Von Putzfrauen und Staatsmännern

Zwei ungleiche Geschichten aus Polen haben es in den letzten Wochen in die deutschen Medien geschafft. Die eine ist die jüngste Folge des großen militärpolitischen Dramas um den abgestürzten Präsidenten Lech Kaczynski und seinen Zwillingsbruder Jaroslaw, der sich gerade wieder im Wahlkampf befindet. Die andere ist die viel kleinere und kaum bemerkte Geschichte Justynas – „Unter deutschen Betten“. Fangen wir aber mit der ersten an.

Polnische Piloten sind tapfer! Sie schrecken vor keiner Gefahr zurück. Polnische Luftwaffengeneräle kennen keine Angst vor Nebel und Gewitter, Alkohol wirkt auf sie kaum – und, wenn überhaupt, dann macht er sie noch stärker, wagemutiger, glorreicher. Polnische Offiziere zeigen sich Vorgesetzten gegenüber nie unterwürfig, sie bangen nicht um ihre Ämter und Ränge – nein! Stets dienen sie ihrem Vaterland mit großer Ehre und Würde. Echte polnische Staatsmänner sind fest entschlossen, zielstrebig, unversöhnlich. Sie sind doch keine Schwuchtel!

Weil aber diese ruhmvolle Bravur manchmal schiefgehen kann, und weil man(n) bei vielen Wählern so eine schlechte Figur gemacht hat, dass die Umfragen auf nahenden Absturz hindeuten, bevorzuge ich eine bescheidenere Selbstinszenierung – die einer polnischen Putzfrau. Justyna, eine osteuropäische „Gastarbeiterin“ wie hunderttausend andere, verrät Schmutziges aus den „westlichen“ Haushalten. Sie erzählt von Ausbeutung, sexueller Belästigung und Diskriminierung – und von möglichen Gegenstrategien. Wie viel literarischer Wert und wie viel Klischee in ihrem Buch steckt, lässt sich nur nach vollständiger Lektüre einschätzen.

Ohne Zweifel ist aber die Erfahrung von Menschen wie Justyna wichtig und interessant – die Erfahrung der OsteuropäierInnen, die deutsche Toiletten putzen, spanische Tomaten pflücken und oft in Westeuropa bleiben, weil sie hier trotz ewig vorgestriger Vorstellungen mancher Einheimischen keine „Gäste“, sondern einfach zu Hause sind. Natürlich läuft nicht alles glatt. Natürlich gilt es, die Stereotypen der anderen und vor allem die eigenen Vorurteile loszuwerden. Natürlich ist das schwierig, wenn frau nicht in einer Großstadt aufgewachsen ist. Aber solche kleine Menschen tun eben mehr für die Völkerversöhnung, mehr für Europa als hundert eher bornierte osteuropäische Staatsmänner und hundert Prominente des polnischen Heeres.

5 Kommentare zu „Von Putzfrauen und Staatsmännern

  1. Die Frage ist, ob Justyna mit ihrem Buch (welches ja offenbar der Renner ist) wirklich etwas erreichen kann, oder ob ihr Werk einfach als die dieswöchige hippe „Muss man gelesen haben“-Unterhaltungslektüre enden wird.

    Ein Großteil der Leser_innen wird wahrscheinlich keine eigene Reinigungskraft/Haushaltshilfe unterhalten und sich denken, dass es ja wieder diese „typisch Neureichen“ sind, die sich derart daneben benehmen… dabei sehe ich täglich, wie Menschen aus allen Schichten (auch viele Student_innen) Putzfrauen, Hausmeister oder Toilettenaufsichten keines Blickes würdigen und sich nicht einmal ein freundliches „Guten Morgen“ abringen können, wenn ihnen vom Gegenüber sogar trotz Eimer, Besen und zwei Lappen in den Händen mit dem Ellenbogen die Tür aufgehalten wird. :(

    Aber wehe, irgendwo liegt mal ein Schnipselchen (eigentlich ja selbst hinterlassener) Dreck rum – dann wird schnell gemeckert über den „inkompetenten Scheibenputzer“ und die „faule Putze“, während mensch auf dem Weg zum Fair-Trade-Café ist, weil es ja sooo gestern ist, irgendwo auf der Welt Menschen billig auszunutzen. Könnt ich kotzen.

  2. Ich weiß noch nicht so genau, was ich davon halten soll.
    Offengelegt wird, dass Deutsche normale Menschen mit Schwächen und Stärken sind. Kratzt mich eigentlich wenig. Dass Reinigungsdienste schlecht bezahlt und nicht immer richtig behandelt werden, ist schlimm, aber weitestgehend bekannt. Und dass man unter deutschen Betten Zehennägel, Staub und Reste von „Mausi“ finden kann, weckt fast so viel Interesse wie das Kipptechnikprinzip städtischer Abfallbeseitigungsfahrzeugen.

    Aber die Frau ist clever. Das muss man sagen. Sie geht nach offiziellem Wiki-Leak-Modell vor und wird aus kommerziellen Gründen bestimmt bald eine DVD mit berühmten deutschen Unterdrückern und Schmierfinken rausbringen.

  3. Aber solche kleine Menschen tun eben mehr für die Völkerversöhnung, mehr für Europa als hundert eher bornierte osteuropäische Staatsmänner und hundert Prominente des polnischen Heeres.

    Das klingt mir viel zu romantisch. Und auch zu einseitig – die Polinnen sind es doch der Welt nicht schuldig, in Deutschland als Dienstmädchen anzuheuern und sich ausnutzen zu lassen, und dafür womöglich noch eigenen ihre Kinder bei Verwandten zurück zu lassen. Und wer putzt, ohne eine Kranken- und Unfallversicherung zu haben, wird ausgenutzt, auch wenn der Stundenlohn teilweise nicht so schlecht klingen mag.

    Es gibt übrigens ein Buch einer Sozialwissenschaftlerin über die Arbeits- und Lebensbedingungen von Ausländerinnen mit und ohne gültige Papiere, die illegal in deutschen Haushalten arbeiten:

    Maria S. Rerrich: Die ganze Welt zu Hause. Cosmobile Putzfrauen in privaten Haushalten.
    Rezension: http://www.socialnet.de/rezensionen/4270.php

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