Selbermach-Sonntag (3.6.2012)

Sepiabild eines kleinen Mädchens beim SpielenDer erste Sonntag im Juni, und wir nehmen mal wieder gern alles entgegen, was Euch die Woche über begegnet ist und beschäftigt hat. Und natürlich: Ein schönes Restwochenende!

48 Kommentare zu „Selbermach-Sonntag (3.6.2012)

  1. ich habe mich über diesen artikel auf sz online geärgert:
    http://www.sz-online.de/nachrichten/artikel.asp?id=3074996
    es kann nicht sein, dass eine zeitung, die an sich selber den anspruch hat, ein renommiertes blatt zu sein, mopo-artikel wie diesen unverändert abzudruckt. wiederabdrucke aus der morgenpost sind auf sz-online durchaus üblich, was ich an sich auch nicht weiter schlimm finde. es wäre nur schön, wenn die artikel vorher mal durchgelesen und durchdacht würden, ob man das wirklich so posten will.

  2. Ich habe heute einen Artikel in der FAS zum Thema Frauenquote gelesen und weiß nicht so recht, was ich davon halten soll. Die Überschrift ist reißerisch und schlecht; der Artikel selber spiegelt aber Befürchtungen wider, die ich nachvollziehen kann.

  3. @karpatenhund Wow, Karrieremänner* sind mir ja tatsächlich noch egaler als Karrierefrauen*. Ich weiß nicht – boohoo? Bist du vielleicht Abteilungsleiter? What do you care? (Und Props an die FAS für die seriöse Fotoauswahl.)

  4. @karpatenhund: ich finde den artikel grauenhaft. So voller klischees. Einordnen würde ich die beschrieben symptome als verlustängste beschreiben. Und wütend macht mich mal wieder,dass hier dreist unterstellt wird,frauen sind nur aufgrund ihres geschlechts an den posten gekommen.niemals wegen ihrer qualifikation! Ajajaj…

  5. @Samia: Hast du den Artikel gelesen? Darin geht es nicht um Abteilungsleiter; dort geht es darum, in welchem Umfang die Frauenquote diskriminierend wirkt. Dass sie diskriminierend wirkt, ist – verwendet man den Begriff juristisch – unumstritten. Wie geschrieben: Ich bin mir noch nicht sicher, was ich von dem Artikel halten soll; die Bedenken halte ich aber insofern für nachvollziehbar, als dass man sie nicht als vollkommen unrealistisch von vornherein vom Tisch wischen kann.

    Was die Frage angeht, warum es mich kümmert: Ist die Frage ernst gemeint? Was kümmert es weiße, deutsche Menschen, wenn PoC in Deutschland diskriminiert werden? Oder Umweltschützer, wenn in Brasilien Regenwald zerstört wird? Oder Menschenrechtsaktivisten, wenn in China Bürgerrechtler eingesperrt werden? Sind solche Aktivisten von den Maßnahmen betroffen? Überraschung: Man kann sich tatsächlich über Dinge Gedanken machen, von denen man nicht unmittelbar betroffen ist.

  6. @karpatenhund:

    Dass sie diskriminierend wirkt, ist – verwendet man den Begriff juristisch – unumstritten.

    Sagt wer? Das ist eine sehr spezifische Interpretation eines Diskriminierungsbegriffs. Man könnte hier ja nochmal die grundlegende Basis der Quote einwerfen: Quote wirkt Diskriminierung entgegen, weil Frauen* aufgrund sexistischer Strukturen und Verhaltensweisen, die mal mehr oder weniger verdeckt sind, mal offen praktiziert werden, benachteiligt werden. Dass Frauen* für gleiche ARbeit weniger verdienen und der Arbeitsmarkt nicht nur vertikal, sondern auch horizontal nach „Geschlecht“ segregiert ist, ist ja kein Geheimnis – aber offenbar ist das für viele „natürlich“, sonst würden sie nicht essentiell von „reverse sexism“ reden, wenn die Quote diskutiert wird. Dass Du dieses „Argument“ für verständlich hälst, finde ich sehr bedenklich…

    Was hier manche Männer* im FAS-Artikel lamentieren ist der Verlust von unverdienten Privilegien, nicht mehr, nicht weniger – das wird auch sehr schön daran deutlich, dass die Autorin ständig Worte wie „düpiert“ wählen muss, um den Effekt zu beschreiben.

    Die Probleme, mit denen sich jetzt manche weißen Männer* herumschlagen müssen, sind nur ansatzweise die, die Generationen von nicht-weiße, nicht männlichen* Menschen zu konfrontieren hatten. Die Zahlen sind natürlich auch sehr selektive, vergleicht man sie z.B. mit den Uni-Abschlüssen von Frauen* und Männern* und wieviele Frauen* es dann tatsächlich auf Lehrstühle schaffen, z.B. Die neue Lufthansa-Finanzchefin ist natürlich ein schönes Beispiel, wenn man Frauen in nicht-„Frühstücksressorts“ (… – da zeigt sich ja schon an der Begriffswahl, wie ausgesprochen „objektiv“ die FAS an das Thema herangeht) präsentieren möchte, widerspricht aber der durchschnittlichen Realität bei Lufthansa (als einem von vielen deutschen Unternehmen). Es ist immer schön, eine Alpha-Frau präsentieren zu dürfen – die Mehrzahl der Lufthansa-Mitarbeiterinnen ist allerdings im „Mittelbau“ der Verwaltung und im Service beschäftigt; und ist somit nicht nur in der Unternehmens-Hierarchie deutlich weiter unten angesiedelt als viele männliche* Kollegen, sondern auch noch in den „klassischen“ Frauen*-Gebieten wie Personalverwaltung und eben Service (flight attendants). Dass darf man natürlich nicht zugeben, wenn man einen solchen Artikel schreibt.

    In absoluten Zahlen liegen Männer* weiter vorne, sowohl bei der Beschäftigung, bei der hierarchisierten Struktur, als auch bei der Bezahlung. Dazu gibt es eine ganze Reihe von Studien, hier z.B. eine: http://www.sueddeutsche.de/karriere/diskriminierung-von-frauen-in-europa-gleiche-arbeit-weniger-lohn-1.1300646

    Was die Frage angeht, warum es mich kümmert: Ist die Frage ernst gemeint? Was kümmert es weiße, deutsche Menschen, wenn PoC in Deutschland diskriminiert werden?

    Ich finde es insgesamt also eher anstrengend, solche Artikel auf einem feministischen Blog diskutieren zu sollen als ernstzunehmende Diskriminierungsbeispiele. Denn Dein Vergleich mit PoC hinkt auch ganz fürchterlich, weil PoC von Rassismus betroffen und durch gesellschaftliche (und persönliche) Diskriminierung systematisch benachteiligt sind – wenn Du Dich also für PoC einsetzen willst, nur zu. Es besteht aber leider keine Parallele zu angeblich fvon systematischem Sexismus betroffenen weißen deutschen Männern*, die es hier zu verteidigen gäbe – da verdrehst Du schlicht den Sachverhalt.

  7. @accalmie: Sagen das Bundesverfassungsgericht und die einschlägige Kommentarliteratur zum Art. 3 GG. Das macht auch Sinn, wenn man sich die praktischen Fälle anschaut: Eine Frauenquote von 30, 40% oder mehr kann in einer verhältnismäßig kurzen Zeit von 5 oder 10 Jahren nur erreicht werden, wenn Frauen bei Bewerbungen bevorzugt werden; und wenn es nur so aussieht, dass bei gleicher Qualifikation Frauen bevorzugt eingestellt werden. Sprich: Im Einzelfall findet dadurch eine Diskriminierung der anderen Bewerber statt.
    Verfassungsrechtlich eine andere Ebene ist die Frage, ob diese Diskriminierung vorübergehend gerechtfertigt oder sogar notwendig ist, um insgesamt ein diskriminierungsfreies Umfeld zu schaffen. Darüber kann man sich durchaus streiten und da verstehe ich die Stimmen vollkommen, die sich für Frauenquoten einsetzen.

    Ich kann jedenfalls den Grundtenor des FAS-Artikels nachvollziehen. Wenn dort behauptet wird, dass zumindest in einigen Bereichen die Quoten nur durch deutliche Benachteiligung bestimmter Personengruppen erreicht werden – wohlgemerkt Personengruppen, die im Gegensatz zu den aktuellen Inhabern von Führungspositionen bisher von Diskriminierungen nicht profitiert haben und somit für früheres Missverhalten abgestraft werden – ist das (sofern es in dem Umfang stimmt) etwas, mit dem man sich in der Diskussion beschäftigen muss.

    Zum Vergleich: Mir wurde indirekt vorgeworfen, dass ich mich mit Dingen beschäftige, von denen ich nicht betroffen bin. Dieser Vorwurf ist schlichtweg haltlos. Sehr viele Menschen beschäftigen sich mit Fragen, von denen sie nicht unmittelbar betroffen sind. Es mag sein, dass die Frage des Rassismus intensiver wirkt als eine im Vergleich dazu unwichtige Frage der Diskriminierung aufgrund anderer Umstände privilegierter Gruppen; aber mir das Recht absprechen zu wollen, mich mit Fragen zu beschäftigen, von denen ich nicht betroffen bin, finde ich schon sehr mutig.

  8. Ich habe eben eine Mail vom Vorsitzenden des Bundes katholischer Ärzte erhalten, nachdem ich letzte Woche nach der Mitgliederzahl gefragt hatte. Das Telefon war nämlich nicht besetzt, anscheinend gibt es kein Büro.

    Der BKÄ ist noch nicht mal ein Verein: „wir hoffen, im Sommer 2012 den BKÄ als eingetragenen Verein gründen zu können“

    „wir haben einige kleine regionale kath. Ärztekreise (München, Deggendorf, Lindau, Baden-Baden, Ravensburg) und zu ca. 140 Ärzten, Zahnärzten, Medizinstudenten und Psychotherapeuten guten Kontakt, ca. 20 Aktive.“

    Fazit: Wer glaubt, dass diese 20 Nasen „die katholischen Ärzte“ repräsentieren (so lasen sich manche Tweets), glaubt wahrscheinlich auch, dass Pierre Vogel den Islam repräsentiert.

  9. @karpatenhund: Du redest leider trotzdem an der Kritik sowohl am Artikel als auch an Deinen Kommentaren vorbei. Allein, dass Du schreibst, dass gewisse Personengruppen *benachteiligt* werden sollen durch Quoten, zeigt ja, dass Du die gesellschaftliche Diskriminierungsstruktur, die eben Sexismus/Rassismus/etc. und Gegenmaßnahmen wie affirmative action oder Quoten nicht Ernst zu nehmen scheinst – bei kommt B nach A. Ich hätte auch gerne nur EINE Quelle, die nicht genauso argumentiert wie Du und nicht von weißen, deutchen BildungsbürgerInnen geschrieben wurde, wenn Du von „einschlägiger Kommentarliterur“ zu vermeintlicher Männer*-Diskriminerung durch Quoten redest. In Deinem restlichen Kommentar zeigst Du leider die gleichen Abwehrmechanismen wie die vermeintlichen Opfer des Artikels und ignorierst die eigentliche Kritik an Deinem Vergleich – nämlich, dass er nicht zutrifft. Dir spricht hier niemand Rechte ab, also wäre ich froh, wenn wir diese Strohmanndebatte beenden könnten.

  10. @accalmie: Ich sehe nicht, wo ich an der Kritik an meinen Kommentaren vorbei schreiben würde. Ich bin nur der Auffassung, dass man bei Diskriminierung zwischen der Diskriminierung im Einzelfall und der Gesamtsituation unterscheiden muss: Diskriminierung im Einzelfall besagt erstmal nichts anderes, als dass bei mehreren Personen eine Person aufgrund bestimmter Kriterien bevorzugt oder benachteiligt wird.
    Dass Frauen insgesamt diskriminiert werden, ist eine ganz andere Sache. Und in dem Bereich stimme ich auch durchaus zu, dass man überlegen muss, ob man diese Situation durch Quoten angehen sollte, auch wenn diese Quoten vorübergehend zu Einzelfalldiskriminierungen führen. Nur kann man Quoten meiner Meinung nach nicht diskutieren, indem man auf die Diskriminierung von Frauen insgesamt verweist und alle anderen Umstände unbetrachtet lässt.

    (Bei der Quelle kann ich übrigens nicht dienen: Ich kenne keinen Verfassungsrechtler, der nicht Jura studiert hätte. Und auch die Menge nicht-weißer Verfassungsrechtler hält sich in Deutschland stark in Grenzen. Umgekehrt kenne ich aber auch keinen nicht-weißen Juristen, der diese Interpretation der Verfassung in Frage stellen würde).

    Zum Absprechen der Rechte würde mich eines interessieren: Wie soll ich die Aussage

    „[…] Bist du vielleicht Abteilungsleiter? What do you care? […]“

    denn bitte sonst verstehen? Als objektive, neutrale Frage danach, was meine Beweggründe dafür sind, mich mit der Thematik zu beschäftigen?

  11. Oh, und was ich vergaß: eines der größten probleme Deiner und der Argumentationsweise des Artikels ist, den gleichen Begriff und das gleiche Konzept für zwei sehr verschiedene Dinge zu benutzen. Diskriminierung von Frauen* (und anderen als „Minderheit“ deklarierten Menschen) basiert auf Vorurteilen, systematischer Benachteiligung und Ausgrenzen. Frauenquoten und affirmative action drehen sich hingegen darum, diese sexistische Ausgrenzung zu überwinden und Frauen* zu inkludieren. Da dies offenbar durch Freiwilligkeit (…und ja, wer gibt scon gerne Privilegien auf, wenn man nicht muss…) wie der Flexi-Quote und ähnlichem erreichbar ist, scheint der einzig effektive Weg zu sein, spezielle Mittel der Inklusion zu implementieren. Es geht hier also um die Herstellung einer Balance, und nicht um die unverdiente Bevorteilung bestimmter Personengruppen und die aktive Diskriminierung anderer – die ist momentan nämlich der Standard.

  12. Nicht besonders feminismusspezifisch, aber ich habe eine kleine Kuriosität erlebt aus der Reihe „I like rich men…… NOT!!!“:

    Ich auf dem Fahrrad, auf dem Weg zur Arbeit, ziemlich flott auf dem Radweg unterwegs. Da werde ich unvermittelt ausgebremst und zwar von einer Motorhaube und dem dazugehörigen absurd-riesengroß-Kombi, der aus voller Fahrt in die Parkgarage hinterm Radweg einbiegen will. Und das einzige, was dem Mann der aussteigt – Typ „Chef vonns Ganze“ – zu mir, meinem furchtbar schmerzenden Knie, meinem runtergdonnerten Laptop und meinem wirklich spektakulären Stunt (das einzige, was mich vor dem Krankenhaus und seine Motorhaube vor dem Schrottplatz bewahrt hat) einfällt, ist folgendes: „Also ich konnte Sie wirklich nicht sehen, das geht bei diesen großen Autos immer so schlecht.“ Kein „tschuldigung“, kein „oh gott oh gott, ist auch nichts passiert“, nein: „Bei diesen großen Autos sieht man Radfahrer so schlecht.“ Na dann…

  13. „Ich hätte auch gerne nur EINE Quelle, die(…) nicht von weißen, deutchen Bildungsbürger geschrieben wurde, wenn Du von “einschlägiger Kommentarliterur” zu vermeintlicher Männer*-Diskriminerung durch Quoten redest.“

    Laut Standpunkttheorie / DefMa kann es gar keine ernstzunehmen Quelle dieser Art geben, denn wenn jemand* über Diskriminierung Ausfkunft geben kann, dann ist es der / die Betroffene*.

  14. (Bei der Quelle kann ich übrigens nicht dienen: Ich kenne keinen Verfassungsrechtler, der nicht Jura studiert hätte. Und auch die Menge nicht-weißer Verfassungsrechtler hält sich in Deutschland stark in Grenzen. Umgekehrt kenne ich aber auch keinen nicht-weißen Juristen, der diese Interpretation der Verfassung in Frage stellen würde).

    m( – ja, deshalb lohnt es sich, vielleicht mal die eigene Diskussionsgrundlage in Frage zu stellen und auch mal international zu gucken, was Leute so schreiben. Das war mir jetzt auch genug white privilege/arme Männer*-„Diskussion“, um das weiter fortzuführen. Und dass Du Das mit dem Abteilungsleiter immer noch nicht loslassen kannst, zeigt leider wieder, wie sehr es sich hier nur darum dreht, dass Quoten und die Diskussion um Quoten gewissen Leuten auf die Füße treten, und daher ganz laut geschrien werden muss, wie gemein das ist. Dein künstlicher Unterschied zwischen „Frauen werden allgemein diskriminiert“ und Frauenquoten zeugt dann leider auch von sehr begrenztem Verständnis der Grundlagen dieser Debatte – Grundgütiger…

  15. Laut Standpunkttheorie / DefMa kann es gar keine ernstzunehmen Quelle dieser Art geben, denn wenn jemand* über Diskriminierung Ausfkunft geben kann, dann ist es der / die Betroffene*.

    Weiße deutsche Männer* sind also die „Betroffenen“ der Debatte um Quoten/affirmative action und die mit „Diskriminierung“ Gestraften, und alle anderen sind Täter_innen? Du denkst, es gäbe keine ernstzunehmende Literatur von nicht-weißen, nicht-männlichen* Aktivist_innen oder Wissenschaftler_innen zu diesem Thema?

  16. @accalmie: Okay, beenden wir die Diskussion an dieser Stelle. Ich finde deine Kritik zwar nicht nachvollziehbar, aber wir kommen wohl mit einer Diskussion tatsächlich auf keinen grünen Zweig.

  17. Du findest die Kritik daran nicht nachvollziehbar, dass es auf feministischen Blogs als fragwürdig angesehen werden könnte, dass weiße männliche* Deutsche sich durch die Inklusion von nicht-weißen, nicht-männlichen*, vielleicht sogar nicht-deutschen Personen „diskriminiert“ fühlen? Feminism 101: http://finallyfeminism101.wordpress.com/. Holy crap…

  18. „Weiße deutsche Männer* sind also die “Betroffenen” (…)?“

    Das kann ich nicht beantworten, denn ich gehöre nicht zu den Betroffenen. Folglich habe ich weder den entsprechenden Standpunkt noch die DefMa.

  19. PS: @ karpatenhund

    Hab den Artikel nicht gelesen, weil mich das Thema nervt, aber vielleicht nochmal kurz grundsätzlich, weil ich Deine Kommentare schon öfters mal hier im Zusammenhang mit juristischen Diskussionen gelesen habe (Disclaimer: bin selbst Juristin): Ich persönlich glaube, es ist ganz sinnvoll, in gesellschaftspolitischen Zusammenhängen etwas vorsichtiger mit „klassischen juristischen“ Begriffen und Begriffsverständnissen umzugehen (Beispiel oben: „Diskriminierungsbegriff des BVerfG oder des Art. 3 GG“). Wir Jurist_innen haben die Deutungshoheit über vielschichtige Begriffe und Diskurse ja nun wahrlich nicht gepachtet und außerhalb unserer konkreten Betätigung kommt man mit dieser spezifisch juristischen Brille oft auch nicht weit. Abgesehen davon ist es immer ganz hilfreich, sich klarzumachen, dass Recht und Rechtsprechung nicht im luftleeren Raum entsteht und dementsprechend auch die dortige Sprache und der Umgang mit Begriffen geprägt ist von den „gesellschaftsbasalen Strukturen“, die ein gleichberechtigtes und freies Leben für alle auch ansonsten ziemlich erschweren. Und ich glaube, dass Recht für viele Fragen auch einfach nicht die richtige Folie ist, unter der sich die Betrachtung primär lohnt.

  20. @AnnaBell
    *seufz* Dir ist klar, dass manche solcher Konzepte (auch) entwickelt wurden, um das Silencing von gesellschaftlich diskriminierten Gruppen durch Privilegierte zu vermeiden bzw. die vermeintlich „objektiven“ Standpunkte anderer zu kritisieren? Dass Du jetzt die Kritik an vermeintlicher „Diskriminierung“ weißer, deutscher Männer* (aka: Betroffene!!1!) mit eben jenen unterbinden oder delegitimieren zu möchten scheinst, ist da leider ein bißchen unlogisch.

  21. @ karpatenhund: Das Thema ist ’n ziemlich alter Hut und wird in regelmäßigen Abständen wieder aufgekocht. Bei „Recht und Geschlecht“ gabs da letztes Jahr schon was zu: http://rechtundgeschlecht.wordpress.com/2011/05/03/mannerangst-vor-frauenquoten/

    Ich finde den Artikel sehr suggestiv. Er bemüht sich im Mittelteil um Ausgewogenheit, kommt am Ende aber mit der „die armen Männer“-Keule zurück – obwohl die Zahlen eine andere Sprache sprechen. Lösungsansätze (z.B. anonyme Bewerbung, Job-sharing) werden auch nicht aufgezeigt.

  22. @Betti: Ich gebe zu, dass es für mich nicht immer ganz einfach ist, mich von der juristischen Definition zu lösen. Grundsätzlich bemühe ich mich darum, die Ebenen zu trennen. Aber leider spielt das juristische grade in die Bereiche hinein, in denen es um Gesetzgebungsvorhaben geht, in denen der Staat durch Regeln auf das gesellschaftliche Denken einwirkt. Leider kann an solchen Punkten die gesellschaftliche Diskusssion auch nicht losgelöst von juristischen Punkten erfolgen.

    Zudem besteht für mich das Problem, dass Diskussionen bei einem Verweis (rein) auf die gesellschaftliche Diskussion sehr schnell vage werden, weil die Definitionen schnell unklar werden. Für mich wird eine Diskussion schwierig, wenn sie sich um Begriffe dreht, für die keine allgemein akzeptierte Definition besteht.

    Du hast aber vollkommen Recht wenn du schreibst, dass gesellschaftliche und rechtliche Diskussionen zwei unterschiedliche Ebenen sind, bei denen man die rechtliche Ebene nicht überbewerten darf; grade, weil das Recht auch in gewissem Umfang auf den gesellschaftlichen Entwicklungen basiert.

  23. „Dir ist klar, dass manche solcher Konzepte (auch) entwickelt wurden, um das Silencing von gesellschaftlich diskriminierten Gruppen durch Privilegierte zu vermeiden bzw. die vermeintlich “objektiven” Standpunkte anderer zu kritisieren?“

    Eben weil es mir klar ist, führe ich es an. Du forderst ein pauschales „Silencing“ für die Gesamtheit „weißer, deutscher Männer*“ und berufst dich auf einen ebenso nur vermeintlich objektiven Standpunkt. D.h. du beanspruchst eine DefMa, dir du laut DefMa- und Standpunkt-Konzept gar nicht hast.

  24. @AnnaBell

    Du forderst ein pauschales “Silencing” für die Gesamtheit “weißer, deutscher Männer*” und berufst dich auf einen ebenso nur vermeintlich objektiven Standpunkt.

    Wo?

    (Btw: „Silencing“ zu schreiben, ist besonders dann toll, wenn man es als Begriff für Kritik an Mainstream-Sichtweisen angeblicher Diskriminierung von erklärter „Mehrheitsgruppen“ benutzt und die Entstehungsgeschichte jener Begriffe missachtet. Genau das war auch meine Kritik an Deiner Verwendung von Standpunkttheorie – context, it’s important…).

  25. „Wo?“

    Zum Beispiel hier:
    „Das war mir jetzt auch genug white privilege/arme Männer*-”Diskussion”“

    „context, it’s important“

    Du definierst also nicht nur deine eigene Diskriminierung, sondern die der Anderen gleich mit. So war die Sache mit der DefMA aber nicht gemeint.

  26. Deshalb kündigen die Männer allenfalls innerlich. „Die Kollegen ziehen sich zurück, begraben ihre Karriereziele, verlieren die Motivation“, berichtet Telekom-Mann Panten.

    Das ist jetzt etwas fies, aber hier beisst sich die Katze in den Schwanz: In 5-10 Jahren wird es ueber diese Maennergeneration heissen: Ja, aber die haben doch gar kein Interesse an Karriere und die haben sich doch aus eigenen Stuecken zurueckgezogen, in die Familie, in ihre Hobbies. Wenn die halt keinerlei Ambition haben, dann kann man denen auch nicht helfen….

    Kommt diese Argumentation irgendwem bekannt vor??

    In der Tat klingt vieles in dem Artikel wie Frauen sich SEHR OFT fuehlen / gefuehlt haben… und wenn sie sich dann praeventiv drauf vorbereiten, keine Karriere machen zu koennen, wird auch das ihnen wieder negativ ausgelegt…

  27. @AnnaBell:
    Hach… Nochmal: Ich persönlich möchte nicht weiter diskutieren mit einer Person, also verbiete ich damit allen weißen deutschen Männern*, sich zu äußern und habe auch die Macht dazu als nicht-weiße Frau*? Wie bist Du denn auf die Erkenntnis gekommen? Durch den FAS-Artikel und die überragende Mehrzahl der Kommentare, wie karpatenhund anführte, dass Frauenquoten Diskriminierung von Männern seien? Weil ich auf einem feministischen Blog kritisiere, dass wir Frauenquoten als Diskriminierung von Männern* begreifen sollen, „silence“ ich deren Stimmen (die sonst auch nirgendwo gehört werden, offenbar)? Weil Du Standpunkttheorie so definierst, dass alle irgendwie Opfer sind, egal, in welchem Kontext, findest Du es sinnvoll, Begriffe, die von marginalisierten Menschen entwickelt wurden, um das Silencing marginalisierter Positionen zu kritisieren, für die Delegitimierung feministischer Kritik an mainstream-Argumenten zu verwenden? Weil ich als Sexismus oder Rassismus als Diskriminierung „definiere“ (…), diskriminiere ich gleichzeitig nicht von Sexismus und/oder Rassismus betroffene Menschen?

    Ich hoffe, das war genug Derailing Deinerseits, es wird nämlich zunehmend fürchterlich… I silence thee!

  28. „Ich hoffe, das war genug Derailing Deinerseits, es wird nämlich zunehmend fürchterlich… I silence thee!“

    Accalmi, du kannst den Standpunkt Anderer* nicht einnehmen. Wenn diese Anderen* so argumentieren wie du, dann nennst du das (von deinem Standpunkt aus völlig legitim) Abwehrstrategie und Derailing und sprichst Anderen* die Legitimität ab. Genaus das sagt die Standpunkttheorie voraus.

  29. @Betti: aaw ;)
    @AnnaBell: :D – LOL, unfassbar! *Ich gehe auf keinen Kritikpunkt ein, der genannt wurde, werfe anderen vor, sie wollen allen weißen Männer* den Mund verbieten, und dann sage ich, dass man mir nie legitim widersprechen oder gesellschaftliche Diskriminierungsstrukturen kritisieren kann, weil (meine Version von) STANDPUNKTTHEORIE. Oh, und hab ich’s erwähnt: Standpunkttheorie . Nein, wirklich, Standpunkttheorie .* Jetzt muss ich mich silencen, AnnaBell, indem ich die Kommunikation hier mit Dir beende… Woah!

  30. @AnnaBell

    accalmie hat jetzt ein paar mal verdeutlicht, dass Dinge wie Standpunkttheorie und Definitionsmacht NICHT darauf abzielen, „dass alle irgendwie Opfer sind, egal, in welchem Kontext“. Ich meine, willst du ernsthaft darauf hinaus, dass Frauen z.B. nicht kritisieren dürfen, wenn Männer sich als Opfer von Frauenpolitik inszenieren, weil das dann ja wohl deren „Definitionsmacht“ sei?!? Nichts für ungut, aber solche Verdrehungen sind auf einem feministischen Blog wirklich fehl am Platz…

  31. statt tendenziöser Quoten-Angstmache, gibt es bei der Zeit einen Artikel zu Aufstieg und Fall von Managerinnen:
    http://www.zeit.de/karriere/beruf/2012-05/managerinnen-frauenquote/komplettansicht

    Prägnanter Satz zwischendrin:
    „Öffentlich wird zwar schon um die berufliche Zukunft von Männern gebangt, tatsächlich aber ist der Frauenanteil im mittleren und oberen Management in den vergangenen drei Jahren nahezu gleich geblieben, so eine Studie des Hoppenstedt-Verlags. Und laut DIW ist in den 200 größten Unternehmen Deutschlands die Zahl der Frauen in Top-Positionen 2011 gar leicht zurückgegangen. „

  32. Slutwalks gibts jetzt auch in kleineren Städten, wie in Innsbruck:

    http://slutwalkinnsbruck.blogsport.at/

    Auslöser war eine Vergewaltigung eines „guten Kollegen“ an einer Frau, die erst drei Monate später die Vergewaltigung artikulierte und zu hören bekam, dass sie sich „doch nicht so anstellen soll“.

  33. Als Ergänzung… das wird auf dem Blog nicht erzählt weils ja doch ein wenig zu persönlich ist für die breite Masse (vermutlich bekämen die Veranstalter_innen noch mehr Kackscheiße zu hören) und die Betroffene braucht Schutz!

  34. @ karpatenhund, @AnnaBell

    Bitte lest die Netiquette, bevor ihr hier das nächste Mal hier kommentiert. Besonders Punkt Nr. 5.

    Absichtliches Falschverstehen von Aussagen, das Leugnen von struktureller Diskriminierung und die Einschätzung von Frauenquoten als ‚diskriminierend‘ (um nur einige Beispiele zu nennen) sind auf diesem Blog nicht erwünscht.

    @ accalmie, @Betti

    Danke für’s Gegenhalten! Falls ihr denkt, dass ein Kommentar durchgekommen ist, der auf einem feministischen Blog nichts zu suchen hat, lieber eine E-Mail an uns schreiben, damit wir ggf. moderieren können.

  35. @Magda: Ich habe die Netiquette gelesen, sehe aber in meinen Kommentaren keinen Verstoß. Ich habe keine Aussage bewusst falschverstanden und ich habe nie geleugnet, dass die Diskriminierung von Frauen existiert; insbesondere nicht, dass strukturelle Diskriminierung existiert. Insofern verstehe ich auch nicht, was der explizite Verweis auf Punkt Nr. 5 soll.
    Dass die Einschätzung von Frauenquoten als diskriminierend hier nicht erwünscht ist, nehme ich zur Kenntnis.

  36. @karpatenhund

    Was du hier auf einem feministischen Blog für Frechheiten hinterlässt, finde ich gelinde gesagt, eine Unverschämtheit.

    Und die Netiquette solltest du nochmal gründlicher lesen, die scheinst du nicht verstanden zu haben.

  37. http://www.foerderland.de/419+M5b31ea0157d.0.html

    Mittlerweile ist Montag, aber ich habe den Artikel eben erst gelesen. Es ist ein Interview mit der Geschäftsführerin von myoma.de, einem Verkaufsportal für Handgestricktes. Die Geschäftsidee ist meines Wissens nicht neu: „Omas“ (das heißt hier wohl: Frauen und ein Mann über 40) stricken für einen Onlineshop.

    Mal abgesehen davon, was von der Betonung der „Omas“ zu halten ist – jede_r derdie schonmal gestrickt hat, weiß, dass Handgestricktes unbezahlbar ist, wenn man keinen 1-Euro-Job machen will. MyOma.de wirbt damit, „die Omas auch anständig zu entlohnen“ und damit „einen Beitrag für die ältere Generation zu leisten und sie im Alter zu unterstützen“. Das heißt bei myOma.de: Derdie Stricker_in erhält ein Drittel des Nettopreises. Das sind etwa bei einem Paar kniehoher Beinstulpen aus der Winterkollektion rund 19 Euro (69 € Verkaufspreis abzüglich Umsatzsteuer). Wer schnell strickt, bekommt so ein Paar Stulpen vielleicht in 10 Stunden hin (ich würde mindestens doppelt so lange brauchen) und käme somit auf einen Stundenlohn von 1,90 €. MyOma.de sieht sich dabei als soziale Einrichtung, die den Frauen und dem Mann ermöglicht, „mit ihrem Hobby Geld zu verdienen“ – wie edel!

  38. Den Quotengegner_innen, die permanent „Diskriminierung“ schreien, sollten sich vielleicht mal mit einschlägiger rechtswissenschaftlicher Literatur zum Thema beschäftigen.

    Männer werden auch nach Rechtssprache durch Quoten nicht „diskriminiert“, sondern lediglich benachteiligt. Eine Diskriminierung liegt dann vor, wenn die Benachteiligung durch keinen sachlichen Grund gerechtfertigt werden kann. (siehe hier auch Kommentierungen zum AGG)

    Der sachliche Grund heißt hier: Ausgleich von historisch gewachsener Benachteiligung. Wie wird das gerechtfertigt?
    Ich zitiere etwas länger aus Seite 52f. von Mahlmann, Matthias (2007): Die Ethik des Gleichbehandlungsrechts, in: Mahlmann/Rudolf (Hrsg): Gleichbehandlungsrecht – Handbuch, Nomos, Baden-Baden: 33-57.

    Ein zentrales Mittel, die Wirksamkeit des Gleichbehandlungsrechts zu erhöhen, ist die unter dem Stichwort „postive action oder „reverse discrimination“ international besonders kontrovers diskutierte kompensierende Bevorzugung bestimmter Merkmalsträger. Dies wird häufig mit dem Ziel des Erreichens substanzieller Gleichheit – in diesem Zusammenhang verstanden als Ergebnisgleichheit – motiviert, was aus der hier entwickelten Sicht legitim sein kann, weil substanzielle Gleichheit in diesem Sinn ein Indikator für Chancen- und Ressourcengleichheit ist und im Übrigen die Wertgleichheit der Menschen ein Mindestmaß an Ergebnisgleichheit fordert. Das Problem der kompensierenden Bevorzugung ist die implizierte Benachteiligung anderer Menschen. Die Zulässigkeit im Einzelnen ist weiter strittig, allerdings wurden diese Maßnahmen im Grundsatz vom Bundesverfassungsgericht ebenso wie vom EuGH wie im Völkerrecht unter bestimmten Bedingungen für zulässig gehalten. Hinsichtlich Geschlecht, Art. 3 Abs. 2 S.2 GG und Behinderung, Art 3. Abs. 3 S.2 GG, ist die Zulässigkeit verfassungskräftig abgesichert.

    Diese Maßnahmen werden in der Diskussion um das Gleichbehandlungsrecht in unterschiedlicher Weise gerechtfertigt. Es wird etwa argumentiert, dass Vorstellungen ausgleichender Gerechtigkeit geböten, dass die Benachteiligungen der Vergangenheit hinsichtlich bestimmter Merkmalsträger in der Gegenwart ausgeglichen würden. Prinzipien ungerechtfertigter Bereicherung werden auch angeführt: Angehörige bestimmter Gruppen genössen Vorteile, die ihnen ungerechtfertigterweise zugeordnet würden. Weit verbreitet ist der Bezug auf Gruppenrechte: Die individuelle Perspektive müsse im Hinblick auf diese Gruppenrechte überwunden werden. Die Verwirklichung von Gleichheit im Bezug auf diese Gruppen rechtfertige die dazu nötige Ungleichbehandlung von Individuen.

    Diese Argumentationen haben eine gewisse Berechtigung. Man sollte aber nicht übersehen, dass bei jeder rechtlichen Sanktionierung einer kompensierenden Bevorzugung ein anderer Mensch benachteiligt wird. Dieser Mensch mag Teil einer Gruppe sein, die in der Vergangenheit ungerechtfertigte Privilegien genossen hat. Diese Vergangenheit ist einem Menschen aber nicht ohne weiteres zuzurechnen, denn sie beruht nicht auf seinem eigenverantwortlichen Handeln. […] Diesen Sachverhalt und seine Problematik sollte man offen aussprechen. Man sollte auch anerkennen, dass die Akzeptanz einer kompensierenden Bevorzugung ein kleines oder größeres Opfer der Merkmalsträger impliziert, die kompensierend benachteiligt werden. Die Anerkennung dieses Sachverhalts macht die kompensierende Bevorzugung nicht illegitim. Sie kann der einzige Weg sein, strukturelle Muster der Ungleichbehandlung, die wie z.B. ein hierarchisches Geschlechterverhältnis so alt sind wie die menschliche Geschichte selbst, endlich zu überwinden. Von den Betroffenen kann die ethische Kraft verlangt werden, dieses Opfer zu bringen, z.B. als Mann zu akzeptieren, dass trotz im Grundsatz gleicher Qualifikation eine Frau bei einer Einstellungsentscheidung bevorzugt wird. Der Verlust im Einzelfall kann auf lange Sicht durch den Gewinn ausgeglichen werden, den eine diskriminierungsfreie Gesellschaft auch denen bietet, die zu den bisher ungerechtfertigter Weise privilegierten Gruppen gehören – etwa weil Ungerechtigkeit sie bedrückt.

    Auch wenn sich aus feministischer Perspektive Ergänzungen und Kritiken an Mahlmanns Ausführungen aufdrängen (zumindest geht es mir so), sagt er sehr wichtige Dinge:
    Privilegien sind Vorteile, die bestimmte Gruppen ungerechtfertigter Weise genießen und nicht mit der Wertgleichheit von Menschen im Einklang stehen, die qua Verfassung, EU- und Völkerrecht aber dringend geboten sind. Der Ausgleich dieser Privilegien ist zwar eine Benachteiligung einiger Individuen, strebt aber auf eine diskriminierungsfreie Gesellschaft hin. Es wird anerkannt, dass ein hierarchisches Geschlechterverhältnis besteht und dieses auszugleichen, sei auch Verfassungsaufgabe (deswegen auch der Verweis auf das GG).

    Wer sich gegen Frauenquoten ausspricht mit dem Argument der Diskriminierung von Männern, verschweigt, toleriert und verharmlost die Existenz eines hierarchischen Geschlechterverhältnisses (= Patriarchat) und strukturelle Mechanismen von Sexismus und leugnet, dass es sich bei Frauenquoten nicht um eine Benachteiligung von Gruppen (bspw. „der Männer“) handelt, sondern um eine individuelle Benachteiligung. Mal ganz davon abgesehen, dass Quoten sowieso nie der Tatsache Rechnung tragen, dass eine individuelle Benachteiligung (durch eine Quote) niemals ausgleicht oder dem entspricht, was tagtäglich durch strukturell verankerten Sexismus perpetuiert wird.

    Was viele vergessen, die sich gegen Quoten aussprechen: Quoten sind ein temporäres Mittel und nur so lange rechtlich erlaubt, wie ein gewisses Maß an Ergebnisgleichheit nicht erreicht ist. Ausgleichende Quoten werden also in einem liberalen Rechtsstaat niemals dazu führen, dass wir in 50 Jahren in einem Matriarchat leben.

    Der liberale Rechtsstaat toleriert allerdings seit langem existente Quoten, die eben nicht auf substanzielle Gleichheit bzw. Ergebnisgleichheit zielen: Männerquoten. Wer sich gegen Quoten engagiert, müsste doch auch hier viel zu kritisieren haben oder nicht? Diese Bevorzugung von Männern stellt somit eine Diskriminierung dar, da sie ohne sachlichen Grund erfolgt.

    Was strukturell verankert ist, kann nicht allein durch guten Willen und individuelle Gleichbehandlung ausgeglichen oder aufgebrochen werden. Zumindest so lange nicht, wie ein Nationalstaat die Regeln des Handelns durch z.B. Gesetze und rechtsstaatliche Prinzipien vorgibt. Ich möchte gern mal ein paar Vorschläge von den Quotengegner_innen hören, wie sie strukturelle Benachteiligung marginalisierter Gruppen aufbrechen oder abschaffen wollen. Und zwar ohne die Herbeilamentierung eines regressiven Diskriminierungsbegriffs, dem lediglich ein interaktionelles Verständnis davon (motivierte Diskriminierung durch Beschimpfung, Herabsetzung, Beleidigung, physische und psychische Gewalt) zu Grunde liegt. Diskriminierung, auch im Rechtsverständnis, ist wesentlich breiter gefasst und sollte daher auch Argumentationsgrundlage für Überlegungen zu einer diskriminierungsfreieren Gesellschaft sein.

    Verfechter_innen der Marktregulierung und des Wettbewerbs finden in Mahlmanns Ausführungen weitere Argumente gegen die Ausspielung von Gleichbehandlungsrecht und Ökonomie. Ich kann das Buch sehr empfehlen, da dort noch einmal grundlegende Begriffe und der Aushandelungsprozess von Freiheit und Gleichheit erörtert werden ebenso das Völker- und EU-Recht sowie Umsetzungen von Gleichbehandlungsrecht in einigen europäischen Staaten.

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