Berichte aus der barefoot school

Dieser Text ist Teil 25 von 115 der Serie WWW Girls

In jeder Folge der WWW Girls stellen wir euch eine Bloggerin und ihr Weblog vor. Heute:

ANKESEYE.wordpress.com

Wie heißt du?
Anke Domscheit

Seit wann bloggst du?
In Teamblogs seit April 2009. In meinem eigenen Blog ankeseye.wordpress.com seit November 2009.

Drei Bloggerinnen mit weißen Laptops auf denen der Venusspiegel prangt, darum der Slogan - Feminists of the WWW: unite

(c) Frl. Zucker, fraeuleinzucker.blogspot.com

Warum hast du damit angefangen?
Ich wollte einfach mehr Menschen mit meinen Ideen erreichen. Ich habe eine missionarische Veranlagung bei bestimmten Themen, für Chancengleichheit und Feminismus, Umweltfragen und mehr Demokratie durch Social Media – ein Government 2.0 also. Ich möchte andere begeistern dafür, sie aufmerksam machen auf bestimmte Problemfelder, aber auch Ideen zeigen, wie man etwas besser oder anders machen kann. Ich entwickele aber nicht nur eigene Ideen sondern sehe mich vor allem auch als jemand, die weltweit nach Ideen sucht, die es bereits gibt und die im Idealfall auch schon praxiserprobt sind. Da gibt es viel mehr als man denkt. Man muss ja das Rad nicht immer neu erfinden, die Bauzeichnung und Einsatzmöglichkeiten im Netz zu veröffentlichen – um bei diesem Bild zu bleiben – spart Anderen Zeit und bringt Innovation dorthin, wo man sich vielleicht keine eigenen Entwickler leisten kann. Energie kann dann eingesetzt werden für die Veränderung selbst. Meine Erfahrung ist, dass die großen Herausforderungen unserer Zeit weniger daran scheitern, dass es keine Lösungen für diese Probleme gibt sondern daran, dass diese entweder nicht ausreichend bekannt sind oder aber es an der Akzeptanz hapert. An beiden Punkten möchte ich ansetzen.

Worüber schreibst du?
Ich habe bisher zu drei Themenfeldern gebloggt – einen meiner ersten Texte schrieb ich für die Seite Frauen retten die Welt von Sabine Asgodom, zur Geschlechterfrage in der Wirtschaftskrise. Seit Mai 2009 blogge ich gemeinsam mit anderen regelmäßig beim Government 2.0 Netzwerk Deutschland zu Themen rund um mehr Transparenz, Partizipation und Kollaboration in der Verwaltung – mit anderen Worten, um eine Demokratisierung in der Kommunikation zwischen BürgerInnen und Staat zu erreichen, die auch eine neue Form der Einbindung von BürgerInnen in Entscheidungsprozesse und die Transparenz über deren Zustandekommen und ihre Auswirkungen beinhaltet.

Mein Lieblingsblog ist aber natürlich mein erster ganz eigener, ankeseye.wordpress.com, in dem ich über die Solar Sisters im barefoot college im indischen Rajasthan schreibe. In diesem Blog schreibe ich eingebettet in einen reich bebilderten Reisebericht über meine Begegnungen mit den Menschen dort. Jedoch nicht nur über die Ausbildung von Analphabetinnen zu Solar-Ingenieurinnen (die Solar Sisters aus Afrika), sondern auch über die Premierministerin des Kinderparlaments der Rajasthanischen Night Schools, über die Puppenmacher im Campus, die als Bildungsprogramm mit den Puppen durch die Dörfer ziehen – kurz, über das Gemeinschaftsleben im College, in dem die Ärmsten der Armen uns viele gute Beispiele vorleben. Im barefoot college hat man Unterschiede durch soziale Herkunft überwunden (Kastensystem), viele Behinderte hervorragend integriert, Frauen in technischen Berufen ausgebildet (fast 100 Prozent der Solaringenieure sind hier Frauen), Arbeitsplätze für die Ärmsten geschaffen, Bildung für diejenigen ermöglicht, für die Bildung nicht vorgesehen ist (Mädchen, die tagsüber arbeiten müssen), lebt man eine einzigartige Basisdemokratie mit maximaler Transparenz, fängt Regenwasser auf und verwendet 100 Prozent Naturstrom durch Sonnenenergie. Hier verbinden sich meine drei Interessensgebiete: Feminismus, Umwelt und moderne Technologie. Dort gibt’s übrigens auch freies high performance WLAN.

Was dir ohne Internet nicht passiert wäre:
Ich habe schon die verrücktesten Leute über das Internet kennengelernt. Neulich saß ich z.B. im Zug von Hamburg nach Berlin und lese dann in einem Tweet von jemandem, der im gleichen Zug saß. Wir haben uns angezwitschert, ich bekam am Platz Besuch und habe mich sehr gut unterhalten. Wir sind seitdem im Kontakt. Dieser Mensch ist Leiter einer Musikschule, wir wären uns ohne das Internet niemals begegnet, eine sehr angenehme Bekanntschaft. Aber meine schönste Geschichte ist vielleicht die Entdeckung meines alter egos in London. Dort lebt eine bei Twitter unter @the_anke firmierende Frau, mit der ich ähnliche Interessen teile. Wir haben jede Menge geradezu frappierender Gemeinsamkeiten (wir entdecken immer wieder neue), sie hat auch einen 9-jährigen Sohn, dessen Namen mit J anfängt, ist von social media fasziniert, hat ein Faible für Technologie und IT, ist sensibilisiert für Frauen-, Umwelt- und dritte Welt Fragen, kommt auch aus der Ex-DDR und heißt natürlich genauso wie ich: Anke. Wir werden uns garantiert endlich im realen Leben begegnen, unsere ersten beiden Versuche sind an der Schweinegrippe (ihres Sohnes) und einer Operation (meines Vaters) gescheitert. Aber das echte Treffen ist nur eine Frage der Zeit, ein alter ego muss man einfach in echt kennenlernen.

Wovon braucht das Internet mehr?
Schnellen Zugang überall, möglichst ohne Barrieren (finanzielle, technische, prozessuale). Mehr Nutzung für Demokratieverbesserung und Transparenz. Insgesamt mehr Barrierefreiheit der Angebote. Bessere Menüführungen. Möglichkeiten, die Informationsflut intelligenter zu verwalten. Noch mehr Integration verschiedener Angebote/Netzwerke (das perfekte Mash-up).

Frauen sind im Web…
sehr präsent aber noch zu wenig vernetzt. Auch wenn sich das Web per Definition an die ganze Welt richtet, haben ihre Darstellung häufig etwas introvertiertes und privates. Ich würde mir (noch) mehr inhaltlich gewichtige „missionarische“ Webs von Frauen wünschen, wie die Mädchenmannschaft, oder Womenomics.com (auch eine wunderbare Seite). Auch bei klassischen Web-Konferenzen wie der re:publica oder der Social Media Woche in Berlin sind Frauen noch viel zu wenig als Gestalterinnen und Vortragende zu erleben. Da brauchen wir vielleicht auch etwas mehr Selbstbewusstsein und den Willen, uns in den Vordergrund zu drängen – am Mangel an Kompetenz liegt es jedenfalls nicht. Hier bilden sich nur die gleichen Phänomene ab, wie in der realen Welt. Männer glauben häufig, sie haben die Weisheit mit Löffeln gefressen und vertreten sie daher auch mit Megaphon bei jeder Gelegenheit, Frauen dagegen haben oft Restzweifel und nehmen sich daher stärker zurück. Vielleicht sind sie auch deshalb in bestimmten Netzwerken (Twitter) häufiger mit Pseudonym anzutreffen als unter ihrem Klarnamen. Andererseits bietet ihnen das Netz aber auch einen zwar öffentlichen aber doch anonymeren Raum – gerade, wenn sie sich nicht outen wollen als Frau. Hier könnten sie sogar andere Identitäten annehmen, wie die des James Chartrant (unter dessen Namen sich eine junge Autorin über das Netz mehr Erfolg, Respekt und auch Einnahmen verschaffen konnte). Es ist traurig, dass die Ungleichbehandlung noch so dominant ist, aber im Web haben Frauen jetzt viel einfacher als bisher die Möglichkeit, ihre Kompetenzen diskriminierungsfrei bewerten zu lassen, in dem sie eben einfach ihr Geschlecht verschleiern. Gerade die vielfältigen Feedbackkanäle im Social Web (ranken, bewerten, kommentieren) lassen eine neutrale Bewertung gerade auch von journalistischen Leistungen zu. Hier können Frauen punkten und ihren Erfolg sichtbar und messbar machen.

Deine tägliche Web-Lektüre:
Ich habe keinen Fernseher und decke daher meinen Informationsbedarf über das Internet. Ich habe die tageszeitung auch als Papier abonniert, aber bei www.taz.de oder www.zeit.de finde ich noch weitere schöne Inhalte und kann besser nach bestimmten Artikeln suchen. Auch www.tagesschau.de steht auf meiner regelmäßigen Besuchsliste – man muss schließlich wissen, was so läuft. Informationen zu Socialmedia entdecke ich vor allem bei www.mashable.com, ich twittere regelmäßig unter @anked und @gov20de. Mein Umweltinteresse befriedige ich bei www.utopia.de oder bei www.gruene.de, zu government 2.0 finde ich Wesentliches bei www.govloop.com und Neid erregende Best Practices auf www.whitehouse.gov/open (open government-Initiative der USA), aber ich schaue auch auf unsere Vereinsseite des Government 2.0 Netzwerk Deutschland e.V. www.gov20.de täglich vorbei, um zu lesen, was KollegInnen dort so geschrieben haben. Das Feministische finde ich hier bei der Mädchenmannschaft, bei Womenomics und auf den Seiten meiner Frauennetzwerke – u.a. www.ewmd.org oder bei www.womenandtechnology.eu – der Website des European Center for Women and Technology.

Tipps und Bewerbungen für die WWW Girls an mannschaftspost(at)web.de.

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