Wie Spiegel Online Mädchen ignoriert

Es gibt viele theoretische Texte und Gedanken zu männlicher Ge­schichts­schreibung. Praktisch demonstriert wird diese Theorie gerade in einer Bildstrecke bei Spiegel Online mit dem Titel: „Spanischer Jubel: Kinderspielplatz in Kiew“. Nach dem Sieg des EM Fußballfinales der Männer gestern hatten einige Mitglieder der spanischen Mannschaft ihre Kinder auf den Rasen geholt, um dort mit ihnen zu feiern. Kleine Mädchen und Jungs liefen in Trikots der spanischen National­mannschaft über den Platz und … halt, schrieb ich „Mädchen“? Wen interessieren denn die Mädchen, wenn es um Fußball geht?

Spiegel Online zumindet schonmal nicht. In den Bildunterschriften besagter Klick­strecke, die sich hauptsächlich um die beiden Kinder von Fernando Torres dreht, wird dessen Tochter konsequent ausgeblendet. Genauso wie die anderen kleinen Mädchen auf dem Platz:

Dann betrat die nächste Generation das Spielfeld: Torres setzt seinen Sohn auf dem Rasen ab.

heißt es da und

Natürlich trägt Junior das Trikot der spanischen Nationalmannschaft.

Und ab ging’s zum Jubeln in den Strafraum. Der kleine Herr Torres kennt die Laufweg schon ganz genau. Zielsicher steuerte…

… er das Tor an. Ein künftiger Goalgetter?

Im Tor tollten später auch andere Jungs herum.

Auf den Bildern ist Torres‘ Tochter genauso deutlich abgebildet wie sein Sohn.

„Die Frau ist nicht der Rede wert“, so betitelt Luise F. Pusch eines ihrer Bücher. Wie Recht sie doch hat.

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Update: Spiegel Online hat dann doch irgendwann reagiert:

Oha. Das war uns gar nicht aufgefallen… Jetzt haben wir es geändert. Danke für den Hinweis.

Wie es passieren kann, dass so etwas „nicht auffällt“ wurde jedoch nicht erläutert.

13 Kommentare zu „Wie Spiegel Online Mädchen ignoriert

  1. Habe mir die Fotostrecke gerade angesehen und bin erstaunt, wie konsequent die Mädchen ignoriert werden. Wenn nur Jungs auf den Bildern sind: werden sie als Jungs genannt. Wenn Mädchen und Jungs auf den Bildern sind: entweder wird die Aufmerksamkeit auf die Jungs gerichtet oder es heißt allemein Kind(er). Ist ausschließlich nur ein Mädchen zu sehen: wird sie überhaupt nicht genannt, sondern es wird nur ein Komentar zum berühmten Vater abgegeben. Hallo?!

    Ist übrigens auch dermaßen praktisch, dass die Mädchen alle zwar Trikots, aber trotzdem süße Röcke anhaben, sonst könnte man sie vielleicht garnicht von den Jungs unterscheiden in dem Alter.

  2. Genau dieses Phänomen ist mir bei den Worten des Komentators zu eben diesen Bildern aufgefallen: ‚… von der Figur her ist … (der Sohn) ein typischer Mittelstürmer (o.ä.)‘. Gefilmt wurden beide Kinder, zu dem Mädchen gab’s jedoch keinen Kommentar in diese Richtung…

    (Zitat nur sinngemäß, den genauen Wortlaut weiß ich nicht mehr und ein Video habe ich leider auch nicht gefunden)

  3. Hab mir die Fotostrecke heute vormittag angesehen und sie gerade eben noch mal meinem Freund zeigen wollen. Und siehe da: die Bildunterschriften wurden geändert. Geht doch!

  4. @brittbert: Ich erinnere diesen doofen Kommentar auch so wie du… Das war Bela Rhety.

    Ich fand es sehr interessant, wie die Bilder von den spanischen Spielern, die mit ziemlichen vielen, ziemlich kleinen Kindern in Glitzerkonfetti spielen, die Kommentatoren ganz schön zu verstören scheinen. Anscheinend brechen hier Phänomene in die schöne deutsche Klischee-Fußball-Männerwelt ein, die muss man unbedingt wegdrängen.
    Ich sehe das auch im Zusammenhang mit der Rhetorik, die viele deutsche Kommentatoren für die Beschreibung des spanischen Spielstils verwenden. Da wird einerseits das Spielerische daran (Tiki-Taka!) hervorgehoben, aber es steht immer im Raum, dass das ja eigentlich nix für echte Kerle ist. Deswegen wird auch dauern darauf hingewiesen, dass einige Spieler ganz schön klein sind. Die Rückseite des Spielerischen – in der Rhetorik – ist dann das sterile (!) System, dass von diesen Robotern einfach runtergespult wird und die gegnerische Mannschaft ganz ohne Gefühle vernichtet.
    Dieser MIst plus die jetzt wieder laut werdenden Rufe nach einem Leitwolf für die deutsche Mannschaft, nach mehr Kerlen mit Ecken und Kanten – und kein Wunder, dass da Menschen, deren sexuelle und gender-identität so seltsam fixiert und gleichzeitig einfach zu verwirren ist, Wahrnehmungsschwierigkeiten bekommen…

  5. Danke für die Hinweise, die Bildunterschriften wurden tatsächlich geändert inzwischen, ich hab’s oben eingebaut.

  6. danke für’s anschreiben von spiegel online!

    die unterschrift von bild #13 finde ich immer noch ziemlich daneben

    http://www.spiegel.de/fotostrecke/spanischer-jubel-kinderspielplatz-in-kiew-fotostrecke-84335-13.html

    „Ein beliebtes Motiv: Mittelfeldmann Xabi Alonso ließ sich ebenso mit Kind und Pokal fotografieren wie… (anspielung auf den kollegen auf bild 14) … dass neben ihm (s)eine frau sitzt, ist auch nicht der rede wert. ob das „oha“, ihnen auch nicht aufgefallen ist? vermutlich … in dem fall ist halt die frau die deko, nicht der pokal.

  7. Danke für diesen informativen Artikel.
    Schau dir mal bitte die Sendung von Markus Lanz, mit der Diskussion über weibliche Moderatorinnen an.
    Die Argumente waren grotesk.
    Datum müsste der 1.7. gewesen sein.

    Beste Grüße

    Dain

  8. @Miss Charles

    Das ist auch nicht gut. Und jetzt eine Diskussion über die nicht-erwähnten Männer/Väter…?

    Bitte beim Thema bleiben, danke.

  9. In den anderen Medien ist es nicht anders, hier Beispiele aus der Süddeutschen Zeitung aus München:

    31.1.12 „Die Welt zu Gast in Bayern“ von Martina Scherf und Laura Martin
    Ich sehe eine in gold und weiß gekleidete edle Dame auf einem goldenen Thron, neben sich auf einem kleineren Thron einen Buben und einige andere Frauen und Männer. Doch in der Bildbeschriftung ist von der Frau überhaupt keine Rede mehr:
    „Der Knabe links ist Kaiser Karl V, in dessen Reich die Sonne nie unterging. …. Der Gelehrte Erasmus von Rotterdam…“
    Hier wird wieder mal ein Bub überschätzt und eine Frau vergessen?

    „Der Schmerz des Poeten“ vom 9.1.12 von Peter Burghardt
    So lobenswert die Initiative von Javier Sicilia ist, so interessant finde ich auch die Frage, wer die Frau ist, auf die er sich in Ihrem großen Foto stützt. Sie scheint doch etwas wichtiger für ihn zu sein, als die „Hunderte, dann Hunderttausende“, die in der Bildunterschrift erwähnt werden.

    Antwort des Autors: Als Korrespondent und Autor des Textes war ich nicht für die Bildauswahl zuständig, das erledigt die Zentrale – ich kann Ihnen beim besten Willen nicht sagen, wie die Dame heißt.

Kommentare sind geschlossen.

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