Von Artamanen bis Zschäpe – Frauen in der rechten Szene

Welche Bedeutung haben eigentlich Frauen in rechten Netzwerken? Wie bringen sie sich ein? Wie sind sie einzuschätzen?  Und aus welchen Gründen werden sie oftmals übersehen, werden ihre Taten kleingeredet? Was gibt es zu rechtem Gedankengut und Geschlecht zu sagen? Mit diesen Fragen, und sicher noch einigen mehr, wollen wir uns ab heute in einer neuen Artikelserie „Gender und Rechtsextremismus“ auseinandersetzen. Für diese Reihe haben wir uns für den Begriff Rechtsextremismus entschieden, um ein Einstellungsmuster zu bezeichnen, wie es hier bei „Netz gegen Nazis“ beschrieben wird. Als anderer und oft synonym verstandener Begriff wird im allgemeinen auch „Rechtsradikalismus“ genutzt, der unserer Meinung nach jedoch verkürzt ist. Nach besseren Begriffsalternativen wird noch gesucht. Kritisch anzumerken bleibt, dass „Rechtsextremismus“ ein Begriff der Extremismustheorie ist, die unseren politischen Anliegen entgegenläuft und rechtes Gedankengut als „Randproblem“, das mit linker Politik und linken Utopien gleichgesetzt werden könne, strategisch verharmlost.

Seit dem 06. Mai läuft nun der sogenannte „NSU-Prozess“ gegen Beate Zschäpe sowie André E., Holger G., Carsten S. und Ralf Wohlleben. (Zu den UnterstützerInnen hat die Brandenburgische Landeszentrale für politische Bildung Informationen zusammengetragen.) Mit dem Beginn des Prozesses ging selbstredend auch die Berichterstattung weiter, die Beate Zschäpe vor allem hinsichtlich ihres Aussehens kommentierte („Ihr langes Haar glänzt. Vermutlich war sie noch gestern beim Gefängnisfriseur.“ FOCUS) oder sie als „Nazi-Braut“ bezeichnete (BILD).

Zwei Beispiele von vielen die zeigen, dass die mediale Wahrnehmung von rechten Frauen immernoch bestimmt ist durch klare sexistische Stereotype. Dabei ist die Forschung zu dieser Thematik seit Jahren weiter. So antwortet auch „Anna“ vom Forschungsnetzwerk Frauen und Rechtsextremismus im Buch „Fantifa. Feministische Perspektiven auf anti-faschistische Politik“ auf die Frage, ob sich denn in den letzten zwanzig Jahren die Wahrnehmung rechter Frauen geändert hätte:

Da würde ich unterscheiden: In den Kreisen, die Recherchearbeit machen, Forschung betreiben und publizieren zum Thema extreme Rechte, hat sich einiges getan. Hier werden Frauen- bzw. Geschlechterthemen überhaupt inzwischen deutlich häufiger berücksichtigt, so mein Eindruck. […]
In der allgemeinen Öffentlichkeit allerdings ist das Bild häufig noch das der Frau als Mitläuferin, wenn überhaupt. Oftmals auch in sexualisierter Weise: Sie ist nur als „Freundin von…“ vorstellbar. Das wurde recht gut sichtbar, als im November 2011 die Taten und das Kernpersonal der so genannten Zwickauer Terrorzelle des NSU (Nationalsozialistischer Untergrund) bekannt wurden. […] Obwohl anfangs nichts klar war über die Beteiligung der einzelnen Mitglieder an der Mordserie des NSU, bezeichneten diverse Medien die Frau sofort als „Nazi-Braut“ und „Betthäschen“ der Mörder-Nazis.

Das Forschungsnetzwerk veröffentlichte so auch bereits im November 2011 einen offenen Brief an Medienschaffende und Wissenschaftler_innen durch solche Wortwahl nicht die Taten rechter Frauen zu verharmlosen. (Wir berichteten.) Auch zum diesjährigen Prozessbeginn äußerte sich das Forschungsnetzwerk in einem weiteren offenen Brief:

Entgegen aktueller wissenschaftlicher und empirischer Forschung und Erkenntnisse reproduzieren Medien und Behörden in ihren Berichten noch viel zu häufig Frauenbilder, die extrem rechte Akteurinnen, wenn überhaupt, als Mitläuferinnen, Freundinnen, Ehefrauen, harmlos, unpolitisch und unbedeutend darstellen. Beate Zschäpes Aktivitäten zeigen, dass diese Wahrnehmungen und Umdeutungen eine Sackgasse sind. Die Verharmlosung der Rolle von Frauen in der extremen Rechten spiegelt nicht nur sexistische Stereotype wider, sie verharmlost auch die rassistisch und antisemitisch motivierten Taten selbst.

Doch Mainstream-Medien und bundesdeutsche Behörden sind nicht allein im Nicht-Beachten rechter Frauen. Lange Zeit fiel auch einer kritischeren Forschung dieser Fokus schwer, denn zu erst musste es zu einer Auseinandersetzung mit der Möglichkeit von Täterinnenschaft kommen. Die Frage lautete: Können Frauen in einem patriarchalen System überhaupt Täterinnen sein?

Die Antwort muss ganz klar „Ja“ lauten. Christina Thürmer-Rohr zeichnet in ihrem Aufsatz „Die unheilbare Pluralität der Welt – von Patriachatskritik zur Totalitarismusforschung“ aus dem Jahr 1997 einige Entwicklungen dieser Debatte in Deutschland nach. (Mit dem gesamten Aufsatz hat sich Nadine hier schon einmal auseinandergesetzt.) Thürmer-Rohr beschreibt, wie Anfang der 1980-iger Jahre die These der Mittäterinnenschaft entstand:

Die Handlungen der Frauen sind demnach nicht nur aufgezwungene und ihre Handlungsbegrenzungen nicht nur durch Zwang verhinderte Handlungen, sondern sind auch selbstgewählte, oft selbstgewollte, vor allem aber dem System dienliche Handlungen. Frauen werden nicht nur verstrickt, verletzt und mißbraucht von einem schädigenden System, sondern sie steigen auch eigentätig ein, sie gewinnen auch etwas, sie ernten Privilegien und fragwürdige Anerkennungen, sie profitieren von ihren Rollen – sofern sie sie erfüllen.

In dem Begriff der Mittäterin soll gleichzeitig die Täterinnenschaft (zu meist rassistische Gewalt durch weiße Frauen), aber eben auch die Unterdrückung, die qua Geschlecht vorliegt, eingeschlossen sein. Der Begriff soll die ambivalente Positionierung deutlich machen.

Dass weiße Frauen aktiv als Täterinnen (und hier wurde meist dieser Begriff gewählt) an der Unterdrückung von PoC (mit)wirken, haben natürlich aber vor allem Schwarze Theoretiker_innen/ Aktivist_innen und Theoretiker_innen/ Aktivist_innen of Colour wie bell hooks, Angela Davis und Audre Lorde herausgearbeitet. Dabei schrieben und schreiben sie nicht nur zu Frauen, die konkret in rechte Zusammenhänge einzuordnen sind, sondern beispielsweise auch über weiße Feminist_innen.

Eines ist deutlich: In einem Gesellschaftssystem, welches von unterschiedlichen Machstrukturen durchzogen ist, wo Sexismus eben nicht das einzige ist, ist auch (Mit)Täterinnenschaft möglich und Frauen können von innerhalb des Systems von bestimmten Handlungen profitieren. Nach diesem Prinzip sind auch rechte Gruppierungen zu betrachten. Im zweiten Teil der Serie werde ich genau dies noch einmal intensiver tun und aufzeigen, welche Rollen rechte Frauen einnehmen.

9 Kommentare zu „Von Artamanen bis Zschäpe – Frauen in der rechten Szene

  1. Spannendes Thema. Wenn ich mir für die Fortsetzung der Serie was wünschen darf: mich würden speziell die Diskurse der extemen Rechten um das Thema sexualisierte Gewalt („Todesstrafe für Kinderschänder“) interessieren und ihre Mobilisierungspotenziale gerade für *Frauen.

  2. @Lunula: Danke! Dieses Thema wird in zwei Wochen in einem Beitrag zu autonom organisierten Rechtsextremistinnen angeschnitten – in der Diskussion darf dann gerne ergänzt werden.

  3. Sorry ich muss i-tüpferl-reiten. Thürmer-rohr redet in den 80ern von mittäterschaft und meint damit _mit dem täter_ d.h. das mittun von frauen mit dem patriarchat. Das ist schon ein ziemlich spezieller zugang… (wenn eins bös ist: einer der erst wieder alles unter patrarchat subsummiert…) geht denke ich nicht ganz so glatt mit Schwarzen/antirassistischen ansätzen zusammen, oder? Anyway immer noch sehr spannendes thema!

  4. @steve

    thürmer-rohrs ansätze beziehen sich mitnichten nur auf mit_tun von frauen im patriarchat, sondern sie bezieht stellung gegen sexismus-only-ansätze in v.a. weißen feministischen bewegungen_zusammenhängen, die rassismus und andere unterdrückungsverhältnisse außen vor lassen. warum das so ist, sieht sie auch darin begründet, die kategorie „frau“ unhinterfragt und differenzlos als betroffenheitssubjekt gelten zu lassen und damit das zutun von frauen nicht nur während der ns-zeit, sondern auch im kolonialismus nicht in eine universellere herrschaftskritik einzubeziehen.

    thürmer-rohr ist weder die erste, noch die einzige feministin, die das kritisiert, aber ihre perspektiven lediglich auf patriarchatsanalysen zu beziehen, ist dann doch etwas verkürzt. im obigen artikel ist auch mein früherer artikel, der sich mit ihrer these der mittäterinnenschaft auseinandersetzt, verlinkt.

    meine einschätzung ist, dass sich ihre ansätze und kritiken in die lange tradition Schwarzer und of Color Kritiken an weißen feministischen gesellschaftsanalysen stellen (lassen können). dass das nicht 1:1 die gleiche kritik ist, hat hier allerdings keine autorin bisher behauptet.

  5. Kann zu dieser Thematik nur das Buch „Mädelsache!“ weiter“empfehlen“ (wobei ich den Titel nicht gut finde)

  6. Gutes Thema! Was ich mir noch wünschen würde: Eingehen auf die Frage, wie rechtsextremes Gedankengut bzgl. der Rolle der Frau mit eigener politischer Aktivität oder der Beteiligung an Gewalttaten etc. in „Einklang“ gebracht wird – denn da ist ja ein bsd. krasser Gegensatz festzustellen. Ich habe mal irgendwo gelesen, dass das immer mit dem Prozess begründet wird, in dem man sich befinde, und dass argumentiert wird, wenn der „Endsieg erreicht“ sei, wolle man sich gerne wieder auf die „angestammte“ Rolle als Hausfrau und Mutter besinnen. Ist das die einzige Art und Weise, wie auf diesen offensichtlichen Gegensatz reagiert wird?

  7. @Angelika: Ich denke, dass das im nächsten Beitrag eine Rolle spielen wird. Und auch da gilt dann: Gern in den Kommentaren ergänzen_diskutieren.

Kommentare sind geschlossen.

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