Pussy Riot! Ein Punkgebet für Freiheit

Dieser Text ist Teil 65 von 140 der Serie Die Feministische Bibliothek

NADJA: Ist das Wort Feministin obzön?

ZEUGIN: Wenn es in der Kirche genannt wird, schon.

Am 17. August wurden Nadezhda Tolokonnikova, Maria Alekhina und Yekaterina Samutsevich, feministische Künstlerinnen des Kollektivs Pussy Riot, zu jeweils zwei Jahren Straflager verurteilt. Im Oktober bei den Berufungsverhandlungen wurde das Urteil gegen Samutsevich in Bewährungsstrafe umgewandelt – die anderen beiden Urteile wurden bestättigt. Bereits seit Januar haben wir über die Künstlerinnen und dann später über das Verfahren berichtet. Ihr könnt das in unserem Dossier nachlesen.

Ende November erschien nun im Nautilus Verlag „Pussy Riot! Ein Punkgebet für Freiheit“, wobei es sich um eine Übersetzung eines im August auf Englisch erschienen Werkes handelt. Das Buch versammelt Liedtexte und Gedichte, die Eingangserkärungen vor Gericht von Tolokonnikova und Alekhina, Auszüge aus dem Gerichtsprotokoll, die Plädoyers der Anwälte und der drei Angeklagten, Briefe und  außerdem Solidaritäts-Bekundungen unter anderem von Yoko Ono und Johanna Fateman (Le Tigre).

Fast das gesammte Jahr habe ich mich mit Pussy Riot auseinandergesetzt, eine solche Materialsammlung bereits jetzt in den Händen halten zu können, hat mich wirklich gefreut. Viel wurde bisher über das Kollektiv und das Verfahren geschrieben, die Orginaltexte waren aber nur selten auf deutsch zugänglich. Das Buch bietet also auch für all jene einen neuen Zugang, die bisher aufgrund von sprachlichen Barrieren zurückgehalten wurden.

Das vorhandene Material macht deutlich, was in vielen Berichten der Mainstream-Medien unterging: Hier wurden feministische Aktivistinnen verurteilt und die Diskussion um feministisches Gedankengut stand durchaus auch im Zentrum der Verhandlung.

Doch leider lädt das Buch nicht nur zum Loben ein. Denn auch wenn die zusammengetragenen Orginaltexte und die beiden Vorworte das Wort „Feminismus“ nicht scheuen, so ist mensch doch bereits bevor es losgeht mit Sexismus konfrontiert. Für den inneren Klappentext hat sich der Nautilus Verlag für ein Bild entschieden, welches auch in den unterschiedlichen sozialen Netzwerken (und auf Demos) herumschwirrte, auf dem Putin gleichgesetzt wird mit „Pussy“.

Und so gut ich es auch finde, dass die Texte in einer deutschen Übersetzung vorliegen, genau so schwierig finde ich es, dass jene Übersetzung nicht direkt aus dem Russischen stattfand, sondern den Umweg Englisch nehmen musste. Ich befürchte, dass so noch einmal einige Nuancen verloren gingen. Auf geschlechtergerechte Sprache wurde vollkommen verzichtet.

Ein letzter Kritikpunkt: Das Vorwort zur deutschen Ausgabe hat Laurie Penny beigetragen. Und außer, dass sie gerade überall besprochen wird, fiel mir kein Grund ein, warum gerade sie dafür gewählt wurde. Weder war es ihr möglich eine Verbindung zu Deutschland zu machen (was ja bei einer deutschsprachigen Ausgabe eine Möglichkeit gewesen wäre), noch konnte zu besonders gut das Verfahren durch Russland-Expertise rahmen (was ich mir gewünscht hätte). Stattdessen schreibt sie davon, dass ja Pussy Riot das Wort „Patriarchen“ für ihre Kritik gewählt hätten und wie toll das sei, ohne auch nur anzumerken, welche Rolle der Begriff im System der russisch-orthodoxen Kirche hat.

Das Buch will aber auch keine Analyse anbieten, viel mehr, und das gelingt gut, ist es Startpunkt für eigene Auseinandersetzungen. Es erlaubt Fragen zu stellen: Wie empfinde ich die Texte von Pussy Riot? Welche Aussagen machen sie die Frauen in ihren Plödoyers? Was steckt in den Texten? Wie stehe ich zu den Solidaritätsbekundungen?

NADJA: Wissen Sie, was das Wort Feminismus bedeutet?

Der Richter erklärt die Frage für unzulässig.

Ein Kommentar zu „Pussy Riot! Ein Punkgebet für Freiheit

  1. Diese Frauen sind echt so mutig und es ist ein riesen Drama, wie an ihnen ein Exempel statuiert wird und die westliche Politik einfach wegschaut (meiner Meinung nach). Ich hab gerade erst einen spannenden Artikel über eine DDR-Punkband gelesen, die viel agitativer waren und trotzdem viel glimpflicher davongekommen sind (hier nachzulesen: http://www.mentalerballast.de/ausschlag-kreative-bandnamen-und-die-kapriolen-des-punk). Wer hätte das gedacht, wo doch die DDR das Vorzeigebeispiel für Totalitarismus und Repression ist. Irgendwas stimmt in unserer Gesellschaft einfach nicht :(

Kommentare sind geschlossen.

Betrieben von WordPress | Theme: Baskerville 2 von Anders Noren.

Nach oben ↑