Was weiße Typen uns über V*rg*w*lt*g*ng*n beibringen wollen

(Triggerwarnung (Verlinkungen inbegriffen): V*rg*w*lt*g*ngsverharmlosungen werden zitiert, Strategien zur Aufrechterhaltung einer V*rg*w*lt*g*ngskultur werden thematisiert und das Wort V*rg*w*lt*g*ng wird mehrfach ausgeschrieben.)

Es wird wirklich mal langsam Zeit für ein Bullshit-Bingo mit dem Titel: „Was weiße Typen uns über Vergewaltigungen beibringen“. Das Spielbrett ließe sich schon jetzt problemlos füllen und es würden wahrscheinlich in relativ regelmäßigen Abständen neue Felder hinzu kommen. Wer bisher noch nicht alle Felder voll hat, bräuchte sich nur einmal bei den us-amerikanischen Republikanern umsehen. Aus irgendeinem Grund scheinen diese besonders kreativ und beflissen darin zu sein, sich verharmlosende, realitätsverzerrende Theorien über den Sinn, das Erleben und die Folgen einer Vergewaltigung auszudenken.

Wer eine entsprechende Theorie um die Ohren gehauen bekommen möchte, muss einem scheinbar beliebigen Exemplar besagter Personengruppe nur einmal eine Frage bezüglich des Abtreibungsrechtes für Überlebende einer Vergewaltigung stellen. Denn als strikte Abtreibungsgegner sprechen sich die meisten Republikaner selbst dann noch gegen das Recht auf Abtreibung aus, wenn die Schwangerschaft aus einer Vergewaltigung hervorgegangen ist.

Todd Akin ist so ein Name, der vielen von uns diesbezüglich wahrscheinlich noch im Gedächtnis geblieben ist. Ende August hatte er mit einem Interview für Aufsehen gesorgt, in dem er behauptet hatte, der weibliche* Körper verfüge über Mittel und Wege, eine Schwangerschaft zu unterbinden, sofern es sich um eine „echte“ Vergewaltigung gehandelt habe. Der Umkehrschluss dieser Theorie würde bedeuten, dass all diejenigen, die in Folge einer Vergewaltigung schwanger werden, entweder Falschbeschuldiger*innen sind, oder den Gewaltakt insgeheim „genossen“ oder gar „gewollt“ haben. Eine solche Theorie ist nicht nur wissenschaftlich falsch, sondern sie dient auch dazu, die Vergewaltigungskultur, in der wir alle nach wie vor leben müssen, aufrecht zu erhalten, indem sie die Täter ent- und die Betroffenen belastet.

Letzte Woche hat sich dann auch Parteikollege Richard Mourdock in die Riege eingereiht. Er ließ in einem Interview verlauten: „Selbst wenn das Leben nach dem schrecklichen Erlebnis einer Vergewaltigung beginnt, ist das etwas, das von Gott beabsichtigt ist.“ In dem Plan eines wie auch immer gearteten Gottes sollen also auch Vergewaltigungen vorkommen? Ich frage mich was eine Aussage wie diese bei all denjenigen bewirken muss, die sowohl den Worten konservativer Politiker wie Mourdock als auch an die Existenz eines Gottes glauben. Als was müssten entsprechende Personen eine Vergewaltigung dann auffassen? Als – womöglich noch gerechte – Strafe? Und was ist dann mit dem Täter? Würde er dieser verqueren Logik zufolge nicht nur „den Willen Gottes“ ausführen? Wir haben hier Victimblaming (Schuldumkehrung) und Rape Culture (Vergewaltigungskultur) in ihrer Reinform! Und mir wird wirklich schlecht, wenn ich mir vergegenwärtige, was für einen Einfluss Typen wie Mourdock, Akin und Co auf Diskurse und somit auch Gesetze haben.

Debatten um Abtreibungen und Diskussionen über Vergewaltigungen haben eines gemeinsam: beide drehen sich zu einem bedeutenden Teil um zumeist weibliche Körper und greifen auf unterschiedliche Arten in das Selbstbestimmungsrecht über eben jene Körper ein. Wie diese Diskussionen geführt werden und wer in ihnen federführend ist, hat immer etwas mit Machtverhältnissen zu tun. Wer über den eigenen Körper bestimmen darf und wer nicht, und wer sich sogar das Recht rausnehmen kann, über fremde Körper zu bestimmen, ist nicht beliebig, sondern tief in unserere gesellschaftlichen Strukturen eingeschrieben. Auch wenn ich beides nicht miteinander gleichsetzen will, halte ich es nicht für zufällig, dass Männer, die sich gegen Abtreibungen aussprechen, auch dazu neigen, Vergewaltigungen zu verharmlosen.

* Auf die Idee, dass nicht nur weibliche Körper schwanger werden können, würde Akin natürlich niemals kommen.

4 Kommentare zu „Was weiße Typen uns über V*rg*w*lt*g*ng*n beibringen wollen

  1. Kurze Verständnisfrage: Wie ist der Sternchenhinweis zu verstehen? Inwiefern können nicht nur weibliche Körper Schwanger werden?

  2. Wenn ich recht sehe, kommt „weiß“ nur im Titel vor. Was hat denn die Hautfarbe mit den Ideen dieser Typen über Abtreibung zu tun?

  3. @ Ono Sendai, die Vorstellung, dass nur weibliche Körper schwanger werden können, basiert auf der Annahme, dass es zwei (und nur zwei) klar von einander unterscheidbare Geschlechter gibt, und dass die einen (Frauen) schwanger werden können und die anderen (Männer) nur zum zeugen in der Lage sind. Diese Einteilung berücksichtigt nicht, dass es zum einen auch Menschen mit einer Gebärmutter gibt, die nicht schwanger werden können, und zum anderen, dass es auch Menschen mit nicht-weiblicher Geschlechtsidentität gibt, die trotzdem eine Gebärmutter haben und schwanger werden können (zB trans- oder intersexuelle Personen).

    @ Fritz, ob eine Person als weiß oder Schwarz gelesen wird mag nichts direkt damit zu tun haben, wie sie sich gegenüber Abtreibungrechten positioniert, hat aber Einfluss auf ihre gesellschaftliche Stellung. Die meisten machtvollen Positionen weltweit sind von weißen, christlichen, heterosexuellen, körperlich unversehrten cis-Männern besetzt und das seit Jahrhunderten. Unsere heutigen Werte-, Regel- und Rechtssysteme sind maßgeblich durch sie geprägt worden und dienen in der Regel ihrer Status- und Privilegienerhaltung. Das „weiß“ soll verdeutlichen, dass eben nicht alle Menschen, die als Männer in unserer Gesellschaft leben, gleichermaßen an Macht- und Unterdrückungsverhältnissen beteiligt sind.

  4. Irgendwie scheint mir auch tatsächlich ein empirischer Zusammenhang von Abtreibungsgegner, christliche Rechte und Verharmloser von Gewalttaten gegenüber Frauen zu bestehen.

    Aber das dieses nur in Amerika so ist würde ich dann doch bezweifeln, denn auch in D gibt es eine christliche rechtskonservative Bewegung (bereits schon private Schulen, intelligentes Design) die dieses Gedankenspektrum bereits verinnerlicht haben.

    Dies soll nur eine Anmerkung sein, dass man nicht immer nur über den Teich schauen sollte, sondern eher vor der eigenen Haustür kehren kann. Denn ähnliche Machtstrukturen sind im alten Europa noch festgefahrener als in den USA.

    LG oli

Kommentare sind geschlossen.

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