Staatliches Bordell

Eine ungewöhnliche Forderung stellte jetzt die Schweizer Aidshilfe: Um die gesundheitlichen Risiken für Prostituierte einzuschränken, sollen staatliche Bordelle für verbesserte Arbeitsbedingungen sorgen.

Wie die Basler Zeitung berichtet, sind besonders Frauen, die sich illegal in der Schweiz aufhalten, von Nötigungen und Misshandlungen betroffen. Dabei sind es vor allem wirtschaftliche Ursachen, wie hohe Zimmermieten, die die Frauen psychischer und körperliche Gewalt aussetzen und immer wieder unter Druck setzen, auf Kondome zu verzichten.

Aus diesem Grund müsste Sexarbeit als Arbeit definiert werden, fordern nicht nur Schweizer Sozialwissenschaftlerinnen, sondern auch Nicole Wehrle von der Baseler Aidshilfe. Wehrle, zuständig für die Aidsprävention im Sexgewerbe, schlägt ein staatliches Bordell vor,

mit Kondomen auf den Zimmern, Handtüchern und Duschen. Für die Sexarbeiterinnen müsste es faire Zimmerpreise geben und Präventionsmaterial bereitliegen. Natürlich müssten auch rechtliche Bedingungen geschaffen werden, damit die Sexarbeiterinnen legal arbeiten können. Schweizerinnen und Ausländerinnen aus EU-Staaten können dies bereits. {…} Mit einer Legalisierung der Sexarbeiterinnen – zumindest für eine gewisse Zeit – könnten diese auch zu staatlichen Abgaben verpflichtet werden.

Und weiter:

Wehrles Hoffnung ist, dass die Bordellbetreiber mitziehen und ihre Standards anpassen würden. Ihr schwebt so etwas wie ein Gütesiegel für Bordelle vor. Sie sei sich im Klaren darüber, dass der Kanton kein Bordell betreiben könne. Aber mit ihrem Vorschlag möchte sie die Bildung einer Arbeitsgruppe aus Behördmitgliedern, Aidshilfe-Mitarbeitern, Leuten aus dem Milieu und Freiern forcieren. «Ich kenne Freier, die bei den Prostituierten gerne auf ein Label setzten würden.» Wie beim Bio-Gemüse.

Auch wenn der Vergleich mit dem Bio-Gemüse ziemlich hinkt, eine gute Idee, auch über die Schweizer Grenze hinaus.

73 Kommentare zu „Staatliches Bordell

  1. Hat doch Charlotte Roche schon im Zusammenhang mit den Feuchtgebieten vorgeschlagen…

    „«Ich kenne Freier, die bei den Prostituierten gerne auf ein Label setzten würden.»“

    Ist ein bekanntes Phänomen, daß Labels Marktversagen in Situationen adverser Selektion verringern können. Dazu braucht es aber keine staatlichen Bordelle, sondern nur eine staatliche Überprüfung von Standards, siehe TÜV. Die Regierung baut ja (bis auf Open ;)) auch keine Autos, damit die Bremsen funktionieren. Es gibt ja meines Erachtens in Deutschland schon so ein Label („fair pay fair sex“) oder so vom Bundesverband sexuelle Dienstleistungen, aber ich glaube, da sind nur wenige Dienstleister/innen sind da Mitglied.

    Generell fände ich ein staatliches Label auch gut. Würde die Wahrnehmung der Tätigkeit aufwerten und zur legitimen Wellness-Industrie machen. Irgendwann müßte halt dann mal ein Politiker derartige Leistungen in Anspruch nehmen, und dann öffentlich sagen „und das ist gut so“. Mal sehen, wann das passieren wird.

    Aus einem jetzt.de Interview zum Thema …
    http://jetzt.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/475521

    jetzt.de: Sie haben wegen dieses Streits mit vielen Politikern gesprochen. Waren die aufgeschlossen oder hatten die Skrupel, mit Prostitution in Verbindung zu kommen?
    Stephanie: Wenn ich alleine auf die Politiker zugegangen bin und ihnen Anonymität zugesichert habe, sind die Meisten durchaus bereit gewesen, sich mit der Thematik auseinanderzusetzen. Aber alle hatten Angst, damit an die Öffentlichkeit zu treten, um nicht der Frage ausgesetzt zu werden: „Warum engagierst du dich für Prostitution?“ Die Männer haben befürchtet, als Freier angegriffen zu werden und die Frauen hatten hinsichtlich ihres eigenen Wertesystems Bedenken.

  2. Die Idee finde ich super, hat sich beim ersten Versuch (in Bern war es, glaube ich) bewährt. Allerdings wäre ich auch eher für ein Gütesiegel, oder sogar noch weiter: Betreiber, welche die Regeln nicht einhalten zur Rechenschaft zu ziehen. Wie auch immer- wichtig ist, dass etwas in diese Richtung gemacht wird, und allfällige Gütekriterien auch tatsächlich durchgesetzt werden.

  3. Ich wäre vor allem dafür, daß Bordelle ähnlich der Gastronomie endlich ein konzessionspflichtiges Gewerbe wären. Das gäbe dem Staat die Möglichkeit der immer noch existierende dunklen Seite des Rotlichts zu Leibe zu rücken. Voraussetzung wären natürlich szenekundige Beamte (die es gibt) und eine generelle Offenheit gegenüber der Prosititution, gerne auch in Zussammenarbeit mit den örtlichen Hureninitiativen. Das sog. Dortmunder Modell ist da ein recht guter Schritt in die richtige Richtung. In Nordrheinwestfalen ist man damit schon recht weit (und dementsprechend boomt das Gewerbe dort auch, saubere, faire Verhältnisse sind auch den Freiern wichtig) in anderen Regionen (Hamburg, Frankfurt) ist immer noch der alte Morast.

  4. das heisst übrigens „basler“ zeitung und auch in allen anderen zusammenhängen immer „basler“, nie „baseler“. genauso wies auch „zürcher neue zeitung“ heisst, nicht „züricher neue zeitung“. mich stört das extrem im lesefluss.

  5. Ich habe bei diesem Thema ein ganz großes Problem: Ich kann die Argumente, die hier vorgebracht werden, alle nachvollziehen und weiß ihnen auch nicht wirklich etwas entgegenzusetzen. Aber es tut mir leid, ich finde die Idee von käuflichem Sex immer noch nicht gut. Ich finde das einfach nicht zivilisiert, ich finde, es setzt falsche gesellschaftliche Signale (Stichwort gleichwertige Beziehungen), und ich sehe auch nicht ein, warum es nicht möglich sein soll, Prostitution abzuschaffen oder zumindest einzuschränken. Über die Konzepte muss man natürlich reden. Bin ich die einzige hier, die das so sieht? Wie gesagt, ich kann die Argumente alle nachvollziehen. Ich finde nur, dass das nicht der einzige Blickwinkel ist, aus dem man das Problem betrachten kann. Ich würde mir deshalb hier eine breitere, auch prinzipielle Diskussion wünschen – am besten natürlich ohne gegenseitiges Runtermachen.

  6. @ Laura danke für den Hinweis, ist korrigiert

    @ Katharina – eine Abschaffung der Prostitution halte ich schlicht für utopisch. Und eine staatliche geregelte Einschränkung wird denselben Effekt erzielen wie Zensur: Der Markt blüht erst recht auf – aber unter, vor allem für Frauen, nachteiligen Bedingungen. Außerdem widerspricht es meiner persönlichen Meinung, Prostitution als unzivilisiert anzusehen. Einfach, weil wir nun mal sexuelle Wesen sind und Ware gegen Geld ein marktüblicher Handel ist. Und auch, wenn du oder ich sich vielleicht schwer vorstellen können, diesen Job zu machen, es gibt Frauen, die sich bewusst dafür entscheiden. Und unter aufgeklärten Bedingungen steigt die Möglichkeit, auch anderen Frauen in der Branche zu mehr Selbstbestimmung zu verhelfen und gleichzeitig Freiern fair verhandelte Angebote zu machen. Darüber hinaus finde es es bloß blöd, dass das Geschäft noch nicht umgekehrt floriert, also auch Frauen sexuelle Dienste von Männern annehmen.
    Und noch mal kurz zu deinem Argument der „gleichwertigen Beziehungen“ – meinst du damit, dass Prostituierte in ihrem Job automatische eine unterlegene Haltung einnehmen?!

  7. @Katharina: Schau dich mal auf der Seite der Initiative Fair Pay Sex um, da wird sehr gut, wie ich finde, erklärt, warum es nicht sinnvoll ist, die Prostitution generell zu verteufeln.

    Jedes Mal, wenn ich mich mit der Thematik auseinandersetze, merke ich, dass ich es viel weniger nachvollziehen kann, wie man z.B. als Schriftsteller Geld verdienen kann, für mich wäre das viel mehr Seelenstriptease als mit einem fremden Mann zu schlafen. Man macht sich, meiner Meinung nach, auch viel verletzlicher, weil man soviel von sich preisgibt und das JEDER nachlesen kann, ich habe keinen Einfluss mehr darauf, wer es liest. Eine selbstbestimmte Hure kann bei jedem Freier bestimmen, ob und welche Dienstleistung sie bereit ist zu erfüllen.

  8. „…und immer wieder unter Druck setzen, auf Kondome zu verzichten.“
    Was sind das den eigentlich für Vollpfosten von Freiern, die auf Kondome verzichten wollen? Haben die noch nie von AIDS etc gehört? *kopfschüttel*

  9. Soweit ich das verstanden habe geht es um „illegale“, und die können sich ja gerade nicht an Label-Programmen beteiligen.

  10. @Verena: nein, ich meine, mit Beziehungen die ganz normalen Beziehungen unter Männern und Frauen. Ich denke, dass die darunter leiden, wenn es normal ist, sich seinen Sex zu kaufen. Ich denke auch, dass das für das Bild, das ‚die Männer‘ (also ein Großteil der Männer) von Frauen haben, negative Auswirkungen hat. Also, vereinfacht ausgedrückt: Frauen sind dafür da, Sex zur Verfügung zu stellen. Ich möchte nicht mit Männern zu tun haben, die Frauen aus diesem Blickwinkel sehen, und ich denke, dass dieser Blickwinkel durch Prostitution gefördert wird.

    Natürlich sieht es zum gegenwärtigen Zeitpunkt utopisch aus, Prostitution abzuschaffen. Aber das ist für mich kein Argument, weder in die eine noch in die andere Richtung. Es ist genauso utopisch, den Hunger in der Welt abschaffen zu wollen (nur mal so zum Beispiel), aber das ist doch kein Argument, dafür zu sein. (Mir ist schon klar, dass das nicht euer Hauptargument ist. Ich meine nur, dass dieses spezielle Argument nichts taugt.) Etwas anderes wäre es, zu sagen: wir können Prostitution nicht von heute auf morgen abschaffen, also machen wir einen Plan, der erst mal die Arbeitsbedingungen der Prostituierten verbessert, der aber langfristig auf die Minimierung/Abschaffung von Prostitution zielt. Dem könnte ich zustimmen. Aber so habe ich euch nicht verstanden.

    Um es noch mal ganz deutlich zu machen: Ich unterstelle nicht grundsätzlich allen Prostituierten, unter (internem oder externem) Zwang zu handeln – obwohl der Prozentsatz, so vermute ich, recht hoch ist. Mir geht es darum, dass ich käuflichen Sex unzivilisiert finde und nicht in einer Gesellschaft leben möchte, in der so etwas üblich und ‚gesellschaftsfähig‘ ist. Und ich bin der Meinung, dass man versuchen sollte, einen gesellschaftlichen Konsens zu bewirken, der in diese Richtung geht.

    Aber noch mal meine Frage, liebe stille Mitleser und Mitleserinnen: Bin ich die einzige, die so denkt?

  11. @mat: Auch legal arbeitende Frauen können davon betroffen sein, das Visum schützt sie nicht vor ausbeuterischen Verhältnissen. Es wurden zwar vor allem illegal arbeitende erwähnt, aber ich denke das Angebot würde auch legal arbeitenden Frauen zur verfügung stehen- für die ist es nicht unbedingt weniger notwendig, denn viele Frauen gelangen legal hierher, mithilfe von Menschenhändlern, welche sie jedoch über die arbeitsbedingungen täuschen.
    Falls auch illegale aufenthalterinnen dort arbeiten sollen, müsste die praxis der ausweisung geändert werden. das könnte sich ziemlich schwierig gestalten.. ausserdem spricht sich dann vermutlich herum „hey, in der schweiz kann man zu super bedingungen ohne angst vor ausschiebung arbeiten“ was zu einer noch grösseren flut von migrantinnen führen könnte..

  12. @ Katharina: Ich kann Verena nur zustimmen. Meiner Meinung nach ist es aber nicht utopisch, Prostitution abschaffen zu wollen sondern schlichtweg unmöglich und auch gar nicht wünschenswert.

    Deine Haltung, so wie ich sie verstehe, beinhaltet ein ziemlich trauriges Männerbild. Ich kann überhaupt nicht nachvollziehen, warum ein Mann, der bereit ist, für eine sexuelle Dienstleistung zu bezahlen, der Auffassung sein sollte, Frauen seien dafür da Sex zur Verfügung zu stellen. Wäre er dieser Auffassung, würde er die nächstbeste Frau vergewaltigen, warum sollte er für etwas, was in seinen Augen die biologische Bestimmung einer Frau ist, bezahlen?

    Meiner Meinung nach zeigt die Tatsache, dass ein Mann für eine sexuelle Dienstleistung bezahlt, klar und deutlich, dass er eben NICHT der Meinung ist, Frauen seien dafür da, Sex zur Verfügung zu stellen.

  13. Ich würde auf Katharinas Ausführungen klassisch liberal antworten: Der Staat darf nicht zum Ausführungsinstrument der eigenen moralischen Vorstellungen werden. Wenn zwei (oder mehr) Menschen beschließen, dass Sex eine Ware ist, mit der sie freiwillig handeln wollen, dann geht das den Staat einen feuchten Kehricht an, genauso wie es ihn einen feuchten Kehricht angeht, wenn jemand, der nicht dieser Auffassung ist, deswegen Beziehungen beendet.

    Ich halte die Abschaffung von Prostitution für unmöglich. Und die Idee ist schädlich, nicht nur für die Frauen, die dort arbeiten (wollen oder müssen), sondern auch für eine ehrliche gesamtgesellschaftliche Debatte über den Stellenwert. Über tabuisierte Themen lässt sich grundsätzlich schlecht diskutieren.

  14. @Miriam: tut mir leid, aber deinen letzten Absatz kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Ich bin der Meinung, dass Autohändler dafür da sind, mir Autos zur Verfügung zu stellen (wer sonst?), deshalb bezahle ich sie für Autos.

    Dass du mir ein trauriges Männerbild bescheinigst, kann ich auch nicht nachvollziehen, aber es ist genau die Antwort (persönliche Angriffe), die ich gehofft hatte zu vermeiden. O well, dann diskutiert halt weiter unter euch.

  15. @Katharina: Nein, der Authändler muss dir gar nichts verkaufen. Wenn er an dem Tag keine Lust hat, dann macht er den Laden zu oder wimmelt dich ab. Klar, wenn er das regelmäßig macht, macht er keinen Gewinn und wird pleite gehen. Und wenn in deinem Freundeskreis ein Autohändler ist, dann wirst du auch nicht um 22h abends von ihm verlangen, dass er jetzt sofort seinen Laden aufsperen muss und dir ein Auto verkaufen muss.

  16. Steve, darum ging es mir gar nicht. Ich habe ja eben den Autohändler genommen, um Miriam zu zeigen, dass man aus der Tatsache, dass Frauen für Sex bezahlt werden, durchaus schließen kann, dass das ihre ureigene Aufgabe ist. Und das halte ich nicht für wünschenswert.

    Noch mal zu Miriam: vielleicht ist es unmöglich, Prostitution abzuschaffen. Aber noch mal: Es ist auch unmöglich, Armut abzuschaffen, aber deshalb muss ich sie doch nicht auch noch fördern! Zumindest ist DAS nicht das Argument, sie zu fördern oder auch alles ’so laufen zu lassen‘. Da müssen andere Argumente her. Die habt ihr, keine Frage. Wenn ihr keine hättet, würde ich hier nicht diskutieren, sondern einfach bei meiner Meinung bleiben. Also, her mit den guten Argumenten, und bitte keine persönlichen Angriffe mehr.

    Und an Sven: Ich würde das Thema auch nicht tabuisieren wollen, sondern ganz untabuisiert über das Mögliche und das Wünschenswerte diskutieren wollen. Damit wir uns alle, Frauen wie Männer, eine fundierte Meinung bilden können.

    Und noch mal Sven: Ich denke doch, dass es gesellschaftliche Vorgaben geben kann und muss und soll. Die darf natürlich nicht der große Vorsitzende bestimmen, sondern die müssen im gesellschaftlichen Diskurs (zu dem auch dieses Blog gehört) erarbeitet werden. Der Staat MUSS sich einmischen, wenn es um den Schutz von Persönlichkeitsrechten geht. Und um die geht es hier. Und er muss sich unter Umständen auch einmischen, wenn es um die Richtung geht, die unsere Gesellschaft einschlagen soll. Wenn wir uns zum Beispiel mehr oder weniger einig sind, dass Kinder keinen harten Alkohol kaufen dürfen sollen, dann muss er versuchen, das durchzusetzen – mit Verboten oder auf andere Art. Genauso bei der Prostitution: Wir müssen uns einigen, was wir wollen. Dazu braucht es eine offene Diskussion, wenn möglich auf allen gesellschaftlichen Ebenen. Und dann muss der Staat das in die Hand nehmen. (Dass das so schön einfach und geordnet nicht ablaufen wird, ist klar, aber deshalb gar nicht erst anzufangen, ist auch Unsinn.)

  17. @Katharina: Genau deswegen habe ich ja das Beispiel mit dem Autohändler weiter geführt. Nur weil sich eine Frau für Sex bezahlt wird, ist sie nicht verpflichtet mit jeden Sex zu haben oder jederzeit für Sex zur Verfügung zu stehen – eben genau wie der Autoverkäufer, der mal Feierabend hat. :)

  18. Steve,

    „“…und immer wieder unter Druck setzen, auf Kondome zu verzichten.”
    Was sind das den eigentlich für Vollpfosten von Freiern, die auf Kondome verzichten wollen? Haben die noch nie von AIDS etc gehört? *kopfschüttel*“

    kann ich persönlich auch nicht nachvollziehen, aber an der Stelle sollte man erwähnen, daß weibliche Prostituierte in Deutschland meines Wissens nicht als gesonderte Risikogruppe ausgewiesen werden, wenn sie nicht einer anderen Risikogruppe für AIDS angehören (also z.B. aus Schwarzafrika oder der Ukraine stammen, oder Drogen intravenös konsumieren und Nadeln tauschen). Das Risiko für Infektionen ist also statistisch nicht anders als bei einem ONS in einem Vorortclub.

    Katharina,

    „Mir geht es darum, dass ich käuflichen Sex unzivilisiert finde und nicht in einer Gesellschaft leben möchte, in der so etwas üblich und ‘gesellschaftsfähig’ ist.“

    „Also, vereinfacht ausgedrückt: Frauen sind dafür da, Sex zur Verfügung zu stellen.“

    Ich finde, da ist die persönliche Akzeptanz dieser These die Begründung für die Annahme, daß sexuelle Dienstleistungen sozialschädlich sind.

    Und dann dreht man sich natürlich argumentativ im Kreis.

    Das ist ein wenig wie das klassische, falsche, radikalfeministische Argument, Sexarbeit sei „Männer kaufen Frauen“. Sowenig wie man eine Putzfrau kauft, wenn man sich ihrer Dienstleistung bedient, kauft man eine Sexarbeiterin bei der Inanspruchnahme ihres Angebots. Außerdem läßt die Argumentation Prostitution für Frauen (siehe z.B. Charlotte Roches „Feuchtgebiete“) und Prositution von Männern für Männer außen vor.

  19. Naja, man kann, aber muss nicht aus der Tatsache dass manche Frauen Sex als Dienstleistung anbieten darauf schließen dass Frauen per se „nur dafür da sind“. Ich sehe nicht, dass das irgendetwas damit zu tun hat ob es nun Prostitution gibt oder nicht. Es ist für mich völlig okay, wenn Menschen aneinander „nur“ ein sexuelles Interesse haben.
    Entscheidend ist doch Respekt, und den kann ein Freier auch gegenüber einer Prostituierten haben. (Ist vielleicht sogar eher Regel als Ausnahme) Je mehr das Ganze aus der Schmuddelecke geholt wird, umso eher wird das doch der Fall sein, denn der Nichtrespekt kommt doch wohl daher dass Prostituierte generell von der Gesellschaft nicht respektiert werden. (Was sich auch oft hinter dem „Mitleid“ gesellschaftlich respektierter Frauen verbirgt)

  20. @ Katharina: Entschuldige, wenn du dich von mir angegriffen gefühlt hast, das war nicht meine Absicht, ich hab extra versucht, meinen Kommentar so zu formulieren, dass klar wird, dass dies mein subjektiver Eindruck ist.

    Ein Autohändler wird doch nicht als Autohändler geboren, genauso wenig wird eine Frau als Hure geboren. Und deshalb bleibe ich dabei: Wenn Frauen in den Augen der Männer, so wie Katharina sie sieht, dafür da sind, Sex bereitzustellen, dann würden die Männer, immer wenn sie Lust auf Sex haben, eine Frau vergewaltigen. Tun sie aber nicht, sie zahlen statt dessen für diese Dienstleistung.

    Um mal bei dem Bild des Autohändlers zu bleiben: Wenn ich ein gebrauchtes Auto kaufen will, dann kann ich entweder die Autoanzeigen in der Zeitung lesen und jedes interessante Angebot anrufen, hingehen, anschauen, etc… Oder ich gehe zu einem Autohändler, der 5 interessante gebrauchte Wagen auf dem Hof stehen hat, allfällige Reparaturen durchgeführt hat, usw. Diese Wagen kosten dann wahrscheinlich ein wenig mehr, dafür hab ich aber weniger Aufwand, denn der Autohändler hat diese Aufgabe für mich übernommen, und natürlich bin ich bereit, für diese Dienstleistung einen höheren Preis zu bezahlen, als wenn ich das Auto von einer Privatperson gekauft hätte. Nach deiner Logik, Katharina, dürfte ich dem Gebrauchtwagenhändler den höheren Preis nicht bezahlen sondern nur das, was der Wagen wirklich wert ist, denn ansonsten würde ich ALLEN Autohändlern unterstellen, dass sie mir den gleichen Service zu bieten haben wie dieser eine Autohändler.

  21. PS: Und nochmal: Wenn ein Mann der Meinung ist, dass eine Frau ihm sexuell zur Verfügung zu stehen hat, dann vergewaltigt er sie. Warum sollte er dafür bezahlen? Was meinst du, Katharina?

  22. @jj: Ich verstehe auch die Leute nicht, die bei einem ONS das Kondom weglassen. Außer AIDS gibt es ja noch so schöne Sachen wie Chlamydien , diverse Pilze, Tripper, Syphilis, Hepatitis,…

  23. Kurze Abschweifung:
    „Es ist genauso utopisch, den Hunger in der Welt abschaffen zu wollen “

    Wie mich so eine Meinung ankotzt, es wird so viel im Überfluss produziert, dass jeder genug zu essen haben kann aber es soll utopisch sein, den Hunger der Welt abzuschaffen. Das liegt nur an Leuten wie Dir, die sich mit solchen Ausreden davor drücken, etwas zu tun.

  24. …und auf dem Strassenstrich geht die Post dann umso mehr und umso lebens- und menschenfeidlicher ab?

    Bordelle sind nur ein Teil der Prostitution!

  25. Freier sind keine Vergewaltiger und Vergewaltiger sind keine Freier. Wie kommt Ihr nur auf den Gedanken, dass es da einen Zusammenhang gibt?

    Katharina, ich kann Deine Haltung nur zu gut verstehen und teile sie. Politisch meine ich zwar, dass man Wege finden muss, die Prostitutin so zu regulieren, dass Zwangsprostitution (fast) unmöglich wird. Diese Wege gibt es, nur sind sie politisch nicht gewollt.
    Privat aber lehne ich Prostitution ab.

  26. Eben, ein Freier ist KEIN Vergewaltiger. Ich habe nie was anderes behauptet. Nochmals: Dadurch, dass der Freier die sexuelle Dienstleistung bezahlt, bekundet er seinen Respekt für die Frau/den Mann, der diese Dienstleistung erbracht hat. Hätte der Freier diesen Respekt nicht, würde er nicht bezahlen. (Disclaimer: Ich spreche von selbstbestimmter Prostitution!)

    Was meinst du, damit, dass du privat die Prostitution ablehnst? Dass du nicht als Prostitutierte arbeiten willst? Dass du niemals die die Dienste eines Sexarbeiters/einer Sexarbeiterin in Anspruch nehmen würdest? Oder möchtest du Menschen, die zu einer Hure gehen bzw. als solche arbeiten in deinem privaten Umfeld nicht haben? Ist das private nicht politisch?
    Und welche Wege sind das, die Zwangsprostitution fast (unmöglich) machen?

  27. katharina, meine meinung zum thema geht grob in deine richtung, leider kann ich das nicht alles ausformulieren oder argumentativ begründen.
    nur so als zuspruch…^^

  28. Den einzigen Weg, Zwangsprostitution und ausbeuterische Verhältnisse einzudämmen sehe ich in der vollen Legalisierung und Entstigmatisierung, sowohl der Sexabeiterinnen als auch der Freier. Nur dann ist es überhaupt möglich, irgendetwas gesellschaftlich und rechtlich zu regeln.
    Erst wenn es soweit ist, dass Freier und Sexarbeiterinnen sich völlig offen am gesellschaftlichen Diskurs beteiligen können, kann man eine Ethik entwickeln, finde ich, und Ziel dieser Ethik kann es auch nicht sein sich in Vereinbarungen von Menschen einzumischen, die Sex miteinander haben. Man könnte z.B. darüber reden, ob es sinnvoll ist an jeder Ecke Werbung dafür zu sehen.

    Der Vergleich mit dem Alkohol trinkenden Kind haut zwar überhaupt nicht hin, aber während der Prohibition war es wohl kaum möglich etwas dagegen zu unternehmen.

  29. Im allgemeinen möchte ich mich der Position von @Katharina auch anschließen.

    @ Mat die Legalisierung der Prostitution würde gar nichts verbessern. Eher im Gegenteil, Länder mit liberalen Prostitutionsgesetzen wie die Niederlanden oder Deutschland haben weitaus stärkere Probleme mit Zwangsprostitution und Menschenhandel als die Länder, in denen Prostitution verboten ist/ bzw wurde , Bsp Schweden.
    http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,513846,00.html

  30. Katharina:
    Von mir bekommst du Argumente, die ich bisher als nicht widerlegt ansehe… :)

    Ich würde das Thema auch nicht tabuisieren wollen, sondern ganz untabuisiert über das Mögliche und das Wünschenswerte diskutieren wollen. Damit wir uns alle, Frauen wie Männer, eine fundierte Meinung bilden können.

    1. Etwas, das gesetzlich verboten ist, ist auf die eine oder andere Weise tabuisiert. Selbst bei Gesetzen, deren Akzeptanz nicht mehr so hoch ist (z.B. Urheberrecht/Filesharing) haben die meisten Leute Skrupel, öffentlich zuzugeben, sie gebrochen zu haben. Das hat damit zu tun, dass wir normalerweise davon ausgehen, dass Gesetze moralisch fundiert sind. Wenn der Staat also Prostitution verbietet, dann erklärt er es für alle seine Mitglieder für unmoralisch, auf diesem Markt zu handeln.

    Ich denke doch, dass es gesellschaftliche Vorgaben geben kann und muss und soll. Die darf natürlich nicht der große Vorsitzende bestimmen, sondern die müssen im gesellschaftlichen Diskurs (zu dem auch dieses Blog gehört) erarbeitet werden. Der Staat MUSS sich einmischen, wenn es um den Schutz von Persönlichkeitsrechten geht. Und um die geht es hier. Und er muss sich unter Umständen auch einmischen, wenn es um die Richtung geht, die unsere Gesellschaft einschlagen soll. Wenn wir uns zum Beispiel mehr oder weniger einig sind, dass Kinder keinen harten Alkohol kaufen dürfen sollen, dann muss er versuchen, das durchzusetzen – mit Verboten oder auf andere Art. Genauso bei der Prostitution: Wir müssen uns einigen, was wir wollen. Dazu braucht es eine offene Diskussion, wenn möglich auf allen gesellschaftlichen Ebenen. Und dann muss der Staat das in die Hand nehmen. (Dass das so schön einfach und geordnet nicht ablaufen wird, ist klar, aber deshalb gar nicht erst anzufangen, ist auch Unsinn.)

    2. Ich gebe dir Recht, dass der Staat gesellschaftliche Vorgaben machen muss, wenn Persönlichkeitsrechte bedroht sind. Um auf das Alkohol-Kinder-Beispiel einzugehen: Der Staat tut richtig daran, sich zu überlegen, ob es sinnvoll ist, die Freiheitsrechte von Kindern und Jugendlichen zu beschneiden, um irreparable psychologische und/oder somatische Schäden zu verhindern. Dass er Kindern und Jugendlichen einen gewissen Umgang mit Drogen vorschreiben kann, liegt aber auch an der Rechtsauffassung, dass es sich bei diesen nicht um vollwertige Rechtssubjekte handelt – ein Erwachsener hat die Freiheit, sich solange mit Drogen abzuschießen, bis er entweder tot ist oder von dem Staat als psychisch krank eingestuft wird. Wollte der Staat hier ebenfalls eingreifen und z.B. bestimmte Mengen oder ähnliches vorschreiben, bräuchte er eine Kontrollinfrastruktur, die in der Lage wäre, derartige Verordnungen umzusetzen.Bei den Kindern und Jugendlichen funktioniert das nur, weil der Staat auf die elterliche Kontrollinfrastruktur zurückgreifen kann.
    Das von dir eingebrachte Beispiel gibt uns also die Möglichkeit, uns ein weiteres Problem von staatlichen Verboten vor Augen zu führen: Sie müssen durchsetzbar sein, sonst sind sie wirkungslos (und delegitimieren den Staat selbst). Das ist vielleicht nicht die Hauptfrage bei der Frage nach einem Verbot von Prostitution – ließe sich wirklich ein gesellschaftlicher Konsens herstellen (woran ich allerdings zweifle), dann wäre so ein Verbot vielleicht sogar durchsetzbar. Aber vor dem Hintergrund der langen Geschichte der Prostitution, die größtenteils in der Illegalität stattgefunden hat (was meist zum Nachteil der Anbietenden war), ist die Durchsetzbarkeit eines solchen Verbots ein wesentlicher Aspekt.

    3. „Wir müssen uns einigen, was wir wollen. […] Und dann muss der Staat das in die Hand nehmen.“
    Moment, so einfach geht das nicht. Und das ist gerade bei der Frage nach Prostitution wesentlich. Wir diskutieren hier ja keine Bauvorschriften. Wenn es einfach darum gehen würde, dass Mehrheiten Gesetze aufstellen, dann wären wir auch in einer Diktatur der Mehrheit. Die Folgen wären desaströs: Mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit würde sofort die Todesstrafe (auch für Kinderschänder, die NPD lässt grüßen) wieder eingeführt. Wir haben in einer liberalen Demokratie die Aufgabe, Minderheitenrechte zu achten.
    Und das ist auch genau der Punkt, auf den ich von dir noch keine überzeugende Antwort gehört habe: Willst du allen Ernstes, erwachsenen Menschen vorschreiben, was sie mit ihren Körpern und deren Geschlechtsteilen zu tun haben? Wenn wirklich zwei (oder mehr) Menschen sich entscheiden, dass Sex zwischen ihnen eine Ware ist, wo ist dann da der Schaden, den der Staat zu verhindern hat? Immer daran denken: Dass dein moralisches Empfinden das nicht okay findet, ist kein Schaden, über den der Staat sich Gedanken machen darf: Es gibt genügend gläubige Christen, die der Auffassung sind, dass Homo-Ehe Teufelswerk ist und sie haben die Freiheit, dass jedem zu erzählen, ja sie dürfen sogar ihre Kinder ignorieren und verstoßen, wenn diese lieber Partner ihres Geschlechts haben und diese dann unter Umständen sogar heiraten wollen. Das alles geht den Staat nix an.
    Wenn wir den Staat nach den moralischen Empfindungen von Einzelpersonen oder gesellschaftlichen Interessengruppen bauen und deshalb Prostitution verbieten, dann haben alle homophoben Leute (sofern sie in der Mehrheit sind, was in vielen Ländern sicherlich der Fall ist), das Recht, Homo-Ehen oder gar homosexuelle Beziehungen zu verbieten.

    4. Eingriffe durch den Staat sind nur durch Schäden bei Einzelpersonen legitimiert (Beschädigung des moralischen Empfindens ausgeschlossen, s.o.). Was er aber sicherstellen muss, ist, dass alle seine Bürger möglichst selbstbestimmt handeln können. Deshalb ist der Eingriff in den Drogenkonsum von Kindern und Jugendlichen legitim, solange die Prämisse steht, dass diese keine vollwertigen juristischen Subjekte sind (an dieser Prämisse hätte ich zwar meine Zweifel, aber sie hat im Moment ausreichend Konsens).
    Das heißt im Bezug auf Prostitution, dass der Staat die Aufgabe hat, einen Markt mit Regeln zu organisieren, die gewährleisten, dass alle, die an diesem Markt teilnehmen wollen, dies frei und fair können. Umgekehrt heißt das selbstverständlich, dass der Staat es nicht tolerieren kann, wenn jemand zur Teilnahme gezwungen wird.

  31. @Petra: Dass Frau Schwarzer sowas denkt, ist ja keine große Überraschung. Und dass sie sich auch mal gerne journalistisch nicht ganz sauberen Methoden bedient, um ihren Standpunkt zu verteidigen, ist auch bekannt. Gerade was das Thema Prostitution angeht tut sich Frau Schwarzer nicht wirklich durch große Kenntnis der Thematik hervor, sondern wiederholt einfach nur mantraartig ihre These von den ausgebeuteten Frauen. Ich empfehle hier nochmals, sich mit der Initiative Fair Pay Sex auseinanderzusetzen, die haben zum Thema Schweden auch mal recherchiert:
    http://www.fair-paysex.de/schwed-nav.htm
    Schweizer Sexarbeiterinnen im Tessin berichten übrigens ähnliches wie die Däninnen, dass nämlich die Freier aus Italien sich deutlich respektloser den Frauen gegenüberverhalten seit Prostitution in Italien verboten ist.

  32. @Petra: Das ist nicht die Position von Polizei und Staatsanwaltschaft, auch wenn Frau Schwarzer immer denselben Beamten aus Hamburg als Beleg anführt:

    Prostitutionsgesetz behindert Strafverfolgung nicht
    Darüber hinaus tritt die GdP für die Beibehaltung des Postitutionsgesetzes ein, gegen das seit seiner Einführung immer wieder der Vorwurf erhoben wurde, es fördere die Prostitution, begünstige Bordellbetreiber sowie Zuhälter und erschwere zudem die Bekämpfung von Menschenhandel und Zwangsprostitution.
    Durch den Anfang 2007 vorgestellten Bericht der Bundesregierung zu den Auswirkungen des Gesetzes wurde diese Haltung bestätigt.
    [..]
    Die übergroße Mehrheit der befragten Vertreter von Polizei und Staatsanwaltschaft konnte nicht erkennen, dass ihre Arbeit durch die Legalisierung der Prostitution erschwert worden ist und sieht darin einen richtigen Schritt zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Prostituierte.

    http://www.gdp.de/gdp/gdp.nsf/id/Posa/$file/Pos_Menschenhandel.pdf

    S. 2

    Und findest Du es nicht merkwürdig, dass auch die Sexarbeiterinnen selber komplett andere Ansichten haben als Frau Schwarzer? Die weiss es also besser als alle selbst Beteiligten?

  33. Ich betrachte Prostitution als eine der besonders unschönen Erscheinungen in Warengesellschaften. Sollten Menschen es eines Tages schaffen (was zum Überleben der Menschheit wohl unumgänglich ist), eine direkte gesellschaftliche Vermittlung untereinander herzustellen, statt über die Mechanismen von Ware und Geld, dann würde m.E. auch die Prostitution gegenstandslos werden.
    Bis dahin kann man nur danach schauen, daß P. so „menschenwürdig“ abläuft, wie es halt möglich ist. Das wird immer ein Balanceakt bleiben, weil P. gleichzeitig etwas Abschaffungswürdiges bleibt.
    Maria Wölflingseder: — Sogar weite Teile der feministischen Bewegung fordern ja lediglich, „Sexarbeit“ als „normale“ Arbeit anzuerkennen und „gerecht“ zu entlohnen! Ganz nach dem Motto: Dem Arbeitsgott opfern wir unseren Körper, unsere Seele, und wenn’s sein muss auch unser Leben.– http://www.streifzuege.org/2009/im-puff-und-im-krieg

  34. Ich frage mich immer, ob „slut bashing“ und die Verdammung der Prostitution nicht oft des gleichen Mythos‘ über (weibliche) Sexualität geistiges Kind sind, nämlich den dass eine Frau beim Sex „etwas von sich weggibt“, und eine „richtige Frau“ dies auch im Einklang mit ihrer „innersten Natur“ so wahrnehmen muss.

    Dementsprechend heißt es aus dem Dunstkreis der Schwarzer:

    Du hast dich zwar immer noch gewundert, warum wir Frauen so oft unendlich lang Rotwein trinken und bei Kerzenschein reden, bevor wir miteinander ins Bett gehen. Und ich blieb irritiert darüber, wie und warum du auf Klos und hinter Büschen mit irgendwelchen Typen vögelst, die du nicht kennst.

    http://www.emma.de/lieber_schwuler_freund.html

  35. @Petra: Weisst du dass seit der Einführung des schwedischen Modells die Gewalt gegen Prostituierte massiv zugenommen hat? Von denjenigen welche eine Wahl haben sind einige Ausgestiegen, einige gehen geschickter vor. Die Leidtragenden sind jedoch genau diejenigen, welche man ursprünglich schützen wollte. Sexarbeiterinnen selbst warnten vor dieser folge, doch sie wurden ignoriert.
    http://www.glow-boell.de/media/de/txt_rubrik_2/160305LLVortrag_Eriksson.pdf
    Ob eine Gesellschaftliche Regulierung Erfolg hat, kommt auf sehr viele Faktoren an, aber bisher hat noch keine Gesellschaft die Probleme der Zwangsprostitution mit generellen Verboten lösen können, vielmehr im Gegenteil. Neuseeland hingegen ist ein Paradebeispiel für gelungene lieberale Prostitutionsgesetze.
    @Mat: Volle Zustimmung!

  36. Youtube: A Swedish Sexworker on the Swedish model – she’s unhappy.

    http://www.youtube.com/watch?v=7D7nOh57-I8

    Mat,

    absolut. Immer wieder faszinierend, wie Leute wie Schwarzer vermeintlich biologische oder kuturelle Argumente nutzen, je nachdem, wie es ihnen in den Kram passt. Mal sind sexuelle Verhaltensweisen kulturell, mal essentiell. Das ist mitunter so wirr, daß ich mich immer Frage, warum ihr von der ganzen kognitiven Dissonanz noch nicht schwindlig geworden ist… und das gilt für den ganzen Radikalfeminismus…

  37. Die Regierung möge die Bildung von Sexworker-Gewerkschaften anregen und Sexworker selbstgeführte Genossenschaftsbordelle (frauengeführte Wohnungsbordelle) fördern aber sich nicht selbst als Zuhälter vergreifen wie es Solon in der Antike tat.

    Vorbild Friedrich Wilhelm Raiffeisen (1818-1888) und die Tageszeitung (TAZ) oder
    Lusty Ladies Sexworker-Kooperative San Francisco
    http://sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=65280#65280

    Siehe den Dokumentarfilm
    Live nude girls: Unite!

  38. @ Mat

    Ich frage mich immer, ob “slut bashing” und die Verdammung der Prostitution nicht oft des gleichen Mythos’ über (weibliche) Sexualität geistiges Kind sind, nämlich den dass eine Frau beim Sex “etwas von sich weggibt”, und eine “richtige Frau” dies auch im Einklang mit ihrer “innersten Natur” so wahrnehmen muss.

    Absolut! Das Grundproblem dieser Geisteshaltung ist der Gedanke Frauen würden „etwas weggeben“ und Männer „etwas kriegen“. Und die Idee sitzt erstaunlich tief.

  39. ja, eine Aufwertung von Sexarbeit und Kontrollen und Rechte und so weiter ist keine schlechte Idee. aber ich finde das immer noch was nicht stimmt, wenn es noch kein gleichtwertiges „Wellness“-Angebot für Frauen gibt. Das heißt einen Strassenstrich mit Männern in fescher Lack und Latex Kleidung wo ich nur mit meinem Auto vorfahren muss oder ein schönes gemütliches Bordell in dem frau sich in entspannter Atmosphäre an der Bar einen hübschen jungen willigen Mann aussuchen kann…

  40. Es gibt auch ähnliche Angebote für Frauen, nur scheint die Nachfrage danach viel geringer zu sein als umgekehrt. Im Escort-Bereich gibt es zwar auch einige Männer (nicht nur für Schwule), ein Bordell für Frauen ging jedoch aufgrund mangelder Kundinnen pleite.

  41. Ich glaube, auf Mallorca gibt es so ein Bordell für Frauen noch. Und es gibt, z.B. in Mittel- und Südamerika ja auch eine anscheinend florierende „Latin-Lover-Industrie“ für einsame Touristinnen aus den USA und Europa.

  42. Presseerklärung

    Affäre des französischen Ministers für Kultur Frédéric Mitterrand und seiner Zuneigung zu Thailändischen Callboys (male sex workers)

    It has come to our attention that there is still continuing debate around the issue of the French Culture Minister,
    Frédéric Mitterrand, and his admission that he paid for sex with male sex workers in Thailand. We have seen attacks on him from both the left and the right of French politics- attacks which we see as both homophobic and anti-sex worker.

    Worse we see the racist, orientalist views of the elites on both sides of French politics who construct Thai sex workers as somehow „backward“ and unable to choose what we do. In Thailand all male sex workers are referred to by the term „Nong“ which means boy. We are not duped under age boys forced into „sexual slavery.“ We are people in a poor country exercising our choices to live and earn money to support ourselves, our family and our country.

    The money we earn and send home to the rural areas of Thailand is far larger than any international development programme and supports far more people.
    Tourism to Thailand is our country’s second biggest industry- and people have sex on holidays. Are they meant to be celibate? Is it now unacceptable for Europeans to have sex with Asians in case they are exploiting us? If French politicians are so concerned about our exploitation they would do better to support labour laws for sex workers and to push the ILO to recognise sex work as work.

    When and until the parties of the Left and the Right of French politics agree to substantially increase development aid to redistribute the wealth that France and other former colonial countries stole from the developing world, we would appreciate it if you keep sending us your tourists so that we can show them a good time and get some of your hard won cash.

    Khun Chutchai
    Asia Pacific Network of Sex Workers, Bangkok. Thailand.

    FRENCH VERSION

    Il a été porté à notre attention qu’il y a toujours un débat en cours autour de la question du ministre français de la Culture,
    Frédéric Mitterrand, et son aveu d’avoir payé pour des rapports sexuels avec des professionnels du sexe en Thaïlande. Nous avons vu ces attaques contre lui provenant à la fois de la gauche et de la droite de la politique française- attaques que nous voyons à la fois comme homophobes et anti-travailleurs du sexe.

    Pire encore, nous les voyons comme racistes, une vision orientaliste des élites des deux côtés de la politique française qui construisent une representation des travailleurs du sexe thaïs, en quelque sorte «en position de passivite» et incapable de choisir ce que nous faisons. En Thaïlande, tous les travailleurs de sexe masculins sont désignés par le terme «Nong», qui signifie garçon. Nous ne sommes pas des garçons forces en dessous de l’age legal contraints à l’esclavage sexuel. “ Nous sommes des gens dans un pays pauvre qui exercons notre choix de vivre et de gagner de l’argent pour nous memes et soutenir, notre famille et notre pays.

    L’argent que nous gagnons et que nous envoyons chez nous dans les zones rurales de la Thaïlande est beaucoup plus important que tout programme de développement international et soutient beaucoup plus de personnes.
    Le tourisme en Thaïlande est la deuxième industrie de notre pays et les gens ont des rapports sexuels pendant les vacances. Sont-ils censés rester célibataires? Est-il aujourd’hui inacceptable pour les Européens d’avoir des rapports sexuels avec des Asiatiques au cas où ils nous exploiteraient? Si les politiciens français sont si préoccupés par notre exploitation, ils feraient mieux de soutenir des lois protegeant le travail des travailleurs du sexe et de pousser l’OIT à reconnaître le travail du sexe comme un travail.

    Tant que et jusqu’à ce que les partis de la gauche et la droite de la politique française acceptent d’augmenter substantiellement l’aide au développement pour redistribuer les richesses que la France et d’autres anciens pays coloniaux ont volé au monde en développement, nous serions reconnaissants si vous continuez à nous envoyer vos touristes, afin que nous puissions leur montrer ce qu’est passer du bon temps et obtenir une partie de votre argent durement acquis.

    Khun Chutchai
    Réseau Asie-Pacifique des travailleurs du sexe, Bangkok. Thaïlande.

    Asia Pacific Network of Sex Workers (APNSW)
    http://apnsw.org/

    Sex Worker Union France – Syndicat du TRAvail du Sexe (STRASS)
    http://site.strass-syndicat.org/2009/10/affaire-mitterrand-ce-quen-pensent-les-travailleurs-du-sexe-thailandais/

    French culture minister denies paying for underage sex in Thailand
    http://www.guardian.co.uk/world/2009/oct/08/france

    Callboy Connection FFM – est. 1991
    http://sexworker.at/callboy

  43. @ Marc

    Mir ist der Zweck, hier eine zweisprachige Presseerklärung einzufügen, nicht ganz klar. Es wäre schön, wenn du deinem Posting etwas mehr individuellen Senf hinzufügen würdest…

  44. Dann wirds ja noch länger ;-)

    OK, gebe zu deine schöne Pinnwand einfach für was aktuelles genutzt zu haben, weil ich hier interessierte und offene Leser sehe. Mir war wichtig zu zeigen, das es eine internationale Bewegung und Vernetzung der Sexworker gibt, so wie Frauenbewegung, Schwulenbewegung etc. und die kann man jederzeit zu Fachthemen befragen. Unsere virtuellen Orte sind busd.de, hydra-ev (Berlin) madonna-ev (Bochum), donaCarmen.de (Frankfurt) und natürlich http://www.sexworker.at (überall in A – D – CH) …

    Dort bin ich auch zu pers. Rückfragen erreichbar. Sorry und Danke und alles Gute für deinen Blog.

  45. @access denied: Warum du dich auf einmal berufen fühlst, mich scheiße zu finden, weil ich es genauso utopisch finde, den Hunger abzuschaffen wie die Prostitution, kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Hättest du das auch geschrieben, wenn ich deiner Meinung gewesen wäre?

    Zum Vergleich ‚Alkohol für Kinder‘ gegen ‚Prostitution‘ (soll/darf der Staat eingreifen?): Hab ich mir schon gedacht, dass das nicht akzeptiert wird, weil es sich um Kinder handelt. Also anderes Beispiel: Glücksspiel im Internet ist nicht mehr erlaubt. Und zwar (soweit ich weiß) weil es die Gefahr erhöht, dass Spielsucht unkontrolliert ausgeübt wird. Es handelt sich hier um voll zurechnungsfähige Erwachsene, von denen die allermeisten NICHT spielsüchtig sind, sondern das nur machen, weil es ihnen Spaß macht. Genauso könnte man argumentieren, dass es Prostituierte gibt, die den Beruf toll finden – dass man aber die schützen muss, die durch innere oder äußere Zwänge da ‚reinrutschen‘ und nicht mehr rauskommen. Ich hoffe, hier bestreitet niemand, dass es sowas gibt. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Das ist nicht mein Argument für ein Verbot der Prostitution, sondern mein Argument dafür, dass es erst mal nicht grundsätzlich abzulehen ist, so etwas wie Prostitution mit staatlichen Mitteln kontrollieren/eingrenzen/u.U. auch abschaffen zu wollen.

    Noch ein passenderes Beispiel übrigens: Blut- und Organspenden. Hier kann man tatsächlich, ein bisschen wie bei der Prostitution, seinen Körper verkaufen – warum auch nicht? Ist ja meiner, und Blut wird ja nachproduziert. Trotzdem gibt es sehr starke Restriktionen, Verkauf von Organen ist gar nicht möglich. Obwohl es sich hier noch mehr um voll zurechnungsfähige Erwachsene handelt, greift der Staat ein, weil er die Gefahr sieht, dass Zwangslagen zur (Selbst-)Ausbeutung führen. Ich halte das in diesem Fall für richtig, und genauso bei der Prostitution.

    @jj und liskat: Die Latin-Lover-Industrie finde ich genauso kritisch. Warum machen die das? Vermutlich nicht, weil sie 50jährige Europäerinnen so sexy finden. Sondern es geht um Geld, um Chancen, Hoffnungen, die sie damit verknüpfen. D.h. es gibt einen äußeren Zwang, und der wird von den Nutzerinnen – wie der Name schon sagt – ausgenutzt. Natürlich kann man sich auf den Standpunkt stellen, dass Geld gegen die Benutzung eines Körpers ein faires Geschäft ist. Auf dem Standpunkt stehe ich aber nicht, aus den oben bereits ausgeführten Gründen.

  46. Ach so, und noch mal zum Autohändler: Ich habe eure Analogie schon verstanden, Miriam und (wer noch? finde ich grade nicht). Meine Analogie war aber eine andere: Jemand hatte gesagt, dass ein Freier den Zweck von Frauen (Frauen allgemein) nicht im Bereitstellen von Sex sieht, weil er sie ja bezahlt. Sonst würde er sie vergewaltigen. Ich habe gesagt, dass das nicht stimmt, denn ich bezahle ja auch andere Leute dafür, dass sie mir was zur Verfügung stellen, und bestehle sie nicht einfach.

    Es geht also darum, dass mit einer bestimmten Personengruppe (in diesem Fall: Frauen oder Autohändler) ein bestimmter Zweck verbunden wird. Bei Autohändlern ist das unkritisch, denn die müssen nur den Beruf wechseln, und niemand wird mehr von ihnen erwarten, dass sie weiter Autos verkaufen. Frauen sind aber immer Frauen; und wenn jemand erst mal unterbewusst die Verknüpfung ‚Frauen => da gibt’s Sex‘ gemacht hat, dann besteht die Gefahr, dass er das auf ALLE Frauen anwendet. Also auch auf mich. Deshalb bin ich übrigens auch dagegen, dass mich von jedem Werbeplakat eine halb (oder ganz) nackte Frau anguckt.

    Dass das passiert, ist absolut nicht abwegig – Menschen ordnen allen Dingen ihrer Umwelt erst mal unterbewusst einen Zweck zu, und wenn sie das nicht können, sind sie irritiert. Und ich bin ziemlich sicher, dass noch immer einige Männer der Meinung sind, Torten wären zum Ficken da (ein paar habe ich persönlich kennengelernt, also bitte nicht mein trauriges Männerbild beklagen). Prostitution ist beim Bekämpfen dieser Einstellung nicht hilfreich.

  47. Und zum dritten: Danke an die, die sich ‚geoutet‘ haben, dass sie ungefähr die gleiche Meinung haben wie ich. Das hilft eine Menge. Ich fühle mich in diesem Thread schon ein bisschen, als wären lauter böse Blicke auf mich gerichtet, weil ich eine andere als die hiesige Mainstream-Meinung vertrete. Aber macht nichts, Leute, das bin ich ja von meinen Diskussionen mit den lieben Kollegen gewöhnt.

  48. @ Katharina,

    diese Seite gibt es ja genau aus dem Grund, seine Meinung argumentativ zu vertreten. Auch wenn es in Diskussionen ist, in denen die eigene Sicht der Dinge in die Ecke gedrängt zu werden scheint. Böse angucken tut dich hier aber bestimmt niemand! Und für den Kommentar von acces denied – sorry, da hätte ich mal kurz auf die Netiquette verweisen sollen…

    Schön, dass du dich hier so tapfer schlägst ;)

  49. Verena, so schlimm ist es auch nicht. Der allergrößte Teil der Antworten ist sehr zur Sache, was wirklich eine tolle Abwechslung ist im Gegensatz zu meinen Diskussionen ‚mit den lieben Kollegen‘. Und dass mir der Hunger in der Welt angelastet wird, habe ich mir auch nicht zu sehr zu Herzen genommen ;o)

  50. @Mat (24.10. 16:44)
    Ich wollte nur mal anmerken, dass man gegen Prostitution sein kann, ohne was gegen Prostituierte zu haben. Ich kenne eine, der nehme ich sofort ab, dass Domina ihr Traumjob ist, und kann ihr und allen ähnlichen Frauen nur viel Spaß wünschen. Trotzdem bin ich gegen Prostitution als gesellschaftliches Phänomen. Mir ist bewusst, dass das nicht ganz konsequent ist. Im Moment neige ich dazu, der Gesellschaft und den nicht-aus-Spaß-Prostituierten den Vorzug vor den Wünschen der Spaß-Dominas zu geben, bin aber für Diskussionen offen.

  51. @Mat (auch irgendwo zu der Zeit):
    „Naja, man kann, aber muss nicht aus der Tatsache dass manche Frauen Sex als Dienstleistung anbieten darauf schließen dass Frauen per se “nur dafür da sind”. Ich sehe nicht, dass das irgendetwas damit zu tun hat ob es nun Prostitution gibt oder nicht.“

    Ich denke, dass Prostitution an der Entwicklung dieser Haltung einen Anteil hat. Siehe meine Ausführungen zur Zuschreibung von ‚Zweck‘ oben.

    „Es ist für mich völlig okay, wenn Menschen aneinander “nur” ein sexuelles Interesse haben.“

    Ja, absolut! Nur hat die Prostituierte, wenn sie frei und gut bezahlt ist, ein finanzielles, nicht sexuelles Interesse an ihrem Freier. Und im schlimmsten Fall hat sie nur ein Interesse daran, das ganze irgendwie zu überleben.

    „Entscheidend ist doch Respekt, und den kann ein Freier auch gegenüber einer Prostituierten haben. (Ist vielleicht sogar eher Regel als Ausnahme) “

    Na, das kann ich natürlich nicht widerlegen, aber ich habe Zweifel, dass du es BElegen kannst. Da müssen wir uns damit abfinden, unterschiedlicher Meinung zu sein.

    „Je mehr das Ganze aus der Schmuddelecke geholt wird, umso eher wird das doch der Fall sein, denn der Nichtrespekt kommt doch wohl daher dass Prostituierte generell von der Gesellschaft nicht respektiert werden. (Was sich auch oft hinter dem “Mitleid” gesellschaftlich respektierter Frauen verbirgt)“
    Da liegst du sicher nicht ganz falsch, und ich kann diese Argumentation nachvollziehen. Das ist DAS und das einzige Argument hier, dem ich zumindest teilweise zustimmen kann. Es ist wünschenswert, dass Prostituierte gesellschaftlich respektiert werden. Zumindest solange es Prostitution in dem Ausmaß gibt, das wir hier haben. Ich würde daraus aber nicht schließen, dass wir auch die Freier respektieren müssen. Natürlich sind da eine ganze Menge arme Schweine dabei, die sonst keine abkriegen, oder auch (konkreter, mir erzählter Fall) Behinderte, für die das die einzige Möglichkeit ist, an Sex zu kommen. Ich bin trotzdem der Meinung, dass das Recht auf den eigenen Körper höher anzusiedeln ist als das Recht auf Sex. Und ich bezweifle immer noch, dass die Förderung und Akzeptanz von Prostitution dabei hilft, den vielen Frauen zu helfen, die auf die eine oder andere Art das Recht auf ihren Körper abgegeben haben.

  52. Jetzt ist mir gerade noch was zu Sven (24. Oktober 2009 um 11:11), Punkt 3 eingefallen. (Den Rest von Punkt 3 sollte ich schon beantwortet haben.)

    Es geht hier nicht um Moral, Sven! Es geht nicht darum, dass ich Prostitution unsittlich finde (unsittlich – wat soll dat denn eigentlich sein?)
    Es geht darum, dass ich mir Gedanken darüber mache, nach welchen Regeln wir miteinander leben sollten, und was wir als akzeptables Verhalten definieren wollen und was nicht. Das MÜSSEN wir uns überlegen. Früher war das einfach: Akezptabel war (mit kleinen Änderungen), was die vor uns akzeptabel fanden. Aber wir sind nicht mehr (so sehr) an Traditionen gebunden, und deshalb müssen wir uns schlicht und einfach einigen, was gut und was nicht so gut ist. Einfach zu sagen: Soll doch jeder machen, was er bzw. sie für richtig hält, ist meiner Meinung nach keine Lösung und führt nur dazu, dass sich die durchsetzen, die die mentalen bzw. finanziellen Möglichkeiten dazu haben. (Ich weiß, wovon ich rede. Ich setze mich immer durch und habe in dem Moment auch das Gefühl, dass mir das zusteht. Das einzige, was mich in Schach hält, sind die Gesetze und – noch wirkungsvoller – die Missbilligung meines Mannes.)

  53. Katharina,

    „Natürlich kann man sich auf den Standpunkt stellen, dass Geld gegen die Benutzung eines Körpers ein faires Geschäft ist. Auf dem Standpunkt stehe ich aber nicht, aus den oben bereits ausgeführten Gründen.“

    Als Meinung ist die Ablehnung von Prostitutin sicher legitim – immerhin schreibst Du hier ja schon „Geld für Körper“ und nicht mehr „Geld für Person“.

    „Im Moment neige ich dazu, der Gesellschaft und den nicht-aus-Spaß-Prostituierten den Vorzug vor den Wünschen der Spaß-Dominas zu geben, bin aber für Diskussionen offen.“

    Das ist immer so – unterschiedliche Einschätzungen hinsichtlich der Sozialverträglichkeit von individuellen Transaktionen. Aber das ist ein anderes Argument, als das, was Du oben angeführt hast – daß Prostitution per se gesellschaftsschädigend sei, wg. Frauenbild und so. Das hat ja mit den „nicht-aus-Spass“-Prostituierten mal nichts zu tun. Und hier ging es doch genau darum, nicht-aus-Spass-Prostituierte zu schützen, in dem die aus-Spass-Prostituierten besser erkennbar werden und der Kontakt zu ihnen freier wird.

  54. „Du hier ja schon “Geld für Körper” und nicht mehr “Geld für Person”.“

    Du willst doch nicht wirklich den Körper von der Person trennen??

    „Aber das ist ein anderes Argument, als das, was Du oben angeführt hast“

    Ja gut, ich habe verschiedene Argumente. Einige beziehen sich auf den Schutz der Prostituierten, einige auf den Schutz von Frauen als Gruppe, andere auf die Gesellschaft als ganzes. In diesem Fall haben wir einmal das Argument ‚Die Prostituierten sollen das dürfen, wenn sie wollen.“ Dem halte ich entgegen, dass die Prostitution nicht gut für die Gesellschaft und die Lage der Frauen allgemein ist (warum, siehe oben).

    Dass Zwangsprostituierte (und auch die, die ’so reingerutscht sind‘) zu schützen sind, und dass das einfacher geht, wenn sie nicht stigmatisiert werden, habe ich oben bejaht, auch wenn ich nicht den Schluss daraus gezogen haben, dass Prostitution akzeptiert werden sollte.

    Du hast also zwei Blickwinkel durcheinandergeworfen – kein Vorwurf, ich habe sicher nicht sehr stringent geschrieben, das ist ja kein Paper ;o)

  55. Katharina, du kannst dir sicher denken, dass ich der Verknüpfung: Hure = Frau also Frau = Hure nicht zustimmen kann (und ich könnte mir vorstellen, dass es den Männern per se auch nicht gefällt, dass sie diese Verknüpfung von dir pauschal unterstellt bekommen, aber das ist nur eine Vermutung…). Ich komme doch auch nicht auf die Idee, dass alle Türken/türkisch Stämmigen Dönerverkäufer sind, nur weil alle Dönerverkäufer Türken/türkisch Stämmig sind. Ich glaube, das ist der Knackpunkt, warum wir hier so trefflich aneinander vorbei argumentieren…

  56. Nachtrag: Sexarbeit wird ja immer als das älteste Gewerbe der Welt bezeichnet und bisher hat die Existenz von Sexarbeit noch nicht flächendeckend zu der männlichen Verknüpfung von Frau = Hure geführt, warum sollte dies nun auf einmal passieren?

    Nochmals das Beispiel Schweden: Durch die Kriminalisierung der Freier hat sich auch deren Verhalten den Huren gegenüber drastisch verschlechtert, es gibt also tatsächlich gesellschaftliche Einflüsse, aber, wie ich finde, genau in die andere Richtung, wie du sie beschreibst, Katharina.

  57. @Katharina: „Und ich bin ziemlich sicher, dass noch immer einige Männer der Meinung sind, Torten wären zum Ficken da (ein paar habe ich persönlich kennengelernt, also bitte nicht mein trauriges Männerbild beklagen). Prostitution ist beim Bekämpfen dieser Einstellung nicht hilfreich.“
    Hmmm, ich glaube selbst, wenn es keine Prostituierten gäbe würden gewisse MÄnner immer noch so eine Einstellung haben. Ich glaube (meine Theorie), dass das an so einem „Heiligen und HUren“ Weltbild liegt. DIe Mutter/eigene Frau als das reine und alle anderen Frauen als unrein. Als „unreine Frauen“ zählen dann die Prostituierten, aber auch alle Frauen, die einen freizügigen Lebenswandel haben. DAs heißt, dass eine Abschaffung der Prostitution nichts bringen würde, weil jede Frau, die ihre Sexualität auslebt (ONS, wechselnde Partner…) auch eben „nur zum ficken“ da ist.
    Deswegen nicht die Prostituierten sollten verboten werden, sondern die Meinung dieser Männer sollte bekämpft werden.

  58. Katharina,

    „Du willst doch nicht wirklich den Körper von der Person trennen??“

    Naja, wenn ich meine Arbeitsleistung (= Muskelkraft, Geisteskraft, Kreativität, etc.) anbiete, dann verkaufe ich ja auch nicht mich als Person, sondern biete gewisse Leistungen an, die ich erbringen kann (als Person). Das ist ein ganz wesentlicher Unterschied.

  59. @Katharina:
    „..und wenn jemand erst mal unterbewusst die Verknüpfung ‘Frauen => da gibt’s Sex’ gemacht hat, dann besteht die Gefahr, dass er das auf ALLE Frauen anwendet.“

    Da sage ich halt, dass das nichts mit der gesellschaflichen Haltung zur Prostitution zu tun hat, es ist völlig natürlich und gesund, dass Menschen diese Verknüpfung haben. Die Frage ist ja, wie sie damit umgehen dass das Objekt ihrer Begierde auch ein Mensch ist, sprich: Ob sie Respekt haben oder nicht, und „nur das Eine wollen“ ist für mich kein Zeichen für Nichtrespekt.

    Der Vergleich mit der Organspende haut nur unter der Annahme hin, dass die Sexarbeiterin etwas unwiederbringlich „weggibt“ (ihre Unschuld?), und diese Betrachtungsweise halte ich für historisch aus der „ehrenhaften Keuschheit“, die eine „achtbare Frau“ zu wahren hat gewachsen. Deshalb halte ich Deiner These der Sozialschädlichkeit entgegen dass, im Gegenteil, die Verdammung der Prostitution einen merkwürdigen Mythos schafft, oder besser: aufrecht erhält.

    Nur weil Autohändler meist männlich sind, halte ich nicht jedem Mann der mir über den Weg läuft ein paar Scheine unter die Nase wenn ich ein neues Auto haben will..

    Glücksspiel ist widerum ein gutes Beispiel, sie sind nicht verboten oder sitgmatisiert, sondern es werden Konventionen geschaffen.

  60. @steve:
    „Als “unreine Frauen” zählen dann die Prostituierten, aber auch alle Frauen, die einen freizügigen Lebenswandel haben. DAs heißt, dass eine Abschaffung der Prostitution nichts bringen würde, weil jede Frau, die ihre Sexualität auslebt (ONS, wechselnde Partner…) auch eben “nur zum ficken” da ist.“

    Weitestgehend Zustimmung, nur sind sich ja beim ONS meistens beide mehr oder weniger „nur zum Ficken da“. Die Haltung, dass es sich bei der Frau dabei um „keine richtige“ oder um eine „Hure“ handelt muss man, denke ich, bei einer größeren Gruppe bekämpfen als bei „Männern“, das wäre nur die halbe Miete (wenn nicht gar etwas weniger)

  61. Ok, dann werde ich die Kommentare mal der Reihe nach abarbeiten.

    zu Miriam, 29. Oktober 2009 um 17:18:
    Doch, ich denke, dass genau das Beispiel mit den Türken so funktioniert. Bewusst wirst du natürlich nicht den logischen Schluss ziehen, dass der Türke (ich sag mal vereinfachend Türke) vor dir ein Dönerverkäufer ist. Unterbewusst wirst du ihn aber in die Kategorie ‚wahrscheinlich so was wie ein Dönerverkäufer‘ einordnen, und dich (unterbewusst und vielleicht unbemerkt) um so mehr wundern, je weiter sein Berufsbild tatsächlich davon abweicht. Sowas nennt man Vorurteil, und man kann das sehr schön mit psychologischen Experimenten belegen, dass Vorurteile unterbewusst wirken und gar nicht als solche wahrgenommen werden müssen. Ich kann natürlich nicht belegen, dass ein solcher Effekt für die Verknüpfung Frauen/Prostituierte oft existiert. Ich gehe aber davon aus, dass bei Männern, die oft zu Prostituierten gehen, so eine Verknüpfung entsteht. Was ich damit natürlich nicht sagen will, ist, dass alle Männer alle Frauen für Prostituierte halten! Der Effekt ist deutlich subtiler, aber (wenn ich recht habe) in der Gesamtwirkung nicht zu vernachlässigen.

    @jj (29. Oktober 2009 um 17:56):
    Sich für Sex zur Verfügung zu stellen ist halt doch ein bisschen was anderes als seine Muskelkraft zur Verfügung zu stellen. Das ist intimer, geht näher an die Persönlichkeit ran. Vielleicht müsste das nicht so sein, vielleicht könnten wir Sex ja umdefinieren als etwas, das so normal und unpersönlich ist wie jemandem die Tür aufhalten, aber ich bezweifle es. Und im Moment, so wie wir jetzt sozialisiert sind, ist es halt einfach nicht so. Deshalb halte ich das für eine nicht hilfreiche Analogie.

    Weitere Antworten später…

  62. @Katharina:
    „Das ist intimer, geht näher an die Persönlichkeit ran. Vielleicht müsste das nicht so sein..“

    Aber das ist doch sehr individuell. Für manche geht es nicht so nahe an die Persönlichkeit ran bzw. sie können sich gut abgrenzen. Für mich persönlich wäre das auch nichts (weder als Kunde noch als Anbieter) aber es gibt Menschen (m/w) die da komplett anders gestrickt sind. Man kann das ja unterschiedlich werten, „abgestumpft“ fände ich zu platt.

  63. @Katharina:
    „Bewusst wirst du natürlich nicht den logischen Schluss ziehen, dass der Türke (ich sag mal vereinfachend Türke) vor dir ein Dönerverkäufer ist. Unterbewusst wirst du ihn aber in die Kategorie ‘wahrscheinlich so was wie ein Dönerverkäufer’ einordnen, und dich (unterbewusst und vielleicht unbemerkt) um so mehr wundern, je weiter sein Berufsbild tatsächlich davon abweicht.“
    Das kommt darauf an. Wenn ich Türken nur aus der Imbissbude kenne, dann werde ich sowas entwickeln. Nach meiner Auffassung ist das aber kein Vorurteil, sondern ein Stereotyp. Ein Vorurteil wäre es, wenn ich mich gar nicht erst wundere dass irgendwelche Indizien darauf hindeuten dass es kein Dönerverkäufer ist, und bei meinem Bild bleibe „der ist doch Döerverkäufer!“

  64. @Katharina:
    „Ich kann natürlich nicht belegen, dass ein solcher Effekt für die Verknüpfung Frauen/Prostituierte oft existiert. Ich gehe aber davon aus, dass bei Männern, die oft zu Prostituierten gehen, so eine Verknüpfung entsteht.“
    Ist ja schön, dass du davon ausgehst. Ich gehe auch von vielen Sachen aus, die ich nicht beweisen kann. Solche Annahmen können/dürfen aber nicht einfach in Gesetze münden, dafür muss man dann schon mal Beweise anführen.
    PS: Ich gehe nicht davon aus.

  65. Auch auf die Gefahr hin, dass du dich jetzt wieder beleidigt fühlst, Katharina, aber für mich hat die Diskussion ein Niveau erreicht, was ich unerträglich finde. Ich hab nicht das Gefühl, dass ich da noch was konstruktives beitragen kann, ich bin raus…

    PS: Die Türken/türkisch Stämmigen, die ich kenne, sind allesamt KEINE Dönerverkäufer

  66. @Katharina: Mag sein, das Du hier Deine Meinung alleine gegen alle verteidigen musst, aber das, was Du aufmachst hat tatsächlich sehr viel von Volkspädagogik für Männer. Man muss die Gesellschaft so gestalten, dass Männer nicht schädlichen Bildern ausgesetzt sind, sie sind offenbar zu vernünftigen Urteilen über Frauen selbst nicht in der Lage.

    Ich frage mich nur, warum mich als Mann das weniger aufregt, aber das hat vielleicht damit zu tun dass ich „Feminismus“ nicht verteidigen muss.

  67. Schön, dass die Debatte nochmal weitergeht. Finde ich spannend. Vielleicht kann Katharina ihre Argumente im nächsten Post nochmal ’sammeln‘, IMO geht das mit den vielen Posts ein wenig durcheinander… ^^
    Eine weitere Bemerkung noch vorweg: Ich finde die Diskussion eigentlich produktiv – Katharina, du hast keinen Grund argwöhnische Blicke zu vermuten… ^^

    Ich versuche auch mal ein wneig zu sammeln, aber es entgeht mir bestimmt das ein oder andere:

    1. Das Beispiel der Glücksspielsucht illustriert aus meiner Sicht einen gründlichen Dissens: Natürlich greift der Staat hier ein unter der Begründung Risiken für erwachsene Vollbürger zu vermindern. Funktionieren tut es vorne und hinten nicht: Einerseits wandert das Glücksspiel im Netz auf den nächsten Server im Ausland, andererseits kommt es zu einer staatlich organisierten Hysterie, die dann auch dafür verantwortlich ist, bedenkenlose Angebote, wie Lotto, aus dem Internet weitestgehend zu verbannen. Das Beispiel illustriert aus meiner Sicht eher, dass der Staat hier einen Fehler macht: In einer freien Gesellschaft müssen wir damit leben, dass Menschen Dinge tun, die aus unserer Sicht nicht gut für sie sind. Wenn die überwiegende Mehrheit einer Gesellschaft bestimmte Dinge als nicht gut für die einzelnen Individuen erkennt, kann sie für ihre Position werben und Maßnahmen anbieten, Betroffenen (in dem Fall Glücksspielsüchtigen) zu helfen. Vorher es allen Leuten zu verbieten (vor allem noch ohne eine entsprechende statistische Fundierung, wie viele Leute durch welche Angebote glücksspielsüchtig werden), bedeutet Sicherheit vor Freiheit zu setzen – so was darf auf gar keinen Fall passieren.
    Das ist für mich eigentlich das grundlegendste Problem, auf das die Verbotsbefürworter (und damit vor allem Katharina) noch keine Antwort haben – was ist ein sinnvolles Staatsverständnis? Es hält euch ja keiner davon ab, eine feministische Lobbygruppe zu gründen, die sich darum bemüht, eure (negative) Vorstellung von Prostitution zu verbreiten – wenn ihr Recht hättet bzw. bekommen würdet, würde sich das Phänomen im Laufe der Zeit von selbst erledigen. Eine Verbotsforderung ist jedoch eine Aufforderung an den Staat, Menschen in ihren Freiheiten zu beschneiden. Es mag sein, dass so etwas momentan möglich ist, aber es widerspricht nicht nur der Idee eines liberalen Verfassungsstaats, sondern auch grundsätzlich der Idee von Emanzipation, womit es für feministische Perspektiven stark problematisch ist.

    rauen sind aber immer Frauen; und wenn jemand erst mal unterbewusst die Verknüpfung ‘Frauen => da gibt’s Sex’ gemacht hat, dann besteht die Gefahr, dass er das auf ALLE Frauen anwendet. Also auch auf mich. Deshalb bin ich übrigens auch dagegen, dass mich von jedem Werbeplakat eine halb (oder ganz) nackte Frau anguckt.

    2. Während ich letzteres ausdrücklich verstehen kann, werfen sich an diesem Statement mehrere Probleme auf:

    a) Die Verknüpfung ist meines Erachtens nicht ausreichend belegt. Was trägt Prostitution dazu bei (sie ist ja bei weitem nicht der einzige Faktor). Zudem liegt das Problem vor, dass ein Verbot der Prostitution zwar einen Geschlecht mehr nützen könnte, aber trotzdem ein prinzipielles Verbot bleibt. Auch der Mann darf sich nicht mehr prostituieren – es wird also auch die Freiheit von Leuten eingeschränkt, die von deinem Statement (sofern es richtig ist, woran ich zweifle) nicht betroffen sind.

    b) Was ist mit den anderen Faktoren (s.o.)? Folgt aus deiner Vorstellung der Instrumentalisierung von Frauen, dass wir ebenso gesetzlich (!) gegen Werbeplakate, Filme (Pornographie!), etc. vorgehen müssen? Polemisch gesprochen: Dann könnten wir die halbe Gesellschaft zur Überwachung derselben beschäftigen. Halte ich für keine gute Idee.

    c) Abgesehen davon halte ich es für stark problematisch, Geschlechterkategorien (und die an ihnen klebenden Vorstellungen) auch noch zur Grundlage für eine dauerhafte Gesetzgebung zu machen. Das ist nicht nur mit meinen Vorstellungen zum dekonstruktistischen Feminismus unvereinbar, sondern auch mit jeder Form von Denken, dass die Geschlechterdifferenz wenn auch nicht verflüssigen, so doch zumindest nicht weiter stabilisieren möchte. Quoten sind ja auch nur als temporäre Maßnahme gerechtfertigt.

    d) Und an einem weiteren Punkt finde ich deine Idee problematisch. Ich weiß nicht, ob du dir dazu Gedanken gemacht hast bzw. dazu etwas gelesen hast: Instrumentalisierung ist ein Phänomen, dass die Moderne durchzieht. Natürlich ist es auch exemplarisch bei der Prostitution vorhanden und natürlich ist uns allen ist uns allen nicht ganz wohl, wenn wir aus welchen Gründen auch immer, einem anderen nur Mittel zum Zweck sind, weil es starke Vorstellungen vom autonomen Subjekt und der Unverletzbarkeit der Person gibt. In dem philosophischen Diskurs, der die Moderne begleitet, ist das Problem vielfach thematisiert worden – die letzten Versuche, es zu lösen, zeigen sich in der Frankfurter Schule, die der zweiten Frauenbewegung sogar die Beschäftigung mit den ‚beiden großen Ps‘ (Pornographie und Prostitution) vorweggenommen hat. Leider kam es seitens der Frauenbewegung nicht zu einer ausreichenden Rezeption dieser Problematik.
    An den Folgen dürfen wir bis heute knabbern: Viel zu oft argumentieren FeministInnen mit Effzienzkriterien und freuen sich teilweise einen Keks, wenn das als weiblich klassifizierte Humankapital auch endlich von der Wirtschaft genützt wird. Was hat das alles mit der Prostitution zu tun? Bei der Prostitution geht es um Instrumentalisierung – so viel steht fest. Wenn wir aber keine Theorie davon haben, was Instrumentalisierung bedeutet, welche Folgen und Grenzen sie hat und ob es Sinn macht, gegen sie vorzugehen (sowohl bzgl. der Realisierung als auch bzgl. der Frage, ob es wünschenswert ist), ist die Gefahr groß, dass wir das eigentlich zugrunde liegende Problem nicht nur nicht bearbeiten, sondern schlichtweg verstärken.

    Doch, ich denke, dass genau das Beispiel mit den Türken so funktioniert. Bewusst wirst du natürlich nicht den logischen Schluss ziehen, dass der Türke (ich sag mal vereinfachend Türke) vor dir ein Dönerverkäufer ist. Unterbewusst wirst du ihn aber in die Kategorie ‘wahrscheinlich so was wie ein Dönerverkäufer’ einordnen, und dich (unterbewusst und vielleicht unbemerkt) um so mehr wundern, je weiter sein Berufsbild tatsächlich davon abweicht.

    e) Das was du hier bezeichnest ist meiner Auffassung nach ein Vorurteil, nicht mehr (aber auch nicht weniger). Solche Vorurteile sind tragisch, aber leider ziemlich menschlich. Allerdings musst du dich, wenn du solche Beispiele anbringst, fragen lassen, inwiefern der Staat mittels Verbote Vorurteile verbieten kann. Analog würde das ja bedeuten, den türkischstämmigen MitbürgerInnen das Dönnerverkaufen zu verbieten… Klingt eher grotesk… Nicht zu vergessen ist auch: Es gibt eine umfassende Antidiskriminierungsgesetzgebung, die verhindern sollte dass Menschengruppen aufgrund von Vorurteilen Nachteile erleiden müssen.

    Es geht hier nicht um Moral, Sven! Es geht nicht darum, dass ich Prostitution unsittlich finde (unsittlich – wat soll dat denn eigentlich sein?)
    Es geht darum, dass ich mir Gedanken darüber mache, nach welchen Regeln wir miteinander leben sollten, und was wir als akzeptables Verhalten definieren wollen und was nicht. Das MÜSSEN wir uns überlegen.

    3. Natürlich führen wir hier eine Auseinandersetzung um Moral. Was ist das denn sonst? Jede Frage danach, was Menschen tun sollen, ist eine ethische. Das wir zwischen unterschiedlichen Ebenen (Individuum, Gesellschaft, Staat) unterscheiden, macht die ganze Angelegenheit nicht weniger moralisch.
    Leider bist du auf meinen anderen Punkt nicht eingegangen: Dass wir normalerweise im liberalen Rechtsstaat mindestens Skrupel haben, Individuen mit Verweis auf das Gemeinwohl einzuschränken. Das geschieht ja nicht grundlos: Würden wir anders vorgehen und Gesetze über das Kollektiv legitimieren, könnten wir zum Beispiel die gesundheitliche Versorgung für ältere Menschen einschränken. Tun wir aber aus guten Gründen nicht. Die Denkfigur, einzelnen Mitgliedern der Gesellschaft zu verbieten, ihren Körper zu prostituieren, weil sie damit der Klasse aller Frauen (oder schlimmer noch ‚dem Kollektivsubjekt Frau‘), schaden, ist davon nicht so verschieden.
    Auf den unteren beiden Ebenen (Individuum und Gesellschaft) kann ich deine Argumentation ja noch nachvollziehen, auch, wenn ich anderer Auffassung bin und glaube, dass tendenziell mythologische Vorstellungen vom Frauenkörper bzw. von Verhältnis von SexualpartnerInnen hast. Letzteres wäre aber eine Sache, die sich eventuell noch regeln ließe. Wenn Moral aber zur Staatsaufgabe werden soll, dann ist das dramatisch und setzt Traditionen der Frauenbewegung fort, die mit großer Wahrscheinlichkeit dann in der reaktionären Ecke landen (Bsp: PorNo-Gesetze und deren konservative Rezeption).

    So, jetzt bin ich erstmal fertig… irgendetwas habe ich auch vergessen, aber ich muss ja eh noch was zu dieser ‚Sakralisierung‘ des Frauenkörpers schreiben, wie ich sie hinter deiner Position vermute…

  68. Katharina,

    ich kann Miriams Reaktion schon ein Stück weit verstehen, denn Deine Diskussionsweise scheint sehr von dem belastet, was Du anderen anlastest: Vorurteilen. Aber das nur so als Gedankenanstoß, noch mal über die argumentative Herleitung der eigenen Position nachzudenken.

    Du schreibst –

    „Sich für Sex zur Verfügung zu stellen ist halt doch ein bisschen was anderes als seine Muskelkraft zur Verfügung zu stellen. Das ist intimer, geht näher an die Persönlichkeit ran. Vielleicht müsste das nicht so sein, vielleicht könnten wir Sex ja umdefinieren als etwas, das so normal und unpersönlich ist wie jemandem die Tür aufhalten, aber ich bezweifle es. Und im Moment, so wie wir jetzt sozialisiert sind, ist es halt einfach nicht so. Deshalb halte ich das für eine nicht hilfreiche Analogie.“

    wie *WIR* sozialisiert sind, ist hier keine hilfreiche Annahme, denn *WIR* gibt es nicht. Und ob und inwieweit die persönliche Einstellung nun sozialisiert ist, oder aus persönlichen Erfahrungen, positiver oder negativer Natur, beruht (ja, viele Prostituierte haben Mißbrauchserfahrungen), kann nun wirklich niemand beantworten. Was die Sozialisierung betrifft, so vertreten weite Teile der herrschenden feministischen Meinung immer noch die exrtrem konservative These von der weiblichen Sexualität als Festung, deren Tore sich nur öffnen, wenn in der korrekten Währung bezahlt wurde – das war mal Heirat, mittlerweile gilt Liebe als akzeptierte Währung. Aber das sind wirklich nicht alle Gründe, wegen derer Frauen entscheiden können, Sex zu haben. *Diese* Sozialisierung wirkt fort, vor allem in der Aussage, daß Sex eben etwas so *NOTWENDIG* anderes sei, als anderer Körpereinsatz.

    OK, Gegenfrage: Massagen, Intensivmedizin, Psychologie, Schauspiel, Pflege im Altersheim. Alles Bereicht, in denen zum Teil SEHR viel näher und intimer gearbeitet wird als das bei einem Quickie im Laufhaus der Fall wäre. Und die Abgrenzung ist nicht immer einfach. Die Bettpfannen von alten Menschen zu entsorgen, oft so lange bis man nicht mal mehr riecht, daß jeder Rollstuhl nach Urin riecht, das ist intim. Das machen Zivildienstleistende. Jemandem, von dem man weiß, daß er nicht mehr zu retten ist, die lebenserhaltenden Maßnahmen abstellen. Das ist intim. Das machen Notärzte, wenn sie nicht mehr weiterwissen. Sich in eine andere Person hineinzudenken, ihre Gefühle aufzudecken und zu spielen. Das ist intim. Das machen Schauspieler. Uns helfen, mit unseren ganz eigenen Defiziten zu leben und glücklich zu werden, das ist intim. Das machen Psychologen. Klar. Sex ist auch sehr intim. Aber alle diese Berufe machen auch Dinge im intimsten Bereich von Menschen, ohne daß man ihnen daraus einen Vorwurf macht oder sich über die gesellschaftliche Schädlichkeit ihrer Tätigkeit Gedanken macht.

    Nehmen wir an, Du gehst zur Physiotherapie, weil Dein Arzt Dir das verordnet, wegen der Rückenverspannungen, und dann bemerkst Du, daß Dich die Massage erregt, weil der Masseur so ein tolles Gefühl dafür hat, wie man einen Menschen anfaßt oder einfach weil sich die Berührung gut anfühlt. Ist das schon Prostitution? Gut? Böse? Richtig? Falsch? Ok, wie wäre es mit Massage, die bewußt darauf abziehlt, Dir nicht nur bei Verspannungen zu helfen, sondern Dich gezielter zu erregen? Oder beziehst Du nur spezifische sexuelle Praktiken in Deine Definition ein? Wenn dem so ist – warum? Und wo verläuft die Grenze?
    Streicheln? Küssen? Penetration?

    Ich sehe da schlicht kein Kriterium für einen Trennstrich, das sich aus der Sache heraus ergibt und nicht von Vorurteilen geprägt ist.

    Ich empfehle die Diskussion unterschiedlicher Regulationsansätze in der Broschüre des Familienministeriums.

    http://www.bmfsfj.de/bmfsfj/generator/RedaktionBMFSFJ/Broschuerenstelle/Pdf-Anlagen/bericht-der-br-zum-prostg-brosch_C3_BCre-deutsch,property=pdf,bereich=bmfsfj,sprache=de,rwb=true.pdf

    Was ich persönlich sehr erhellend fand, war die Lektür von Tamara Domentats Buch „Laß dich verwöhnen“

    http://www.buecher.de/shop/Fachbuecher/Lass-dich-verwoehnen/Domentat-Tamara/products_products/content/prod_id/11226030/
    (mit zwei Rezensionen aus der FAZ under der SZ)

    http://www.zeit.de/2003/42/SM-Prostitution

  69. Ich halte es für keine gute Idee, die Sexualität als „Sexarbeit“ oder als „Arbeit“ zu deklarieren.

    Das halte ich für ein komplett falsches Signal, welche die Kommerzialisierung der menschlichen Sexualität beglaubigt.

    Einige Dinge gehören nicht zum System. Die Kommerzialisierung der mesnchlichen Sexualität (eine Form von Ausbeutung tiefster menschlicher Intimität) ist und bleibt menschenverachtend, ob mit oder ohne der Bereitststellung von Kondomen oder zu „fairen“ Zimmerspreisen.

    P.S.: Längst nicht alle Ausländerinnen aus EU-Staaten können in Deutschland legal arbeiten. Dazu gehören zum Beispiel Personen aus den neuen EU-Staaten oder mit einem grauem Pass.

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