Warum rechte Frauen weniger wahrgenommen werden

Zum Beginn dieser Reihe in der letzten Woche warf ich eine Reihe von Fragen auf. Einigen will ich heute etwas näher auf den Grund gehen: Welche Bedeutung haben eigentlich Frauen in rechten Netzwerken? Wie bringen sie sich ein? Und aus welchen Gründen werden sie oftmals übersehen, werden ihre Taten kleingeredet?

Dass rechte Frauen oftmals nicht – oder viel zu wenig – wahrgenommen werden, ist keine neue Erkenntnis. So stand in der Ausgabe März/April 1995 des Antifaschistischen Infoblatts:

Entgegen der These, daß Faschofrauen nur wegen ihrer >>Macker<< rechts sind, versuchen wir die Arbeit von Drahtzieherinnen und Kaderfrauen zu dokumentieren. Wir versuchen herauszufinden, welche Positionen Frauen innerhalb der Rechten anhand der ihnen definierten Rolle übernehmen (Einsatz im Bereich Anti-Antifa, als Kundschafterinnen bei Antifa-Demos, als Flugblattverteilerin, in sozialen Bereichen z.B. in Tarnvereinen für Eltern drogenabhängiger Kinder) bzw. welche sie übernehmen, weil sie es wollen und dafür kämpfen.

Schon allein anhand dieser Aufzählung kann erahnt werden, dass es nicht wenige rechte Frauen gibt, die auf unterschiedlichste Art und Weise in rechte Netzwerke eingebunden sind, diese mitragen und auch gestalten. Es liegt also nicht daran, dass es nur wenige aktive Frauen gibt, dass sie nicht_wenig wahrgenommen werden. Grund für den verstellten Blick sind sexistische Gesellschaftsstrukturen.

„Die Freundin von…“

Bereits im Antifa-Blatt wird als erstes die These genannt, dass Frauen als die Anhängsel ihrer „Macker“ gesehen werden. Und bis heute werden Frauen häufig lediglich als „Freundin/Frau von…“ beschrieben und wahrgenommen. Es ist nur vorstellbar, dass Frauen in der Szene sind, weil sie Beziehungen zu rechten Männern führen. Sie werden kaum als eigenständige Akteurinnen gesehen und somit ihre Tätigkeiten zum Erhalt und Ausbau der extremen Rechten unsichtbar gemacht. Die Bezeichnung von Beate Zschäpe als „Nazibraut“ ist da eines der aktuellsten, aber bei weiten nicht das einzige Beispiele. Mit diesem Label versehen werden natürlich auch Taten anders bewertet oder einige überhaupt nicht betrachtet.

Was ist politisch?

Ein weiterer wesentlicher Punkt ist die Unterteilung in „Privates“ und „Politisches“, welche meist nach stark androzentrischen Mustern erfolgt.  “Anna” vom Forschungsnetzwerk Frauen und Rechtsextremismus macht im Buch “Fantifa. Feministische Perspektiven auf anti-faschistische Politik” diese Aufteilung deutlich und zeigt, welche Aktivitäten durch diese aus dem Blick verschwinden:

[…], dass Handlungsweisen oft nur dann als >>politisch<< gesehen werden, wenn sie den tradierten Mustern von >>Politik machen<< entsprechen, also z.B. offizielle Funktionsübernahme in Partein, Reden halten bei Demonstrationen usw. In diesen Funktionen treten Frauen seltener als Männer auf und so hält sich das Bild der extremen Rechten als vorrangige Männer-Sphäre recht beharrlich. Fasst mensch jedoch den Begriff des Politischen weiter, wird klar, dass auch Meinungsäußerungen im sozialen Umfeld, die Pflege von sozialen Kontakten unter Gleichgesinnten, die Erziehung der Kinder nach nationalistisch-rassistister Idealen, die Kultivierung >>germanischen Brauchtums<< bei Feiern und Festtagen usw. integrale Bestandteile für das Fortbestehen von extrem rechtem Gedankengut und dessen Umsetzung sind.

Das Frauenbild in der extremen Rechten ist (meist) ein zutiefst konservatives, welches somit auch mit ganz bestimmten Aufgabenfeldern einhergeht. (Traditionalistische Geschlechterbilder sind auch eine wichtige Säule für die rechte Ideologie, da sie eng zu einem angestrebten, vorgestellten „deutschen Volkskörper“ gehören.) Diese Felder werden aber auch in einer Betrachtung von außen als Aktivitäten im „Privaten“ gelabelt und abgewertet. Gerade hier ist auch eine feministische Kritik wichtig und hat entscheidene Ansatzpunkte, da diese schon seit langem die Politik-Definitionen, welche so eng gefasst sind, kritisiert. Wie „Anna“ zeigt, macht eine Öffnung der Kategorie „Politisches“ Aktivitäten von rechten Frauen sichtbar und sollte diese auch wichtiger nehmen in der Betrachtung der gesamten Szene, denn sie stell fest:

Diese vermeintlich >>unpolitischen<< Handlungesweisen tragen meines Erachtens zur Stabilisierung der Szene bei und sind damit höchst politisch.

Frauen und Gewalt

Ein weiterer Punkt: Die extreme Rechte wird häufig auch vor allem im Zusammenhang mit Gewalt (im engeren Sinne) gedacht. In der Rechten gibt es nicht eine einzige Meinung dazu, wie Frauen sich zu Gewalt verhalten sollten. In vielen traditionalistischen Frauenvorstellungen hat ein (physisch) gewaltvolles Handeln keinen Raum. Frauen sollen stattdessen lieber im Hintergrund bleiben, sich im Kinder kümmern, oder eben Flyer verteilen. Auf der anderen Seite aber gibt es auch rechte Frauen, die aus unterschiedlichen Gründen sich gegen dieses Bild auflehnen und für sich Gewalt als wichtige Handlungsoption sehen.

Doch selbst wenn rechte Frauen Gewalt vollziehen, führt auch die allgemein gesellschaftlich oft gezogene Verbindung zwischen Friedfertigkeit und Frauen dazu, dass Taten nicht gesehen werden. Auch hier passt wiederum die Berichterstattung zur NSU-Mordreihe. Anstatt sich mit Zschäpes Gewalt, von ihr mitgetragenen Taten und ihrem Gedankengut auseinanderzusetzen, versuchten viele lieber ihre (romantischen_sexuellen) Beziehungen zu den beteiligten Männern auseinanderzunehmen.

Mit der Reihe geht es am nächsten Montag weiter. Dann wird hier an dieser Stelle accalmie verschiedene autonome rechte Frauengruppen diskutieren.

Weiterführende Links:

Forschungsnetzwerk Frauen und Rechtsextremismus: Auf der Seite des Netzwerkes, auf dessen Arbeit ich mich auch in diesem und dem letzten Artikel teilweise bezog, findet ihr unter anderem Vortragstermine zum Thema und eine lange Literaturliste.

Fachstelle Gender und Rechtsextremismus: Diese Seite ist ein Projekt der Amadeu Antonio Stiftung. Dort findet sich aufgearbeitetes Hintergrundwissen zu Gender und Rechtsextremismus  und es werden Artikel zum NSU-Prozess gesammelt. Der Fokus liegt aber vor allem auf geschlechterreflektierende Rechtsextremismusprävention.

Bundeszentrale für politische Bildung: BpB hat vor einiger Zeit im Dossier zu Rechtsextremismus auch einige Artikel zum Thema Frauen veröffentlicht. Außerdem findet sich dort eine kommentierte Literaturliste.

8 Kommentare zu „Warum rechte Frauen weniger wahrgenommen werden

  1. Das Frauenbild in der extremen Rechten ist (meist) ein zutiefst konservatives, welches somit auch mit ganz bestimmten Aufgabenfeldern einhergeht. (Traditionalistische Geschlechterbilder sind auch eine wichtige Säule für die rechte Ideologie, da sie eng zu einem angestrebten, vorgestellten “deutschen Volkskörper” gehören.)

    Die in ganz Europa i.m.h.o bedeutendste Partei des rechten Rands, der „front nationale“ Frankreichs, wird von einer Frau geführt, nämlich Marine Le Pen. Die Vorstellung, dass rechtsradikale Parteien Frauen im Wesentlichen nur als Heimchen am Herd akzeptieren, gilt nicht mehr. Starke, unabhängige und durchsetzungsfähige Frauen sind keine Exklusivität der Linken (wenn ich hier die Adjektive stark und unabhängig gebrauche, ist damit keine positive Wertung des front nationale angedeutet).

  2. @Erika: Darum stehen in dem Text ja auch Einschränkungen wie „meist“ und auch in den Zitaten wird davon gesprochen, dass Frauen durchaus verschiedenste Aufgaben übernehmen. Es gibt natürlich nicht das eine einzige Frauenbild in der gesamten Rechten, aber trotzdem herrscht in vielen Teilen weiterhin eben ein eher traditionalistisches Bild vor (was sich natürlich auch nicht durch einige Frauen in politischen „Spitzenpositionen“ ändert).

    Im weiteren Verlauf der Reihe wird es ja auch nächste Woche um unterschiedliche rechte autonome Gruppen gehen, wo Frauen organisiert sind. Dabei wird das Bild weiter ausdifferenziert. In drei Wochen wird es dann um rechten „Feminismus“ gehen.

  3. …zumal man da auch noch einmal unterscheiden müsste zwischen „gewöhnlichen“ weiblichen Parteimitgliedern und Marine Le Pen, da sie von ihrem Vater gezielt als „Erbin“ aufgebaut wurde. Dem Parteivorstand (aber nicht dem Parteipräsidium) der NPD z.B. gehören zur Zeit 2 Frauen an, was einem Anteil von 10% entspricht (bei etwa 27% weiblicher* Mitgliedschaft). Der Ring Nationaler Frauen der NPD musste vor seiner Gründung 2006 auch erst das rein männliche Präsidium um Erlaubnis fragen. Und, wie Charlott schon schrieb, gibt’s als nächstes einen Überblick über die Geschichte autonom organisierter, extrem rechter Frauengruppen.

  4. Es sollte auch nicht vergessen werden, das neben dem „konservativem“ Weltbild von NPD & Co. Frauen gezielt mit ihrer (bewussten) Unaufälligkeit im Kontrast zu den sehr offen und laut und gewalttätig auftretenden Kameradschaften arbeiten. Auch die harmlos wirkende Arbeit im Ehrenamt der Partei ist da ein nicht zu.
    Beate Zschäpe hat vermutlich als Mitglied der NSU-Zelle vieleicht nicht selbst einen Mord ausgeführt – aber dann sicherlich dazu beigetragen, dies zu ermöglichen – bzw. fundamental dazu beigetragen das Überleben der NSU-Zelle im Untergrund zu sichern.

  5. Ein anderer Grund, der mir dafür einfällt, warum Frauen in der Naziszene so lange übersehen wurden/immer noch werden: das Naziklischeebild, das sich erst jetzt so langsam gewandelt hat. Daß man den Nazis eben nicht an der Nasenspitze anseiht, daß sie welche sind. Bei „Neonazi“ denkt man ja gern an die „klassische“ Springerstiefel-Bomberjacken-Glatzenkombi. Klar sind die Gestalten ja auch lange genug so rumgelaufen, aber eben auch nur ein Teil davon. Aber das Bild war halt so schön „griffig“ und wird ja auch heut noch gern von den Medien als Illustration genutzt.
    Nur sind die weiblichen Nazis eben nie mit Glatze und Militärchique rumgelaufen. Viele konnten sie sich daher gar nicht „als Nazi“ vorstellen.

  6. Im Prinzip ein guter und wichtiger Artikel, aber die im letzten Teil aufgestellte Behauptung, Frauen wären zu gewalttätigem Handeln fähig, finde ich hier schon ziemlich absurd.

    B20

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