Über 200 entführte Mädchen – und ganz viel Stille.

Am 14. April wurden im Bundestaat Borno im Norden Nigerias über 200 Schülerinnen durch die militante Organisation Boko Haram entführt. Ein Großteil der Mädchen ist bis heute in der Gewalt der Entführer. In den meisten deutschsprachigen Medien wurden sie bereits aus dem Nachrichteninteresse verdrängt. Die letzten Artikel sind meistens vom 17. April. In diesen wird die Falschmeldung vom Tag zuvor, dass die Mädchen befreit wären, zurückgenommen. Seitdem: Stille.

Und ja, über die Vorfälle zu schreiben ist nicht einfach, denn nur wenige Informationen gelten als gesichtert, angefangen von der Frage wie viele Mädchen genau entführt sind.  Gestern wurden Berichte veröffentlicht, dass die Mädchen zwangsverheiratet und zumindest einige von ihnen aus dem Land nach Kamerun und Tschad geschafft wurden. Klar ist: Viele Schülerinnen sind weiterhin verschwunden. Von Erfahrungen mit bisherigen Entführungen lässt sich bereits erahnen, welche Gewalterfahrungen sie machen müssen.

Nicht nur, dass außerhalb Nigerias das Thema eigentlich schnell ein Nicht-Thema wurde, was einmal mehr deutlich machte, wie wenig eigentlich die Leben Schwarzer Mädchen „wert“ sind, auch in Nigeria wird nur langsam von offizieller Seite reagiert – wenn überhaupt.  Erst heute Morgen hat @CheRox dies noch einmal auf Twitter zusammengefasst. Den meisten ist bewusst, um so länger es dauert bis intensiv nach den Mädchen gesucht wird, um so geringer werden die Chancen sie jemals wieder zu finden. Schon jetzt sind viele pessimistisch.

Doch für heute wurde in Abuja durch ein Bündnis verschiedener Frauen zu einem Protestmarsch, dem ‚Million Woman March‘, aufgerufen. Am Montag hatte es bereits Proteste in Lagos durch die Kibaku Youth Association of Nigeria gegeben. Auf Twitter wird mittlerweile unter dem Hashtag #BringBackOurGirls mobilisiert.

Ein detaillierter Artikel zu den Ereignissen erschien ebenfalls heute im New Yorker. Alexis Okeowo beschreibt nicht nur die Hintergründe, sondern sprach mit Familienangehörigen und einer Schülerin, die fliehen konnte. Zum Ende heißt es:

For a while after the abduction, girls trickled back into town—some rolled off trucks, some snuck away while fetching water. That trickle has stopped. “Nobody rescued them,” a government official in Chibok said of the girls who made it back. “I want you to stress you this point. Nobody rescued them. They escaped on their accord. This is painful.”

[Einige Zeit lang nach der Entführung tröpfelten Mädchen zurück in die Stadt – einige hatten sich von den Trucks gerollt, andere waren beim Wasser holen davon geschlichen. Dieses Tröpfeln hat aufgehört. „Niemand hat sie befreit“, sagte ein Regierungsbeamter in Chibok über die Mädchen, die es zurück geschaft haben. „Ich möchte, dass Sie diesen Punkt hervorheben. Niemand hat sie befreit. Sie sind eigenständig geflohen. Das ist schmerzhaft.“

Zum Weiterhören: Bei der BBC gab es gestern eine Diskussion zu der Entführung, dem (Nicht)Umgang der nigerianischen Regierung und den geplanten Protesten.

8 Kommentare zu „Über 200 entführte Mädchen – und ganz viel Stille.

  1. :( Es ist traurig und schockierend, dass ich erst über diesen BLOG über diese Entführung erfahren konnte.
    Präsenter wird von erneute Anschlägen in Teilen des Landes ( vor allem Abudja) berrichtet, dutzenden Toten, was mich jedes mal aufs neue nach Luft ringen lässt, weil Verwandte in dieser Stadt wohnen, aber davon, dass so viele Mädchen einfach verschwunden sind ist es nicht Wert zu berrichten?

    Und wieso gibt es keinen lauteren Aufschrei der ausländischen Politik, über die fehlende Suche nach den Mädchen, das wäre ein “ Anlass“ gewesen endlich auch die Frauenstellung in Nigeria von außen ins Visier zu nehmen, zu kritisieren, Veränderung zu fordern… ( vielleicht bin ich gerade etwas utopisch… aber diese Nachricht facht gerade so viel Wut in mir auf)

  2. Ich zitiere mal Charlott, direkt aus dem Artikel:

    In den meisten deutschsprachigen Medien wurden sie bereits aus dem Nachrichteninteresse verdrängt. Die letzten Artikel sind meistens vom 17. April. In diesen wird die Falschmeldung vom Tag zuvor, dass die Mädchen befreit wären, zurückgenommen. Seitdem: Stille.

    Der „Million Women March“ am vergangenen Mittwoch, der von Eltern und Aktivist_innen organisiert wurde, hatte auch zum Ziel, mehr politische und mediale Aufmerksamkeit für die entführten Schülerinnen zu generieren.

  3. In einigen Ländern, bspw. USA und Großbritannien gab es Proteste die von der Nigerianischen Regierung ein rasches Handeln forderten. Auch die jeweiligen Regierungen wurden aufgefordert bei der Befreiung dieser Schülerinnen zu helfen. Weiß jemand, ob sowas auch in Deutschland in Planung ist? Eine Kundgebung vor der Nigerianischen Botschaft oder sowas?

Kommentare sind geschlossen.

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