Unglaublich, aber auch 2012 sind rassistische Traditionen noch rassistisch

Im New Yorker Central Park sitzen ein weißer alter Mann mit Joint in der Hand (Dieter Hallervorden) und ein weißer Mann mit schwarz angemalten Gesicht, im Hintergrund schaut eine junge weiße Frau zu
Plakat zu “Ich bin nicht Rappaport” des Berliner Schlosspark-Theaters (Pressefoto: DERDEHMEL)
Bereits bevor das Stück „Ich bin Rappaport“ gespielt wurde, sah ich in Berlin das gruselige Plakat dazu – Blackface. Die Theatertradition, weiße Menschen schwarz anzumalen und dann „den lustigen N-Wort“ spielen zu lassen. Die in den USA seit Jahrzehnten verpönt ist und in Deutschland leider immer noch immer wieder eingesetzt wird.

Daraufhin entbrannte nun auf der Facebook-Seite des Schlosspark-Theaters ein Shitstorm. Zunächst beschwerten sich nur Menschen und forderten eine Erklärung. Auf einen ersten Beschwerdebrief gab es nur eine peinliche Antwort der Theaterleitung und Regie:

Kaum einem Ensemble eines Theaters in Deutschland, Österreich und der Schweiz gehören schwarze Schauspieler an. Allein deswegen, weil das Stückrepertoire der Theater ihnen zu wenige Rollen in einer Spielzeit bieten könnte, die ein Festengagement rechtfertigten.

Im Klartext: Schwarze Menschen können nämlich nur Rollen spielen, die explizit für sie geschrieben wurden. Weiße Menschen können aber alles spielen, manchmal muss man sie halt anmalen. Seitdem ist die Kritik auf der Facebookseite explodiert. Absetzung des Stückes wurde gefordert. Inzwischen hat auch der oberste Theaterleiter Dieter Hallervorden eine Stellungnahme abgegeben:

In meiner Gedankenwelt ist absolut kein Platz für Rassismus.

Ein weißer Mann mit dunkelblauem Hend und blauen Jacket steht alleine auf einer Bühne, sein Gesicht ist schwarz angemalt, mit einem riesigen roten Mund
Szene aus Unschuld (Pressefoto: Arno Declair)
So weit, so gut. Tatsächlich wird in dem Stück sogar Rassismus behandelt. Was für Hallervorden bedeutet, dass damit jegliche rassistische Handlung, ob auf, hinter oder fernab der Bühne, unmöglich sei:

Mein Rat: Leute, lest das Stück – dann werdet ihr erkennen, dass es glücklicherweise gar keinen Raum für Rassismus bietet!
Macht euch erst mal kundig, bevor die Sicherungen durchbrennen, nur weil ihr auf einem Plakat einen Weißen seht, der schwarz geschminkt ist!

Die vielen Links und Erklärungen, warum genau das rassistisch ist? Geschenkt! Inzwischen ist das Thema selbst bei der Süddeutschen angekommen, die sich zunächst mit der rassistischen Geschichte auseinandersetzt, schließlich aber ebenfalls tief ins Klo greift:

Doch ist das, was in den US-Südstaaten um 1900 rassistisch war, auch 2012 in Berlin noch so?

In den Südstaaten wurde 1900 eine Menge rassistischer Scheiße veranstaltet – vom de facto Wahlverbot für Schwarze Menschen bishin zur allgegenwärtigen Segegration, die erst 1965 abgeschafft wurde. Das wird nicht besser, weil wir heute ein anderes Datum im Kalender erblicken. Also liebe Süddeutsche: Ja, was in den US-Südstaaten um 1900 rassistisch war, ist auch 2012 in Berlin noch rassistisch.
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Weitere Informationen in der Facebookgruppe Schluß mit rassistischen „Black­face“-Auf­führungen und auf riotmango.de. Derzeit wird z.B. auch am Deutschen Theater in dem Stück „Unschuld“ Blackface verwendet – genau so überzeichnet, wie es die Tradition verlangt.

16 Kommentare zu „Unglaublich, aber auch 2012 sind rassistische Traditionen noch rassistisch

  1. Wenn ihr auf FB angemeldet seid, tretet bitte in die oben verlinkte Gruppe „Schluß mit rassistischen „Black­face“-Auf­führungen“ ein! Es wäre ein kleines aber schönes Zeichen wenn diese mehr Anhänger_innen als das Schloßparktheater hätte.

  2. „Blackface. Die Theatertradition, weiße Menschen schwarz anzumalen
    !!und dann „den lustigen N-Wort“ spielen zu lassen. :“

    Genau das ist das Stück eben nicht. Der eine Alte ist ein Jude, der andere ein Afroamerikaner, und beide wehren sich letztendlich erfolgreich dagegen, von der Gesellschaft an den Rand gedrängt zu werden.

  3. @ Helga, mich würde mal interessieren, wer den Braunen Mob überhaupt kennt. Ich habe eher das Gefühl, dass der nur von Menschen wahrgenommen wird, die sich mit dem Thema eh auskennen.

    Aber so oder so würde es zur journalistischen Sorgfaltspflicht gehören, speziell das Thema Blackface zu recherchieren und ja, Leute zu fragen, die sich da auskennen. Vor allem weil man ständig lesen muss „man soll sich das Stück doch erst mal ansehen und dann urteilen.“ Das heißt, es besteht überhaupt kein Verständnis dafür, dass der Rassismus bereits im Stilmittel liegt und durch den Inhalt nicht wieder umgekehrt werden kann.

  4. @klarerkopf: Das ist das Problem an der ganzen Debatte. Dauernd werden Inhalt und Form in einen Topf geworfen. Der Inhalt ist anti-rassistisch. Die Form ist rassistisch. Denn das Blackface wird nicht im Stück verlangt, es wird im aufgedrückt ohne jede Reflektion.

    Für die weitere Diskussion bitte ich auf solche Kommentare zu verzichten. Dass das Stück inhaltlich gegen Rassismus ist, macht es umso trauriger, dass niemand sich darüber hinaus mit Rassismus beschäftigt hat.

  5. Jetzt erhält das Schlosspark Theater Rückendeckung von PI News – ich mag dahin nicht verlinken, aber der Titel lautet „Rassist Didi hat Weißen schwarz geschminkt.“

    Passend dazu wird die FB-Seite des Theaters seit Stunden mit ganz unerträglichen Äußerungen geflutet.

  6. Also, ich habe (allerdings bei der Schauspieltruppe des Globe-Theaters) durchaus schon SchauspielerInnen mit afrikanischem oder asiatischem Hintergrund gesehen, die hinsichtlich der Hautfarbe und Herkunft unspezifizierte, aber vermutlich als „weiß“ gedachte Rollen gespielt haben (war nämlich ein Shakespeare-Stück, und so rassistisch, wie dessen Zeitalter war, hätte er sicher nicht mit Andeutungen gespart, wenn’s beabsichtigt gewesen wäre). Das fiel mir damals als klasse und fortschrittlich auf, aber eigentlich sollte es selbstverständlich sein. Allerdings verstehe ich durchaus, dass man je nach Theaterensemble nicht unbedingt für jede „nicht-weiße“ Rolle einen „nicht-weißen“ Menschen der entsprechenden Minderheit finden kann. Die Frage ist wirklich, wie man dann damit umgeht – wäre es eine korrektere Alternative, die Rolle dann einfach ohne das als „nicht-weiß“ auszeichnende Make-Up zu spielen?

  7. Ich habe (wie viele andere bestimmt auch) eine E-Mail von der Landesstelle für Gleichbehandlung bekommen:

    Sehr geehrte Frau Albrecht,

    die Landesstelle für Gleichbehandlung – gegen Diskriminierung (LADS) hat sich nach einer Prüfung verschiedener Beschwerden mit einer Stellungnahme an das Schlossparktheater gewandt. Hierbei sind wir vor allem die Praxis des „Blackfacings“ als auch auf Äußerungen zur Beschäftigung von Schwarzen Schauspieler/innen im Theaterbetrieb eingegangen. Wir warten auf eine Antwort des Schlossparktheaters und werden Sie über eine Reaktion des Theaters informieren. Sollten Sie ein Rückmeldung zur aktuellen Debatte um die Aufführung des Stücks „Ich bin nicht Rappaport“ am Schlossparktheater und die Stellungnahmen der LADS dazu in den Medien haben, nehmen wir diese gerne entgegen.

Kommentare sind geschlossen.

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