Ökonomie: (De)Koloniales Setting und feministisches Selbstverständnis

Dies ist ein Bericht von der Tagung “Schneewittchen rechnet ab. Feministische Ökonomie für anderes Leben, Arbeiten und Produzieren”. Insgesamt waren sechs Bloggerinnen auf der Tagung und haben von ihren Eindrücken berichtet – alle Berichte findet ihr auf gender-happening.de.

Der dritte und letzte Teil der Tagung „Schneewittchen rechnet ab“ hatte den Themenschwerpunkt „Vernetzen / Verarbeiten / Alternativen entstehen lassen“. Die Form des Open Space wurde gewählt, um im Anschluss an die Ausführungen der Expert_innen Raum für die Ideen und Kompetenzen der Teilnehmenden zu schaffen. Auch eventuelles Unbehagen sollte hier einen Platz finden. An diesem Punkt konnten eigene Themenvorschläge gemacht werden, um dann mit der Hilfe anderer Interessierter die Umsetzung der eigenen Projektideen zu planen.

Die Moderatorin stellte Open Space als eine Methode vor, die auf dem Konsensprinzip beruht. Durch die Struktur eines Hierarchie-freien Raums sollen die Mechanismen des patriarchalen Kapitalismus ausgehebelt werden, die Art der Teilnahme war den Einzelnen freigestellt. Sie konnten sich aussuchen, ob sie nach dem „Schmetterlingsprinzip“ nur kurz bei einem Projekt reinschauen, weiterziehen und dann nochmal wiederkommen oder nach dem „Hummelprinzip“ mit dem Inhalt des einen zum nächsten gehen wollten, um so eine inhaltliche Verbindung zwischen den Projekten zu schaffen. Als Strukturierungshilfe wurde festgelegt, dass auf einen Input eine kurze Vorstellung, das Notieren der Projektidee und die Verwaltung der jeweiligen Projektplanung folgen sollten. Im Anschluss an den Open Space fand ein Rundgang statt, an dem die ausgearbeiteten Projektideen den anderen vorgestellt wurden.

Es formierten sich sechs Themenschwerpunkte:

1) Feministischer Blick auf das Bedingungslose Grundeinkommen
2) Anders leben, arbeiten und konsumieren – was ist der Maßstab für gute Arbeit?
3) Umverteilung auf Mikroebene am Beispiel lesbischer Umverteilungskonten
4) Krise und Proteste. Die Eurokrise am Beispiel Griechenland, Spaniens und Portugal
5) Planung eines Frauendorfs
6) Tagungskonzeption: (De)koloniales Setting und feministisches Selbstverständnis

Ich habe die Gruppe mit dem Themenschwerpunkt (De)koloniales Setting und feministisches Selbstverständnis begleitet und die erarbeiteten Lösungsansätze dokumentiert. In einer sehr gemischten Gruppe wurde herausgearbeitet, was die Problematik dabei ist, wenn ein weißes Wirtschaftssystem anhand eines weiteren weißen Systems wie dem weißen Feminismus kritisiert wird, ohne dass beide im Hinblick auf ihre Positioniertheit reflektiert werden. So seien verschiedene globale Arbeitsformen zum ersten Mal auf der Podiumsdiskussion angesprochen worden, was als nicht ausreichend empfunden wurde. Nicht überall wird zwischen Erwerbs- und Reproduktionsarbeit unterscheiden, sondern es gibt andere Wirtschaftsformen wie zum Beispiel die Subsistenzwirtschaft. Wenn schon global gedacht werden soll, dann müsse dies unter anderen Voraussetzungen geschehen. In so fern sei zu prüfen, wer für wen mit welchem Anspruch Lösungen produziert.

Des Weiteren fiel auf, dass Ansätze von Schwarzen Theoretikerinnen und Theoretikerinnen of Color oder feministische Literatur von Schwarzen Frauen und Frauen of Color nicht ins Tagungskonzept einbezogen oder vorgestellt wurden. Die Auslassung dieser Theorien mitsamt ihrer gegebenenfalls bereits erarbeiteten Lösungsansätze wirke sich auch als Ausschluss auf potentielle Schwarze Teilnehmende und Teilnehmende of Color aus. Wie schon an anderer Stelle wurde beobachtet, dass die Veranstaltung ein nahezu weißer Raum war. Hierzu sagte ein Mitglied von RESPECT (eine lateinamerikanisch-deutsche Frauengruppe, die sich für die Rechte von Migrantinnen in der bezahlten Sorgearbeit einsetzt), dass sie mit ihrer Gruppe zwar häufig zur Repräsentation der „Migrant_innenperspektive“ zu Tagungen eingeladen, aber nie in Hinblick auf deren Konzeption konsultiert würde. Im Anschluss daran wurde festgestellt, dass Eurozentrismus das Mittel zum Eingrenzen eines Arbeitsfeldes sein kann, wenn das auch klar markiert wird. Ansonsten wird es unmarkiert als Universalismus gesetzt, was Ausschlüsse nach sich zieht. So wird ausgeblendet, dass es in Deutschland Schwarze Menschen und Menschen of Color gibt, deren Lebenserfahrungen und Perspektiven im hiesigen Wirtschaftsystem sich von denen der weißen Mehrheitsgesellschaft unterscheiden. Im gleichen Prozess fänden diese ihre Belange auf einer Tagung wie „Schneewittchen rechnet ab“ nicht wieder, was dazu führt, dass sie nicht daran teilnehmen.

Nach der Analyse der Situation wurden konkrete Lösungsvorschläge für ein zukünftiges Vorgehen gemacht. Als Grund für die Ausschlussproduktion der Tagung wurde mangelnder Dialog und mangelnde Vernetzung benannt. Im Hinblick auf die große Zahl von divers organisierten Frauengruppen, die es in Berlin gibt, äußerte sich eine Teilnehmerin erstaunt darüber, dass das nicht funktioniere und fragte: „Wenn nicht hier, wo dann?“ Für eine zukünftige Planungskonzeption müsse eine aktive Vernetzung mit Schwarzen Frauengruppen und Frauengruppen of Color wie GLADT, LesMigraS, ADEFRA und Netzwerken wie „Diskriminierungsfreie Szenen für alle!“ angestrebt werden. Als weiterer Punkt wurde die Kommunikationspraxis der Veranstaltenden angedacht. Diese müsse inklusiver gestaltet werden, um nicht von vornherein Ausschlüsse nach außen zu kommunizieren.

Ich als Beobachtende fand es bemerkenswert, dass die systemimmanente Kritik am Setting der Tagung im Rahmen selbiger als Manko erkannt und durch den Input der Teilnehmenden mögliche Lösungswege aufgezeigt werden konnten. Es bleibt zu hoffen, dass eine zukünftig Tagung zur feministischen Ökonomie inklusiver konzeptioniert wird. Nur so können alternative Lebensmodelle abseits der Mainstream-Ökonomie für alle gesellschaftlichen Gruppen aufzeigt und erarbeitet werden.

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