Sex-arbeitende Mütter

Der folgende Text erschien letzten Sonntag bei fuckermothers.

Die feministischen Sex-Kriege waren lang und blutig. Naja, wirklich blutig waren sie nicht, aber ich fand den Eingangssatz so schön dramatisch. Lang, das waren sie jedenfalls. Sie begannen Ende der 1970er Jahre, endeten offiziell  in den neunzigern, einzelne Scharmützel gibt es aber heute noch. Eine verkürzte Darstellung der Fronten: Auf der einen Seite standen diejenigen, die gegen Pornographie und Prostitution waren, weil diese per se ein Ausdruck patriarchaler Unterdrückungsverhältnisse und männlicher Sexualität darstellen sollten. Zu ihnen gehörte unter anderem Catherine MacKinnon und auch Alice Schwarzer mit ihrer PorNo-Kampagne.

Auf der anderen Seite standen die sex-positiven Feministinnen, zu denen unter anderem Gayle Rubin gehörte. Sie betonten Individualismus, Handlungsfähigkeit und Selbstbestimmtheit von Frauen. Während erstere Prostituierte in erster Linie als beklagenswerte Opfer sahen, waren sie in den Augen der zweite Gruppen (meist) aktiv entscheidende und handelnde.

Ich finde das wichtig, um die Debatte um sex-arbeitende Mütter einordnen zu können. Denn Eva Schless richtet sich in ihrem Artikel ‘Sex worker & mother‘ gegen die erste Position. Ausgangspunkt des Textes war ein Bemerkung, dass Sex-Arbeit Ausbeutung sei und nie wirklich selbstbestimmt sein könne, da eine sex-arbeitende Mutter schließlich niemals ihrer Tochter zu diesem Job raten würde. Schless erklärt, sie wolle ihre Tochter ermutigen den Beruf zu ergreifen, den sie sich wünsche.

Ihre Ansicht: “ I cannot stand the uninformed and ignorant rant that sex work is not empowering or a real ‘choice’. I am going to put it in a very simple way: I love sex. I f*cking LOVE it. I have loved it before I even knew what it was or that there was such a thing as the patriarchy. All I knew was that something down there felt really good. As I grew up and learned more about it – I loved it even more. And as I started to do it… I realised I was really, really good at it. So, something I really enjoy, am good at and can be paid to do is somehow NOT my choice?”

Eine ähnliche Meinung  vertritt ‘ThisIsYourDaughter’: “Es gibt Menschen, die wollen Sexarbeiter sein. Und es gibt Menschen, die diese Dienstleistung in Anspruch nehmen. Und wenn diese Menschen miteinander Verträge schliessen, wenn Dienstleistungen gegen eine angemessene Vergütung zu fairen Konditionen erbracht und bezahlt werden, wenn das zwischen zwei erwachsenen Menschen bewusst und klar umrissen geschieht, dann ist für mich nichts Schlimmes daran. Im Gegenteil. Das ist anständige Arbeit gegen anständiges Geld, und damit ist es in meinen Augen eine gute Sache.Das ist anständiger, als Leiharbeiter für sechs, sieben Euro auszubeuten. Das ist anständiger, als Frauen, weil sie Kinder haben immer nur von einem befristeten Arbeitsverhältnis ins nächste zu hetzen.”

‘Mutterseelenalleinerziehend’ sieht das mit der Wahl dennoch k0mplizierter und betont gesellschaftliche Strukturen: “Die heterosexuelle Prostitution ist in der Regel weiblich und sie bedeutet, dass das Geld eines Anderen über den Körper einer anderen verfügen darf. (…) Ich respektiere diese Frauen als Menschen. Ich will sie weder stigmatisieren, noch für verkehrt erklären. Aber ich bin eine Visionärin und möchte klarstellen, dass es in einer Welt mit größerer Statusgleichheit und weniger Geldsorgen vermutlich gar keine Prostitution geben würde. Das ist in meinen Augen die einzig wichtige Frage: Würdest Du diesen Beruf auch machen, wenn ich Dir jeden Monat 8000 Euro überweise?”

Ich frage mich, ob man bei der Diskussion um ‘Sex-Arbeit’ weniger auf den ‘Sex’ und mehr auf die ‘Arbeit’ und deren Bedingungen schauen sollte. Wenn die Arbeitsbedingungen allein von Kapitalismus und Ausbeutung geprägt sind, ist die Arbeit wohl kaum selbstbestimmt und empowering. In anderen Kontexten jedoch ist sicherlich eine freie und befriedigende Arbeit möglich. Ich schliesse also mit einer Banalität: Sex-Arbeit ist nicht gleich Sex-Arbeit und sollte, wie alles, differenziert betrachtet werden.

43 Kommentare zu „Sex-arbeitende Mütter

  1. Wobei auf die Frage „Würdest Du diesen Beruf auch machen, wenn ich Dir jeden Monat 8000 Euro überweise?” wohl die meisten Leute die Freizeit vorziehen würden? Ist das in dem Falle also die richtige Frage? Letztendlich ist es doch eher die Frage mit WAS verdiene ich mein Geld, bzw, will ich mein Geld verdienen?

  2. @Ritinardo:

    Letztendlich ist es doch eher die Frage mit WAS verdiene ich mein Geld, bzw, will ich mein Geld verdienen?

    Finde ich nicht, jedenfalls nicht nur. Ich finde die Frage(n) müsste(n) viel grundlegender gestellt werden: Warum muss ich Geld verdienen, unter welchen Umständen muss/will/kann ich mein Geld verdienen (und wieviel), und warum haben Leute dabei so unterschiedliche Möglichkeiten? Und die Frage, die du formulierst, würden Menschen eben auch unterschiedlich beantworten. Manche würden zum Beispiel sagen „Mit Sexarbeit“ – genau das ist ja der Punkt.

  3. Ich denke, die Stigamtisierung und auch Tabuisierung, die, wie ich finde, auch von Feminist*innen ausgeht, die Sex-Arbeit grundsätzlich als Ausbeutung sehen, sorgt dafür, dass das eigentliche Problem mal wieder nicht gesehen wird. Erstens, wie du ja auch so schön in deinem Text am Ende schreibst:Sex-Arbei ist nicht gleich Sex-Arbeit. Bestimmt ist ein Beweggrund für manch eine*n Sexarbeiter*in, ihren_seinen Beruf auszuüben, die prekäre Lebenslage, in der die Person lebt.
    Und dennoch verurteile ich es, die Sex-Arbeit an sich als Ausbeutung zu sehen, da mensch damit eine*r Sexarbeiter*in in eine Opferposition drängt, in der sich die betroffenen Personen selbst oft garnicht sehen.
    Das viel größere Problem, was mit der Tabuisierung von Prostitution komplett ausgeblendet wird, sind die Diskriminierungen und sexuellen Übergriffe, der ein*e Sexarbeiter*in tattäglich ausgesetzt wird. Ich sehe das Problem nicht in der Arbeit selbst, sondern in der in unserer Gesellschaft herrschenden Ansicht, ein*e Sexarbeiter*in sei ein frei zur Verfügung stehendes Sexobjekt. So werden ZB in Filmen sexuelle Übergriffe auf Prostituirte so gut wie nie thematisiert sondern eher als „normal“ dargestellt. Und auch in den Medien wird eine V*rg*w*lt*g*ng einer Prostituierten meist eher als „Berufsrisiko“ dargestellt.
    Insofern wird ein Mensch nicht zum fremd-bestimmten, vom Patriarchat unterdrückten Objekt, in dem Moment wenn er sich prostituiert, sondern in dem Moment, in dem er von der Gesellschaft zu einem Objekt gemacht wird.
    Oder wie würdet ihr es erklären, dass es so viele verschiedene Meinungen in der feministischen Bewegung und auch außerhalb davon über Sex-Arbeit gibt, aber es von den betroffenden Personen kaum Beiträge zur Debatte gibt? Das absprechen einer eigenen Stimme ist für mich ein entscheidender Punkt in allen Formen der Unterdrückung.

  4. Aber leider ist es ja doch so, dass viele Sexarbeiter und vorallem Sexarbeiterinnen das aus Not tun. Was ist daran freie Wahl wenn eine Frau um irgendwie Geld für Wohnung, Nahrung womöglich ncoh für Kind oder Familie heranzuschaffen mit einem Freier ins Bett gehen muss, der vielleicht abstossend ist oder Praktiken verlang, die ihr nicht so Spass machen?

    Ich lebe in Zürich. Hier gibt es fast keine Schweizer Prostituierten mehr, vor allem auf der Strasse nicht. Das sind vorallem Frauen aus Brasilien, Osteuropa, Russland. Ein grosses Problem ist da der Frauenhandel.

    Ich glaube, die Sexarbeiter, die diese Arbeit aus Freud daran tun, sind in der absoluten Minderheit. Ich habe manchmal das Gefühl, das ist vorallem ein Konstrukt der männlichen Fantasie.

    Aber es ist auch schwierig das wirklich herauszufinden, wie die Realität der Sexarbeit aussieht, da sie vorallem im Versteckten stattfindet.

  5. Ich hab einen Job, den ich weiter machen würde, auch wenn man mir 8000€ im Monat überweisen würde. Ich bin damit auch extrem glücklich und ich hoffe, dass wir irgendwann da hin kommen, dass es alle so haben können.

    Aber sonst ist die Frage doch n wenig daneben, oder habe ich etwas nicht verstanden? Es gibt massenhaft Berufe, die die Leute nicht machen würden, wenn Sie 8000€ im Monat bekommen würden. Und ich meine nicht nur Müllabfuhr und Kloreinigung…

    Also ich verstehe die Frage nicht wirklich. Was hat die jetzt mit dem SEX in Sexarbeit zu tun. Für mich hat das nur was mit dem Teil ARBEIT zu tun.

    Wenn mir jemand tatsächlich das Angebot machen würde, könnte es gut sein, dass ich trotzdem zustimmen würde und meinen Arbeitsplatz verlassen würde – genug andere Projekte hätte ich ja auch noch.

  6. @Nicola: Und wieder die Rückfrage: Gilt vieles von dem, was du schreibst, nicht auch für andere Jobs? Es gibt massenhaft Frauen* (auch andere Menschen), die in ihren Jobs ausgebeutet werden und ihre Arbeit machen, „um irgendwie Geld für Wohnung, Nahrung womöglich noch für Kind oder Familie heranzuschaffen“ und nicht aus reinem Spaß an der Freude oder wegen der vielzitierten Selbstverwirklichung (wobei diese ja auch gerade in ökonomischer Unabhängigkeit – von der vom Arbeitsplatz natürlich abgesehen – bestehen kann). Im weiteren Sinne gilt das sogar für die meisten Jobs. Es gibt viele Menschen, die nicht wirklich die „freie Wahl“ haben, was das Geldverdienen angeht. Und es gibt durchaus Sexarbeiterinnen, die sagen, dass sie sich bei ihrem Job weniger ausgebeutet und abhängig fühlen als in anderen Arbeitsverhältnissen.
    Über Zahlen kann ich nichts sagen, aber selbst wenn wir hier über eine Minderheit sprechen sollten (leider vor allem über sie und nicht mit ihnen), delegitimiert das nicht ihr Vorhandensein und ihr Recht auf Gehörtwerden. „DIE Realität der Sexarbeit“ gibt es vermutlich nicht, umso wichtiger, genauer hinzuschauen und die Stimmen, die es durchaus schon gibt und die über ihre Realitäten berichten, zur Kenntnis zu nehmen.

  7. Der Teil mit Arbeit ist einfach beantwortet; es gibt ganz viele Arbeiten, die am liebsten niemand machen würde, weil sie wirklich gefährlich sind. Die meisten Leute gehen aus Not arbeiten, nicht weil sie umbedingt daneben noch konsumieren wollten. Von daher gibt es kaum Arbeit, die nicht auf Ausbeutung herausläuft, egal bei welchem Geschlecht.

    Das mit dem Körper verkaufen ist auch nur eine moralistische Spitze (impliziert, dass Sexarbeit viel, viel schlimmer ist als andere Arbeiten, was auch nur ein moralisches Urteil darstellt), aber auch ein Baurarbeiter/Soldaten/Minenarbeiter verkauft seinen Körper, auch unter der Vorraussetzung, dass dieser bei der Arbeit verstümmelt werden kann. Und seit wann ist mein Gehirn kein Teil meines Körpers?

    Ich glaube aber auch, dass die Anzahl an Sexarbeitern, die dies aus Freude am Job tun, eine absolute Minderheit stellt, wie bei allen oben genannten Jobs.

  8. “Die heterosexuelle Prostitution ist in der Regel weiblich und sie bedeutet, dass das Geld eines Anderen über den Körper einer anderen verfügen darf.“

    SIC!

    Diese Analyse ist eine Vermutung, kommt von einer außenstehenden Perspektive und bildet nicht im entferntesten das ab, was passiert. Egal in was für einer Situation ich bin und zu was ich einwillige,ich verkaufe niemals meine körperliche Selbstbestimmung! Diese Formulierung ist hochproblematisch, weil der Umkehrschluss (eine Person hat das Recht auf den Körper eines anderen durch Bezahlung) gar nciht mit einem selbstbetimmten Menschnbild vereinbar wäre. Niemand darf jemals über den Körper eines anderen verfügen. Selbst bei einer Person, die unter Druck steht, ließe sich wohl noch unterschieden, ob sie dazu einwilligt, sexuelle Handlungen auszuführen, oder ihre körperliche Souveränität aufgibt. Das sind zwei völlig unterschiedliche Sachen, die einfach ermischt werden, weil Sex für viele anscheinend „etwas anderes“ ist. Der Umkehrschluss wäre ja, dass sobald Geld fließt, ich meiner körperlichen Souveränität beraubt werde und freiwillig alle Rechte abgebe. Wenn ich Sexarbeit zum Überleben brauche, ist es doch genau dieses bisschen Integrität, die ich mir noch bewahre. Wenn ich mich als selbstbestimmtes Individuum wahrnehme erst recht

  9. Als Ergänzung: Von „über den Körper eines anderen verfügen“ zu sprechen, wenn es um den Austausch von sexuellen Handlungen gegen Geld geht, ist für mich nur so erklärbar, dass von der Frau als „gebender“ passiverer Part beim Sex ausgegangen wird.

    Es wird für mcih deutlicher, wenn ich Sexarbeit durch andere Arbeit ersetze: Wenn ich Fließbandarbeiter bin, würde sicher auch niemand davon sprechen, dass ich durch den Handel mit meiner Arbeitskraft jemandem das Recht gebe, über meinen Körper frei verfügen zu dürfen, so wie es auf mutterseelenalleinerziehend beschrieben wird. Bei Sexarbeit wird das aber gleichgesetzt. Ich vermute weil sich viele der vielen Facetten und die Komplexität so eines Handels nicht bewusst sind, und zwar, weil es schwierig ist Informationen zu bekommen. Ich leugne nicht, dass es Ausbeutung gibt. Aber es ist ein Extrem. Menschenhandel heute hat da zum Beispiel, finde ich, einiges zusammengetragen.

  10. @Anna-Sarah

    Das ist mir schon klar, dass es sicher auch die andere Seite der Sex-Arbeit gibt. Nur sind die Probleme von Frauen die dazu gewungen sind oder sogar gezwungen werden einfach masiv.

    Das kann man doch mit anderer Arbeit, bei der man ausgebeutet wird vergleichen, das ist doch nicht dein Ernst. Die körperliche und psychische Komponenten ist doch gravierend.

    Auf jeden Fall finde ich es gut auch mal die andere Sicht zu sehen/lesen von der Eva Schless schreibt. Klar ist es falsch Frauen die Sexarbeit machen kategorisch zu Opfern zu erklären. Das ändert nichts daran das viele es sind.

  11. „Das kann man doch mit anderer Arbeit, bei der man ausgebeutet wird vergleichen, das ist doch nicht dein Ernst. Die körperliche und psychische Komponenten ist doch gravierend.“

    und bei anderer Form von Zwangsarbeit und Ausbeutung sind die körperlichen und psychischen Komponenten weniger gravierend?? Kann ich nicht nachvollziehen.

    Außerdem ist, wie gesagt, Ausbeutung EINE Erscheinung im Zusammenhang mit Sexarbeit. Inwieweit es sich hier um die Mehrzahl der Sexarbeiterinnen handelt, wie oft behauptet, wage ich zu bezweifeln, zumindest solange es keine umfassenden Untersuchungen mit repräsentativen Ergebnissen gibt. Menschenhandel heute geht sogar so weit. Menschenhandel und Sexarbeit voneinander zu trennen. Es könnte genauso gut sein, dass ein dritter Faktor das ganze beeinflusst und so ein Zusammenhang konstruiert wird, der nicht „naturgegeben“ ist. Das könnte zb das Problem der Stigmatisierung sein. Meiner Meinung nach ist es genau die, die ein ausbeuterisches System ermöglicht und weniger (oder gar nicht) Frauen, die Leistungen anbieten (und damit angeblich ein sexistisches Machtgefälle unterstützen) oder Menschen, die für sexuelle Leistungen bezahlen.

    Und danke Anna-Sarah für den link.

  12. @Nicole:die psychische auswirkung könnte auch ein Symptom unsere Gesellschaft sein in der Sex und das vor allem bei Frauen für etwas besonders schützenswertes, besonderes angesehen wird auf das Frau&gesellschaftlich aufzupassen haben. Männer* stoßen sich die Hörner ab aber Frauen mögen sich fùr „den einen“ aufsparen, sollen nicht „rumhuren“ dabei trifft es das einfach nicht. Menschen mögen vielleicht einfach ein anderes Verhältnis zu Sex haben als du, mögen Dinge gut oder einfach nicht problematisch finden die du für dich kategorisch ablehnst-solange sich beide Seiten respektieren ist das okay, aber mir scheint’s dass du deine Annahmen ggf etwas überträgst?
    Bsp-bekannte von mir arbeitet in dem Bereich, hat Studium mit exzellentem Abschluss in gesuchtem& gut bezahlten Bereich und trotzdem mach síe sexarbeit-síe sagt es macht ihr Spaß. Ich hatte auch schon Erlebnisse die für andere Menschen emotional schlimmer gewesen wären(wie man mir sagte) die ich für nicht schlimm, nur unangenehm befand-und trotzdem werde ich immer damit gehen zu sagen-meine Erfahrung gilt nur für mich, jede andere Person die so ein Erlebnis hatte verdient Unterstützung(ggf auch juristisch) und Hilfe sobald síe die verlangt. Ich brauch es nicht aber ich bin eben ich. Wenn mir also jemand sagt sexarbeit-wär okay und besser als z.b Klo putzen, im Büro sitzen etc dann respektiere ich das obwohl das weder n Job für mich wäre nich ich diverse Praktiken machen wollen würde.

    Am besten wäre n Grundeinkommen-dann wär in jedem Fall kein finanzieller zwang da-dazu müssen selbstverständlich Möglichkeiten zur vor und Versorgung bestehen, ggf Weiterbildungangebote-aber eben nur für die, die es wollen.

    Also ich bin nicht der zu entscheiden ob der Job gut ist, das müssen die handelnden selbst entscheiden.

  13. Ich stimme Jane zu! Ich finde es auch widerlich zu behaupten, man würde in der Sexarbeit seinen Körper verkaufen.

    Und wenn mir jemand jeden Monat 8000€ überweisen würde, würde ich mich prostituieren. Wie es im Moment läuft aber nicht, denn wenn bekannt ist, dass man im Bereich der Sexarbeit gearbeitet hat, kann das bei zukünftigen Einstellungsverfahren hinderlich sein. Und momentan ist man auf eine Arbeit angewiesen. Darüber müsste ich mir aber keine Gedanken machen, wenn ich finanziell abgesichert wäre.
    Meiner Meinung nach ist das größte Problem die moralische Komponente, die auch immer wieder da mitschwingt, dass man Frauen bzw. deren Körper käufen könnte. Nein, man kauft eine Dienstleistung – Sex, nicht mehr und nicht weniger!

    Ich möchte damit in keinem Fall herunterspielen, dass es Menschenhandel und Zwangsprostitution gibt und das ist ein schlimmes Verbrechen und wird zurecht bestraft. Aber nur weil es Arbeiter gibt, die gezwungen und ausgebeutet werden, kann man doch nicht die gesamte Arbeit verteufeln.
    Genau dieser Differenziertheit gefällt mir auch hier am Artikel.

    Bei einem Verbot der Prostitution würde jemand in das Selbstbestimmungsrecht über meinen Körper eingreifen! Dieses Recht wird doch sonst bei allen Themen sehr hoch gehalten, warum hier nicht? Warum gibt es Leute, die der Meinung sind, mir verbieten zu müssen, was ich mit meinem eigenen Körper tue!?

  14. Was mir an dem Text von Mutterseelenalleinerziehend noch so wahnsinnig aufstößt (und bei vielen gut gemeinten Äußerungen an sich), ist nicht unbedingt die inhaltliche Überlegung zum Thema. Ich lese oft Beiträge hier und stelle fest, dass ich gar keine feste Meinung dazu habe. Was mir dann als Problem immer auffällt ist die Sprache. Gerade beim Thema Sexarbeit habe ich das Gefühl, dass hier die Wirkung besonders massiv ist, soll heißen, dieser Bereich ist so tabubehaftet, dass die Sprache das System, von dem ja als Ursache gesprochen wird, entschiedend mitkonstruiert. Ich denke sehr oft, dass die Art und Weise, wie Leute ihre Bedenken zum Thema Sexarbeit äußern, sehr emotional aufgeladen und kontraproduktiv ist, das habe ich ncoh in keinem anderen Bereich so wahrgenommen. Das kommt mir immer so vor, als würde selten versucht, tatsächlich einmal die Perspektive der Sexarbeiter einzunehmen, obwohl alle immer betonen, dass man diese respektiert und deren Wohl einem am Herzen liegt. Wenn ich jetzt aber einer Sexarbeiterin (und ich betone, das gilt vor allem für die, die das tatsächlich aus einer ökonomischen Notwendigkeit heraus machen und nicht nur aus purem Spaß) solche „Visionen“ ins Gesicht sage.. das ist für mich keine Respektsbekundung mehr. Im Gegenteil, ich mache solche Texte für genau die Strukturen verantwortlich, die sie eigentlich kritisieren. Das gilt auch für die Opferfrage: Ich sehe nicht, dass ihnen trotz aller Entrüstung viel Raum gegeben wird. Ich frage mich bei vielen: Würdest du das einer Sexarbeiterin auch alles so ins Gesicht sagen? UNd wenn du selbst dein Geld damit verdienen würdest, wie würde sich das für dich anfühlen, wenn jemand sagt, dass.. Dann wird mir zumindest bewusst, dass ich mit meiner Sprache eben auch ein System schaffe, und wenn das so unreflektiert passiert, wie in manchen Blogs, frage ich mich, was sie damit eigentlich erreichen wollen.

  15. Sicher gibt es Prostituierte die es freiwillig machen, nicht psychisch erkranken, Spaß dran haben…ect aber ich behaupte mal, dass es sich um die absolute Minderheit handelt und Studien geben mir da recht.

    In Hamburg wurde bei 98 % der untersuchten Prostituierten mindestens ein traumatisches Ereignis in der Vergangenheit festgestellt. Bei 83 % fand sich bereits ein Trauma in der Kindheit (familiäre Gewalt 70 %, körperliche Misshandlung 65 %, sexueller Missbrauch 48 %). Während der Prostitution erfahrene Traumata fanden sich ebenfalls bei 83 % (körperlicher Angriff 61 %, Vergewaltigung 61 %, Bedrohung mit einer Waffe 52 %). 53 % erreichten einen Krankheitswert im Sinne einer posttraumatischen Belastungsstörung. Missbrauch und Abhängigkeit von illegalen Drogen fanden sich bei 74 %.
    Internationale Vergleichsstudien ergaben ähnliche Befunde.

    Quelle: „Die Prävalenz traumatischer Erfahrungen, Posttraumatischer Belastungsstörung und Dissoziation bei Prostituierten. Eine explorative Studie.“ Hamburg, Verlag Dr. Kovač

  16. @ Caramel: Solche Zahlen habe ich schon öfter gelesen und ich frage mich immer, ob bezüglich der Kindheitstraumata „nur“ eine Korrelation, oder auch eine Kausalität besteht. Auch Drogenmissbrauch kommt bei anderen Berufsgruppen durchaus vor (z.B. ist Kokain eine Modedroge bei corporate jobs)

    Schlimm finde ich, dass Sexarbeit immernoch so ein unsicherer Beruf ist und ich sehe es durchaus als feministisches Anliegen, das zu ändern.

  17. für mich bedeuten diese (erschreckenden) Ergenisse, das Sexarbeit also in einem Milieu stattfindet, das für die Frauen nciht sicher ist. Die Faktoren, die die Milieus so gefährlich machen sind für mich damit noch nicht klar. Wir wissen, dass viele Sexarbeiterinnen Traumata erleiden und Opfer von Straftaten werden, aber dass das Handeln mit sexuellen Leistungen die Ursache ist, glaube ich nicht. Es findet sicher eine Umdeutung im Sinne von Ausbeutungstatt. Der springende Punkt ist für mich aber weniger die Tätigkeit sondern der Rahmen in dem sie stattfinden muss. Und der wird glaube ich mehr vom Faktor Stigmatiserung mitbestimmt, als per se davon, dass Frauen dieser Tätigkeit nachgehen.

  18. Ich glaube, dass es sogar extrem wichtig ist, Sexarbeit und Menschenhandel klar zu differenzieren. Leider ist genau das momentan in der öffentlichen Debatte nicht der Fall, das Gegenteil geschieht, und die Darstellung geht in die Richtung, dass das Prostitutionsgesetz (das übrigens zur Novellierung ansteht) als Schritt in die falsche Richtung, der Menschenhandel und Zwangsprostitution förderte dargestellt wird. Wer sich mit der Thematik befasst wird feststellen, dass dem nicht so ist.

    Unbestreitbar hat dieses Gesetz aber grundsätzlich den Sexarbeitern den Weg in die Legalität eröffnet, und das ist imho Grundvoraussetzung für sichere Arbeitsbedingungen. Leider geht das Gesetz hier nicht weit genug, und Sexworker müssen befürchten, in ihren Rechten durch (auch insbesondere lokale) Sonderverordnungen und Auflagen eingeschränkt zu werden. Hier ist in meinen Augen der Grund vielen Übels zu suchen und zu finden, denn je stärker und willkürlicher die Reglementierung, um so größer wird der Druck, sich auf riskante Arbeitsbedinungen einzulassen.
    Beispiel: Wir haben in den meisten Großstädten in D rigide Sperrbezirksverordungen. So werden Sexarbeiter aus den Innenstädten und Wohngebieten regelrecht verbannt. Orte, an denen sie legal arbeiten können finden sich nur noch ausserhalb, am Rand von Industriegebieten beispielsweise, und das ist gerade für Menschen, die Sexarbeit auf der Straße anbieten ein Problem. Die Infrastruktur (Räumlichkeiten zum Aufwärmen, sanitäre Einrichtungen, schlicht Orte, an denen gearbeitet werden kann) ist schlecht, die Sicherheitslage ist schlecht, und das sind Faktoren, welche die Gefahr von Übergriffen und damit Traumatisierungen jedweder Art stark erhöhen.

    Auch SW, die nicht auf der Straße arbeiten dürfen bspw. ihre Kunden innerhalb der Sperrbezirke nicht in deren privaten Wohnungen besuchen. Das ist ein immenser Eingriff, nicht nur in die Selbstbestimmung der SW, sondern auch der KundInnen. Das gilt für alle Orte unter 30.000 Einwohner und den flächenmäßig weit überwiegenden Teil unserer Großstädte und ist damit faktisch ein Berufsausübungsverbot, denn die angedrohten Strafen sind beträchtlich.

    Es wäre, so denke ich, für die Diskussion hilfreich, sich einmal damit zu befassen, welche Strukturen die Ausbeutung von SW in D begünstigen. Aber das kann natürlich nur geschehen, wenn man SW als gleichwertig und selbstbestimmt wahrnimmt und die Moralkeule mal aus der Hand legt.

    Wenn ich Argumentationen lese wie „verkaufen ihren Körper“, oder noch schlimmer „verkaufen ihre Seele“, dann finde ich das extrem übergriffig und anmaßend, denn damit wird doch zum Ausdruck gebracht, dass SW aus welchen Gründen auch immer gar nicht in der Lage wären, ihre Tätigkeit selbstbestimmt und freiwillig (und damit gerne) auszuüben. Bei anderen Berufsgruppen unterstellt man derartiges ja auch nicht, und schon gar nicht mit der Dreistigkeit und Selbstverständlichkeit, mit der das bei SW regelmäßig geschieht.

  19. „aber selbst wenn wir hier über eine Minderheit sprechen sollten (leider vor allem über sie und nicht mit ihnen), delegitimiert das nicht ihr Vorhandensein und ihr Recht auf Gehörtwerden.“

    Das vielleicht nicht. Aber ich persönlich erlebe den feministischen Raum meistens in einer Aufteilung die ungefähr so schwarz weiß ist

    sex „positive“: klar gibts probleme in der sex arbeit, aber die sind nur gesellschaftlich. also stigmen ändern und arbeitsbegebenheiten verbessern.

    anti sex arbeit: sex arbeit ist schlecht für die frau. punkt.

    Und wenn ich ganz ehrlich sehe, sehe ich mich fast eher in der letzteren position, nämlich in der die sagt „sex arbeit ist schlecht für den großteil der frauen die diesen jetzt ausüben“. Und ich bezweifele ja nicht, dass der Grund, dass sex arbeit sich von anderer Arbeit unterscheidet nur ein gesellschaftliches Konstrukt ist, aber das ist da. Und das ändert man nicht in dem man ein zwei mal sagt „einfach weniger stigma und alles ist gut“. Das ist so weit von der Realität entfernt. Eine theoretische Diskussion darüber ob sex arbeit nicht eine gänzlich unproblematische Arbeit sein kann, ist schön und gut, aber geht einfach an der menschlichen Realität total vorüber.

    Und ich gebe einfach zu, ja, die paar Prozent der Sex Arbeiterinnen die sich darin erfüllt fühlen und diese Arbeit machen wollen, interessieren mich weniger als alle die darunter leiden. Ja, die (meist) weißen gebildetenen Frauen die das nicht als Geldnot machen, interessieren mich weniger. Das heißt nicht, dass ich sie extra stigmatisieren möchte. Aber sie stehen in meinen Überlegungen hinter der Realität der meist ausländischen und POC Sex Arbeiterinnen.

    Und wenn jedes Mal, wenn man Sex Arbeit kritisiert wird, einfach gesagt wird „hey, nicht noch mehr stigmatisieren hier“ dann fühlt sich das einfach ziemlich verarschend an. Ich will nicht Leid mit Leid aufgleichen. Aber gerade das Argument, man könne nicht für die Sexarbeiter sprechen, der geht doch offensichtlich auf beide Schienen. Ich maße mir/uns ehrlich gesagt noch viel weniger zu für den Großteil der Sexarbeiterinnen zu sprechen, deren Leid ich nicht kenne, als für die westlichen Frauen die das als selbstbestimmend und erfüllend ansehen.

  20. „Menschenhandel heute geht sogar so weit. Menschenhandel und Sexarbeit voneinander zu trennen.“

    Wie, du meinst alle Studien dazu, dass der Großteil der Sex Arbeiterinnen in Deutschland keine Deutsche sind, sei einfach „nicht richtig recherchiert“?

  21. Nunja, also erst mal heisst „keine Deutsche/n“ nicht gleich Zwangsprostituierte.
    Ich finde, das ich wichtig.

    Ausserdem ist die Frage ja nicht, ob man Prostitution will. Es gab sie immer, es wird sie immer geben. Das ist eine Realität, der man sich mal einfach stellen muss, ganz unabhängig davon, ob man das per se schön findet oder nicht.

    Die Frage kann also nur sein: Welche Prostitution wollen wir?

    Und an der Stelle denke ich, herrscht ein breiter Konsens, zumindest darüber, was man nicht will: Zwangs- und Elendsprostitution. Das wollen weder die Betroffenen, noch die Aussenstehenden, und ich wage mal ganz mutig zu behaupten: das will auch der weit überwiegende Teil der Inanspruchnehmer sexueller Dienstleistung nicht.

    Und ab dem Punkt ist dann zu sehen, welche Maßnahmen ergriffen werden können, um Zwangs- und Elendsprostitution zu verhindern. Kein Menschenhändler, kein Krimineller, der jetzt schon Menschen dazu zwingt, gegen ihren Willen Prostitution auszuüben wird sich von einem noch weiter gehenden Verbot davon abhalten lassen. Derartige Machenschaften sind schon jetzt verboten, und das, was wir an Zwangs- und Elendsprostituion sehen ist das, was es trotz der Gesetze, die es schon gibt passiert.

    Mit einer Ausweitung von Stigmatisierung, Ausgrenzung und Kriminalisierung der SW wird man also weder den Personenkreis erreichen noch beeindrucken, der die Verantwortung für Zwangs- und Elendsprostitution trägt.

    Was man erreichen wird ist aber, dass (und da ist es völlig egal, ob PoC oder nicht, ob gebildete weiße Sexarbeiterin oder ungebildeter Sexarbeiter oC) die Repressalien und der Druck, die auf die Menschen ausgeübt werden, die zwangsweise in der Sexarbeit tätig sind wächst.

    Sie weiter in die Illegalität zu drängen (zum Beispiel weil sie gezwungenermaßen im Sperrbezirk arbeiten, um bei diesem Beispiel zu bleiben) wird keine/n Zwangsprostituierte/n dazu ermutigen, Hilfe zu suchen. Weder bei staatlichen noch bei nichtstaatlichen Einrichtungen. Punkt.

    Auch und gerade für Menschen, die sich aus rein wirtschaftlichen Gründen oder weil sie gezwungen werden prostituieren ist vom Gesetzgeber geschaffene Sicherheit der Faktor, der entscheidend dazu beitragen kann, sich aus ihrer Situation zu befreien oder Arbeitsbedingungen einzufordern, die ihren Bedürfnissen entsprechen.

    Es geht darum, welche „Qualität“ Sexarbeit haben soll und kann, und nicht darum, ob sie stattfindet.

  22. 1. Ich bin mir durchaus darüber im Klaren, dass zb Menschenhandel heute nicht alles abbildet. Darum geht es mir auch nicht, sondern darum, dass aufgezeigt wird, welche Perspektiven es überhaupt gibt. Das sollte bitte nicht als Angriff sondern als Anregung verstanden werden.

    Ich finde es auch gefährlich, hier die Perspektiven (freiwillige vs nicht freiwillige, wer auch immer jetzt wichtiger oder häufiger vertreten ist) gegeneinander auszuspielen. Meine Vorstellungen, was ich für richtig halte, sollten hier überhaupt keine Rolle spielen, und ich möchte mit mienen Äußerungen auch nciht in ein „Lager“ gesteckt werden. Es geht nur darum, die Dinge differenziert zu betrachten. Es gibt eine Menge Tatsachen (SW werden häufig Opfer von Gewalt, etc) aber wie wir das interpretieren, ist sehr von Konventionen geprägt, die ich für kirtisierbar halte. Und hier wird meiner Meinung nach das Ziel aus den Augen verloren: Den SW ein selbstbestimmtes Dasein ermöglichen, in dem sie selbst entscheiden, welche Art von Arbeit zu ihrer Situation passt (wenn eine verschuldete Frau um einer ökonomischen Notlage zu entgehen, oder auch nur umihre schiere Existenz zu sichern, weil sie meint, das funktioniert für sie am besten, ist das sicher nicht 100% freiwillig, aber eine bewusst getroffene Entscheidung, die auch andere Arbeiter so treffen).

    Wenn mir jetzt das hier vorgeworfen wird:

    „Und ich bezweifele ja nicht, dass der Grund, dass sex arbeit sich von anderer Arbeit unterscheidet nur ein gesellschaftliches Konstrukt ist, aber das ist da. Und das ändert man nicht in dem man ein zwei mal sagt “einfach weniger stigma und alles ist gut”. Das ist so weit von der Realität entfernt.“

    dann frage ich mich 1. Wenn das so weit von der Realität entfernt ist, woraus besteht dann eurer Meinung nach dieses Konstrukt? Mit „einfach da“ lässt sich die Situation denke ich nciht angemessen beschreiben oder lösen. Mich interessieren da ehrlich die Meinung anderer, was denn nun diese Verhältnisse schafft.
    2. Was hilft es im Gegenzug den SW, die ja eben auch „einfach da“ sind, wenn man sagt die (eure) Realität ist schlecht und punkt?

    Ich ganz persönlich denke schon, dass durch das Wegfallen des Faktors Stigmatiserung die Arbeitsbediungungen verbessert würden, so dass sich „die Realität“ nicht mehr als naturgegeben darstellen, sondern SW das Recht auf Selbstbestimmung auch durchsetzen können. Und nochmal: Ich rede nicht davon, dass ich Sexarbeit per se für eine erfüllende Arbeit halte. Ich bin sicher viele (vielleicht die meisten) finden diese Arbeit nicht erfüllend, aber es ist nicht verwerflich oder bedauerlicher als andere Formen von Arbeit aus Notwendigkeit heraus. Mich interessieren gerade die, die Lea anspricht, die in einer Notlage sind. Ich möchte, dass diese SW, wenn sie sich für diese Arbeit entscheiden (wenn ich drogenabhängig bin und Geld brauche ist das auch eine Entscheidung, das zu tun) ihre Leistungen ohne Gefahr anbieten und sich trotz allem als handelnde Subjekte wahrnehmen können. Warum? Weil ich mir einfach versuche vorzustellen, wie es mir gehen würde, wenn ich unter Druck stehen würde und mir nur wenig Wahlmöglichkeit bliebe. Ich glaube, viele versuchen sich einfach gar nciht erst in solch eine Lage hineinzudenken. Mit utopischen Vorstellungen à la „in einer idealen Welt“ (hallo, Perspektive? Deutungsmacht?) hätte ich das Gefühl, dass mir hier Raum zur Sebstbestimmung genommen wird, weil die Wertung gegen mich gerichtet ist.

  23. und hier „utopischer“ Nachtrag: Ich glaube sehr wohl, dass es sinnvoll ist, auch die vielleicht wenig vorhandenen SW in die Überlegungen mit einzubeziehen, die ihren Job als Erfüllung betrachten, die das für eine interessante Halten und über ausreichend Privilegien und Ressourcen verfügen (Bildung und Status z.B.), weil es meiner Meinung nachzeigt, was es alles für Facetten von SW in der Gesellschaft gibt und was es auch sein KANN. Es würde der Abwertung von SW allgemein entgegen wirken. Diese, wie ich finde, positiven Beispiele immer außen vor zu lassen, erschwert die Überlegungen zum Thema „in was für einem System wollen wir denn leben, was für Möglichkeiten soll es geben?“

    Und ihc finde es spannend, auch mal die Graubereiche zu erkunden, ab wann definieren wir etwas als SW und welche Konsequenzen hat das? Ich habe schon oft Sitautionen erlebt, in der ich dachte, ok, das wäre jetzt eine Form von sexueller oder „erotischer“ Dienstleistung, die ich zuerst nicht so identifiziert hätte, und zwar, weil es mi einfach unangenehm wäre. Das hat aber dann tatsächlich nur mit der Bezeichnung zu tun. Wenn man alle sexuellen Dienstleistungen als solche auch so benennen werden (wie verhält es sich zb mit Schauspielern?), würda man die „herkömmliche Prostitution“ vielleicht auch anders betrachten und die Komponenten Dienstleistung und Ausbeutung klarer benennen und voneinander trennen können. Das wäre doch ein wichtiger Schritt um dann auch entsprechend auf diese Faktoren einzuwirken, ohne dabei das Ziel zu verfehlen.

  24. „Und ich gebe einfach zu, ja, die paar Prozent der Sex Arbeiterinnen die sich darin erfüllt fühlen und diese Arbeit machen wollen, interessieren mich weniger als alle die darunter leiden.“

    @Lea: Ich glaube nicht, dass die Interessen von migrantischen, armen Sexworkerinnen und „Hobbysexworker“ in einem Gegensatz stehen (abgesehen davon dass Escorts von der Abgrenzung zum „Schmuddeligen“ profitieren können). Das Stigma trifft doch die Frauen am Strassenstrich am allerstärksten, sie sind es welche alltäglich Beschimpfungen und Gewalt durch Passanten so wie Kunden ertragen müssen und am stärksten durch einseitige, negative Berichterstattung betroffen sind (http://www.woz.ch/1247/sexarbeit/im-distanzierten-gaffermodus). Die Stigmatisierung effektiv zu bekämpfen ist natürlich ein schwieriges und grosses Unterfangen, aber auch nicht unmöglicher als die Ursachen der Elendsprostitution anzupacken.

  25. Ich wollte nicht suggerieren, dass irgendjemand von der Stigmatisierung profitiert. Aber ich bin nicht überzeugt, dass es das Hauptproblem der Sexarbeiterinnen ist und bin irritiert, dass das so oft als Fakt gehandelt wird.

    Natürlich bin ich trotzdem dafür, dass die Stigmatisierung aufhört, aber wie das geschehen soll und wie viel das wirklich ändern kann, ist mir ziemlich unklar.

    Und um ganz ehrlich zu sein, vermisse ich bei diesen Diskussionen vielleicht Pragmatismus. Idealismus ist schön und gut, aber wie bitte so ein Schlagwortabtausch zur Problemlösung beitragen kann, sehe ich nicht.

  26. „Idealismus ist schön und gut, aber wie bitte so ein Schlagwortabtausch zur Problemlösung beitragen kann, sehe ich nicht.“

    Das habe ich doch auch versucht aufzuzeigen. Meine These ist, dass die Rhetorik, die SW abwertet und pauschal kritisiert, auch wenn sie „gut gemeint“ ist (ich meine nicht unbedingt deine, Lea, sondern eher die der Blogs), eben den SW gerade NICHT hilft. Ich frage mich, was dann das Ziel ist. Mir geht es gerade um Pragmatismus, soll heißen, was verbessert die Lage tatsächlich und was schafft Räume, in denen sich SW so artikulieren können, wie sie möchten? Da finde ich die ganzen besorgten Stimmen eher einschüchternd. Ich bin auch besorgt, aber als Außenstehender mit Moral und Ethik zu kommen (das ist in erster Linie auch Idealismus, nur aus der anderen Richtung), ist eben auch sehr an der Realität vorbei und nützt letztendlich nur mir was.

    Ich vermisse, dass SW in der Diskussion wirklich ernst genommen werden. Niemand weiß, was eine SW denkt, wenn sie unter Druck steht und einen Handel eingeht. Ich will daher nciht automatisch annehmen, dass sie ihre Rechte bewusst abtritt. Ich versuche sie als handelndes Subjekt zu begreifen (und natürlich fällt mir das auch nciht immer leicht). Wenn diese SW selbst spricht und sich als Opfer, ausgebeutet oder ihrer Rechte beraubt zu erkennen gibt, habe ihc überhaupt keine Schwierigkeiten, da für sie Partei zu ergreifen. Aber das was sie tut, nehme ich erst mal als bewusst getroffene Entscheidung ernst. Ich glaube nciht, dass es ihre Lage verbessern würde, wenn ich (zb als Psychologe oder Sozialarbeiter etc) mit meiner Meinung über das System alles vorweg nehme und meine Bedenken auf die SW ablade.

    Dann wären da ja eben noch die anderen SW, die keiner so recht als solche bezeichnen oder wahrnehmen will. Und da frage ich mich auch, wieso sind diese per se vom ersten Fall zu unterscheiden? Sie werden nicht ausgebeutet, aber was hat das mit der Dienstleistung an sich zu tun? Das zeigt doch, dass es Möglichkeiten gibt und liefert Einsichten, die die nichtbetroffenen gut gebrauchen können.

    Ich argumentiere ja schließlich nicht dafür, dass SW weiterhin ausgebeutet werden, nur weil ich gewissen moralische Bedenken einfach nicht teile.

  27. „Ich wollte nicht suggerieren, dass irgendjemand von der Stigmatisierung profitiert. Aber ich bin nicht überzeugt, dass es das Hauptproblem der Sexarbeiterinnen ist und bin irritiert, dass das so oft als Fakt gehandelt wird.“

    Eines der Hauptprobleme für Sexworkerinnen sehe ich im mangelden Respekt von der Kundenseite, inklusive Gewalt. Männer, die ansonsten „anständige“ Familienväter sind, haben das Gefühl es sei ok eine Frau wie Dreck zu behandeln da sie ja NUR eine Prostituierte ist. Natürlich gibt es sowas auch in anderen Serviceberufen, und die meisten Kunden verhalten sich ganz normal-respektvoll, aber es ist doch auffällig wie viele Kunden und vor allem Pseude-Kunden sich gegenüber Sexworkerinnen Sachen erlauben die sie sonst nie tun würden. Hinzu kommt willkürliche Behandlung durch Behörden, unmöglichkeit einen anderen Job zu finden..Woher kommt das denn, wenn nicht von der systematischen Abwertung von Prostituierten in der ganzen Gesellschaft? Wo siehst du stattdessen das hauptsächliche Problem?

  28. Ich bin reichlich irritiert darüber, wie hier von der sex-negativen Seite die Grenze zwischen Sexarbeit und Menschenhandel / Zwangsprostitution verwischt wird. Das sind doch zwei völlig unterschiedliche Paar Schuhe.

    Auf Youtube gibt es eine sehr aufschlussreiche Dok des Schweizer Fernsehens zum Thema:
    Der Fall Goldfinger – Menschenhandel auf dem Zürcher Strassenstrich

    (Triggerwarnung)
    https://www.youtube.com/watch?v=iuOySkkOZO4

    Da kummulieren eine ganze Reihe schwerer Straftatbestände, die für die Zuhälter in bis zu mehreren Jahrzehnten Gefängnis enden können. Wo ist denn da der Pragmatismus, wenn die Kriminalisierung auf SW und Kunden ausgeweitet wird? Welchen Effekt brächte das mit sich, ausser ein weiteres Verschwinden in die Illegalität. Kriminalisierung ist auch das glatte Gegenteil von Entstigmatisierung.

    Ich weiss auch ehrlich gesagt nicht, wie und worüber hier diskutiert werden soll, wenn nicht darüber, das in einer vorgeblich und auch konkret liberaler gewordenen Gesellschaft die Bedingungen für Sexarbeit immer prekärer geworden sind,zB? Einerseits ist Sexarbeit zumindest staatlich schon fast ein normaler, anerkannter Beruf, Zuhälterei war fast verschwunden, und trotzdem hat Menschenhandel seit den späten 90ern die freie Prostitution fast verdrängt.

    Pragmatismus ist bisweilen trivial. Einerseits kan es nicht sein, dass aussagewillige Aussteiger_innen aus der Zwangsprostitution akut von Abschiebung bedroht sind, andererseits kann schon ein beheizter Container am Strassenstrich eine erhebliche Verbesserung der Arbeitsbedingungen sein. Aber das wissen SW mit Sicherheit besser, als irgendwelche Leute die vom kuscheligen Sofa aus Kommentare in Blogs schreiben.

    Und nochwas …
    Ich hoffe an dieser Stelle nicht ausführen zu müssen, welchem Weltbild das weiter oben geäusserte „wenige opfern um viele zu retten“ entspringt.

    Oder um es mit Rosa zu sagen, nicht die Sexarbeit ist pervers, sondern das Millieu in dem sie stattfindet … oder so.

  29. „Die Stigmatisierung aufheben“ klingt für mich so wie „Nieder mit dem Patriarchat“. Ja, natürlich ist die gesellschaftliche Wahrnehmung von Geschlechtern, Körpern und Sexualität das Grundproblem. Das und die Marktwirtschaft. Aber wenn das der einzige Weg sein soll, irgendetwas an der Lage der Sexarbeiterinnen zu verbessern, dann sehe ich schwarz. Das ist nichts was irgendwie auch nur schnell gehen kann. Im Gegensatz zu Änderungen der Gesetze, verstärkte Regulierungen, bessere Schulung der Polizei, usw.

    „Ich bin reichlich irritiert darüber, wie hier von der sex-negativen Seite die Grenze zwischen Sexarbeit und Menschenhandel / Zwangsprostitution verwischt wird. Das sind doch zwei völlig unterschiedliche Paar Schuhe.“
    Das sehe ich anders. Wenn der Großteil als Sexarbeiterinnen arbeitenden Frauen dies nicht freiwillig tun, und so habe ich jedenfalls in der Uni in den Gender/Philosophiekursen zum Thema gelernt (ich bin offen dafür, dass die total falsch sind, aber dafür bräuchte ich dann andere Statistiken), dann ist es für mich, im Gegenteil, ziemlich beleidigend immer einfach zu sagen „Ja, klar, über die Zwangsprostitution reden wir doch nicht, das ist doch eh scheiße, das weiß ja jeder.“ Na toll, und deren Lebenslage und Versuche ihre Lebenslage zu verbessern ist dann weniger interessant für feministische Diskussionen oder was? Das sind auch (und vor Allem) Sexarbeiterinnern und sie aus dem Bild rauszuradieren weil sie gerade nicht passen finde ich ziemlich dreist.

  30. “Die Stigmatisierung aufheben” klingt für mich so wie “Nieder mit dem Patriarchat”. Ja, natürlich ist die gesellschaftliche Wahrnehmung von Geschlechtern, Körpern und Sexualität das Grundproblem. Das und die Marktwirtschaft. Aber wenn das der einzige Weg sein soll, irgendetwas an der Lage der Sexarbeiterinnen zu verbessern, dann sehe ich schwarz. Das ist nichts was irgendwie auch nur schnell gehen kann. Im Gegensatz zu Änderungen der Gesetze, verstärkte Regulierungen, bessere Schulung der Polizei, usw.“

    -> genau so siehts für mich aber aus. Leider gibt es für komplexe Probleme keine einfachen Lösungen, daher kommt meiner Meinung auch der Hang zum pauschalisieren, wenn es um das Problem geht. Nützt aber nix.

    Ich glaube nicht, dass hier irgendjemand versucht, die Aspekte Zwangsarbeit außen vor zu lassen. Es kam im Gegenteil immer die Forderung, die „positiven Bespiele“ außen vor zu lassen, das wäre genauso falsch nach dieser Logik. Es geht mir um das Verhältnis zueinander. Nur weil alles irgendwie zusammenhängt, heißt das für mich noch nicht, dass es egal ist, wenn man das auch alles (SW und Ausbeutung) in einen Topf wirft. Für mich ist es wichtig festzuhalten, dass SW überdurchschnittlich häufig ausgebeutet werden, aber eben NICHT weil sie sexuelle Ahdlungen gegen Geld anbieten, sondern, weil sie in einer schwachen Position gegenüber ihren Ausbeutern und überhaupt gegenüber der Gesellschaft sind. Und da komm ich jetzt mal wieder mit Armut, patriarchale Strukturen udn Stigmatisierung, diese Dinde zwingen Leute, diese Arbeit zu machen. Sie ist so gefährlich, dass die die es sich leisten könnten, davon absehen.

  31. Nachtrag: mir will beim besten Willen auch nciht in den Kopf rein, was es den ausgebeuteten SW denn bringen soll, wenn man ihre Arbeit kriminalisiert (Ausbeutung IST ja schon illegal) und dazu zählen auch die ethischen nd moralischen “Bedenken”, mit denen die Arbeit hier uafgeladen wird. Eine Frau, die zur Prostitution gezwungen wird ist und bleibt in den Augen vieler Menschen, ihrer Familie, der Polizei etc eine H**e. Die Tabuisierung ihrer Handlungen machen es ihr garantiert nciht leichter, zu sprechen und gegen ihre Ausbeuter vorzugehen, sindern sie wird in eine dunkle Ecke gedrängt, wo es ziemlich egal sit, ob sie „es“ freiwillig gemacht hat oder nicht. Und dass dann hier ernsthaft argumentiert wird, wenn man Sexarbeit als „schlecht“ abkanzelt, würde den Opfern helfen, kann ich cniht nachvollziehen, noch weniger, dass hier das Thema Stigmatisierung ls solches total heruntergespielt wird. Das gleiche Problem haben wir doch auch bei sexueller Gewalt, und da gibt es dochmittlerweile auch den Konsens, dass Stigmatisierung entscheident dazu beiträgt, Opfer zum Schweigen zu bringen.

  32. ich hab tatsächlich alle kommentare gelesen. puh.
    also. ich versuchs einfach mal. sex-arbeit ist ja arbeit wie jede andere. und wir suchen wege, wie wir sie sicherer für die (häufig) arbeiterinnen gestalten können. schön pragmatisch. ohne gleich die systemfrage zu stellen. richtig?

    ein fall für die fachsicherheitskräfte und arbeitsmedizin, würd ich jetzt einfach mal unbeschränkt aus der hüfte brainstormen. da muss klar eine gefährdungsbeurteilung und eine geeignete gefahrenverordnung her. da nützen keine 3 proseminare in feministischer gesellschaftskritik.

    und wie konkret könnte man die arbeit sicher gestalten? wir sind uns einig, dass eine ‚besondere‘ gefährdung besteht. um in solch einer situation, sicherheit zu gewährleisten, muss eine nachvollziehbarkeit und somit kontrollierbarkeit der tätigkeit her. ganz konkret hieße das zB – ich brainstorme wieder aus der hüfte – weg mit der straßenprostitution. wie willst du die kontrollieren? oder du grenzt einen bereich ab und stellst da ein kontrollhäuschen vor. ich hör die ersten schon brüllen, dass die selbstbestimmung flöten ginge. na nu, ihr fordert, die gewährleistung der sicherheit, wo soll die denn hergeflogen kommen?

    so weiter gehts. beim einfahren in den abgesperrten bereich (ähnlich einmes firmenareals) erhalten die freier eine ‚verzehr‘-karte, die von der prostituierten entsprechend markiert wird mit lesegerät. ist ja alles möglich, dank technik. bezahlt wird wieder am kontrollhäuschen. raus können die freier auch nur da. somit ist die sicherheit der prostituierten ein stückweit erhöht.
    wer die karte verliert, zahlt ne saftige summe.

    was ließe sich noch machen? wie gesagt, alles unter der annahme, dass es sich bei der ausgeübten tätigkeit um ein erhöhtes gesundheitsrisiko handelt. es wird ja angenommen, dass statistisch die hälfte der männer sich die leistung einer prostituierte kaufen. geht man epidemiologisch an die sache ran, dann müsste auch sowas wie ein gesundheitsnachweis der männer her und nicht immer diese entwürdigende gesundheitsuntersuchungen der prostituierten. also sollte geregelt werden, dass nur männer mit einer – ich nenn es mal eine art – gesundheitskarte sich sex kaufen können. um dann auch noch auszuschließen, dass die freier nicht nur macht als form von gewalt ausüben wollen (ausgenommen bdsm – das müsste man anders regeln: nur ausgebildete und gesupervisorte prostutierte, oder so) und somit die psychische gesundheit der prostituierten gefährden, sondern es nur um sex geht, sollten die freier für diese gesundheitskarte (die stellt dann das gesundheitsamt aus, oder so) gleichzeitig einen psychologischen eignungstest machen. ahja: diese gesundheistkarte sollte mMn eine sehr teure IGEL-Leistung sein – lol. ist ja auch heftiger mehraufwand. somit hätten wir auch gleichzeitig in gesundheitsämtern jobs geschaffen.

    also, wenn ich nicht seit diesem jahr als eu-bürgerin auch friedensnobelpreisträgerin wär, hätte ich ihn spätstens jetzt verdient :D

  33. Der Punkt ist doch, dass eine sinnvolle Neuregelung des ProstG der Diversität, die in der Sexarbeit gerecht werden soll, dass sie die Rechte aller Sexarbeiter stärken und Ausbeutung verhindern soll.
    Dazu wird im Kreis der Betroffenen viel und teils hitzig diskutiert und es gibt da in meinem Augen auch tolle, vielversprechende Ansätze und eine Menge kluger und engagierter Köpfe. Nur leider wird das nicht oder kaum gehört und beachtet.
    In den Medien wird zur Zeit die Gleichung „Sexarbeit=Zwangsprostitution=Menschenhandel -> muss also dringend verboten werden“ aufgemacht. Was brandgefährlich ist, denn mit einem Verbot drängt man alle Sexarbeiter in die Illegalität, und dort wird nichts Gutes gedeihen. Was dann die Stigmatisierung natürlich verschärft, weil ich verwette meinen Arsch drauf: DAS geht dann auch wieder durch die Medien, da wird die Hurensau (ja, ich bin wütend, ja ich wähle provozierende Sprache als Mittel) durchs Dorf getrieben, und es wird Geld verdient und das ist, was zählt. Da kümmert sich keiner darum, was mit den Menschen ist, die in der SW ihren Lebensunterhalt verdienen…egal, ob sie es müssen oder wollen. Und ich behaupte nicht, ich WEISS, dass es beides gibt.

    Was mir ein bischen aufstößt, leider auch hier, obwohl ich mit der Diskussion an sich total happy bin: Mit welcher Selbstverständlichkeit davon ausgegangen wird, dass SW sich nicht an der öffentlichen Debatte beteiligen. Auch hier habe ich Sätze gelesen wie „wir sollten mehr mit ihnen reden als über sie“. Was natürlich stimmt. Aber wer weiss, ob sich hier nicht SW an der Diskussion beteiligt haben? Warum traut man ihnen nicht zu, feministische Blogs zu lesen und ihre Meinung zu sagen?

    Ich habe unter SW (und auch unter Inanspruchnehmern von SW) verdammt viele Feministinnen und auch Feministen gesehen (und zwar jenseits jedweder Grabenkämpfe), so viele emanzipierte und freie und tolle Menschen, dass ich ins Schwärmen kommen könnte. Und die meisten davon halten ihre Klappe, beteiligen sich nicht an der Diskussion, egal über welches Medium, weil das Stigma so brutal ist.

  34. @thisis:

    Aber wer weiss, ob sich hier nicht SW an der Diskussion beteiligt haben? Warum traut man ihnen nicht zu, feministische Blogs zu lesen und ihre Meinung zu sagen?

    Ich weiß das natürlich nicht – bzw. nur in dem Maße, in dem Kommentierende sich in dieser Hinsicht markieren und ich erstmal unterstelle, dass sie „die Wahrheit“ sagen. Es kommt durchaus vor, dass hier im Blog bisweilen Leute kommentieren, die sich als (ehemalige) Sexarbeiter_innen bezeichnen, viele Kommentare zum Thema enthalten jedoch auch den expliziten Hinweis, dass die Person keine praktische Erfahrung in dieser Branche hat. Mit Zutrauen hat das wenig zu tun, ich frage mich eher, was eine Frau, die beruflich Sexarbeit betreibt, davon haben sollte, sich an der Diskussion zu beteiligen. Ich z.B. lese auch nicht jeden feministischen Blog oder steige nicht in jede Diskussion über feministisch relevante Themen ein, weil meine Ressourcen begrenzt sind und ich in vielen Settings da keinen Mehrwert, keine Produktivität sehe, weil Auschlüsse produziert werden, weil Themen verhandelt werden, die für mich nicht relevant sind… Ich würde mich natürlich freuen, wenn z.B. ein Thread wie dieser hier auch Praxisexpert_innen zur Teilnahme anregen bzw. diese ermöglichen würde, würde da aber nicht selbstverständlich von ausgehen. Und du schreibst im nächsten Absatz ja selbst:

    Und die meisten davon halten ihre Klappe, beteiligen sich nicht an der Diskussion, egal über welches Medium, weil das Stigma so brutal ist.

  35. @mel:

    sex-arbeit ist ja arbeit wie jede andere

    Ich bin mir nicht sicher, ob unter diese Aussage in dieser Allgemeingültigkeit bereits ein Haken gemacht wurde ;)

    Randbemerkung: Ich bin mir desweiteren nicht sicher, ob „einfach mal aus der Hüfte brainstormen“ so wahnsinnig viel wertvoller ist als „3 Proseminare in feministischer Gesellschaftskritik“. Mir geht dieser Scheingegensatz, die gerne mal zwischen „Praxis“ und „Theorie“ (und Theorie bedeutet dann meistens „Universität“) aufgemacht wird und auch in einigen Kommentaren hier im Thread aufscheint, ehrlich gesagt inzwischen gehörig auf den Zeiger. Gesellschaftstheoretische und ganz besonders -kritische Analysen haben ihre Berechtigung und ihre Notwendigkeit, wenn sie Lebensrealitäten, um die sie sich drehen, aufgreifen und abbilden, versprachlichen, sichtbar machen, verhandelbar machen, kritisierbar machen. Diese Analysen finden mitnichten immer an der Uni statt oder gehen von der Uni aus, aber gerade auch universitäre Kontexte können Orte für (widerständische) emanzipatorische Wissensproduktionen sein. Zwischen „Theorie“ und „Praxis“ gibt es zuweilen Widersprüchlichkeiten, aber auch Schnittmengen, gegenseitige Bedingtheiten. Und die implizite Annahme, Menschen, die über Sexarbeit sprechen, hätten alles, was sie darüber wissen, an der Uni gelernt, oder als würden sich „Proseminare in feministischer Gesellschaftskritik“ und Praxiskenntnisse über Sexarbeit und die Verbesserung von deren Bedingungen gegenseitig ausschließen, finde ich, hm, sehr schwierig.

  36. „Aber wer weiss, ob sich hier nicht SW an der Diskussion beteiligt haben? Warum traut man ihnen nicht zu, feministische Blogs zu lesen und ihre Meinung zu sagen?“

    Ich arbeite als SW, nur um mal klarzustellen das hier durchaus auch Beteiligte mitdiskutieren;-). Hier habe ich auch gute Erfahrungen damit gemacht, aber in anderen Webspaces hat man mir tatsächlich nicht geglaubt, dass eine SW sich artikulieren könnte und dazu noch Meinungen hat, die nicht in ihr Weltbild passen. Was nicht sein darf kann nicht sein. Bei der ganzen Sache sollte man aber bedenken, dass nur eine Minderheit aller Menschen sich aktiv in der Blogwelt beteiligt. Da SW wiederum nur einen kleinen Teil der allgemeinen Bevölkerung darstellen, wird es folglich nur wenige geben, die sich für solche Netz-diskussionen interessieren und gleichzeitig SW sind.

  37. Ihr habt mich überzeugt. Ich habe in den letzten Tagen viel nachgedacht und gelesen in den diversen Blogs über das Thema Sexarbeit. Es hat meine Sicht wirklich verändert. Sexarbeit kann und muss als gleichwertige Arbeit betrachtet werden. Die Stigmatisierung schadet den „freiwilligen“ und „unfreiwilligen“ SW. Ich dachte eine zeitlang, Freier müssten bestraft werden und seien per se Schweine. Aber warum eigentlich, wenn es fair und respektvoll zugeht? Auch dort muss man Differenzieren. Z.B. ist es für manche Männer (und Frauen!) der einzige Weg Sexualität zu leben. Es wäre wirklich wünschenswert, es würde als Arbeit wie jede andere angesehen werden. Ja, und man sollte die Sexualität vom Podest holen, als einer von vielen Aspekten des Lebens. Vielleicht wäre gerade den Frauen damit geholfen, Tappen wir (oder zumindest ich) doch immer wieder ganz leicht in die Opferrolle.

    So, das musste ich noch los werden. Wer fällt jetzt über mich her (also per Kommtar meine ich…)?

  38. @Anna-Sarah
    wegen dem hier:

    „sex-arbeit ist ja arbeit wie jede andere“

    Ich bin mir nicht sicher, ob unter diese Aussage in dieser Allgemeingültigkeit bereits ein Haken gemacht wurde ;)

    und

    Randbemerkung: Ich bin mir desweiteren nicht sicher, ob “einfach mal aus der Hüfte brainstormen” so wahnsinnig viel wertvoller ist als “3 Proseminare in feministischer Gesellschaftskritik”

    mit beiden formulierungen wollte ich nichts anderes ausdrücken als dass man da natürlich endlos diskutieren kann – das ist auch gut so. aber es geht ja auch darum, in irgendeiner form eine verbesserung der lage zu schaffen. ich finde die diskussion in den vorherigen beiträgen zwar in ordnung. aber auf mich wirkte das wie ein schlagabtausch von argumenten, die teilweise wie aus büchern zitiert klingen, wodurch vor meinem inneren auge die betroffenen nach ganz weit hinten geschoben wurden. wollte sie dadurch einfach wieder nach vorn holen. und die debatte sehr pragmatisch angehen. ich bin vom grundsatz her eher gegen prostitution, aber nicht gegen prostituierte. mit dem satz „sex-arbeit ist ja arbeit wie jede andere“ habe ich einfach eine grundannahme gesetzt (ohne, dass ich wirklich so denken würde), um das ganze ethische gewicht erstmal auf tara zu setzen. da ich selbst aber keine expertin bin, hab ich die leserinnenschaft einfach mal nett mit dem ausdruck ‚aus der hüfte geschossen‘ vorgewarnt :)

  39. zum Thema aus Büchern zitiert: Vielleicht gibt es hier nunmal einige, die einen sozialwissenschaftlichen Hintergrund haben. Das was man da lernt, zb Statistiken zu analysieren und systematisch an die Dinge heranzugehen, finde ich jetzt nicht verkehrt. Warum sollte es falsch sein? Es ist auch Wissen. Und es gibt ja durchauch auch Sexarbeiter, die sozialwissenschaftlich ausgebildet sind, ich sehe hier keinen GEgenstz zwischen „den Sexarbeitern“ und „den Akademikern“

    Ich habe vor allem die unsachlcihe Sprache der Blogs kritisieren wollne, nicht weil ich per se ein Problem mit unsachlicher Sprache habe, sonder weil sowas die beteiligten (Sexarbeiter) verletzt.Und das denke ich weil ich mich versuche, ich deren Lage zu versetzen. Und zum Thema Outing: Das ist, aufgrund des Raums und wie hier manche argumentieren, kein geschützter Raum. Ich würde mich hier nicht zu irgendwas outen. „Ich bin gegen Prostitution aber nciht gegen Prostituierte“ finde ich höchst fragwürdig. Das erinnert mich irgendwie an „Die Muslime gehören zu Deutschland, aber nicht der Islam.“ Ich würde mich als SW von sowas auch verletzt fühlen. Das mag jetzt für manche ein bisschen weit gehen, aber ich möchte dazu anregen, die eigenen Äußerungen mal dahingehend zu überprüfen, wie sie auf die betroffenen SW wirken.

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