WIR are family

Vorgestern ist ein neues Magazin erschienen – für Eltern. Gähn!, mag vielleicht der erste Reflex sein, aber schon beim Blick aufs Cover von SZ Wir kann man das Gähn noch gar nicht zuende denken und ersetzt es schnell durch ein Oha! Da liegt Lukas Podolski mit seinem kleinen Sohn Louis und darunter steht in großen Buchstaben „Endlich Vater“.

Das ist mal ein Statement. Wie das ganze Heft ein Statement geworden ist. Nämlich: Es gibt die neuen Väter, es gibt moderne Familien. Und weil man sie nicht oft genug sieht, sie aber Vorbilder für die Zukunft sind, zeigt die Wir-Redaktion sie jetzt her.

Und genau dieses Statement gefällt mir richtig gut und macht mich euphorisch beim Lesen des Heftes. Alles ist in einem entspannten Ton gehalten und mit einem durchaus politischen Blick ausgestattet. Hier geht es nicht darum, den milliardsten Erziehungstipp zu geben, sondern das Leben anderer Menschen mit Kindern zu zeigen, und wie sich dieses momentan verändert – was ich den besseren Ansatz finde, denn mal ehrlich: Alle, die noch mehr Ratschläge als all die eh schon überflüssigen von Verwandten, Bekannten und Fremden haben wollen, können sich einen der 5.238 Erziehungsratgeber kaufen.

Poldi sagt zu genau dieser Gelassenheit etwas sehr schönes im Interview, das er Wir gegeben hat: „Die meisten Dinge muss man sowieso ausprobieren und auf sich zukommen lassen. Wenn man sein Kind und seine Entwicklung beobachtet, lernt man alles von allein.“ Überhaupt ist es toll, diesen Poldi – den ewig witzigen und witzelnden Jungen – als Vater kennenzulernen.

Hier werden Vorbilder für die neuen Männer und Väter gemacht, einfach mal gezeigt, wie gut es einem Mann steht, Familie als einen wichtigen Lebensinhalt zu begreifen und nicht nur die x-te Beförderung oder den schnieken Dienst-Mercedes. Und: Eltern werden nicht nur als Stellvertretermenschen für den Nachwuchs gesehen, sondern als Persönlichkeiten, die auch eigene Interessen haben – passenderweise heißt der Werbespruch von Wir „Das erste Magazin für Eltern, die nicht nur Eltern sein wollen“. Sie spielen endlich mal die Hauptrolle, denn die Kinder spielen sie ja sowieso schon in deren Leben. Der Kinderpsychiater Michael Winterhoff erklärt dann auch im Interview, warum Elternschaft wieder normaler und unaufgeregter werden muss, warum „Kinder nicht dazu da sind, ihre Eltern zu lieben“ und warum der Ratgeberwahnsinn die meisten Eltern einfach überfordert.

Der Autor Georg Diez schreibt sehr klug in seiner Kolumne „Vaterland“ als Antwort auf die Frage, ob wir alle Spießer werden, sobald Kinder kommen: „In den schweren Tüten, in den Windelpaketen, in den Milchfläschchen, tief im Kinderwagen steckt in Wahrheit so viel Freiheit wie man will.“

Und dieses Heft ist mal ein wirklich guter Anfang für ein freieres Elternleben. Mag ich.

[Hinweis: Ich schreibe gelegentlich für das Süddeutsche Zeitung
Magazin, in dessen Umfeld dieses Heft produziert wurde.]

19 Kommentare zu „WIR are family

  1. Dann heißt das Ding jetzt „Disclosure“ – danke für den Tipp, das wusste ich nicht. Wobei ich überlege, es nicht noch mal in ein schlichtes, schönes „Hinweis“ umzubenennen. Disclaimer/Disclosure klingt so tamtitam.

  2. hm, „hinweis“ find ich schöner als „disclosure/disclaimer“, dann versteht man wenigstens was gemeint ist ; )
    und noch ein klugscheißerinnen-hinweis: der artikel würde mir NOCH besser gefallen, wenn die überschrift „WIR sind familie“ statt „WIR are family“ heißen würde. liest sich flüssiger, sagt genauso viel aus und ist nicht so „verdenglischt“.

    ansonsten: magazin gelesen und für absolut topp befunden, obwohl ich ein 1-personen-haushalt bin. macht (fast) lust auf familiengründung :D

    uuund zu guter letzt: ich mag den mädchenmannschaft-blog. danke. (wollt ich mal so gesagt haben…

  3. @ Schnatterinchen: Du hast mich erwischt, ich mag so gern Songtitel verballhornen. Und Britney bat sich neulich einfach an …

    ((Und das Ding wird jetzt in Zukunft „Hinweis“ genannt, haben wir jetzt in einem Anfall von Unglobalität beschlossen.))

  4. die rezensentin auf SPON moniert ja, dass das ganze heft zu sehr zu einer leistungssschau für die jungen väter geraten sei. die nun ihr überbordendes ego nicht mehr nur im beruf und auf dem fußballfeld sondern auch an der krippe pflege… oder so ähnlich

  5. http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,588591,00.html

    Hm, finde, dass die Autorin nicht recht hat. Gerade das Leistungsding wurde im Gegensatz zu vielen Ratgebern und diesem ganzen Kind-als-Lifestyle-Ding extrem klein gefahren. Und ich bin da durchaus empfindlich und finde zum Beispiel auch vieler der Selbsterkenntnisbücher frischgebackener Väter regelrecht unerträglich. All das findet aber in dem Heft meinem Empfinden nach nicht statt. Und ich habe es auf einer langen Zugfahrt wirklich komplett durchgelesen.

    Zu mokieren, dass es hier über weite Strecken hinweg um Väter geht, ist irgendwie sinnfrei, wenn doch das Titelthema „Endlich Vater“ heißt und dann natürlich auch eine entsprechende Seitenzahl belegt. Und so eine erste Ausgabe ist natürlich immer auch erst mal ein Statement. Das, wie ich ja schon geschrieben habe, für meinen Geschmack sehr gelungen ist.

    Ich finde es eher schade, dass den Männern mit solchen Texten wie der Besprechung auf Spiegel Online wiedermal nahegelegt wird: Ihr könnt es machen wie ihr wollt, wir werden es sowieso falsch finden.

  6. lernprozesse sind auch immer eine frage der richtigen positionierung, warum soll man nicht? mit einem neuen magazin, versuchen da neue blickwinkel zu eröffnen…

  7. Susanne,

    „Ihr könnt es machen wie ihr wollt, wir werden es sowieso falsch finden.“

    Wer als Mann eine Familie gründet hat das schon längst gelernt ;)

  8. Find‘ ich gut, dass Väter als vollwertige Eltern dargestellt werden. In den meisten Eltern-Heftchen und Eltern-Internetseiten finden Väter kaum statt und wenn, dann beim Baumhausbauen etc. am Feierabend und Wochenende aber nicht als Elternteil, das sich um die richtige Ernährung Sorgen macht, die Kurzen wickelt oder tröstet oder bei Krankheit pflegt, mit KinderärztInnen spricht etc. etc. etc.

    „Die Hälfte der Welt für die Frauen, die Hälfte des Heims für die Männer“ wird erst dann möglich sein, wenn Männer im Haus genau so ernst genommen werden, wie Frauen in der Arbeitswelt.

  9. Warum verweigern sich die zeugungsfähigen, wie geburtsfähigen Männer und Frauen nicht einmal, mindestens zwei Jahre? ALLE zusammen. Dies wäre, meiner Ansicht nach, wirklich effektiv. Aber, da müssten ja, die vielfältigen, meist neurotischen (Kultur bedingt) Antriebe zum „Kinder machen“ hinterfragt werden. Sicher wäre dann eine „normalere“ Kommunikation zwischen Beiden möglich, das das Ausagieren bzgl. Kind/er „behoben“ wäre.

  10. hm. ich habe das podolski-interview gelesen und fands schwer an der grenze zur debilität, so rein inhaltlich. prinzipiell fände ich ein magazin mit diesem profil sehr wünschenswert, aber wie es ausgeführt ist, geht an meinem lebensalltag weit vorbei. (diese produktvergleichsfotos der familien … ist das münchen?) – also, mit mir nicht, väter hin oder her.

  11. männliche leser mit lukas „fussbalistwieschachnurohnewürfel“ podolski für das familienthema anziehen zu wollen ist wie frauen mit pink und rosa zum kauf von bohrmaschinen meinen überreden zu können (siehe diverse mädchenmannschaft-posts zuvor). plump.
    lasst den jungen doch fussball spielen!
    ps: is sicher ein tolles heft sonst.

  12. Naja, kann gute Effekte haben, muss aber nicht. Wahrscheinlich schon.
    Kauf’s mir trotzdem nicht, Kinder sind bescheuert, tu ich mir nicht an.
    Und ihnen tu ich mich auch nicht an.

  13. @ Judith: Na ja, der gute Mann wurde nicht gezwungen, der ist ganz gerne Papa und spricht sehr enthusiastisch über seinen 7 Monate alten Sohn. Doch mal lesen?

    Und als Mann fände ich es schon sehr komisch, wenn du mir eine sagen würde, ‚dir muss man das Familienthema jetzt aber auch mit Paninibildchen versüßen, damit du dich dafür interessierst‘. Für so beschränkt werden die Männer von den Magazinmachern nicht gesehen – Frauen von z.B. Werkzeugherstellern aber wohl leider schon.

  14. @Susanne:
    doch, doch. hab das interview ja gelesen. und fand’s extrem belanglos. gut, dass der typ gerne vater ist kam schon rüber, aber ja mei.
    soviel neues, aufregendes oder gar „feministisches“ hat der dazu halt nicht zu sagen.
    muss er ja auch nicht. ist ja fussballer. ist ein außergewöhnlicher fussballer und eben kein außergewöhnlicher vater. darum hätte ich gerne, dass er fürs fussballspielen bezahlt wird und nicht fürs reden, weil das – wie ich finde – nicht so sehr sein hervorstechendes talent ist.
    mir kommt es einfach so durchsichtig vor mit fussballern auf dem cover um männliche leser zu werben, weil formel männerlieben fussball=lieben unserheft vgl. mädchenliebenpink=liebenunsrenakkubohrer.

  15. Ich – als Nichtmutter – finde das Magazin leider auch eher „gut gemeint“ als „gut gemacht“. Allein dieser „Sex nach der Geburt – wie es wirklich ist“ Teaser erscheint mir reißerisch und irgendwie auch belanglos.

    Dito das Interview. Ich frage mich schon, ob es keinen anderen (jungen) Vater gab, der da etwas hätte erzählen können (zumal ich leider nicht aufhören kann, mir vorzustellen, wie sich das Interview wohl in echt angehört hat – man weiß ja, wie eloquent Herr Podolski sonst so ist … das aber nur nebenbei).

  16. M.E. geht es hier auch um die Vermittlung eines wichtigen verändernden Signals, nämlich dass „männliche“ Attribute mit Empathie und Vaterschaft bestens vereinbar sind, um Werte und Akzente zu setzen und die Entwicklung in diesem Bereich ebenfalls voranzutreiben.

    Etwas Ähnliches hätte kürzlich fast mit FrauTV im WDR geklappt. Es sollten zwei Signale gesandt werden, eben „männliche“ Attribute und gelebter Empathie im Hinblick auf Vaterschaft sowie die Botschaft dass Väter wichtig für Kinder sind.

    Bei FrauTV sind ca. 2/3 der Zuschauer weiblich, 1/3 männlich.

    Hat nicht funktioniert, es fand sich kein Betroffener mit Umgangsproblematik der bereit gewesen wäre etwas (auch anonymisiert) beizutragen.

Kommentare sind geschlossen.

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