Gemeinsames Sorgerecht, ‚Passing‘ und Vorsätze für 2015 – kurz verlinkt

deutschsprachige Beiträge

Das Portal Filmlöwin ist gelauncht: „Mit einer ausschließlich feministischen Perspektive will FILMLÖWIN Filmen von und über Frauen nicht nur zu mehr Aufmerksamkeit verhelfen, sondern auch einen entscheidenden Schritt hin zu mehr Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern in der Filmproduktion leisten und für die Themen Sexismus und Diskriminierung von Frauen im Spielfilm sensibilisieren.“

Gemeinsames Sorgerecht per default? Klingt erst mal gut und nach geteilter Verantwortung. Was das praktisch jedoch bedeuten kann, beschreibt Sarah Jäggi in der ZEIT anhand eines Beispiels aus der Schweiz.

Die antifaschistische Zeitung LOTTA hat einen Sonderdruck zum Schwerpunktthema Antifeminismus heraus gegeben.

In Stuttgart findet ein Gynäkologe, der ambulante Schwangerschaftsabbrüche vornimmt, keine neuen Klinikräume. Fundamentale ChristInnen schüchtern potentielle Vermieter_innen ein, berichtet die taz.

Vanja wurde in der taz zur Kampagne für eine dritte Option interviewt: „Ich bin weder Mann noch Frau“.

englischsprachige Beiträge

„Don’t change, just because your body does.“ ist das Motto von butchbaby. Nach eigenen Angaben: „The first androgynous alternity pregnancy wear for queer individuals.

[Inhaltshinweis: Cissexismus, Suizid] Zu Leelah Alcorn, einer siebzehnjährigen Trans*frau, die sich Ende Dezember das Leben nahm, und den Reaktionen auf ihren Tod, schrieb A Cunt Of One’s Own.

I AM (HEAR) ist ein Videoprojekt von Olympia Perez für Black Girl Dangerous im Rahmen des „MagniFLY! A Video Visibility Project For Trans Women of Color“:

Vor dem Büro der Schwarzen Bürger_innenrechtsorganisation NAACP in Colorado Springs explodierte am Dienstag eine Bombe.

Zum gestrigen Anschlag auf Charlie Hebdo in Paris schreibt Richard Seymor bei Jacobin.

Auf ravishley schreibt Jetta Rae über das Konzept von „passing“ in einem bestimmten Geschlecht („We want to live our truth, but that requires “living,” which may necessitate mimicry. Some women get their hair cut like Tina Fey to look attractive—others to avoid harassment when outside of their homes.“), über Frauenbilder, die eh nur für wenige erfüllbar sind, und warum sie nicht mehr (ständig) trotzdem versucht diese zu erreichen.

Vor 80 Jahren veröffentlichte National Geographic einen Artikel mit dem Titel „Manless Alpine Climbing: The First Woman to Scale the Grépon, the Matterhorn and Other Famous Peaks Without Masculine Support“ – das Bitch Magazine nimmt u.a. das Jubiläum zum Anlass, um in die Geschichte von Bergsteigerinnen und Klettererinnen zurück zu schauen.

Ein Schwarzer James Bond? Zeter! Mordio! Kulturverfall! Zu den rassistischen Reaktionen auf den Vorschlag, Idris Elba als den neuen 007 zu besetzen, berichtete Shakesville.

Und zu guter Letzt: Bei der Washington Post erzählen feministische Aktivist_innen, was sie in 2015 zu erreichen hoffen.

Termine Berlin und Halle

15.01. 2015 in Halle: Mädchenmannschafts-Autorin Sabine Mohamed spricht zu  „Schwarzer Feminismus in Deutschland – Black Feminism is not white feminism in Black face„.

30. und 31.1. 2015 Berlin: Fachtagung „Audre Lorde’s Germany„.

33 Kommentare zu „Gemeinsames Sorgerecht, ‚Passing‘ und Vorsätze für 2015 – kurz verlinkt

  1. Das ist sehr schade, dass euer einzige Reaktion auf das Massaker von Paris ist, diesen widerlichen Artikel von Jacobin zu verlinken.

  2. @Frederik: Was ich persönlich ja schade finde, ist, dass sich für manche die Aussagen „Ich verurteile religiösen Fundamentalismus und Terror“ und „Ich verurteile Rassismus“ auszuschließen scheinen.

    Ich wiederhole hier mal nur, was ich vorhin getwittert habe: Ich muss nicht Charlie sein und jetzt jede rassistische Karikatur (siehe z.B. hier) aus Prinzip verteidigen, um diesen Terroranschlag schrecklich und widerlich zu finden. Dazu steht im verlinkten Artikel ganz explizit: „I think there’s a critical difference between solidarity with the journalists who were attacked, refusing to concede anything to the idea that journalists are somehow “legitimate targets“ and [ich persönlich würde hier einfügen: uninformierte und absolute] solidarity with what is frankly a racist publication.“ Im übrigen sind tatsächliche Analyse-Artikel zu dem Anschlag gerade noch rar – wer bessere Artikel findet, ist herzlich eingeladen, diese hier in die Kommentare zu posten.

    Ich bin entsetzt über die Morde und ihre politischen Hintergründe – aber ich bin nicht Charlie. Und ich finde es bedenklich, dass man diesen Artikel als „widerlich“ bezeichnet und offenbar die bedingungslose Annahme auch rassistischer Karikaturen als einzigen Ausdruck der Solidarität mit Mordopfern und deren Hinterbliebenen und als einzig legitimen Ausdruck von Trauer zu stilisieren versucht. Satire braucht keine Rechtfertigung (…wobei ich es am Rande auch toll fände, wenn manche Leute nochmal nachgucken könnten, wie man Satire definiert). Aber man darf Satire auch kritisieren. Und Kritik an bestimmten rassistischen Karikaturen ist keine heimliche Terrorismussympathie. Vielleicht könnte man ausnahmsweise mal weniger unterkomplex diskutieren, gerade, wenn jetzt schon das und das geschieht? Danke.

  3. Der beste Artikel, den ich kenne, ist der hier: http://www.juancole.com/2015/01/sharpening-contradictions-satirists.html?utm_source=dlvr.it&utm_medium=facebook

    Zwei Punkte:
    1. Charlie Hebdo hat gespuckt auf Leute, die rechte Gewalt ausüben, gespuckt auf Le Pen und Dieudonné.
    2. Sie haben die Mohammed-Karikaturen aus Prinzip nachgedruckt, obwohl sie wussten, das sie sich damit in Lebensgefahr begeben.

    Das heißt nicht, dass sie über jede Kritik erhaben sind. Aber diese beiden Punkte zu unterschlagen, damit man sich mit ausgelatschten Critical-Whiteness-Argumenten moralisch über Leute erheben kann, die gerade mit dem Maschinengewehr niedergemäht wurden, ist armselig.

  4. @Frederik: Meine Güte, ist das peinlich… o_O Dein Rassismusverständnis (und oh, hallo, alles ist wieder Critical Whiteness – was genau hat diese Debatte mit Critical Whiteness zu tun, ausser, dass Du auf dem MM-Blog gelandet bist und schnell ein Stereotyp brauchtest?) lässt wirklich zu Wünschen übrig… o_O Was genau Deine Punkte 1 und 2 (die ich „unterschlagen“ hätte? Wie bitte?) mit dem von mir Angesprochenen zu tun haben, und warum die Anmerkung, dass die Forderung bedingungslos „Je suis Charlie“ zu sagen (wohlgemerkt: Zu sagen: Ich bin die Zeitschrift, nicht zu sagen: Ich solidarisiere mich mit den Opfern dieses Terroranschlags, ich trauere um sie, ich fühle mit den Hinterbliebenen und ich verurteile diese Tat), sich bedingungslos mit jeder rassistischen Karikatur zu solidarisieren, um damit wiederum die Solidarität mit den Mordopfern ausreichend zu beweisen, problematisch ist, „moralisch“ überheblich sei, bleibt auch unklar. Aber hey, QED für Unterkomplexität. Immerhin. Tschüss, Frederik!

  5. „Wir brauchen viel weniger von diesen Spaltern, wir brauchen nicht noch mehr Scharfmacher, wir brauchen noch mehr Dialog. (…) Wie wollen wir denn in Zukunft hier leben? Wollen wir uns nur noch anschreien in Zukunft? (…) Wem nützt das vor allen Dingen? (…) Wie wärs mit ner differenzierten Debatte? Und wenn Du Dich um Dialog bemühst, um Integration, dann wirst Du sofort abgewatscht. ‚Sozialromantik und Mulitkultikuschelkurs!‘ – abgekanzelt, Ende. Ja sicher Multikultikuschelkurs. Was denn sonst?!?!? Prügelkurs?! Gibts ne Alternative zum Multikultikuschelkurs?! (…) Wehe uns, wenn hier demnächst die Moscheen brennen. Dann wills wieder keiner gewesen sein!“

    Hagen Rether, 2006, nach einer Auseinandersetzung mit den damaligen Stern- und Spiegelcovern und der der öffentlichen Debatte um „den Islam“
    (https://www.youtube.com/watch?v=QL65dcC_UNM)

    Ich bin ja kein Fan von „dieser und jene grrrroße Mann spricht D-I-E Wahrheit, wie noch KEINE_R vor ihm!!!!“ – aber weil ich dieser Tage kaum noch normale Nachrichten und den allgemeinen öffentlichen Diskurs ertrage, aus naheliegenden Gründen die auch hier schon angeklungen sind, gucke ich zu Ventilierungszwecken im Moment ganz gerne solche Videos auf Youtube.
    Natürlich ist Hagen Rether nicht im Geringsten der Einzige ist, dem diese Gedanken kommen (siehe zB hier: http://dtj-online.de/pegida-medien-islamfeindlichkeit-44469), aber manchmal ist es ja zumindestens ein wenig „erleichternd“ wenn jemand Sachen gefällig auf den Punkt bringt, die im eigenen Kopf herumschwirren (auch wenn sicherlich selbst nicht 100%ig frei von Kackscheiße). Wenn noch wer ein wenig gucken will:

    https://www.youtube.com/watch?v=PIm66YYVu0s
    (zum Thema „angebliche Integrationsunwilligkeit“)
    https://www.youtube.com/watch?v=TsWLyy8Uin0
    (zum Thema „Angst vor dem Islam“)
    https://www.youtube.com/watch?v=LXOa5xdPFm0
    (zum Thema „Bigotterie und Krieg“)
    Und, m.M.n. auch ganz befreiend zum deutschen Brauchtum des „auf die bösen ANDEREN“ zeigen:

  6. @ accalmie

    Deine Texte und Kommentare haben für mich übrigens oft eine ähnlich kathartische Wirkung wie Hagen-Rether-Videos…. :-)
    Danke dafür!

  7. was frederik meines erachtens richtigerweise anspricht, ist die tatsache, dass es vielen leuten um diese seite hier nicht über die lippen kommt, die zigfachen morde zu verurteilen und stattdessen „narrative/diskursive… gewalt“ mit der reellen ermordung von menschen gleichgesetzt wird. Bedingungslose Solidarität mit den Opfern ist gefragt, weil es wahnsinnig perfide ist, Menschen für ihre Aussagen niederzuknallen.

  8. @Paulette: Wow. Jetzt gesellt sich mein Entsetzen dazu, dass Leute es tatsächlich für angebracht halten, Debatten um Critical Whiteness hier reinzuschieben. Ernsthaft? Weil ich die Morde nicht verurteilt hätte (trotz mehrfacher Ausführung genau dessen, siehe z.B. den ersten Satz meines ersten Kommentars, und das meine ich ohne wenn und aber)? Weil Rassismus keine „reelle Ermordung“ von Menschen zur Folge hat? Weil Narrative/Diskurse keine Form von Gewalt sind oder, wenn man dem widersprechen würde, keine Gewalt zur Folge haben (können)? Weil man sich nicht auch ganz unabhängig von „Je suis Charlie“ fragen könnte, für wen wir denn bedingungslose Solidarität übrig haben und für wen nicht? Weil mit keinem Wort hier irgendjemand auch nur feststellte, dass es auch einen Terroranschlag auf ein NAACP-Büro in Colorado gab, bei dem zum Glück niemand verletzt wurde – was aber den Terroranschlag nicht weniger zu einem solchen macht, auch, wenn dieser nicht als solcher bezeichnet wird? Oder weil Kritik an der Perfidität, eben nicht bedingungslose Solidarität für die Menschen, die „niedergeknallt“ (Deine Wortwahl…) wurden zu fordern, nicht für Satire, nicht für (Meinungs- und Religions-)Freiheit, sondern bedingungslose Solidarität für CharlieHebdo zu fordern – für die Zeitschrift, die auch solche Karikaturen veröffentlichte, wie ich sie in einem vorhergehenden Kommentar verlinkte, mal frei assoziativ als „armselige“ Critical Whiteness gedeutet wird? Nur: Wow. Das spricht alles für sich.

    Wer weitere Analyseartikel und Beiträge zum Gedenken an die Opfer hat, möge diese bitte ergänzen. Danke.

  9. @accalmie&frederik
    Ich finde es ganz… bezeichnend, wie diese kurze Diskussion hier abläuft, muss ich zugeben. Und ich finde sie in beide Richtungen ein Stück weit nachvollziehbar. Ich stimm accalmie ja zu, was die Beurteilung einiger von C.H. veröffentlichen Karrikaturen betrifft und ich denke auch, dass diese kritisiert werden können und sollen.
    Ich finde es jedoch eigenartig, in welcher Form teilweise auf diesen grausigen Terroranschlag reagiert wird. (Und so besorgniserregend und schrecklich der missglückte Anschlag auf das NAACP-Büro auch ist – soll der jetzt mit dem auf C.H. gleichgesetzt werden, zur Relativierung dienen oder so? Wo ist da der Zusammenhang= Ich versteh nicht, weshalb das Teil der Diskussion sein muss…) – Ist es nicht eigenartig, wenn 12 Menschen umgebracht werden und das, worauf ich inhaltlich als einziges wirklich eingehe (denn ein kurzer, nebenbei fallen gelassener Satz, dass eins den Anschlag auch verurteilt, abscheulich und illegitim findet, zählt da m.E. nicht), ist der rassistische Karrakter einiger der Karrikaturen, die von C.H. veröffentlicht wurden? Warum diese Fokus-Setzung? Ist das das Haupt-Problem, was dieser Anschlag deutlich macht? Ich denke nicht.
    Ich halte es ja für gut, wenn eine rassistische Publikation als solche benannt wird (am besten kurz nach ihrer Publikation und direkt darauf bezogen! Nicht in einer anderen politischen Diskussion.), aber das bei diesem Thema so in den Mittelpunkt zu stellen finde ich doch eigenartig, selbst wenn ich den Aussagen inhaltlich zustimme (Es kommt eben auch darauf an, wann, wo, was in welchem Kontext gesagt wird, oder?).
    Extrem wichtig finde ich es jedoch, auf die rassistisch motivierten „Racheakte“, die es heute in Frankreich gegeben hat, einzugehen und deutlich zu machen, dass es durch nichts zu rechtfertigen ist, so auf dieses schreckliche Ereignis zu reagieren. Das ganze darf sich unter keinen Umständen hochschaukeln – das spielt Islamist(_Inn?)en und Rassist_Innen in die Hände und führt nur zu noch größeren Eskalationen und noch mehr Leid. Danke also für die diesbezüglichen links, accalmie.
    Ich glaube im Übrigen, und damit ende ich jetzt, dass du das „Je suis Charlie“ ein Stück weit überinterpretierst, wenn du so tust, als würden alle, die sowas sagen oder schreiben damit automatisch sagen, dass sie jede einzelne Publikation dieser Zeitschrift großartig fanden und sich voll und ganz damit identifizieren. Ich halte es für einen, womöglich unreflektierten, dann aber ausnahmsweise mal nachvollziehbarer und endschuldbarer Weise, unreflektierten, Akt der Solidaritärsbezeugung bezüglich der Opfer, ihrer Angehöriger und als Statement für Gewaltfreiheit, Demokratie, Pressefreiheit und das Recht auf freie Meinungsäußerung.
    (Auch wenn ich persönlich wohl nicht mit so einem Schild herumlaufen würde…)

  10. @Jasper: Ich reagierte explizit auf die Vorwürfe in Frederiks und Paulettes Kommentaren und die dominanten Berichterstattungen/Reaktionen und sich daraus anschließenden Fragen. Daraus erschliesst sich auch, was das eine mit dem anderen zu tun hat, worauf ich eingehe und auf was nicht, wie der NAACP-Anschlag da hineinfällt, welche Fokusse gesetzt werden und was kritikwürdig an welchen ist. Gut zu wissen aber, dass ich Worte und Gesten nicht als Worte und Gesten interpretieren sollte – Je suis Charlie ist gar nicht das, was es aussagt… Alles klar. #smdh #eodforme

  11. @Trippmadam: Wessen Bild (und warum)? Was heißt „unverdächtige Quelle“ in diesem Zusammenhang (und für wen und warum)? Warum ist das was „für den Anfang“ – was kommt danach? Wie verändert das die bisherige Debatte hier Deiner Meinung nach?

  12. Danke accalmie. Ich finde es schlimm, wenn Menschen von Terroristen ermordet werden. Ich möchte, dass sowas nie wieder passiert. Wie kann man das verhindern? Es mag paradox klingen, aber indem man Islamophobie ernst nimmt. Indem man jungen Menschen, die sich von der Gesellschaft nciht ernstgenommen fühlen und von der Mehrheitsgesellschaft wegen ihres Glaubens mit Argwohn betrachtet werden, auch Gehör schenkt. Muslime sind diejenigen als Konsequenz aus solchen Anschlägen an den Rand der Geesllschaft gedrängt werden. Die Terroristen rekritueren sich genau aus dieser Gesellschaftsschicht: Sie Bauen darauf, dass Angst zu Ablehnung und Benachteiligung führt. Deshalb kritisiere ich auch das kritiklose Reproduzieren von Karikaturen, die die ein Bild vom terroristischen Islam schüren. Ich sehe selbstverständlich, dass Charlie Hebdo über alle Religionen Karikaturen gedruckt hat. Ich finde es gut, dass es Satire gibt, aber Charlie Hebdo hat, zb bei der Verhöhnung der Boko Haram-Opfer, auch oft die Grenze zur Diffamierung auf unterträgliche Weise überschritten. Deshalb kann ich mich nciht mit dem Magazin identifizieren. Das ist nciht im Widerspruch zu meinem tiefen Mitgefühl für die Opfer. Ich verstehe, dass sich Muslime aufgrund ihrer „Stellung“ in der Gesellschaft oft diffamiert fühlen, was der Mehrheitsgesellschaft wahrscheinlich nohc nichtmal auffällt. Jetzt zu sagen „die sollen sich mal nicht so aufregen, schließlich geht es hier um die Toten von Charlie Hebdo“ ist nachvollziehbar, löst aber meiner Meinung nach das Problem nicht. Aus dieser Kluft der Nährboden entsteht, der junge Menschen radikal werden lässt, und das möchte ich am liebsten verhindern, und deshalb möchte ich auch nciht ohne nachzudenken sagen „je suis Charlie“, auch, wenn ich selbst Atheistin bin.

  13. Danke für deinen Kommentar, Jane. Ich seh‘ das anders mit dem „Nährboden“ – ich finde es problematisch zu sagen, Satire könne der Nährboden für Terror sein. Nein – bei Charlie Hebdo war bestimmte Satire einfach Rassismus. Ich sehe da keinen Nährboden, kein Rechtfertigungspotential für irgendwas anderes ausser Kritik, Boykott, Protest-Aktionen. Und mein Problem in dieser ganzen „Debatte“ ist nochmal ganz konkret, dass gerade PoC nun im Namen absoluter, kein „Aber“ zulassender Solidarität mit der Zeitschrift auch eben jenen Rassismus abnicken sollen, um ihre Terrorismusablehnung Nicht-PoC zu beweisen. Es ist 2015. Ich bin irritiert, dass man noch heute Leuten erklären muss, warum dichotomisierende Kollektivanrufungen ein bisschen problematisch sind, und die Rhetorik, dass man entweder Charlie Hebdo ist oder Terrorismusapologist_in, ebenso. Mal abgesehen davon, für wen wir denn absolute Solidarität übrig haben – ich zitiere mal Nadia: Niemand war Enver Simsek oder Ismail Yasar. Ergänzung: Und momentan ist auch niemand Borno.

  14. Ich würde das gar nicht so unabhängig voneinander sehen. Satire an sich ist kein Nährboden für irgendwas, es ist einfach Satire. Ich mache da für mich persönlich aber einen Unterschied zwischen Satire, die sich (auch) indirekt gegen Herrschaft wendet und sie kritisiert und Diffamierung. Ich würde das, was bei Charlie Hebdo teilweise veröffentlicht wurde, tatsächlich so bezeichnen, weil es ohnehin schon Benachteiligte weiter mit den gleichen Instrumenten wie die, die sie unterdrücken, verhöhnt und den Schaden so vergrößert. Das alleine macht noch keinen Terror, aber es schafft ein Klima, in dem Wut und Frustration bei denen gedeihen, die sich ohnehin schon von der Mehrheitsgesellschaft abgelehnt sehen. Das ist neben vielen anderen Dingen eine der Voraussetzungen dafür, dass Radikale Gruppen überhaupt Mitglieder anwerben können. Dann kommt on top noch hinzu, dass nun alle von den Menschen, die sich eh schon ständig mit Vorurteilen konfrontiert sehen, verlangen, sich hinter eine Mehrheitsgesellschaft zu stellen, die sie ausgrenzt. Es sit für mich sozusagen beides Teil des selben Phänomens. Dieses entweder-oder führt genau zu der Spaltung, die von Terroristen gewollt ist. Deshalb finde ich es jetzt so unerträglich, dass alle die Karikaturen von Charlie Hebdo so kritiklos reproduzieren.

  15. @accalmie: (ich tue jetzt mal so, als hielte ich Deine Fragen für ernst gemeint)
    Für den Anfang: weil ich glaube, dass wir in der Einordnung und Analyse der Geschehnisse um CharlieHebdo noch ganz am Anfang stehen.
    In welches Bild: in das Weltbild der Mädchenmannschaft
    Unverdächtige Quelle: nicht aus einer Publikation „alter, weißer Männer“

  16. @Trippmadam: Und da haben wir’s. Da müssen wir auch nicht so tun, als müsste man hier irgendwas mit dir diskutieren (…genau das hattest du ja auch nicht vor angesichts der Auswahl deiner Antworten – die Fragen waren nämlich tatsächlich Ernst gemeint). Danke für die Selbstoffenbarung, Trippmadam, und das erneute Unterkomplexitäts-QED. Wobei… „Das Weltbild der Mädchenmannschaft (TM)“ zu schreiben ist schon ziemlich lustig, gerade angesichts des Ablaufs dieses threads (…und ich wusste gar nicht, dass ich Die Mädchenmannschaft bin…). m) :D

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    Zum Thema: Ein Artikel der Huffington Post zu dem (verbundenen) antisemitischen Anschlag auf einen koscheren Supermarkt. Erneut: Wer weitere Beiträge verlinken möchte, bitte einfach in die Kommentare posten. Danke.

  17. Einfach mal danke, accalmie. Evtl. sollten sich gewisse Leute überlegen warum sie sofort mit Pauschalisierungen und Beleidigungen antworten müssen wenn jemand gewisse Einwände dazu hat sich auch mit rassistischen Karikaturen solidarisiern zu sollen für die Terrorabwehr.

  18. @Stefan: Danke.
    @watsowatso: In der Tat, Jean-Marie und ich – man duzt sich… – sind inhaltlich (und persönlich, was viele nicht wissen!) voll auf einer Linie. Das hast du blitzschnell analysiert.

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    Um die Debatte also zusammenzufassen: Wer die Implikationen eines bedingunglosen „Je suis Charlie“ (wie oben erläutert) kritisiert, ist Terrorismussympathisant_in, Irgendwas-Mit-Critical-Whiteness oder (zumindest argumentativ genau d’accord mit einer_einem) Faschist_in, gar Le-Pen-Schwarze, ja? Jeder Versuch, weitere Aspekte dominanter Reaktionen auf den Terroranschlag anzusprechen, nach Texten und Gedenkbeiträgen zu fragen (und selbst welche anzubieten) und tatsächlich die Opfer der Anschläge, auch des antisemitischen Anschlags auf den koscheren Supermarkt, in den Mittelpunkt zu rücken, sind an der ungemein pietätvollen Wand der „Die oder Wir!“- und „Typisch MM, köstlich!“-Ideologiefreiheit gescheitert. Gutes Gespräch.

    Good night and good luck :)!

  19. Hut ab dafür auf dieses Getrolle auch noch mit Geduld und Humor einzugehen @accalmie. Ich stimme dir zu, ich verurteile die Anschläge aber Charlie bin ich nich,t und das ist eben auch Meinungs-Freiheit.

  20. Was viele ebenfalls nicht wissen: Auch wenn ich als Migrationshintergrundsdeutsche mit „orientalischem Blut“ (Fremdbezeichnung) fleißig jawohl und Amen sage und artig „je suis Charlie“ mit den anderen runterbete, um mich nicht etwa verdächtig zu machen, bin ich TROTZDEM Terrorsympathisantin! Das sit ja das Beschissene, man sagt den säkularen Zauberspruch, und es glaubt einem einfach keiner! Da kann man noch so sehr beteuern, dagegen zu sein, beim nächsten Blind Date (in Bayern, Randnotiz) wird man dann gefragt: „Bringst du Bomben mit, haha“? (wie gesagt, wahre Begebenheit) Man ist verdächtig, man war verdächtig, man bleibt verdächtig, auch wenn es witzig gemeint ist. Wehrt man sich gegen sowas, ist es dann auf einmal nicht mehr witzig, dann kommt eher: ja aber, „ihr“ seid ja nunmal dafür bekannt, dass.. Nur meine Verbindung zu Le Pen war mir neu..

  21. Danke, accalmie, dass Du mir die ganze Breite und Untiefe menschlicher Reaktionen erneut vor Augen führst. Ansonsten bleibt mir nur zu sagen, dass ich mit Deiner Meinung, wie Du sie hier vorträgst, überhaupt nicht einverstanden bin. Du scheinst Satire nur mit dem pauschalen Totschlagargument „Rassismus!“ entgegentreten zu können, das ist so tief wie wenn ich auf Deine Wut auf „alte, weisse Männer“ entgegnen würde, das sei sexistisch, weil gegen Männer. Auch alte, weisse Männer haben manchal Recht, und Satire darf, ja muss manchmal geschmacklos und böse sein. Aber was Du geschrieben hast war keine Satire, nicht wahr? Das meinst Du ernst… Faszinierend!

  22. @Pardel: Ich bin auch fasziniert.

    Davon, dass zu sagen, „bestimmte Karikaturen sind rassistisch; Satire braucht keine Rechtfertigung, aber ich darf Satire trotzdem kritisieren“ als „(Diese/Jede) Satire ist (grundsätzlich) rassistisch“ übersetzt werden kann;

    dass zu sagen, dass ich aus ganz bestimmten (und mehrfach erwähnten) Gründen nicht bedingungslos Charlie Hebdo sein kann (und will), mal mit „Wut auf ‚alte, weisse Männer'“ übersetzt werden kann (was besonders interessant ist, weil du der einzige bist, der diese Beschreibung einbrachte; Ergänzung: Da bietet es sich aber an, auch noch einmal auf Nadias Satire hinzuweisen), mal mit Befürwortung der Ermordung von Satiriker_innen, mal mit Le-Pen-Übereinstimmung;

    dass es als Untiefe menschlicher Reaktion gilt, ganz bestimmte Einwände bei der im Namen von Pietät bedingungslos geforderten Kollektivierungen zu haben, nicht aber, dass aus bestimmter Kritik an einem verabsolutierten #JeSuisCharlie ein „Typisch MM/Critical Whiteness/Das ist ja so ‚tief‘ wie reverse sexism-Gerede/Was auch immer man gerade frei assoziiert“ gemacht wird, ganz pietät- und würdevoll;

    dass weiterhin keine einzige Person hier, die so argumentiert, es bedenklich findet, dass man in der Reaktion auf den Terroranchlag bedingungslos die Zeitschrift sein soll, um so, und nur so, die eigene Trauer und die Verurteilung von Terror zu beweisen, aber z.B. #JeSuisJuif, #JeSuisAhmed, #JeSuisBorno oder – ein anderes Feld – #BlackLivesMatter immer nur Nebensache blieb oder #IchBinEnverSimsek niemals existierte;

    oder dass ich zum wiederholten Male, jetzt auch wieder, um analytische Artikel und Gedenkbeiträge für die Anschlagsopfer bat, die aber größtenteils ignoriert werden oder mit süffisantem Unterton versehen, ohne sich dabei argumentativ an der „köstlichen“ Debatte zu beteiligen.

    All das zeigt genau die Problematik, die ich angesprochen habe; auch, ohne selbst Satire zu sein. Das ist in der Tat faszinierend; man könnte es auch geschmacklos und böse nennen. Entlarvend ist es so oder so. /eod, jetzt wirklich.

    _________________________________

    Zum Thema: Ich fand diesen Artikel im New Yorker interessant, komplex(er) und wichtig, auch, wenn ich mit der Ansicht „But it is possible to defend the right to obscene and racist speech without promoting or sponsoring the content of that speech“ offensichtlich nicht absolut übereinstimme (…und im übrigen auch nicht der dort vorgenommenen, sehr einseitigen Beschreibung des Gaza-Kriegs). Ein weiterer Artikel: Haaretz on #JeSuisJuif.

  23. @pardel: du scheinst accalmies Argumentation nicht verstanden zu haben. Satire ‚darf‘ so ziemlich alles sein, ja gegenwärtig ‚darf‘ sie (leider) sogar volksverhetzenden Inhalt haben, sie ‚darf‘ aber auch kritisiert werden. Die von Charlie Hebdo veröffentlichten Karikaturen werden aufgrund ihres diffamierenden rassistischen und islamophoben Inhaltes sehr zu Recht kritisiert. Dementspechend stoßen die Rufe nach bedingungsloser Solidarität mit diesem zweifelhaften Blatt bei vielen auch auf wenig Gegenliebe und werfen viele Fragen auf.
    Dass es ein himmelweiter Unterschied ist, ob sich ‚geschmacklose‘ oder ‚böse‘ Satire gegen privilegierte Berufsgruppen (zB Politiker) oder ohnehin diskriminierte Volks- bzw. Religionsgruppen (Muslime) richtet, siehst du, vermute ich mal, auch nicht.

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