Sexismus als Fließband-Hit – Der Rapper Cro

In einem Gespräch mit einer Freundin über die musikalischen Idole unserer Jugend (Nirvana HoleBikini Kill ♥) erzählte diese mir kürzlich, dass ihre 13-jährige Schwester aktuell auf niemanden so sehr abfahren würde, wie auf den Rapper Casper. „Naja. Ich habe den Eindruck, in ihrem Alter stehen alle gerade entweder auf Casper oder auf Cro. Ich bin froh, dass sie sich für Casper entschieden hat“, fügte sie hinzu. Ich konnte verstehen, was sie meinte. Auch wenn Casper kein Künstler ist, den ich einem jüngeren Geschwisterkind ans Herz legen würde (unter anderem aufgrund dieses extrem sexistischen und gewaltvollen Liedtextes aus seiner musikalischen Vergangenheit, von dem er sich meines Wissens nach niemals distanziert hat), halte ich ihn immer noch für weitaus erträglicher als seinen Kollegen Cro. Denn im Gegensatz zu Casper, der sich nach seinem Durchbruch in Deutschland textmäßig zumindest zurückhält, beschreibt Cro offen sexistische Gewaltfantasien, ohne dass das seinem Erfolg in irgendeiner Weise schaden würde.

Bemüht sich um ein "niedliches" Image: Der Rapper Cro.
Bemüht sich um ein „niedliches“ Image: Der Rapper Cro. Bildquelle: Wikipedia.

„Softer“ Rapper mit Gewaltfantasien

Doch wer ist eigentlich dieser Cro? Ein deutscher Rapper, Jahrgang 1990, der seine Musik selbst als „Raop“ (eine Mischung zwischen Rap und Pop) bezeichnet. Gemeinsam mit Casper bestimmt er aktuell den deutschen Hip Hop-Mainstream. Die beiden werden dabei als „softe Rapper“ gehandelt und bilden einen vermeintlichen Gegenpol zum deutschen Gangster-Rap a la Aggro Berlin, zu dem Sido oder Bushido gezählt werden. In der Tat scheint Cro sich Mühe zu geben, sein vermeintlich harmloses Image zu stützen. Ebenso wie einige seiner Kollegen trägt auch er eine Maske vor dem Gesicht, nur dass seine nicht furchteinflößend, sondern eher niedlich ist: ein Pandabär. Seine Lieder haben keine aggressiven Beats, sondern stattdessen fröhlich vor sich hindudelnde Poptöne. Hits vom Fließband. Und genauso wird er auch von der deutschen Medienlandschaft gehandhabt. Erst im Dezember 2014 räumte er bei Deutschlands größtem Radio-Award, der 1Live-Krone, sowohl den Preis für das beste Album, wie auch den für die beste Single ab.

(Inhaltswarnung: Im folgenden werden Auschnitte aus Songtexten zitiert, die unter anderem Aufrufe zu sexistischer Gewalt und anderen Sexismus beinhalten.)

Seine Beats gehen leicht ins Ohr, seine Texte sind entsetzlich einfallslos und handeln allesamt von heterosexuellen Beziehungen und dem Begehren des Rappers nach irgendwelchen „Chicks“. Die besungenen Frauen haben dabei letzten Endes alle nichts anderes im Sinn, als ihn auszunehmen, einzusperren oder ihm ein Kind anzuhängen. In dem Lied „Easy“, das ihm 2012 zum Durchbruch verhalf, singt er:

Und wenn sie heiraten will, und nach drei Tagen chilln schon dein ganzes Haus und deinen Leihwagen will, erschEASY.

Erschießen als Antwort auf unterschiedliche (und extrem klischeehafte) Beziehungsvorstellungen? Natürlich, so fügt er im nächsten Satz hinzu, würde er sich das „nicht trauen“. Nicht trauen? Moralisch scheint er diese Idee nicht verwerflich zu finden, nur der Mut zur Umsetzung fehlt ihm offenbar. Soviel Sexismus und Gewaltverherrlichung in ein paar Zeilen geballt scheinen „Easy“ erfolgsmäßig jedoch nicht geschadet zu haben. Ebenso wenig wie die Tatsache, dass Cro schon im selben Lied bekannte: „Doch eigentlich geb ich n‘ Fick auf Frau’n“.

Während er das Bild der Frau, die ihren Mann einsperren will, in Liedern wie „Bad Chick“ noch weiter ausführt („Sie sagt lass uns ein Pärchen sein. Ich würde gerne rennen doch sie sperrt mich ein“), scheint es für ihn hingegen vollkommen unproblematisch zu sein, als Mann eine Frau „besitzen“ zu wollen. In „Traum“ singt er: „Ich glaub ich fänd es cool wenn du mir gehörst“, und in „Hey Girl“ schlussfolgert er: „Egal was du gerne wärst, ich bin auf jeden Fall der Typ, der es diggt“. Die Frau als Ding, was Mann sich zu Eigentum machen und im Zweifelsfall sogar vernichten kann. In diesem Zusammenhang überrascht auch das folgende Zitat aus einem Interview mit dem Tagesspiegel wenig:

Und wenn Sie dann gucken, wie viele unmoralische Angebote treffen pro Woche auf Facebook ein?
Keine direkten. Und, na ja, die will man doch gar nicht oder? Diejenigen, die sich vor den Jäger hinlegen und sagen: Drück ab!

Was wollen Sie?
Das Reh, das ständig wegrennt, das man richtig jagen muss.

Es erscheint höhnisch, dass Cro im selben Interview unterstellt wird, er sei „entwaffnend süß“ und „ein Rapper, den man auch mal der Mutter vorstellen könnte“ (sic!). Cro entgegnet: „Ich bin halt ein bisschen netter“ und bezieht sich damit wohl auf die oben bereits erwähnten Gangster-Rapper.

Mainstreamfreundlicher Sexismus

Anja Degner schrieb vor wenigen Wochen in einem Beitrag für NeuesDeutschland:

Im Gegensatz zum sogenannten Gangster-Rap, welcher mit Diskriminierungen, starren Männlichkeitsbildern und Frauen*feindlichkeit gewollt provoziert, gibt sich der Mainstream-Hip Hop als überaus menschenfreundlich und sozial kompatibel. Positiver und ironischer Sexismus ist hier jedoch genauso häufig an der Tagesordnung. Heterosexuelle Männer dominieren sowohl im Gangster-Rap wie auch im Mainstream-Hip Hop die Szene, während Frauen darin oft nur die Rolle des sexualisierten Objekts spielen.

(Leider stellt sie im selben Beitrag die ebenfalls sexistischen und cis-sexistischen Orsons als positive Alternative dar. Was sie dabei anscheinend nicht mitbekommen hat, ist dass der von ihr kritisierte Cro mit jenen bereits gemeinsam auf der Bühne gestanden hat.)

Queere/ Weibliche Hip Hop-Artists und szeneinterner Widerstand gegen Sexismus

Die deutschsprachige Rapperin Sookee, die seit Jahren gegen Sexismus (unter anderem) im Hip Hop ankämpft und im letzten Jahr die PURPLE VELVET International Female HipHop Tour mitorganisierte, hat im Oktober 2014 ein Lied mit dem bezeichnenden Titel „Vorläufiger Abschiedsbrief“ veröffentlicht. Dort richtet sie sich erneut an sexistische Rapper und offenbart diesmal: „Es ist schwer, nicht an euch trotz gutem Willen zu scheitern“. Ebenso wie diese sind auch die anderen Zeilen des Liedes genauso erschütternd wie nachvollziehbar.

Was uns trotz all der Scheiße als Chance bleibt, ist Sexismus als das zu benennen, was er ist (auch wenn er mit ohrwurmtauglichen Popmelodien daher kommt), weibliche/ queere Künstler*innen zu unterstützen und jüngeren Geschwistern klar zu machen, dass es zu Cro auch noch andere Alternativen als (nur) den Rapper Casper gibt. Zum Beispiel diese 15 großartigen Hip Hop-Künstler*innen.

3 Kommentare zu „Sexismus als Fließband-Hit – Der Rapper Cro

  1. „‚Egal was du gerne wärst, ich bin auf jeden Fall der Typ, der es diggt‘. Die Frau als Ding, was Mann (…) im Zweifelsfall sogar vernichten kann.“ Könnte es nicht sein, dass Diggen hier nicht für graben sondern für gutfinden steht? Wobei das die Bedeutung natürlich ins Gegenteil verkehren würde. Das macht ihn natürlich nicht weniger zu sexistischer Kackscheiße!

Kommentare sind geschlossen.

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