Und es bewegt sich doch? Koalition beschließt Frauenquote

Wie die tagesschau berichtet, hat sich die SPD-CDU/CSU-Koalition nun hinsichtlich des Themas Frauenquote geeinigt. Vorgesehen ist das folgende: Für 108 börsennotierten und mitbestimmungspflichtigen so genannte große Unternehmen wird eine 30-Prozent-Quote für Aufsichtsräte eingeführt. Diese wird ohne Ausnahmen (welche CDU/CSU bisher für verschiedene Branchen erkämpfen wollte) gelten. Außerdem sollen weitere ca. 3500 mittelgroße (börsennotierte und mitbestimmungspflichtige) Firmen sich eigene Zielvorgaben setzen. Das Gesetz soll am 11.Dezember im Kabinett beschlossen werden und ab 2016 gelten.

Und wird es auch Sanktionen geben? Ja, eine. Plätze, die Frauen zuständen aber nicht mit ihnen besetzt werden, müssen dann leer bleiben. Ich muss zu geben, ich habe lange gebraucht um daran das große Sanktionspotential zu sehen, denn was ist denn die Konsequenz? Statt einer größeren Männer-Küngel-Gruppe eine etwas kleinere? Gerade im Hinblick auf die eigentliche Funktion von Aufsichtsräten – nämlich zu beaufsichtigen scheint diese Konsequenz seltsam. Auf der anderen Seite heißt es für die Unternehmen wirklich, dass sie neu entscheiden müssen, wer denn nun im Aufsichtrat sitzt, denn in den meisten Fällen (einige wenige erfüllen bereits die Quotierung) werden Männer, die bisher dort sind ihre Plätze verlassen müssen – oder aber der Aufsichtsrat muss ausgeweitet werden.

Ansonsten bleibt es eigentlich dabei, was ich fast auf den Tag vor einem Jahr an dieser Stelle schrieb, als sich SPD und CDU/CSU auf die Formulierung für den Koalitionsvertrag geeinigt hatten:

Da hat sich die so genannte Große Koalition also ein hübsches emanzipatorisches Feigenblättchen geschaffen. Denn davon abgesehen, dass der Anteil sehr gering ist und nur ein bestimmter Teil von Unternehmen überhaupt betroffen – welche Personen können eigentlich davon profitieren? Was nützt diese Quote, wenn andere hetero_cis_sexistische, rassistische, klassistische, ableistische Strukturen nicht mitgedacht werden, bzw. an diesen gearbeitet wird. Welche Personen haben die Möglichkeit potentielle Kandidat_innen für einen Aufsichtsratsposten zu werden? (Und dann gibt es natürlich noch weiterführende Fragen.)

Das EU-Parlament hatte übrigens vor einem Jahr beschlossen, dass bis 2020 eine Quote von 40% verbindlich sein soll. Aber auch diese bliebe natürlich letzten Endes eine Makulatur in einem kaputten (oder besonders gut funktionierendem – je nach Perspektive) System (Kapitalismus).

Es bewegt sich nun also etwas? Aber wohin eigentlich?

Analysen und Kritiken zu Ökonomie, die über eine Quotendiskussion hinausgehen (bzw. diese auch etwas differenzierter führen) findet ihr in unserer Rubrik Ökonomie und in unserer Reihe Ökonomie_Kritik.

 

4 Kommentare zu „Und es bewegt sich doch? Koalition beschließt Frauenquote

  1. Also die Quote ist ja wirklich lächerlich. Besteht tatsächlich die Möglichkeit, einen Aufsichtsrat entsprechend auszuweiten, so wird der momentane Aufsichtsrat einfach als 70% gerechnet und fertig. Die weiteren Plätze bleiben leider leer, da man keine geeignete Frau gefunden hat…
    Das ist doch Verarsche! Armes Deutschland!

  2. Ganz so einfach ist es dann doch nicht: Die Zahl der Aufsichtsratsmitglieder ist gesetzlich oder per Satzung festgelegt. Für eine satzungsmäßige Zahl gibt es eine gesetzliche Obergrenze (§ 95 AktienG). Der Aufsichtsrat kann also nicht beliebig ausgeweitet werden. Und wenn Mitglieder fehlen, kann es im schlimmsten Fall passieren, dass der Aufsichtsrat beschlussunfähig wird (vgl. § 108 AktienG) und dann seine gesetzlichen Aufgaben nicht mehr erfüllen kann. Von daher ist es schon eine echte Sanktion, wenn ein Posten dauerhaft nicht besetzt werden kann.

  3. Ich habe dazu nichts gefunden, aber ich vermute, dass die Quote jeweils getrennt für die Arbeitnehmer- und Anteilseigner-Seite des Aufsichtsrats gelten würde (es muss ja irgendwie festgelegt sein, welcher Sitz nicht besetzt wird: bei größeren Unternehmen hat jede Seite die Hälfte der Sitze, wobei bei den Arbeitnehmern allerdings ein Sitz den „leitenden Angestellten“ zusteht). Sobald also ein Sitz nicht besetzt werden kann, hat die andere Seite die Mehrheit, bei zwei nicht besetzten Sitzen auf Arbeitgeberseite auch nicht mehr mit Hilfe des „leitende Angestellte“-Vertreters.

    Wenn meine Vermutung stimmt, ginge es also direkt darum, wer die Macht im Unternehmen hat – das wäre dann m.E. eine durchaus schmerzhafte Sanktion, an der auch eine Ausweitung des Aufsuchtsrats nichts ändern würde.

Kommentare sind geschlossen.

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