Wie viele Nazis im Bundestag sitzen, entscheidest du!

Gutes Wetter, schlechte Zeiten. Für den Feminismus fighten!
Gutes Wetter, schlechte Zeiten. Für den Feminismus fighten! Proteste gegen den Marsch für das Leben, Berlin 16.09.2017

Am 16. September war ich mit meinen MM-Kolleginnen Charlott, Magda und Anna auf den Gegenprotesten zum Marsch für das Leben, bei dem jährlich tausende Christenfundis, Abtreibungsgegner und Nazis ihre völkischen und menschenverachtenden Familien- und Reproduktionspolitikfantasien unter Polizeischutz im öffentlichen Raum ausleben dürfen. Es gab viel Erfreuliches: Der Marsch wurde mit Sitzblockaden, Pfeifkonzerten, Mittelfingern, Sprechchören, Bannern, Schildern, undercover-Agent_innen soweit gestört, dass er zwischendurch immer wieder ins Stocken geriet und die eigentliche Route um mindestens 2/3 verkürzt wurde. Und mit 1.500 weniger Menschenfeinden als im vergangenen Jahr waren die Gegenproteste das erste Mal seit Beginn zahlenmäßig fast gleichauf. Trotz mehreren Demonstrationen am gleichen Tag in der Stadt. Yeah!

Weniger erfreulich waren neben den obligatorisch brüllenden Antifa-Mackern („ALERTA ALERTA ANTISEXISTA“ LOL) die weißen Dudes einer weißen linken Dude Gruppe, die durch die Demozüge liefen und Flyer verteilten, die zum Wahlboykott aufriefen. Die parlamentarische Demokratie sei faschistisch und gehöre abgeschafft, Revolution geht nicht mit Parteien und Gewerkschaften, der 8h-Tag sei schließlich auch nicht durch Abstimmung erkämpft worden. Wer wählen geht, unterstütze faschistische und rechte Strukturen und die Linkspartei sei genauso schlimm wie die AfD. Wow. Kurz blinzeln, sich fragen, warum hier eigentlich Stroh liegt und die Grillen zirpen und dann haben wir ihn gemeinsam verbal zusammengefaltet. Später kam noch Magda dazu, die gerade erst einem dieser Dudes 15 Meter weiter eine Standpauke gehalten hatte.

Stop misusing the bible for your propaganda
I am Christian and pro choice. It’s not a contradiction. Stop misusing the bible for your propaganda! Proteste gegen den Marsch für das Leben, Berlin 16.09.2017

Es gibt sehr sehr sehr viele Gründe, die deutsche parlamentarische Demokratie zu kritisieren, die Parteien und ihr politisches Handeln, staatliches (Nicht)-Handeln und die Wirksamkeit des Grundgesetzes gegen faschistische und rechte Strukturen und das politische System in Deutschland allgemein, u.a. weil es zulässt, dass nach diesem Sonntag wieder (und wieder und wieder und wieder) Nazis im größten Parlament sitzen, ausgestattet mit netter Bezahlung, Strukturen, Netzwerken, Mitarbeitern und politischer Immunität. Die AfD in den Länderparlamenten und im Bundesparlament ist keine Ausnahme, kein Zeitgeist, sondern deutsche Normalität und Kontinuität. Deutscher Rassismus im Jahr 2017. Es gibt sehr viele Gründe deshalb ein anderes politisches System zu wollen. Und gleichzeitig gibt es sehr viele Gründe, am Sonntag eben das Kreuzchen informiert und kritisch zu setzen, wenn nicht für mich, dann für andere, die nicht wählen dürfen, oder viel massiver von rechter Politik und Nazis betroffen wären (schon jetzt sind) als ich selbst. Und es gibt sehr sehr viele Gründe, warum sich eine grundsätzliche Systemkritik und der Einsatz im Hier und Jetzt gegen rechte und rassistische Politik nicht ausschließen müssen. Etwas, dass die weißen linken Dudes mit ihrem Wahlboykott-Schmonz nicht begreifen. Einfach, weil die politischen Entscheidungen im Bundestag und in den Länderparlamenten bei Ihnen keinen Leidensdruck auslösen. Außer vielleicht ein paar inhaltsleere Phrasen auf A6 Format zu drucken und bräsig von Revolution zu schwafeln, ohne konkrete Handlungsmöglichkeiten aufzeigen zu können oder überhaupt eine Vorstellung davon zu haben, dass politischer Widerstand im 21. Jahrhundert vielleicht nicht 1:1 jener des 19. und angehenden 20. Jahrhunderts sein kann. Schon gar nicht in diesem Land.

Der Gang zu Wahlurne ist ein Mittel, das mir Deutschland zur Verfügung stellt, mich wenigstens indirekt an politischen Entscheidungen zu beteiligen, die mindestens einige Millionen Menschen betreffen, die hier leben und noch viel mehr Menschen, die global gesehen von deutscher Politik betroffen sind. Und solange unser aller Leben durch staatliches Handeln strukturiert, gelenkt, reguliert wird, solange ist ein Gang an die Wahlurne genau so viel wert wie eine Demo in der Berliner Innenstadt oder die Schaffung von Erholungs- und Empowermenträumen zum Überleben, Durchschnaufen, Kraft tanken, Strategien austüfteln, Verbindungen spüren und knüpfen. Nicht alle müssen alles tun oder gut finden, jedoch tragen einige mehr Verantwortung als andere, wenn es um den Widerstand gegen Rassismus in Deutschland geht. Wo wir gerade dabei sind: Während wir vor wenigen Jahren noch den Mitläufern des Marsches für das Leben von Angesicht zu Angesicht den Marsch blasen konnten, werden nun schon beim Werfen von Glitzer-Konfetti in den eigenen Reihen Demonstrant_innen gewaltvoll festgenommen und Frauke Petry darf im Kinderprogramm des ZDF ihre Ansichten zum Besten geben. Wow. An dieser Stelle kein Grillenzirpen, sondern schrille Sirenen.

if you can't trust me with a choice - how can you trust me with a child?
if you can’t trust me with a choice – how can you trust me with a child? Proteste gegen den Marsch für das Leben, Berlin 16.09.2017

Am Sonntag nicht wählen zu gehen oder den Wahlzettel ungültig zu machen, bedeutet in der Konsequenz, der AfD zu mehr Prozentpunkten zu verhelfen. Die Partei und ihre Anhänger damit symbolisch zu stärken, ebenso den rassistischen Grundkonsens weiter zu festigen. Was das mit Revolution oder politischer Verantwortung zu tun haben soll… Nun ja, der weiße Wahlboykott-Dude konnte uns auf diese Frage keine Antwort geben (surprise!). Auch wenn derzeit (hoffentlich) noch ausgeschlossen sein dürfte, dass die AfD eine Regierung stellt oder in einer Regierungskoalition beteiligt ist, zeigen die politischen Entscheidungen allein der vergangenen vier Jahre, dass weder SPD noch Grüne willens sind, sich ohne Wenn und Aber gegen den rassistischen Grundkonsens zu stellen, der unter weißen deutschen Bürger_innen herrscht und der AfD den Nährboden bietet, die sie für ihre rechte Politik braucht.

Die Aussichten sind auch ohne AfD nicht rosig. Entweder wird nach diesem Sonntag die Große Koalition fortgesetzt oder die CDU holt sich die Grünen und die FDP dazu. Eine starke AfD in der Opposition bedeutet jedoch, dass Opposition als notwendiges Korrektiv- und Interventionsinstrument für Regierungshandeln in einer parlamentarischen Demokratie massiv behindert und eingeschränkt werden wird. Mehr noch zeigen Länderparlamente mit AfD-Beteiligung, dass deren Fraktionen durch ihr Unwissen über bzw. ihre Ignoranz gegenüber parlamentarischen Abläufen und den föderalistisch geregelten Zuständigkeiten von Kommunen, Ländern und Bund durchaus in der Lage ist direkten Einfluss auf die politische Willensbildung in den hiesigen Parlamenten zu nehmen bei gleichzeitiger Stimmungsmache gegen Regierungen von Ländern und Bund in der Bevölkerung. Neben den versteckten und offenen Klüngeleien mit der CDU.

Go Homo
Go Homo, Proteste gegen den Marsch für das Leben, Berlin 16.09.2017

2013 erhielt die AfD 4,7 Prozent Stimmenanteil und verpasste den Einzug in den Bundestag nur knapp. Dieses Jahr werden es mehr Prozentpunkte werden. Wie viele Nazis letztlich im Bundestag sitzen, entscheidest du.

Zum Weiterlesen/-hören:

7 Kommentare zu „Wie viele Nazis im Bundestag sitzen, entscheidest du!

  1. Ich persönlich finde die Frage „Wählen – ja oder nein?“ komplex und für mich selber schwierig zu beanworten und entscheide das meist von Wahl zu Wahl – gerade im Kommunalbereich hängt es ja tatsächlich manchmal am Wahlergebnis, ob einzelne relevante Entscheidungen getroffen oder abgewendet werden. Außerdem sehe ich meine Stimmenabgabe auch als gezielten Support für Frauen, die in der Staatspolitik tätig sein wollen, gerade auch migratisierte Kandidat_innen.

    Für mich ist z.B. ein guter Grund, nicht wählen zu gehen, die Überzeugung, dass wählen nicht sonderlich viel nützt – oder sogar im Gegenteil noch bestätigend für ein von mir als problematisch betrachtetes System wirkt, denn schließlich ist ja jede noch so problematische Politik dann „demokratisch abgesegnet“ und also legitimiert. Die wahllogische Idee, man bräuchte „nur“ die „richtige“ Partei/die „richtigen“ Leute in der Regierung, dann würde alles gut (mal etwas vereinfacht ausgedrückt), teile ich nicht. Ich bin überzeugt, dass im derzeitigen wirtschaftlich-politischen System die „Realpolitik“ von anderen Faktoren als (im besten Falle fachlich fundierten) persönlichen Überzeugungen der Kandidat_innen oder auch die Auffassungen einzelner Parteien geprägt wird – abgesehen davon, dass es schwer ist, diejenigen Fraktionen, die meine Überzeugungen zu grundlegenden Dingen teilen, überhaupt erst zu finden, geschweigeden unter jenen, die bei Wahlen eine realistische Chance auf Mehrheiten haben.

    Das derzeitige politische System gaukelt vor, gut und gerecht zu sein – schließlich können doch alle(tm) mitmachen und dann wird es eben so gemacht wie die Mehrheit vermeintlich will. Eine solche Auffassung, die ja auch massiv propagiert wird, blendet z.B. bestehende strukturelle Machtverhältnisse innerhalb der Gesellschaft völllig aus. Mich persönlich macht es daher immer sehr wütend, wenn „Nicht an der Bundestagswahl teilnehmen“ mit „Politikverdrossenheit“ oder Desinteresse gleichgesetzt wird – das Gegenteil ist oft der Fall, und meine persönliche Beobachtung ist, dass die Nichtwähler_innen in meinem Umfeld oftmals politisch durchaus aktiv sind und ihr Nichtwählen oft wesentlich mehr durchdacht haben und es stichhaltiger begründen als viele, die wählen gehen, weil man das halt eben macht.

    Klar, nicht wählen nützt erstmal in sofern nichts, als es keine alternative Politik bereit stellt. Auch wenn nur noch wenige Leute zu Wahl gehen würden, würde die Regierung mit Personen/Parteien besetzt, deren Positionen viele ablehnen – nur halt mit jeweils weniger Stimmen… Ich sehe den Nutzen/die Wirkung eher in der längerfristig einfach nicht mehr verleugbaren Erkenntnis, dass dem derzeitigen politischen System und seinen Protagonist_innen die Legitimationsbasis entzogen wird, wenn immer mehr Menschen sich einer „Pest vs. Cholera“-/“kleineres Übel“-Taktik verweigern.

  2. @Hannah-Jana

    du widersprichst dir mehrfach in deinen aussagen und ich verstehe nicht ganz, was das ziel deines kommentars ist (kritisierst du den vorliegenden text, ergänzt du etwas, was ich nicht aufgeschrieben oder bedacht habe? stream of consciousness über’s wählen gehen? idk), deswegen hier kurz nur meine interpretationen.

    1. worin besteht der sinn, sich von wahl zu wahl zu überlegen, ob eine_r wählen geht? kommunalwahl oder nicht, vom eigenen stimmrecht gebrauch zu machen bzw. anderen meine stimme zu leihen, die nicht wählen dürfen, ist mEn immer sinnvoll.

    2. „wählen nützt nicht viel“ – mmmh also ich merk schon die unterschiede zwischen schwarz gelb und groko im bundestag und r2g in berlin. und ja es macht einen unterschied, welche parteien regieren und welche es nicht mal in den bundestag schaffen?!? plus i mean: ich hab es im text geschrieben…nazis (mal wieder im bundestag) mit allen institutionellen vorzügen eines abgeordneten…ääähm, wie kann man da behaupten, wählen gehen mache keinen unterschied?

    3. die großen parteien haben kein interesse daran, etwas am politischen system zu ändern. warum sollten sie ihre existenzberechtigung in frage stellen? von parteien oder parlamentarismus zu erwarten, dass er die systemfrage stellt und sich radikal links ausrichtet, ist doch mit kanonen auf spatzen schießen. radikale linke politik wird nicht im parlament gemacht. ich bin trotzdem froh, wenn durch die linkspartei bestimmte forderungen vorgetragen und in anträge oder entwürfe geschrieben werden, sich parlamente mit bestimmten inhalten auseinander setzen müssen und medien darüber berichten. es wird schon genug rechte scheiße normalisiert in diesem system. nicht eine einzige partei vertritt meine politische haltung oder meine wünsche für eine andere gesellschaft in gänze. das erwarte ich auch nicht, sondern politiken, sie auf sozialer gerechtigkeit basieren. was ja vor allem die links / (links)liberalen und sozis für sich reklamieren. wenn sie dem nicht rechnung tragen, kommt kritik. und nochmal: ein bisschen weniger in entweder oder denken, ist immer dufte. ich kann mich politisch engagieren auch ohne parlamentarismus. wer in den parlamenten sitzt, ist trotzdem meine entscheidung.

    4. nichtwähler_innen gehen idR nicht wählen, weil sie denken, dass sich „sowieso nichts ändert“, mit der aktuellen politik zufrieden sind, sich auf andere verlassen, das „richtige zu wählen“, ihnen egal ist, wer regiert oder weil sie wie viele selbstgerechte linke denken, das sei systemkritik. ich wüsste nicht, warum mensch das angesichts der politischen lage in diesem land nicht als politikverdrossen oder desinteressiert bezeichnen könnte. und ich wiederhole es auch hier nochmal: ich kann meine stimme auch leihen. zahlreiche verbände, die sich durchaus machtkritisch mit den zuständen in kaltland beschäftigen, geben wahlprüfsteine heraus und äußern sich zu politischen entscheidungen und handlungen des staates. ich kann mit den vereinen, verbänden und aktivist_innen ins gespräch gehen und bekomme sehr schnell heraus, welche partei am ehesten bestimmte forderungen umsetzen oder mindestens öffentlich dafür einstehen könnte. die partei wähle ich dann. es geht ja bei der wahl insgesamt nicht darum, was ich persönlich gut finde, welche partei mir persönlich am meisten entgegenkommt, sondern, was die menschen brauchen, die weniger zugang zum leben haben, denen der staat weniger ressourcen zur verfügung stellt als mir, die auch von staatlicher seite unterdrückt und ausgegrenzt werden. der staat hat noch immer die meiste entscheidungsgewalt über das leben von menschen hier.

    5. pest vs. cholera? ernsthaft? das ist bestenfalls uninformiert. und by the way, das letzte mal, als diesem politischen system und seinen protagonist_innen qua volkswillen die legitimation entzogen wurde… you know? sorry to brake it to you, aber deutschland hat null voraussetzungen für den sozialen zusammenhalt und die solidarität, den und die es bräuchte, für a) eine linke revolution, die umverteilung und gerechtigkeit zum ziel hat und b) sicher zu stellen, dass diese revolution nicht in noch einem viel repressiveren, nationalistischen system mündet. diese revoluzzerromantik ist zwar ganz nett, hat aber wenig mit dem deutschen kontext zu tun und ist gerade bezogen auf rassismus in schland sehr blauäugig.

  3. Hallo Nadine, vielen Dank für Deine ausführliche Antwort. Ich schlage vor, dass Du sie auch noch innerhalb der Mädchenmannschaft verbreitest, ich habe mein Statement nämlich wörtlich von Anna-Sarah abgeschrieben, und Charlott hat damals zugestimmt:

    http://maedchenmannschaft.net/die-wahl-haben-2/

    Bitte verzeiht das Trollen, aber ich habe mich damals unheimlich über die Kommentare geärgert und fand sie so ignorant, dass ich mich noch nach vier Jahren daran erinnert habe.

  4. @Hannah-Jana

    Ganz ehrlich meine erste Reaktion: Was soll der Mist? Selbst wenn ich mit deiner Prämisse mitgehe, dass du dich halt damals über die Kommentare geärgert hast, dann erklärt das nicht, warum du Zeit und Lust darauf verschwendest ein feministisches Blog zu trollen. Hättest du ein tatsächliches Interesse an der Thematik, dann könntest du auch auf den Diskussionsthread verweisen und zum Beispiel fragen, ob diese Positionen noch genau so vertreten werden (vier Jahre sind nun auch nicht unwesentlich wenig Zeit) oder wie diese mit den hier hervorgebrachten Argumenten in Einklang zu bringen sind (davon abgesehen, dass wir alle unterschiedliche Leute sind und keine Einheitsmeinung haben müssen).

    Aber dann wäre es natürlich nicht so lustig hier und du könntest dich nicht freuen, dass du Nadine richtig hast auflaufen gelassen, denn der direkte Link auf den Thread würde zum einen Kontext zu den Aussagen bringen und so entscheidende Zitate ständen da auch, die du in deiner Selektion zufällig weggelassen hast:

    Anna: „Dessen ungeachtet kann es natürlich in den ganz konkreten Leben von realen Personen einen handfesten Unterschied machen, welche politischen Akteur_innen jeweils in einem konkreten Setting am Drücker sind. „Auf die Revolution warten“ muss man sich auch erstmal leisten können.“

    Charlott: „Würde ich Wahlen aktuell für vollkommen überflüssig halten, hätte ich mir wahrscheinlich nicht die Arbeit gemacht, all die Informationen hier im Text zu recherchieren, aber Wahlen als das große politische Teilhabe-Event zu verklären, finde ich eben schwierig.“

    Ich habe mich vor vier Jahren übrigens auch über die Diskussion geärgert, da unter einem Artikel, in dem ich mit einigem Zeitaufwand über die Wahlprüfsteine geschrieben hatte, sich ausschießlich auf den Kommentar zu Wahlen allgemein eingeschossen wurde. (Damals wie heute: Wenn ich Wahlen für boykottierbar hielt, warum würde ich mir/ würden wir uns dann die Mühe dieser Recherchearbeit (und anderer Artikel, die ich/ wir zu parlamentar-politischen Themen schrieb/schreibe siehe auch Links unter diesem Artikel) machen?).

    Meine Position ist btw nicht viel anders als 2013: Ich finde eine Verklärung von Wahlen als DAS Mittel politischer Teilhabe (wie es in vielen Kreisen gern passiert) weiterhin für gefährlich. Ich habe ein Problem mit dem Gesamtsystem. Ich glaube nicht, dass Demokratie so wie sie derzeitig implementiert ist, unterdrückungs- und diskriminierungsfrei ist oder sein kann. Ich gehe trotzdem immer wählen, da auch die Nuancen in den Entscheidungen super wichtig sind/ ganz konkrete Unterschiede für die Leben vieler machen (+ natürlich die detaillierten Argumente zur AfD, die Nadine hier aufgeführt hat). Diese Sache mit Systemkritik und dem Hier und Jetzt…

  5. @Nadine: Danke für den Text! Ich habe noch ein paar Gedanken, die ich gern ergänzen möchte.

    Wenn ich mir alle Parteien angucke, die zur Wahl stehen, dann kann ich eigentlich keine mit voll umfänglichen Glücksgefühl wählen. Zu fast allen der Parteien, die eine realistische Chance auf Einzug in den Bundestag haben, fallen mir Beispiele von politisch furchtbaren Entscheidungen oder zu mindestens schlimme Personen an prominenten Stellen ein. Auch bei der Partei, die mir am nähsten steht, und die ich auch wählen werde. Seitdem ich wählen kann hat mich dieser Fakt immer in ein Loch geworfen, aber im Vorlauf der US-Wahlen habe ich einen super Kommentar auf der Facebook-Pinnwand einer Freundin gelesen: Da schrieb eine Aktivistin hinsichtlich der vielen Kritiken an Clinton sinngemäß, dass sie diese Kritiken sieht und viele teilt, aber wenn sie Clinton wählt, sie dies tut mit dem Gedanken „Unter welcher Regierung möchte ich lieber meinen Aktivismus organisieren?“. Wer sich nicht unbedingt in Unterdrückungs-Fantasien ergibt (wie ich sie etwas bei den Wahlboykott-Dudes herauszuhören meinte), könnte sie also auch diese Frage stellen.

    Zur AfD: Ich finde es nach wie vor erschreckend, wie sehr die AfD in den letzten Jahren und gerade auch in diesem Wahlkampf den Diskurs (mit)bestimmen konnte, wie ihnen überall und jederzeit die Bühne geboten wurde und wie selbst, wenn sie nicht anwesend waren, ihre Themen besprochen wurden. Ich hatte ja schon nach der letzten Bundestagswahl, als die AfD noch an der 5%-Hürde scheiterte über deren Normalisierung auch durch die Medien (wie ZDF und ARD) geschrieben, ich mag mir gar nicht ausmalen, wie dieser Normalisierungsprozess weitergeht, wenn die AfD im Bundestag sitzt. Gegen diese Normalisierung anzuschreiben/ -sprechen da sehe ich auf jeden Fall eine (von vielen) wichtigen Aufgaben in den nächsten Jahren….

  6. Wow @Hannah-Jana, auch ich frage mich, warum du nicht schon damals in die Debatte eingestiegen bist, wenn dir die Argumente so krass gegen den Strich gingen. Offenbar findest du es aus welchen Gründen auch immer wichtiger, uns mittels „Aufdeckung“ vermeintlicher Widersprüche vorzuführen und dabei zeit und Energie zu klauen, anstatt inhaltlich einzusteigen oder – schluck – mal nachzufragen ob ich hier und jetzt alles genauso sagen würde wie in der Situation vor 4 (!) Jahren… Ich habe ich mich übrigens in unserem kürzlich erschienenen Podcast ziemlich deutlich pro Wählen gehen positioniert, aber gut.

    Wir sind immer noch Einzelpersonen. Die übrigens auch durchaus miteinander diskutieren. Falls Nadine also mal was anderes sagt als ich, wäre das jetzt auch kein „Haha, ertappt!!“-Schocker. Mich befremdet dieser Petz-Ton („Anna-Sarah hat aber gesagt, und Charlott auch!“).

    Ich finde es darüber hinaus eine relativ miese Taktik, Kommentare aus dem Zusammenhang zu reißen und so aneinander zu reihen. In dem von dir zitierten Thread habe ich mehrfach darauf hingewiesen, dass ich keine Nichtwählerin bin, dass mir aber die Argumente pro Wählen, so wie sie mir in meinem Umfeld manchmal begegnen, nicht ausreichen um mich zu einer *überzeugten* Wählerin zu machen oder zumindest von den vorgebrachten Argumenten überzeugt zu sein. Das fällt in deiner Version natürlich komplett runter. Darüber hinaus alles was Charlott schon gesagt hat.

    Du sagst es selbst: Das ist reines Getrolle. Komischer Ansatz, finde ich.

    @Nadine, danke für den Text und @Charlott für das kompakte Argument, finde ich sehr hilfreich.

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