It’s Sexytime! – Erotik für Frauen (Teil II)

Dieser Text ist Teil 17 von 140 der Serie Die Feministische Bibliothek

Schwarzer Buchtitel mit großen pinken Buchstaben SEX„SEX – so machen’s Frauen“ von Melinda Gallagher und Emily Kramer war also nun mein zweites Projekt in Sachen Erotik für Frauen. Als kleine Anekdote möchte ich mit einem Experiment beginnen, zu dem ich durch das Buch animiert wurde: Schon im Klappentext wird davor gewarnt, das Buch sei nicht gerade dazu geeignet, in der U-Bahn gelesen zu werden. Wieso und warum wurde nicht gesagt, die Macherinnen des Alley Cat, von denen das Buch auch besprochen wurde, hatten die Information dahingehend interpretiert, dass das Cover etwas peinlich sein könnte, da steht schließlich in großen Lettern „SEX“. Nun, mich stört ja nicht, was die vielen Berliner, die ich nicht kenne, von mir denken, wenn sie mich in der U-Bahn sehen, also schleppte ich das Buch mit. Und las. Nun, nach dieser Erfahrung glaube ich entweder a) meine eigene Interpretation der Warnung gefunden zu haben oder auch b) die eigentlich gemeinte. Oder eben c) beides. Aber fangen wir von vorne an.

Ursprung des netten Büchleins, das davon handelt, wie es die Frauen machen, ist und war CAKE , eine Art Verein, in dem New Yorker Frauen über weibliche Sexualität sprechen und diese revolutionieren wollen. CAKE hat ein Blog, sie fertigten einen Report an, in dem sie online die Wünsche und Sexleben der Frauen abfragten und sie sind definitiv eines: irgendwie coole feministische Vorbilder. Nun haben also diese tollen Frauen ein Buch über all ihr Wissen, ihre Erfahrungen und mit den Geschichten ihrer Mitglieder herausgebracht und was soll ich sagen: Es ist ein wahrer Genuss! Begonnen wird mit der sehr netten „CAKE-Philosophie“, die da lautet:

  • Frauen lieben es, Sex zu initiieren
  • Wir können an jedem Tag der Woche erregt sein
  • Wir haben Fantasien
  • Wir wissen, wie wir uns selber zum Höhepunkt bringen
  • Wir mögen Sex (mehr als Einkaufen!)
  • Wir wissen, wie unser Körper funktioniert
  • Nach einem Orgasmus ist der Sex noch lange nicht vorbei

Mit dieser Philosophie wird eine Reise angetreten, die durch den weiblichen Körper und wie man diesen bitteschön zu „bedienen“ hat, über den Sex an sich und bis hin zu Tabu-Themen wir Porno, Bi- und Homosexualität, Machtspielchen und „Sandwiches“ führt, eine Reise, die keine – *beeep* – trocken lässt. Also sagen wir: Kein Auge. Dabei schafft es das Buch, nicht mit dem Vibrator zu wedeln und zu erklären, warum Frauen möglichst geil sein sollten, sondern – um beim Beispiel zu bleiben – es wird sehr liebevoll und ein bisschen in „feministischer Tradition“ dargestellt, warum ein Vibrator ’ne feine Sache ist und frau sich nicht scheuen sollte, einfach mal auszuprobieren, wie nett es damit sein kann. Hier wird Sexualität nach den Bedürfnissen von Frauen durchdekliniert und nicht – wie es leider die meisten Frauen-Sex-Ratgeber sonst tun – nach denen von Männern. Hier werden bewusst alte und noch sehr natürliche Erinnerungen geweckt, um Lust auf eine genussvolle(re) Zukunft zu machen, in der frau selbst ihr Sexualleben in die Hand nimmt. Und all das wird mit wunderschönen wahren Geschichten der CAKE-Frauen untermalt, die zum Träumen und Fantasieren anregen…

Es liegt also auf der Hand, warum dieses Buch schlecht für die U-Bahn geeignet ist: Das verschmitzte Grinsen und die roten Ohren mögen ja noch in Ordnung sein, aber wenn man anfängt nervös auf dem Sitzplatz hin- und herzurutschen und sich nur schwer davon abhalten kann, an sich rumzufummeln, da dermaßen anregende Storys aufgetischt werden… sollte man es einfach zuklappen und in einem ruhigen, entspannten Moment, vielleicht in der Badewanne oder auf dem Sofa, weiterlesen.

Was ich persönlich sehr beachtlich fand, war die gleichzeitig gesellschaftskritische Seite des Buches: Zum Thema „Brasilianisches Wachs“ wird zwar einerseits gesagt, dass diese Erfahrung den Schmerz durchaus wert sei, aber dennoch eher etwas, das man sich hin- und wieder gönnen kann, vielleicht bei besonderen Anlässen etc…

„Ebenso wie Rauschgift braucht man diese Erfahrung nicht jeden Tag und wir können uns stolz auf unsere Wurzeln bekennen, indem wir au naturel bleiben.“

Auch der Offene Brief an alle Frauenzeitschriften (Titel: „Werdet endlich normal“), in dem CAKE-Frauen erklären können, dass sie das Abo kündigen und die Zeitschrift so lange nicht mehr kaufen, bis normale Frauen darin vorkommen, gefiel mir sehr.

„Der weibliche Körper wird so hypersurreal dargestellt, dass unsere Augen darauf trainiert sind, natürliche, echte Körper abzulehnen, sollten wir sie überhaupt einmal erblicken.“

Die Art und Weise, wie immer noch viele Mädchen (und Jungen – aber die sind halt grad mal nicht die Hauptpersonen in diesem Buch – sorry guys) von der Entwicklung einer gesunden Sexualität abgehalten werden, indem man ihnen suggeriert, ihre Jungfräulichkeit sei so etwas wie ein Goldschatz, der unbedingt gehütet werden muss, wird kritisiert. Indem Frauen von ihren ersten Masturbationserfahrungen und -techniken erzählen, wird scheinbar „Verbotenes“ normalisiert und entdramatisiert. Diese Philosophie zieht sich durch das gesamte Buch. Weg mit der Scham, her mit der Lust! Weg mit den drei Affen (Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen), her mit allen Sinnen und her mit den richtigen Worten, um dem Partner zu sagen, was einem gefällt (und was nicht)!

Kurz: Bitte der besten Freundin schenken und von ihr schenken lassen. Und einfach mal bei CAKE vorbeischauen, die haben z.B. gerade „Feuchtgebiete“ entdeckt, das sie unbedingt übersetzt haben möchten, weil sie so gespannt darauf sind! Vielleicht hat jemand Lust, ihnen zu helfen?

Erotik für Frauen III: Jungsheft
Erotik für Frauen I: Alley Cat

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15 Kommentare zu „It’s Sexytime! – Erotik für Frauen (Teil II)

  1. Ist das Buch auch für Männer empfehlenswert? Wir haben ja das Problem, dass die Männerzeitschriften (Men’s Health etc., nicht so ein Mist wie die Praline oder anderes Billigzeugs) immer die Bedürfnisse der Frauen im Focus haben, wie es bei Frauenzeitschriften – wie Du ja sagst – andersherum genauso ist. Das alles hilft mir aber nichts, wenn meine Freundin nicht kommuniziert. Wir Männer haben ja kein Problem damit zusagen: Mach mal so, Kuck mal hier, das finde ich scharf etc., aber die meisten Frauen wohl schon. Würde das Buch einem Mann dabei helfen, die eigene Freundin zu verstehen und es ihr leichter zu machen „ihm zu helfen ihr zu helfen“?

    Und ihr Frauen steht wirklich auf Dreier? Irgendwie dachte ich immer, das wäre so ne Vokuhila-Porno-Produzenten-Fantasie. So, wie ich keinen einzigen Mann persönlich kenne, der tatsächlich gerne mal mit zwei Frauen würde – auch wenn man es sich in geskripteter Erotik gerne anschaut.

  2. Sorry für den letzten Absatz – aber irgendwie hat mich die Sandwic-Kiste, sofern nicht ein kleiner Snack zwischendurch gemeint ist – gerade vom Stuhl gehauen.

  3. *lol* ich kann dazu nur zitieren: „Wir wollen hervorheben, auf welche positiven Arten Frauen sexuelle Lust suchen und finden. Dabei behaupten wir nicht, dass alle Frauen Sexualität so erleben oder erforschen müssen, wie wir es schreiben.“

    aber ja: es ging hier nicht um ein kulinarisches Erlebnis ;) *Stuhl wieder hinstell*

  4. und zur Frage: warum solltest du das Buch nicht auch lesen. Ich würde es dir empfehlen. Aber pass auf, dass du nicht wieder vom Stuhl fällst! ;)

  5. „Ihr Frauen“ gibts schonmal gar nicht…. :)

    Feuchtgebiete kommt doch jetzt auf englisch (und in zig anderen Sprachen raus) bzw ist schon: wetlands

    edit:
    Ich seh gerade, der entsprechende Eintrag auf der Seite ist vom Mai diesen Jahres.

  6. Ohne jetzt zu sehr abzudriften, „Interessant“: Ja, es gibt Menschen, die Dreier toll finden, ich kenne persönlich mindestens 3 ;-)

  7. Katrin,

    „Hier wird Sexualität nach den Bedürfnissen von Frauen durchdekliniert und nicht – wie es leider die meisten Frauen-Sex-Ratgeber sonst tun – nach denen von Männern.“

    finde ich cool. Da habt ihr (Frauen) uns was voraus. Vielleicht sollte ich mehr Frauen-Sex-Ratgeber lesen, wenn die die Sexualität von Männern so gut kennen. Denn ich fände es wirklich schön, mal ein Buch über Sexualität zu lesen, das Männern erlaubt, selbstbewußt zu ihrer Sexualität zu stehen und das sich nicht quasi ausschließlich mit der Frage beschäftigt, wie man für Frauen „besser“ werden kann, wie man sie glücklicher machen kann, die eigene sexuelle Erfahrung letztlich über die der Partnerin definiert, sondern sich tatsächlich mal mit der eigenen Erotik auseinandersetzt.

    „Die Art und Weise, wie immer noch viele Mädchen (und Jungen – aber die sind halt grad mal nicht die Hauptpersonen in diesem Buch – sorry guys) von der Entwicklung einer gesunden Sexualität abgehalten werden, indem man ihnen suggeriert, ihre Jungfräulichkeit sei so etwas wie ein Goldschatz, der unbedingt gehütet werden muss, wird kritisiert.“

    Und zurecht kritisiert. Aber wie heißt es so schön: Wir sind eine Gesellschaft, die „oversexed“ ist, und gleichzeitig „underfucked.“ Ich sehe allerdings auch (vor allem für Männer, aber auch für Frauen) im feministischen Diskurs über männliche Sexualität , der sich im wesentlichen auf Gewalt beschränkt, ein Problem, das zur oben beschriebenen und kritisierten Tabuisierung und Virtualisierung von Sexualität beiträgt.

  8. Öhm , Katrin, glaubst du wirklich, dass die meisten Frauen-Sex-Ratgeber die *wirklichen* Bedürfnisse der Männer im Fokus haben?

    Doppel-Öhm, ziehe die frage zurück, die kann nur ein Mann beantworten, der Frauen-Sex-Ratgeber gelesen hat. Werde ich vielleicht mal tun. Also, lesen und dann meine Frage beantworten.

  9. och. naja. von den sieben oben aufgeführten punkten treffen mindestens zwei nicht auf mich zu, wobei ich mich für eine sehr aufgeklärte und nicht lustfeindliche frau halte.

  10. Danke für die Rezension und vor allem für den Tip.
    Ich werde das Buch auf Jeden verschenken.. oder doch behalten.. mal sehen..

  11. palü: „Philosophie“ heißt ja immer, dass es eine bestimmte Betrachtungsweise ist, eine von vielen möglichen. Also: Mach dein Ding und lass dich nicht unter Druck setzen! :)

  12. Ein sehr erfrischender Ausflug in die Welt der weiblichen Experimente, wenn ich das mal so nennen darf!
    Frauen, die ein eigenes Verhältnis zu ihrer Sexualität leben wollten und wollen, waren in der Vergangenheit Zielscheibe von Diffamierungen. Die gedankliche Beschäftigung mit mit Sex konnte nicht geteilt werden, Frauen trauten sich meist nicht, über ihre Wünsche und Fantasien zu reden, weder untereinander noch mit Männern. Die immergeile verfügbare Hure oder die brave Hausfrau oder was da noch für Stereotype Bilder von Frauen und Sex im Umlauf sind. Auf U-Porn wird das Stereotyp der immer fickbaren, zu nichtsanderemexistierenden „Pussys“ propagiert. Der „Gangbang“ als „Must“ unter Jugendlichen, das ists, was die Sexualität von Frauen eben leider auch mitbestimmt.
    Umso besser, wenn es ein paar mutige gibt, die eine alte aber seltene Tradition des 20.Jahrhunderts (Anais Nin u. a.)aufgreifen, weiterführen und jetzt mal thematisieren! Ich jedenfalls werde dem Nachgehen!
    Übrigens: wie siehts eigentlich mit Frauen aus, die nicht in das Hochglanzklischee passen, weil sie jenseits der magischen 40 sind? Vielleicht könnte man der Brigitte für ihr Magazin Brigitte Woman mal eine Literaturempfehlung geben!

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