Selbermach-Sonntag (14.11.10)

Sepiabild eines kleinen Mädchens beim SpielenLiebe Freundinnen und Freunde der feministischen Blogosphäre und darüber hinaus. Was ist Euch diese Woche aufgefallen, worüber habt Ihr gebloggt und was muss noch mal diskutiert werden?

8 Kommentare zu „Selbermach-Sonntag (14.11.10)

  1. Thesen zum jung-feministischen Schwarzer-Bashing

    Müssen wir jungen FeministInnen Schwarzer eigentlich zwingend zu einer Art Unperson stilisieren? (ich merke das jetzt hier mal an, weil in eurer Blogschau von gestern zur Debatte um Schröder schon gar nicht mehr erwähnt wird, dass – so weit wenigstens ich das mitbekommen habe – diese Debatte ohne Schwarzers Offenen Brief gar nicht laufen würde.)

    In anderen Beiträgen ist mir auch schon aufgefallen, dass Schwarzers Inputs im Mediendiskurs zwar hier und anderswo durchaus gerne weitergestrickt werden, dass aber selten eine inhaltliche Diskussion um ihre Standpunkte läuft, sondern dass es sich manchmal schon fast um eine Art pikiertes Totschweigen von Schwarzers Standpunkten hinausläuft.

    Zunächst mal zu ihrem Offenen Brief an die Ministerin: Das ist ein süffiger und, wie ich finde, zu Recht sehr polemischer Text an deren Adresse, die scheint sich ja echt mit der Geschichte der Frauenbewegung überhaupt nicht auseinandergesetzt zu haben. Ich finde auch überhaupt nicht, dass Schwarzer zu weit geht, wenn sie Schröder die Qualifikation für diesen Job abspricht. Schröder sitzt ja tatsächlich einfach der konservativen Medienpropaganda der letzten Jahre auf, wenn sie sich jetzt v.a. um die schulversagenden Jungs kümmern will, und die Schuld bei den Lehrerinnen sieht. (hier übrigens ein Link zu einer gut gemachten Radiosendung („Die Lehrerinnen sind nicht Schuld“) über die Forschungsergebnisse auf die sich Schwarzer vermutlich bezieht:

    http://pod.drs.ch/mp3/kontext/kontext_201004151000_10130057.mp3

    Aber eigentlich wollte ich noch ein paar Diskussionsthesen bezüglich dem – ich nenne es mal provokativ – jung-feministisches Schwarzer-Bashing – aufstellen:

    1) Eine meiner Vermutungen ist, dass sich die Ablehnung Schwarzers an etwas aufhängt, dass mit ihrem Einfluss und ihrem Selbstbewusstsein zusammenhängt, und ja – vl. mit ihrem leichten Hang zur Selbstgefälligkeit. Schwarzer ist vielleicht tatsächlich über ihren ganzen Erfolgen zu einer Art Matriarchin, will heissen machtbewusst geworden. – Bloss, sollte nicht genau das auch unser Ziel sein, nämlich genauso selbstbewusst zu unseren Erfolgen zu stehen, und uns diese vermeintlich „weibliche“ Unart der „False Modesty“ (das sagt übrigens Keira Knightely in der Verfilmung von Austens „Pride and Prejudice“) abzugewöhnen?
    2) Wie ich hier und dort mitbekommen hatte, hat Schwarzers Engagement bei der „Bild“ zum Fall Kachelmann bei einigen Empörung ausgelöst, weil die „Bild“ – das bestreite ich auch überhaupt nicht – ein tumbes, sexistisches Medium ist. Aber was spricht dagegen, dass die sexistischen LeserInnen der „Bild“ einmal auf Seite 3 (immerhin) sich den Standpunkt einer Feministin zu Gemüte führen können. Ich finde, dass in diesem Fall das Resultat zählt, und ich glaube, das war für Schwarzer und feministische Interessen ein Erfolg. Wie sie selbst begründet hatte, ging es ihr darum, gegen die einseitige Parteinahme für Kachelmann in „Spiegel“ und „Zeit“ einen differenzierten Gegenstandpunkt in einer überregionalen Zeitung einzunehmen. Ehrlich, ich war sehr, sehr froh, dass die das gemacht hat.
    3) Klar, ich bin auch nicht in jedem Punkt mit Schwarzer ganz genau einer Meinung, bspw. was ihre Herangehensweise an den Islam bzw. eigentlich politischen Fundi-Islam oder Porno betrifft, weit davon entfernt bin ich allerdings auch nicht. Ich frage mich einfach, ob sich der Feminismus so etwas leisten kann, nämlich nicht mehr miteinander zu reden, weil wir uns über bestimmte Meinungen von Schwarzer hin und wieder zu Recht ärgern. Genau das sollte doch der Feminismus sein, dass wir uns zoffen!
    4) Schliesslich: Natürlich ist Schwarzer nicht perfekt. Sollte es nicht genau darum gehen, dass wir lernen, dass eben auch Frauen weder perfekt, noch die besseren Menschen sind. Und vor allem, dass sie das auch nicht sein müssen, um berechtigt Gehör zu finden. Gerade dieser letzte Punkt ist mir wichtig, weil ich glaube, dass wir uns hier nur ins eigene Fleisch schneiden.

  2. Habe ja gerade mein Examen zur Geschlechtersozialisation in der Schule gemacht; tatsächlich gibt es inzwischen vom WZB Berlin und dem KFN Niedersachen zwei unterschiedlich angelegte Untersuchungen, nach denen mehr Lehrer in der Grundschule keinen Effekt auf die Defizite der Jungs hatte – allenfalls wurden Mädchen etwas stärker benachteiligt bzw. hatte die ganze Klasse eine geringere Lesekompetenz, das könnten jedoch jeweils Artefakte einzelner Klassen sein.

    Allerdings ist es wohl schon so, dass die Stereotypen von Lehrer_innen, was z.B. geschlechtstypische Fächer angeht, sich stark auf das Selbstvertrauen der Schüler_innen auswirken und dadurch dann durchaus einen Effekt auf die Leistung in Sprachfächern (Jungs) bzw. Mathe und Naturwissenschaften (Mädchen) haben – so gesehen kann man doch sagen, es sei die „Schuld“ von Lehrer_innen. Aber zu viele Lehrerinnen? Allem Anschein nach klares Nein.

  3. Ich frage mich einfach, ob sich der Feminismus so etwas leisten kann, nämlich nicht mehr miteinander zu reden, weil wir uns über bestimmte Meinungen von Schwarzer hin und wieder zu Recht ärgern.

    Nun, ich habe eher das Gefühl, dass von Schwarzers Seite aus keine Gesprächsbereitschaft besteht, sondern dass sie inzwischen sich selbst als Ikone des Feminismus versteht und diesen Status primär sichern möchte – ergo Werbung für BILD, Kolumne in der BILD, und gleichzeitig festgefahrene Ansichten, die eben immer richtig sind, weil ja von der Ikone.

    Und ich halte es für sehr wichtig, dass sich Gruppen nicht nur nach außen wenden, sondern auch intern diskutieren und Meinungsverschiedenheiten aufzeigen – in meiner Skeptiker-Gruppe gibt es Leute, die (zu Unrecht) nicht an den Klimawandel glauben, das muss man thematisieren.

  4. Man muss schon ein bisschen masochistisch veranlagt sein, wenn man eine „inhaltliche Diskussion“ mit oder über Schwarzer anmahnt. „Inhaltliche Diskussionen“ setzen mE ein gewisses Maß an Sachlichkeit und gegenseitigem Respekt voraus. Innerhalb dieses Rahmens kann man sich dann über das Für und Wider des Inhaltlichen austauschen. Wo wäre das bei Schwarzer zu finden? Ich kenne nicht einen geschriebenen oder gesprochenen Beitrag von ihr, der ohne Hohn, Spott, Polemik, persönliche Angriffe und dergleichen auskäme.

    „Müssen wir jungen FeministInnen Schwarzer eigentlich zwingend zu einer Art Unperson stilisieren?“

    Mit der Bezeichnung „Wellness-Feminismus“ und noch ein paar anderen Nettigkeiten an die Adresse junger Feministinnen war es doch Schwarzer, die den Ton vorgegeben und gezeigt hat, wohin die Reise geht. Wer es sprachlich drauf hat (was Schwarzer in Sachen Kampf und Polemik hat, das muss man ihr lassen), kann die Messer wetzen und es mit ihr aufnehmen.

    Es ist doch kein Zufall, dass Schwarzers Laudator bei der Verleihung des Börne-Preises vor zwei Jahren Harald Schmidt hieß und dieser Schwarzer als das „Sturmgeschütz des Feminismus“ lobte: zwei Alphatiere (m/w) mit scharfem Mundwerk unter sich.

  5. @Lina:
    Ich bin zwar auch ein bisschen spät für den Selbermach-Sonntag, aber ich wollte noch sagen, dass ich deine Gedanken gut finde.
    Manchmal habe ich das Gefühl, die Abgrenzung von Alice Schwarzer ist wichtiger, als auf ihre Inhalte einzugehen. Alice Schwarzer ist für den Mainstream der Begriff des „Ach du liebe Zeit, Feministinnen sind alle lesbisch und wollen heterosexuelle Beziehungen unterdrücken“ á la Schröder geworden.
    Auf der einen Seite verstehe ich, dass Feminist_innen keine Lust haben, in jeder Diskussion mit Nicht-Feminist_innen das Thema Schwarzer aufzugreifen. Auf der anderen Seite ist es schade, wenn jede dieser Diskussionen mit einer Art Disclaimer begonnen werden muss, in der Alice Schwarzer zur – wie du sagst – Unperson stilisiert wird.

    Ihren Brief an Schröder fand ich gut – Probleme hatte ich mit der Islamkritik, die hatte bei dem Thema eigentlich nichts zu suchen, fand ich. Was mich geärgert hat, war der Umgang der „seriösen“ Presse mit dem Thema. Besonders geärgert hat mich dabei die Überschrift „Emanzipierte Frauen haben Besseres vor“, das Frau Schwarzer mal wieder auf die oben genannte Rolle reduziert und erklärt, dass die Frau von heute „über solchen Dingen steht“, die in dem Moment natürlich als kleinlich abgetan werden. Das altbekannte „Den Frauen heute geht’s doch gut“-Argument schimmert durch.
    Und dann gibt es glücklicherweise ja noch Jens Jessen, den Mann, der uns dummen Frauen endlich mal sagt, was Sache ist, nämlich, dass wir alle Unrecht haben.

  6. Ich lese derzeit „On Top-Frauen ganz oben.“ von Reinhold Messner.
    Darin wird die Geschichte der Bergsteigerinnen erzählt, von den Anfängen bis zu den heutigen besten Alpinistinnen.
    Ein paar Sachen sehe ich ganz anders als Messner, aber was mir sehr gut gefällt ist, dass er nicht von DEN MÄnnern und DEN Frauen schreibt, sondern schreibt dass jeder unterschiedlich ist.

  7. @Lina
    Danke für Deinen Beitrag. Ich sehe die Sache genauso. Dieses ganze Schwarzer-Bashing ist unerträglich (besonders der Beitrag im Mädchenblog vor kurzem war einfach nur gemein und sowas von unter der Gürtellinie). Auch wenn AS ihre Eigenheiten hat, so fand ich ihren offenen Brief an Schröder göttlich und ich finde es auch toll, dass und wie sie über den Kachelmannprozess schreibt. Wenn sie darüber nur in ihrem Blog oder in Emma schreiben würde, dann würde sie niemals so viele Leser erreichen wie über Bild. Und den typischen Bildleser mit einer Prise Feminismus zu erreichen, das ist doch einfach großartig!

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