn du dann in midrashim (auslegungen beginnend mit der zeit des 2.tempels bis nach der endredaktion der talmudim) zu Genesis guckst, dann beginnst du wieder, dich zu wundern, denn da tauchen auf einmal geschichten/argumentationen (jenachdem, ob es um erzählende oder gesetz-auslegende midrashim geht) auf, die entweder von wo ganz anders herkommen müssen oder aus einer anderen, teilweise auch sehr viel früheren zeit. sie passen jedenfalls nicht zu unserem heutigen
    bild/begriff/verständnis von judentum. vermitteln uns aber, wiederum auf den text von Genesis zurückgeguckt, einen eindruck davon, dass dieser nicht nur einen bestimmten ’state of affairs‘ beschreibt, sondern eine geschichte über frühere und/oder (damals) aktuelle auseinandersetzungen um fragen von kontrolle und stress(?) erzählt.
    also gab es ein davor.
    und nun? das mit der kontrolle und worüber sie etabliert wird (nämlich über den nachwuchs – weniger über die sexualität -der frauen ), das läßt sich leicht herausarbeiten. aber der stressfaktor?
    es läßt sich also herausarbeiten – unter hinzuziehung anderer dokumente, artefakte – dass es auch anders ging. und eigentlich problemlos. wie auch, dass die männer ihrer jo-jo-ding hatten und die frauen auch!
    wenn wir nun aber, das ergebnis durchbuchstabiert damit zum papst gehen und ihm erklären, dass sich aus seiner römisch-katholische bibel glasklar ergibt, dass natürlich! auch eine frau papst sein kann – dann kriegt der stress. warum? warum würde ihm die erklärung, dass das damals stressauslösende ereignis, welches zur entmachtung der frauen als religiöse funktionärinnen führte, längst vorbei ist und deshalb heute auch frauen wieder papst sein können? weil er (oder die männer?) damit auch die kontrolle über die vatikan-bank und den grundbesitz im heiligen lande (und anderswo) verlieren? die über die gläubig_innen natürlich auch…

    das alles weitergedacht, würde bedeuten, dass männer bis heute nicht (und die menschheitsgeschichte dauert nun ja schon ne geraume weile) ihre stress-reaktionen unter kontrolle bekommen haben. ein befriedigendes ergebnis?

  18. Rahab,

    ich habe leider nur so eine vage Vorstellung davon, was Du als „Stress-Reaktion“ ansiehst.

    „also stoppen sie ihre stress-reaktion nicht sondern hauen stattdessen zuweilen so richtig ‘auf die kacke’.“

    Das ist so ein wenig eine Henne und Ei Frage und eine Frage der relativen Kosten verschiedener Aggressionsstrategien – die sicherlich nicht von der Biologie und der Frage des Ausmaßes menschlicher Polygynie zu trennen sind: Wo Männer knapp waren, scheinen andere Strategien vorgeherrscht zu haben als dort, wo Männer relativ zahlreich vorhanden waren. In letzterem Fall waren sie „expendable“ und vor allem gegenseitig aggressiv, was zur Gründung des sozialen Kernkontrakts zwischen Mann und Frau geführt hat: Schutz gegen erhöhte Sicherheit, daß der Nachwuchs das „eigen Fleisch und Blut“ ist.

    „das erklärt vielleicht veränderungen in einzelnen religionen/gesellschaften, bis hin zur entstehung neuer religionen.
    aber religion/en selbst erklärt es noch nicht. sondern ‘nur’, was sich in denen so alles abspielen kann und was sie an gesellschaftlichen/kulturellen prozessen widerspiegeln.“

    Korrekt, deswegen sprach ich ja auch von Religionen als „Ordnungssystemen“, wobei auch transzendenter Inhalt durchaus als Ordnungssystem wirksam werden kann. Aber natürlich ist da auch mehr.

    „es läßt sich also herausarbeiten – unter hinzuziehung anderer dokumente, artefakte – dass es auch anders ging. und eigentlich problemlos. wie auch, dass die männer ihrer jo-jo-ding hatten und die frauen auch!“

    Hmm, also da habe ich Zweifel – ich denke, daß die geschlechtlichen Asymmetrien organisatorisch aufgefangen werden müssen und daß nur der Rückgang der Zentralität der Mutterschaft in einer Gesellschaft mit komplett veränderter Wertschöpfung, es ermöglicht, das „jojo“ nicht mehr als zentralen geschlechtlichen Ausgleichsmechanismus zu betrachten – in Religion und Gesellschaft. Das ist ja das, was wir heute in den „fortschrittlichen“ Ökonomien beobachten können – wo die private Kontrolle nicht mehr so bei Frauen liegt, weil Mutterschaft nicht mehr so zentral ist, ist auch kein „öffentlicher“ Ausgleich für Männer mehr nötig, dann kann das nach individuellem Interesse jede/r für sich handhaben, wie er/sie will und das einzige Problem, das letztlich bleibt, sind institutionelle Trägheit und – aus meiner Sicht viel bedeutender – biologisch disponierte Entscheidungskriterien bei der „sexual choice“ – die sich an Fitnessindikatoren orientiert, die eine Tendenz zur Reproduktion eigentlich nicht mehr notwendiger Sphären geschlechtlicher Arbeitsteilung mit sich bringen. Frauen haben dabei, trotz „mutual choice“, die bedeutsamere Rolle, weil sie immer noch den knappen reproduktiven Faktor besitzen.

    „das alles weitergedacht, würde bedeuten, dass männer bis heute nicht (und die menschheitsgeschichte dauert nun ja schon ne geraume weile) ihre stress-reaktionen unter kontrolle bekommen haben. ein befriedigendes ergebnis?“

    Was heißt befriedigend? Ob das der gewünschten Norm entspricht kann ja wohl kaum Maßstab der Frage sein, ob das so ist, bzw. ob die Frage richtig gestellt ist und ob es sich nicht letztlich sehr wohl um eine angemessene Form der Stressbewältigung in Form eines „male jojo“ handelt, oder um eine Art institutionelle Aggression im Geschlechterkampf, wie es Quoten sind (eine 100% Quote für Männer in der katholischen Kirche). Ich denke, daß da noch eine ganze Menge anderer Dinge eine Rolle spielen, die vor allem mit der kulturellen Weiterentwicklung und der Verankerung von manchen Riten im kollektiven organisatorischen Gedächtnis der Menschheit zusammenhängen. Aus meiner Sicht wären Veränderungen weniger problematisch, wenn wir ohne Kodifizierung den technologischen und philosophischen Stand hätten erreichen können, der uns heute ermöglicht, diese Fragen zu stellen. Aber durch die Kodifizierung ist eine Revision sehr viel schwieriger, denn es gibt immer eine kodifizierte Bezugsgröße. Ist so ein wenig wie mit Christoph Luxenbergs syro-aramäischer Interpretation des Koran – solange man den Gründungsmythos nicht nur als Leitlinie sondern als Gesetz ansieht, sind fundamentale Veränderungen schwierig.

  19. huch! wo kommt denn jetzt die polygynie her? und vor allem: wie ist sie gemeint? und: gehört die – in welcher form auch immer – zu den stressfaktoren? falls ja, eher zu inneren oder zu äußeren? wäre äußerer stress der neid anderer männer? wäre innerer stress der, dass die physis irgendwann vor zu vielen frauen in die knie geht?

    ganz ehrlich: ich weiß auch nicht, was mit stress alles gemeint ist, gemeint sein kann. und wenn ich den diskussionsstrang (den von dir verlinkten) richtig verstehe, dann bleibt der stress-begriff leicht in der schwebe.

    aber: zur polygynie. die geschichte der sog. erz-väter lesen wir (heute – immer noch) ja so, als hätten Abraham und Jakob viele frauen gehabt. unter anderem lesen wir das auch so vor dem hintergrund der auffassung, dass dies im alten orient überall so gewesen sei. männer hatten viele frauen, wobei das als eigentumsverhältnis verstanden wird.
    nun – diese sichtweise gerät zunehmend ins wanken. von verschiedenen seiten aus. was unter anderem daran liegt, dass die privat-urkunden und anderen texte aus dem alten orient mittlerweile zunehmend etwas anders gelesen werden. was natürlich zu lebhaften auseinandersetzungen in diversen wissenschaftsgemeinden führt.

    im zuge dieser re-lektüre stellt sich auch heraus, dass wir heutigen nicht die ersten sind. auch die ollen rabbinen lasen die geschichte von Jakob, Lea und Rachel stellenweise auch schon so, dass das nicht eine geschichte darüber ist, wie Laban den Jakob übers ohr haut, sondern wie die beiden schwestern miteinander verabreden, dass und wie sie sich diesen einen mann teilen. was so weit geht, in einem midrash, dass nicht Laban dem Jakob die Lea in der ‚hochzeitsnacht‘ unterschiebt, sondern Rachel. die, damit auch wirklich nichts schief geht, unterm bett liegt und mit Jakob redet, auf dass der nix merke… eine köstliche geschichte! und ur-alt!

    mir geht es erst mal nicht darum zu entscheiden, ob nun die eine oder die andere lesart wahr ist. sondern mir geht es darum, erst mal zur kenntnis zu nehmen, dass eine solche geschichte mindestens zwei geschichten ist. wenn man noch genauer guckt und sucht, sind es wahrscheinlich noch mehr geschichten, die sich wie im matrjoschka-prinzip in dieser einen geschichte verstecken.
    bedeutungsvoll daran ist allerdings, dass zur begründung einer ganz bestimmten form (vielleicht besser: vorstellung über) von ehe-und familienrecht (nämlich des rabbinischen) auch diese geschichte in einer ihrer möglichen lesarten herangezogen wurde, und in dem textkorpus, in dem das geschieht, mindestens eine andere lesart danebensteht.

    da ich nun mal juristin bin, frage ich natürlich, was das zu bedeuten hat. was sagt uns das darüber, welche rechtsformen zur zeit der rabbinen praktiziert wurden? und – kleiner sprung auf der zeitschiene – zur zeit der sog. erz-väter? -> wir stochern einerseits im nebel. finden aber andererseits tatsächlich dokumente, die geeignet scheinen, die ansicht, die jüdische ehe sei (wie die alt-orientalische überhaupt) immer schon . rundum patriarchal im allerübelsten sinne organisiert gewesen, zu erschüttern. bei diesen dokumenten handelt es sich nur in seltenen fällen um neu aufgefundene (neu bedeutet: vor ca 50 jahren!) sondern in der regel um ‚alte‘, die aber ’neu‘ gelesen werden.
    das ist natürlich (na ja – und aber doch) eine gefährliche schiene, denn es könnte sein, dass irgendwann die gesicherte erkenntnis, beim biblischen recht habe es sich um recht gehandelt, verschwunden sein wird. widerlegt. und damit gerät an einigen stellen die legitimation für einiges (bis hin zur papstwahl) ins wanken.

    was das für die zukunft austrägt? keine ahnung. jedenfalls vollumfänglich nicht. könnte aber entspannend wirken. auch in dem sinne: wenn die geschichte des patriarchats so ehern garnicht steht, dann müssen wir an ihr auch nicht so ehern festhalten und sie in die zukunft hinein verteidigen. wenn patriarchat auch ’nur mythos‘ ist, dann ….

    zur zentralität der mutterschaft verlinke ich mal auf ein interview mit Sarah Blaffer Hrby: http://www.wissen.de/wde/generator/wissen/ressorts/bildung/index,page=1308838.html
    das nun nicht, weil ich es für die alleinseligmachende offenbarung halte. sondern weil es ein paar gesichtpunkte etwas anders betrachtet. (dazu passt übrigens sehr gut der von Luther als ‚lob der hausfrau‘ übersetzte abschnitt in sprüche/proverbia 31,10-31!)

    es hat mich an eine kleine auseinandersetzung letzte woche mit Christl Maier erinnert. die ging um die frage, was alles in der alt-orientalischen, west-semitischen metapher der frau (für die stadt, vor allem die stadt Jerusalem) enthalten sei. wehrhaftigkeit mochte Christl Maier nicht haben – obwohl genau die (neben mutterschaft) eine große rolle spielt, jedenfalls im Gilgamesch-epos und vor allem in Ugarit (die ‚jungfräuliche‘ wehrhafte kämpfende Anat). da kriegten sich zwei frauen fast darüber in die wolle, ob frauen im alten orient auch wehrhaft waren – und wir betrieben gerade so etwas wie feministische theologie! – ich bestand dann nicht weiter darauf, weil es für den moment allerhöchsten in dem sinn eine rolle spielte, warum die wehrhaftigkeit ausgeblendet wurde – was aber für die bedeutung von Jerusalem in der jüdischen liturgie erst mal unwichtig war.
    obwohl … fällt mir noch was ein …. aber das passt vielleicht ein ander mal besser

    ach ja: was meinst du eigentlich mit ‚fitnessindikatoren‘?

  20. ach, noch was… nämlich zu geschlechterkampf.
    ich denke, das ist nicht eine erscheinung von ’natur‘ sondern von kultur (und stellenweise auch von ‚un-kultur‘). wenn nämlich, so meine überlegung, der kampf ein aus der natur heraus begründeter wäre, wäre die menschheit längst ausgestorben. schwangerschaft und geburt ist nämlich „stress“. da auch noch „kampf“ hineinzubringen, sorgt zuverlässig dafür, dass keiner überlebt. ohne frauen sterben männer bekanntlich aus – so wie umgekehrt auch. die „ur-horde“, so es sie denn gegeben hat, wird also was für die stressminderung bei den trächtigen weibchen getan haben müssen. allein schon aus selbsterhaltungstrieb (interesse?).

    großer sprung – zu den heutigen/hiesigen männers, welche zeugungsstreik propagieren. au ja! aber bitte doch! wenn es dazu verhilft, genauer zu wissen, was passiert wenn … und damit bewußt und verantwortlich für sich selbst und andere umzugehen… warum nicht?
    könnte vielleicht auch dazu verhelfen, zu bemerken, dass weibliche nicht mit ‚kinderwunsch‘ geboren werden. sondern, wie männliche auch, mit einem gewissen potential zu fürsorge für andere.

    und schließlich ein spruch, den ich mag: get your rosaries off my ovaries!
    der nach allem, was ich über einige religionen gelernt habe, auch ‚in männlich‘ übersetzen läßt und übersetzt werden sollte. denn: wenn du dich mal dahinein vertiefst, wie streng das rabbinische judentum in seiner auslegung von genesis die verpflichtung des mannes zur zeugung von kindern ausgelegt hat -> das war nicht das reich der freiheit! sondern ganz das gegenteil!

  21. Rahab,

    ich glaube, wir gehen da immer noch mit sehr verschiedenen Perspektiven ran… mit Polygynie habe ich hier nicht die Art von Praktizierter „Vielweiberei“ gemeint, sondern die Frage nach dem Reproduktionsverhältnis von Männern und Frauen. Ich suche gern mal was Geschriebenes dazu raus, aber es ist offenbar unbestreitbare Tatsache, daß eine signifikante Minderheit von Männern sich in der Geschichte nicht fortpflanzen konnte, während das für Frauen die Regel war – das ist so, weil es eben biologisch einfacher ist für den weniger knappen reproduktiven Faktor, aufgrund dessen eigener aggressiven Tendenz und der so verbundenen Tendenz zu „Stress“, der zur Reduktion des männlichen Überschusses führt. Das ist für mich eines der Grundprobleme ursprünglicher menschlicher Ordnungssysteme: Was ist der Polygyniefaktor (1,1 oder 1,4 machen da schon einen Unterschied) und wie können die reproduktiv überflüssigen Männer sozial eingebunden werden – Kriege machen als extremer männlicher Wettbewerb in dem Paradigma durchaus Sinn, denn sie erhöhen die Reproduktionswahrscheindlichkeit der Überlebenden enorm.

    An dieser Stelle passt dann auch der Wikipedia Artikel zu „Fitness“
    http://de.wikipedia.org/wiki/Fitness_%28Biologie%29

    Setzt natürlich alles voraus, daß – generell – ein Fortpflanzungstrieb existiert, und dieser ein fundamentaler, wenn nicht *der* fundamentale Anteil menschlicher Motivation ist – auch wenn das selten wirklich bewußt wird.

    „ohne frauen sterben männer bekanntlich aus – so wie umgekehrt auch. die “ur-horde”, so es sie denn gegeben hat, wird also was für die stressminderung bei den trächtigen weibchen getan haben müssen. allein schon aus selbsterhaltungstrieb (interesse?).“

    Ja, langfristige Tendenzen zu einem Gleichgewicht (wie aggressiv auch immer in Bezug auf die Männchen) gab es sicher. Das Problem hieran ist halt die Kultur, die alles enorm beschleunigt hat und enorme Inkongruenzen hervorgebracht hat, weil die Umwelt multiple Bedeutungen angenommen hat, aber – bei aller cerebralen Plastizität – die menschliche Rationalität nur sehr begrenzt die Fähigkeit hat, die Komplexität zu verstehen und zu verarbeiten, die wir alle gemeinsam schaffen während Teile unseres Gehirns auf der Suche nach Partner mit genetischen Markern sind, die im Zusammenhang mit Umweltselektion irrelevant sind und eigentlich nur als sich selbst reproduzierende sexuelle Seletion angesehen werden können. Und das muß irgendwie so organisiert werden, daß wir damit halbwegs sinnvoll leben können.

  22. Meine Güte Du wirst doch nicht allen Ernstes behaupten wollen, dass die Geschichte aufgrund des Fortpflanzungstriebes so abgelaufen ist, wie sie es ist.
    Das ist doch lächerlich, schonmal was von Naturbeherrschung gehört?

  23. access denied,

    „Das ist doch lächerlich, schonmal was von Naturbeherrschung gehört?“

    Vielleicht kannst Du Deine Position mal etwas klarer formulieren. Ansonsten würde ich meine Position – mit Qualifizierungen – durchaus so charakterisieren: Ich denke, daß die geschlechtlichen Asymmetrien deswegen so bedeutsam sind, weil alle anderen fundamentalen Motivationen eben symmetrisch sind (Maslow, z.B.). Wenn irgendwo am Ende Asymmetrie rauskommt (und darum geht’s ja hier) ist die Annahme, daß das mit der Asymmetrie am Anfang zusammenhängt, für mich a priori plausibel. Aber wenn Du eine bessere Idee hast, lass hören.

  24. ach du liebe güte! jj – willst du mir etwa erzählen, das ganze unglück … ne, wie soll ich das eigentlich verstehen? … also, mal ein versuch: die unzulänglichkeiten bis hin zu misogynie einiger kulturen haben ihre ursache/ihren grund darin, dass männer sich nicht fortpflanzen konnten/können?
    was ist denn eine ’signifikante minderheit‘?
    und wer sagt, dies sei ‚offenbar unbestreitbare tatsache‘? (völlig abgesehen davon, dass ich alles und jedes bestreiten kann!)

    im übrigen: wenn wir mal davon ausgehen, dass gemessen an der dauer der menschheitsgeschichte die kenntnis über die zusammenhänge von sex und fortpflanzung doch relativ jüngeren datums sind – dann müßte krieg auch ne erfindung relativ jüngeren datums sein. und unter anderem seinen grund darin haben, dass die gebärerinnen es verabsäumten, die entsprechende anzahl von knaben gleich nach der geburt zu töten. na, das ist ja nen wirklich reizender menschheitsgeschichtlicher rückblick!

    die wurzel aller dinge ist das reproduktionsverhältnis? – denkst du nicht, dass du es dir da ein bißchen einfach machst? demgegenüber erstaunt doch die vielzahl aller bisherigen und auch heute noch vorfindlichen kulturen. wobei wir bei den heute noch vorfindlichen teilweise garnicht wissen, wie alt diese sind. was bedeutet: sie sind womöglich erheblich älter als unsere eigene – und erheblich weniger geschlechterkämpferisch/krämpferisch!

    ich will dir nicht zu nahe treten, aber: bei allem verständnis für deinen wunsch, dich es gesichert wissend fortzupflanzen – meinst du nicht, dass sich in den menschen of all three+x sexes nen bißchen mehr tummelt als grade mal das verlangen nach reproduktion? und wenn es nun die männer allesamt treibt, sich zu reproduzieren (möglichst gesichert wissend, weil sonst uns ihre zweifelnden gene in den nächsten krieg treiben?) – wieso erfinden die ausgerechnet eine kirche mit einem zölibat? wozu der ganze klamauk?

  25. Rahab,

    „nen bißchen mehr tummelt als grade mal das verlangen nach reproduktion?“

    logisch. Aber das löst die Frage nach der fundamentalen Motivation nicht. Warum stehen Menschen morgens auf. Schau mal die Maslow Hierarchie an, dann wirst Du verstehen, was ich meine. Daß wir mehr in uns haben als nur fundamentale Triebe bedeutet doch im Umkehrschluß nicht, daß diese nicht die fundamentale Motivation darstellen – vor allem, wenn es um die Frage des Ursprungs menschlicher Organisation geht kommt man immer wieder an diesem Punkt an.

    „offenbar unbestreitbare Tatsache“ ist sowas wie die „herrschende Meinung“ für Juristen ;). Und die Schätzungen, die ich gesehen habe varrierten zwischen ca. 10 und ca. 40 %. (1.1 und 1.4).

    „die entsprechende anzahl von knaben gleich nach der geburt zu töten.“

    Gerade vor ein paar Monaten gab es eine Meldung über einen jahrelangen Infantizid an neugeborenen Jungen in einer indigenen Kultur in Neu-Guinea – dort hatten sich die Frauen zweier verfeindeter Stämme verabredet, ihre Söne zu töten, bis Männer so knapp seien, daß sie aufhören würden zu kämpfen. Das kommt also durchaus (noch immer) vor.

    http://www.medindia.net/news/Male-Infanticide-As-A-Way-Out-Of-Tribal-Feuds-44645-1.htm

    Nochmal – wir befinden uns heute in den „fortschrittlichen“ Ökonomien in einer Situation am relativen oberen Ende der Maslow Skala – bei aller Kritik daran, ich finde, der Grundgedanke stimmt. Und das bedeutet, daß wir Möglichkeiten haben, uns als Individuen auszudrücken, die zu anderen Zeiten und in anderen Kulturen in der Weise nicht vorhanden waren. Aber für die Frage, warum wir rechtliche und spirituelle Ordnungssysteme haben, die so ausgestaltet sind wie sie ausgestaltet sind, kann man doch die Frage der Fortpflanzung nicht als nebensächlich betrachten. Egal wie groß unser Gehirn ist, und welche Möglichkeiten es uns bietet – unsere Gene wollen weiter, sind dabei sozial funktional oder nicht, führen den Organismus zu Altruismus oder Aggression, sind aber immer – auf sich selbst bezogen – „selfish“, wie Richard Dawkins das schon vor 30 Jahren bemerkt hat.

    Die Sache mit dem Zölibat ist eine interessante Frage. Aber Zölibat ist ja auch nicht die Regel. Das gibt es ja weder im Judentum noch im Islam, warum sich das Zölibat gerade im Christentum entwickelt hat vermag ich nicht zu sagen. War das vielleicht eine rein funktionale Reaktion? Vielleicht weil sexuelle Zurückhaltung irgendwann im frühen Christentum eine sexuell übertragbare Krankheit in der christlichen Population an der Ausbreitung gehindert hat?

  26. Maslow sagt mir nichts – ist das ein neuer gott? denn geh ich schon mal lieber etwas auf abstand.

    die herrschende meinung ist etwas ausgesprochen wandelbares, abgesehen davon, dass sie aus einer vielzahl von abweichenden meinungen besteht

    und das beispiel aus Papua-Neuguinea stellt gemessen am indischen die ‚friedlichere‘ alternative dar.

    ob wir uns wirklich in den „fortschrittlichen“ ökonomien befinden? da müßten wir klären, ob fortschritt unwandelbar immer dasselbe sei und was es unter dieser maßgabe nun sei

    und zum zölibat – sexuelle enthaltsamkeit aus gründen von spiritualität ist eine regel, weltweit. allerdings zumeist als eine zeitweilige.

  27. jj, zuerst mal ein Einwand: wenn Frauenfeindschaft daher kommt, dass Männer sich nicht fortpflanzen konnten, wieso ist sie gerade in der katholischen Kirche so ausgeprägt? Immerhin erlegen sich katholische Priester das dann auch noch selbst auf.
    In der Kirche und im Islam und in anderen Religionen wird doch eines offesichtlich: alles, was schlecht ist, wird von Frauen verursacht.

    Naturbeherrschung: die bürgerliche Gesellschaft konstituierte sich durch die Ablösung der Mythen zugunsten einer Rationalität, der Entzauberung zugunsten einer reinen Funktionslogik. Einhergehend mit diesem Prozess wurde die Herrschaft über die Natur gleichzeitig zu einer der Menschheit und ihre Reduzierung auf Funktionalität. Dieser Prozess ist auch noch nicht abgeschlossen, weswegen sich die traditionellen Rollen auch heute auflösen. Die bürgerliche Familie wurde zur wichtigsten Konsumeinheit und spaltete sich in die klassische Teilung Mann als Lohnarbeiter und Frau als Herrin des häuslichen Bereichs auf.

  28. Rahab,

    Maslow ist ein Psychologe, der sich mit menschlicher Motivation beschäftigt hat –

    http://de.wikipedia.org/wiki/Maslowsche_Bed%C3%BCrfnispyramide

    „und das beispiel aus Papua-Neuguinea stellt gemessen am indischen die ‘friedlichere’ alternative dar.“

    OK, und? Ich habe das angeführt um die Bedeutung von relativen Knappheitsverhältnissen auf Aggressionsstrategien zu belegen. Mit dem indischen Infantizid an weiblichen Föten hat das nicht so viel zu tun. Letzteres ist eine langfristig dysfunktionale kurzfristige Reaktion auf ein kulturell bedingtes Anreizsystem, das männliche Kinder bevorzugt aber gleichzeitig auch ein enormes Problem mit sich bringt (http://lovewonder.sg1006.myweb.hinet.net/Journalistic%20English/The%20Geopolitics%20of%20Sexual%20Frustration.pdf). Total Dysfunktional. Das ist eine absurde – wenn auch ökonomisch erklärbare – Überreaktion eines kulturellen Systems, das auf die Zeit vor dem Ultraschall ausgelegt war.

    „und zum zölibat – sexuelle enthaltsamkeit aus gründen von spiritualität ist eine regel, weltweit. allerdings zumeist als eine zeitweilige.“

    Protestanten heiraten, Rabbiner heiraten, Imame heiraten…

    „In der Kirche und im Islam und in anderen Religionen wird doch eines offesichtlich: alles, was schlecht ist, wird von Frauen verursacht.“

    Nein access denied, die eigentliche Angst ist die vor der angenommenen männlichen Soziopathie, die sich aus der Frage ergibt, wie Männer den „Stress“, s.o., verarbeiten und ob und inwieweit sich daraus Aggressionspotential innerhalb der Gruppe ergibt. Das Aggressionspotential war nicht unerwünscht, wenn es nach außen abgeleitet werden konnte, aber innerhalb einer Gruppe mußte es kontrolliert werden. Das erfolgte dann oft über die Kontrolle weiblicher Sexualität. Der gedankliche Ausgangspunkt ist nicht, daß Frauen böse sind, sondern daß Männer schwach sind – und – das ist, was die oben angedeutete Analyse interessant macht – diese Schwäche einer kulturellen Reaktion bedarf, die dann zum Kernbestandteil menschlicher Ordnungssysteme werden, vom Didgeridoo bis zur iranischen Verfassung.

    Was das andere betrifft – die industrielle Revolution hat die Effizienzvorteile von geschlechtlicher Arbeitsteilung eliminiert, nicht geschaffen. James Watt und Thomas Edison waren wahrscheinlich für die Gleichberechtigung der Frau bedeutsamer als Mary Woollenstonecraft und Simone de Beauvoir.

  29. oh-oho!
    diese frauen auf Papua-Neuguinea sind also die klügeren. sie lösen das problem von der wurzel her – womöglich ausgehend von der langjährigen, über generationen übermittelten erfahrung, dass männer ihren ’stress‘ nicht in den griff kriegen, also nur begrenzt kulturfähig sind.
    wie legen wir das als modell auf west-europa um?

    nach meinem zugegeben sehr kurzen blick auf Maslow’s bedürfnispyramide muß ich sagen: läßt sich auch mit dessen annahmen über die interaktionen von bedürfnisebenen vereinbaren.
    … ich weiß nur noch nicht, nach welchen kriterien die zu tötenden jungs ausgewählt werden sollten. oder machen wir das, die technik gibt es ja mittlerweile her, vielleicht besser vorgeburtlich? ist ja für den weiblichen organismus wie auch seine psyche das schonendere verfahren. wa!

    und über das verhältnis von Watt zu de Beauvoir unterhalten wir uns, nachdem wir die kirchenväter bis hin zu Luther durchhaben, ja?

  30. Rahab,

    jaja, mach Dich nur lustig. Der Punkt hier ist doch nicht Moralität oder Praktikabilität sondern Verständnis von Strukturen. Wenn man die Strukturen nicht erkennt, oder aus normativen Gründen nicht akzeptieren will, dann wird die Antwort notwendigerweise auch nicht sinnvoll ausfallen.

    http://en.wikipedia.org/wiki/SCUM_Manifesto

    Wenn man die Strukturen kennt/zu kennen glaubt (soweit das eben möglich ist) kann man anfangen über sinnvolle Strategien nachzudenken, die dem System inhärenten Konflikte zu lösen, soweit das sinnvoll erscheint. Manchmal ist es auch die angemessene Lösung nichts zu tun (da bin ich dann wieder bei Hajek).

  31. Mir wurde in einer Ausstellung zum Buddhismus erklärt, dass in dieser Religion die Frau nicht als Mensch an sich betrachtet wird. Sie muss erst als Mann wiedergeboren werden, um dann in den Himmel zu kommen. Ich bin mal beim Dalai Lama bei einer Pressekonferenz gewesen. Er wich allen Fragen, die in diese Richtung zielten, höflich aus. Leider weiß ich kaum etwas zur Rolle der Frau in dieser Religion, aber mir wurde gesagt, sie sei extrem frauenfeindlich, was ja auch zu verringerten Geburtenraten bei Mädchen in vielen Ländern führt.

  32. jj, kann es sein, dass Du „Stress“ auf eine Population im Sinne von Evolutionsbiologie und „Stress“ eines Individuums munter durcheinanderwirfst? Oder verstehe ich Dich einfach nur falsch?

  33. jj – ich mache mich nicht lustig! ganz im gegenteil! ich prüfe nur, wie weit es möglich ist, ein system (=strukturen) zu erhalten, vielleicht sogar noch zu verbessern, ohne dabei zu viele opfer zu riskieren. da scheint mir die methode Papua eine vielleicht geeignete zu sein. schließlich brauchen viele frauen zur reproduktion nicht so viel männer, ein männer-überschuß führt jedoch zu einem anwachsen von nur schwer kontrollierbaren aggressionen. gefährdet also die gesamt-struktur. also: was tun? da bekanntlich auch kastraten schon kriege angezettelt haben …
    und nun erzähl mir bitte noch mal, wer hier mit „moralität“ reagiert!

  34. jj, habe doch mal dein eines posting durchgeguckt und bin daran hängen geblieben, dass du zu Indien schreibst, dies sei eine
    „eine absurde – wenn auch ökonomisch erklärbare – Überreaktion eines kulturellen Systems, das auf die Zeit vor dem Ultraschall ausgelegt war“. du nennst es auch „total dysfunktional“.

    das möchte ich nun gern verstehen. was meinst du da mit „Überreaktion“, zumal einer, die ökonomisch erklärbar sei? könnte es sein, dass du da verschiedene perspektiven durcheinanderwirbelst – um am ende bei einem „kann mann nichts machen, religion/kultur/der mensch ist halt so unvernünftig“ rauszukommen?

    wozu es dann aber nicht gut paßt, auf SCUM zu verlinken. finde ich mal so. SCUM war singulär (eher ‚literatur‘ denn politisches programm – und schon garnicht praxis!) und die einzigen, die sich heute noch drüber aufregen, sind männer ….
    (anders gesagt: du hast da mal grad eben auf die ideologische baustelle gewechselt — ok. sei dir gegönnt. wenn’s erleichterung verschafft…)

    wohingegen in Indien tatsächlich (also zählbar) ‚männer-überschuß‘ entsteht und immer weiter anwächst; denn jeder der männer, welcher sich grade noch darüber beklagte, dass sein freund keine schwester zum heiraten hat, würde, so er denn doch irgendwie und -wo eine frau findet, dasselbe weiter praktizieren, zusammen mit seiner frau, denn am kulturellen system hat sich ja noch nichts (oder nicht sehr viel) geändert. läuft also darauf hinaus, dass in Indien (welches nicht gerade klein zu nennen ist!) ein ganz gewaltiges aggressionspotential heranreift. welches – und das wird im bericht aus Papua sehr klar angesprochen – ja nicht nur nach außen wirkt, sondern nach innen. so jedenfalls die auffassung und darstellung der frauen in Papia, die sich zur ‚maßnahme‘ der tötung männlicher babies entschlossen haben.

    in dem bericht kommt übrigens – abgesehen davon, dass wir über die religion dieser Papuanerinnen nichts erfahren – auch religion wieder ins spiel. nämlich über die ‚Salvation Army‘, welche sich dort aufhält und hilft, womit auch immer.

    in dem fall wäre es vielleicht schön, wenn sie mit moderner technologie helfen könnte, um über früh-erkennung männlicher feten den frauen unnötige schwangerschaften zu ersparen. das könnte natürlich mit religion in konflikt geraten, nämlich dem christlich begründeten abtreibungsverbot – aber es würde helfen, das system der stämme so zu erhalten, dass es/sie sich von innen heraus weiter verändern können.
    diese hilfe wäre eine „un-ökonomische“, denn wenn ich es richtig sehe, müßte die salvation army die entsprechenden geräte schenken, die unterweisung im gebrauch derselben ohne bezahlung vornehmen etc – denn die frauen begründen ihre entscheidung damit, dass die kriegerischen aktivitäten ihrer männer die ökonomie der stämme ruinieren/ruiniert hätten. woraus ich schließe, dass sie die salvation army für die hilfe nicht bezahlen könnten.

    und, um den bogen zu Maslow zurückzuschlagen: der müßte das in seinem system in ordnung finden – es sei denn, er wäre genau an dem punkt dann doch wieder so sehr christ, dass ihn die tötung männlicher babies auf Papua-Neuguinea unter den augen der salvation army mehr aufregte als die im vergleich ja wirklich massenhafte abtreibung weiblicher feten in Indien.

  35. Rahab,

    Indien ist eine Überreaktion, weil sie individuell unmoralisch, langfristig dysfunktional, aber kurzfristig ökonomisch sinnvoll ist. So wie die Anreizstrukturen im Investmentbanking – absolut nicht nachhaltig, aber für die Beteiligten ökonomisch absolut sinnvoll.

    Nur um das nochmal klar zu stellen – weder das eine noch das andere ist aus meiner Perspektive irgendwie – auch nicht mit Systemstabilität – zu rechtfertigen. Irgendwo hat die Teleologie eine Grenze und die ist bei der geschlechtsspezifischen Auswahl von Föten, aus welchem Grund auch immer, definitiv überschritten. Von daher macht auch der Link zu Scum durchaus Sinn.

    Das ist halt der Punkt an dem die Frage relevant wird, ob und inwieweit Aggression ein inhärenter Teil der menschlichen Existenz ist und nicht als Fehler angesehen werden sollte, was man also als „feature“ und was man als „bug“ ansieht…

  36. jj – erst das ist der punkt?? und SCUM ist der punkt?
    mir scheint, du mißt letztendlich aggression mit zweierlei, nämlich geschlechter-maß!

  37. und bitte, jj, erklär mir (und allen anderen auch) in einzelschritten nachvollziehbar, was und wie und weshalb und für wen Indien ökonomisch „sinnvoll“ ist!

  38. Rahab,

    ökonomisch ist eine Tochter für Familien wg. z.b. der Mitgift ein z.T. ökonomisch bedeutendes Problem, vor allem, wenn sie nicht auch Söhne hat, die die Belastung ausgleichen. Abtreibungen weiblicher Föten sind bei Erstgeburten daher auch nicht so häufig (laut einer Doku auf arte, die ich mal gesehen habe) wie bei Familien, die schon Töchter haben. Individuell ist das ökonomisch nachvollziehbar, aber natürlich nicht zu rechtfertigen.

    Die Sache mit dem zweierlei Maß müßtest Du mir mal erklären. Denn wenn die systemstabilisierenden Alternativen Infantizid männlicher Föten und Patriarchat wären, dann erschiene mir – als Ausdruck der im- und expliziten Gleichwertigkeit des Lebens beider menschlichen Geschlechter – aus moralischer Sicht die zweite Variante als unzweifelhaft überlegen. Wie gesagt, ich denke nicht, daß das heute unsere einzigen Alternativen sind, aber wenn dem so wäre, wäre das doch aus moralischer Sicht eigentlich gar keine Frage.

  39. ach, ich sehe, du denkst nicht weiter als bis zur stabilisierung eines systems.
    nun – ich verstehe die methode Papua als eine, welche die an einem system beteiligten vor der vernichtung schützt, das system auch, und die chance einer wie auch immer weiterenwicklung beinhaltet.
    bei der methode Indien sehe ich das nicht. denn irgendwann sind (fast)nur noch jungs übrig – und wenn die nichts zum sich reproduzieren finden, werden sie rappelig, bedrohen das nächstgelegene „system“ … bis hin zur selbst-vernichtung, welche die anderer (systeme oder menschen, egal) in kauf nimmt.

    die methode Papua begreife ich als eine der „notwehr“ – abhilfe ist (aus sicht der frauen) anders nicht möglich.
    die methode Indien dagegen wird von geldgier beherrscht.

    das zweierlei maß? nun – gegen männliche aggression als reaktion auf stress (welcher wäre das in Indien?) scheint irgendwie kein kraut gewachsen, weil natur – aber wenn die frauen auf Papua zu drastischen maßnahmen greifen, dann wird’s verwerflich, also moralisch.

    und was SCUM darin verloren hat/haben soll, hast du immer noch nicht erklärt!

  40. Rahab,

    ja, Papua ist eine moralisch nicht zu rechtfertigende Notwehrmaßnahme, ob Indien als „Geldgier“ abgetan werden kann, mag dahinstehen. Aber selbst wenn Indien eine individuell stabilisierende Maßnahme sein sollte ist sie nicht nachhaltig und sozial nicht stabilisierend und natürlich moralisch durch nichts zu rechtfertigen.

    Das Problem liegt darin, daß der männliche Infantizid das männliche Individuum um den angenommenen Polygyniefaktor abwertet, und die Systemstabilität über die Rechte des Individuums stellt. Das mag stabilisierend wirken, aber es ist dennoch in keiner Weise irgendwie zu rechtfertigen. Und wenn man auch nur implizit einen Verhältnismäßigkeitsmaßstab anlegt, kommt man logisch zwangsweise zu meiner Aussage von oben.

  41. wie? was?
    das problem in Papua ist: die frauen haben eine feindliche umwelt – blöderweise ihre eigenen männer – welche ihnen einen stress verursacht. da sie mit guten worten nicht weiterkommen (und die salvation army außer gebeten auch nichts pazifizierendes anzubieten hat?). also greifen sie tief hinein ins menschliche reaktions-reservoir und drohen mit anwendung von gewalt. immer noch sehr! verhältnismäßig! wären sie männer, hätten sie diese ihrigen männer längst erschossen!

    Indien ist mit „geldgier“ nicht abgetan – sondern nur in eine proportion zu Papua gerückt.

    in beiden fällen, in denen dringender handlungsbedarf besteht, werden ohne ein handeln, welches den aktuellen zustand wirksam beendet, rechte von individuen pausenlos ignoriert, indem irgendetwas anderes darübergestellt wird.

    und nun erklär mir bitte, kraft von was auch immer der polygyniefaktor die menschenrechte außer kraft setzen kann, darf, soll! ist das eine neue religion?

  42. Rahab,

    ich glaube, wir reden da irgendwie ein wenig aneinander vorbei…

    „drohen mit anwendung von gewalt.“

    Die Gewalt ist doch ziemlich offenbar – jahrelanger Infantizid. War ja keine Lysistrata-Nummer, sondern der Versuch, den relativen Wert eines Männerlebens so zu heben, daß Männer nicht einfach so in den Krieg ziehen. Künstliche Verknappung. Aber eben durch Gewalt an Neugeborenen, und durch komplettes Ignorieren von deren Menschenrechten. Das ist doch wovon ich rede: wenn die einzigen organisatorischen Alternativen „Kontrolle weiblicher Sexualität/Patriarchat“ und „Infantizid männlicher Föten zur künstlichen Verknappung“ wären, dann wäre die Auswahl aus meiner Sicht nicht wirklich ein Problem.

  43. jj!
    die gewalt ist angedroht.
    damit ist sie vielleicht schon „ziemlich offenbar“ aber noch nicht „unziemlich“ ausgeübt.
    im übrigen wäre das auch eine form der kontrolle weiblicher sexualität. durch frauen – bei tendenzieller abschaffung von patriarchat (falls wir es dort mit sowas zu tun haben). – auf dass die menschenrechte lebendgeborener jungs nicht verletzt werden, habe ich doch vorgeschlagen, vom modell Indien zu lernen und das ganze in die ersten wochen einer schwangerschaft vorzuverlagern. der effekt wäre derselbe, nämlich erst mal keine männlichen babies mehr…

    da ich das im grunde auch sehr unschön finde, warte ich nun auf deinen vorschlag, wie die frauen ihre männer auf andere art davon überzeugen können, vom kriegführen abzulassen!

  44. @ Rahab

    da ich das im grunde auch sehr unschön finde, warte ich nun auf deinen vorschlag, wie die frauen ihre männer auf andere art davon überzeugen können, vom kriegführen abzulassen!

    Gar nicht ;-) Wenn die Frauen diese Strategie konsequent fortführen, wird eine letzte Generation übrigbleiben, in der dann die Frauen eben den Krieg untereinander führen. That´s all.

    Gewaltandrohung und Ausübung von Gewalt liegt in der Natur der menschen. In guten Zeiten gelingt es, dieses Gewaltpotential einzuhegen und so zu instrumentalisieren.

    Wir sind hier in (Mittel-)Europa diesbezüglich ja seit Dekaden ziemlich verwöhnt. Was aber im historischen Kontext nichts bedeutet.

    Schon in Kanaan (also gar nicht so weit weg von hier, frag mich nicht, wie ich jetzt auf diesen Landstrich komme) ist Mrs. Uzi eine gute Begleiterin, falls man auf jemanden trifft, der Mr. Kalashnikov dabei hat.

    Da ist man näher an der Essenz des (Über)lebens als hierzulande.

  45. weshalb, Peter, sollte die letzte frauengeneration das dann noch tun? des polyandriefaktors wegen?

    und ich frage: wie kamst du ausgerechnet auf Kanaan?

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