„Ohne Gleichstellung bleibt die Demokratie unvollständig“ – Das Programm der Linkspartei

Am 27. September ist Bundestagswahl. Die Mädchenmannschaft erleichtert euch den Blick in die Wahlprogramme und fasst in den folgenden Wochen jeweils die frauenpolitischen Themen der großen Parteien für euch zusammen.
Aber Achtung: Unsere Vorstellung der einzelnen Programme schließt keinerlei Wahlempfehlung mit ein!

Das große und grobe Ziel der Linkspartei ist, laut Programm, der „Einstieg in eine andere Gesellschaft, in der die Bedürfnisse der Menschen im Mittelpunkt stehen.“ Zu diesem Zwecke plädiert sie für einen Schutzschirm, der über Mensch und Natur gespannt werden soll: „zur Rettung von Arbeitsplätzen, Löhnen und Sozialeinkommen“ und „für die Umwelt, um den weiteren Temperaturanstieg zu stoppen und die Umweltzerstörung zu verhindern.“

Wenig überraschend geht es in diesem Programm recht häufig um bzw. gegen den Kapitalismus. DIE LINKE will ihn in einem ersten Schritt allerdings wohl eher zähmen, als ausrotten. Zu diesem Zweck soll das kapitalistische Leitprinzip, der Profit, an seinen Platz verwiesen werden. In Zeiten der Krise fordert DIE LINKE dafür ein paar Sofortmaßnahmen: ein Zukunftsfonds für Arbeitsplätze und ein öffentliches Investitionsprogramm. Außerdem sollen Millionäre eine Sondersteuer zahlen und Banken nicht gerettet sondern lieber gleich vergesellschaftet werden.

Nicht ganz so oft wie Markt und Kapitalismus, aber doch schon ziemlich häufig fallen die Begriffe „Frauen“ und „Geschlechtergerechtigkeit“ im Programm. Im Vorwort wird darauf hingewiesen, dass den Arbeitsbereichen von Frauen in der aktuellen Wirtschaftspolitik kaum Bedeutung beigemessen wird – welche Bereiche damit konkret gemeint sind, wird allerdings nicht ganz klar. In jedem Fall sollen Alleinerziehenden-Armut, Lohndiskriminierung und Geschlechtergerechtigkeit bekämpft werden und die Vorschläge der Linken sind ziemlich konkret. Grundsätzlich möchte die Linkspartei den Öffentlichen Dienst ausbauen und soziale Dienstleistungen des Staats nach skandinavischem Modell gestalten. In der Arbeitswelt soll Gleichheit einziehen:

„gleicher Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit; bessere Bezahlung für Berufe, in denen vorwiegend Frauen beschäftigt sind; bessere rechtliche Absicherung durch ein Verbandsklagerecht; Gleichstellungsgesetz für die private Wirtschaft, das Unternehmen so lange zu Maßnahmen verpflichtet, bis mindestens eine 50-Prozent-Quote für Frauen auf allen Qualifikationsstufen bis hin zu Vorständen und Aufsichtsräten erreicht ist;“

heißt es immer schön parataktisch.

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Auch in der Familienpolitik soll sich etwas tun: Gebührenfreie und flächendeckende Kinderbetreuung soll überall entstehen, Alleinerziehende sollen den Unterhalt nicht mit dem Wohngeld verrechnen müssen. Und, oha, das Elterngeld soll zwar bestehen bleiben, aber strukturell etwas überarbeitet werden:

„Elterngeld zu einem sozial ausgestalteten Elterngeldkonto weiterentwickeln: für Väter und Mütter einen nicht übertragbaren gleichen Anspruch auf jeweils zwölf, für Alleinerziehende auf 24 Monate schaffen; Inanspruchnahme in Teilabschnitten von mindestens zwei Monaten bis zur Vollendung des siebten Lebensjahres des Kindes ermöglichen“

Ob es um Sport, Erwerbsarbeitszeit oder gesellschaftliche Gestaltung geht – immer wieder wird betont, wie wichtig Gleichheit ist, „nicht zuletzt zwischen den Geschlechtern.“ Teilweise  bleibt das LINKE-Programm aber auch recht schwammig, so etwa, wenn es um Bildungspolitik geht. Da ist dann die Rede von „gezielter Frauenförderung durch eine entsprechende Regelung zwischen Bund und Ländern.“ Naja, ja. Oder auch dieses hier:

„Frauen in der Wissenschaft stärker fördern: die Geschlechterperspektive in alle öffentlich geförderten Forschungsprojekte integrieren; Geschlechter diskriminierende Auswahlverfahren sowie unsichere und ausgrenzende Karrierewege überwinden“

Solche Stoffsammlungen bringen niemanden weiter und würde jeder diskriminierende Dekan wahrscheinlich sofort unterschreiben.

Dafür wird DIE LINKE aber sehr spezifisch, wenn es um körperliche Freiheit und Unversehrtheit von Frauen geht, und auch die Rechte von Transsexuellen will sie stärken. Der §218 soll ersatzlos gestrichen werden, Frauenhäuser flächendeckend und auf Staatskosten eingerichtet werden. Zwangsverheiratungen sollen verhindert, Opfer von Menschenhandel geschützt werden, und die Linkspartei will Förderprogramme für weibliche Opfer von Gewalt.

Weiter hinten gibt es nochmal ein grundsätzliches Kapitel zum Thema Frauen, das unter der Überschrift „Ohne Gleichstellung bleibt Demokratie unvollständig“ abgehandelt wird und dann doch auch einige sinnvolle und interessante Forderungen enthält, z. B. ein Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft und die Vorbildfunktion in dieser Hinsicht, die der öffentliche Dienst einnehmen soll. Außerdem soll das Steuerrecht so reformiert werden, dass das „Familienernährer Mann“-Prinzip seine Gültigkeit verliert.

Insgesamt bleibt festzustellen: DIE LINKE will zwar einerseits eine neue, bessere Gesellschaft und stellt deswegen in vielen Bereichen sehr hohe Forderungen – was Geschlechterpolitik betrifft, lehnt sie sich allerdings nicht allzu weit aus dem Fenster. Keine geschlechterpolitische Forderung in dem Programm schubst einen aus den Söckchen, was bei den arbeitsmarktpolitischen Thesen wiederum ganz anders ist. Das Programm ist aber sensibel für das Thema – und beschränkt sich dahingehend richtigerweise nicht nur auf Familienpolitik, sondern setzt bei wirklich frauen- und queerspezifischen Themen an.

10 Kommentare zu „„Ohne Gleichstellung bleibt die Demokratie unvollständig“ – Das Programm der Linkspartei

  1. Gleichstellungsgesetz für die private Wirtschaft, das Unternehmen so lange zu Maßnahmen verpflichtet, bis mindestens eine 50-Prozent-Quote für Frauen auf allen Qualifikationsstufen bis hin zu Vorständen und Aufsichtsräten erreicht ist

    Und warum mindestens 50%? Warum nicht 75%, als Kompensation für all die anderen Diskriminierungen?

    Warum gleicher Lohn? Z.B. Kulturschaffung ist doch viel wichtiger als schnödes Ingenieurtum? Und werden etwa Frauen nicht gezwungen sehr viel Geld aufgrund des Schönheitszwanges auszugeben? Wo ist da der Ausgleich?

    Warum nur die Streichung der Anrechenbarkeit von Transferleistungen des Staates? Wieso seht dem Unterhaltspflichtigen überhaupt mehr zu als das absolute Exsistenzminimum, diesem *Tüüpen*?

    Nein, sie lehnt sich nicht allzuweit aus dem Fenster, die Linke.

  2. danke @softie für den in keiner weise weiterbringenden kommentar. über die vergangenheit bzw. zusammensetzung der linken lässt sich streiten, ebenso über die realisierbarkeit ihrer vorstellungen für den arbeitsmarkt.
    und ja, ich gebe meredith absolut recht: zu weit aus dem fenster gelehnt hat sich die linke in der frauenpolitik nicht – was ich aber gut finde, denn auf diesem gebiet erscheinen die forderungen realisierbar, gerecht und notwendig. ein wenig unkonkret noch stellenweise, aber potential ist da wohl vorhanden.
    ich werde sie aus anderen gründen nicht wählen (stasi, arbeitsmarkt), obwohl mir lustigerweise der wahl-o-mat genau das empfohlen hat.

  3. Hallo Softie,
    ich möchte mich Stadtpiratin anschließen und das bezieht sich nicht nur auf deinen Post hier: Polemik, Zynik und Ironie als Tarnung für einen uns gegenüber feindlich eingestellten Post sind gähnend langweilig und bringen wirklich keinen weiter. Wenn du ernsthaft diskutieren willst, bist du herzlich willkommen – nur so macht es leider keinen Sinn mit uns.

  4. gerne, @stadtpiratin. Wer sich nicht um Beliebigkeiten bei der Legitimation für Gruppenrechte schert, schert sich halt nicht.
    Ich erlaube mir die Aufassung, daß das dem proklamierten Ziel der Abschaffung der entsprechenden Gruppen nicht gerade dienlich ist, ja sogar die Grundlage in Frage stellt auf der diese Forderungen erhoben werden.

  5. @Katrin: Argumentationen in ihren möglichen Schlußfolgerungen auszumalen, um ihre Unhaltbarkeit zu demenostrieren – Das hältst Du für nicht legitim?

    Sorry, aber warum wird denn eine „mindestens“ 50% Quote gefordert? Da geht für mich jegliche Legitimation endgültig flöten.

  6. @stadtpiratin:
    mir hat der Wahl-o-mat auch an erster Stelle „Die Linke“ angezeigt, allerdings werde ich sie auch nicht wählen, aus ähnlichen Gründen wie Du.
    Was mich aber doch noch interessiert:
    wie steht denn nun die Linkspartei zu Christa Müller?
    Einerseits habe ich dazu das gefunden:
    http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,555282,00.html (von 5/2008), andererseits aber auch das:
    „Mehr stört Sie [Hubert Ulrich] nicht an der Linkspartei?

    Sehr viel mehr. Vor allem die Familienpolitik, die auf Betreiben von Lafontaines Frau Christa Müller erzkonservativ ist und rechts neben der CDU steht. Müller hat Kindertagesstätten bekämpft wie der Teufel das Weihwasser, und nach dem Familienbild des Ehepaars Lafontaine gehört die Frau nur an eine Stelle: zurück an den Herd. Das können wir so nicht mittragen, da wird die Linkspartei richtig Kreide fressen müssen.“
    (faz.net von vor ein paar Tagen: http://tiny.cc/6G2ab)
    Bin leicht verwirrt; weiß da jemand Näheres?

  7. Das klingt doch gar nicht schlecht das Programm. Diese Inhalte werden nur leider nicht von der vordersten Riege der Partei repräsentiert.
    Ihr könnt mich ja berichtigen, aber es ist DIE LINKE, die als einzige Partei die Abschaffung des Ehegattensplitting fordert, oder? Allein das ist schon ein Grund zumindest zu überlegen, die zu wählen.

Kommentare sind geschlossen.

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