Emanzipierte Kiwis

Unsere Leserin Dorothea hat uns auf einen Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung aufmerksam gemacht: „Das weibliche Ende der Welt“. Neuseeland scheint wie nebenbei das erreicht zu haben, wovon europäische und amerikanische Feministen und Feministinnen derzeit nur träumen können: Eine Gesellschaft, die in hohem Maße, ja in einer Phase in den 90ern fast ausschließlich, von Frauen repräsentiert wird. Eine Premierministerin, Bürgermeisterinnen, eine Generalstaatsanwältin… Insgesamt sind 47% der neuseeländischen Arbeitsstellen von Frauen besetzt:

„Anders als in vielen europäischen Ländern haben die neuseeländischen Frauen den Aufstieg ohne Förderprogramme und Quoten erreicht. „Vorwärts gebracht haben uns der Abbau rechtlicher Ungleichheiten und eine expandierende Wirtschaft“, meint die Sozialwissenschaftlerin Marilyn Waring. […] Bestandsaufnahmen zur Rolle der Frau kommen in Neuseeland ohne anklagenden Unterton aus. Es wird kühl bilanziert und besonnen appelliert. „Die Forderung nach mehr Frauen in der Wirtschaft wird bei uns nicht mit den Rechten der Frau begründet, sondern mit den Vorteilen für die Wirtschaft“, sagt Waring.“

Aber:

„Trotz der Erfolge machen Feministinnen wie Marilyn Warin noch immer Defizite aus. „Nur weil man jetzt überall Frauen in guten Positionen sieht, lässt sich noch lange nicht von Gleichberechtigung sprechen“, sagt die Professorin und verweist auf den hohen Anteil von weiblichen Teilzeitstellen und die Gehaltsdifferenzen zwischen Männern und Frauen. Anschauungsmaterial bietet ihr eigenes Umfeld. Obwohl an der Auckland University of Technology deutlich mehr Männer als Frauen studieren, ist nur jeder vierte Professor eine Frau. […] In 60 der 100 größten Unternehmen sitzen heute keine Frauen im Vorstand.“

Liebe Leserinnen und Leser, wer von Euch war schon (länger) in Neuseeland? Eine Gesellschaft so voller wichtiger Frauen: Merkt man das? Und warum bekommen wir das nicht hin, verdammt?!
Anders gefragt: Wie schaffen wir es, dass auch hier Frauen endlich als wichtiger wirtschaftlicher Input gesehen werden und nicht mehr als die Gefahr einer Fehlinvestition?

20 Kommentare zu „Emanzipierte Kiwis

  1. „Insgesamt sind 47% der neuseeländischen Arbeitsstellen von Frauen besetzt:“

    „Trotz der Erfolge machen Feministinnen wie Marilyn Warin noch immer Defizite aus.“

    Ist klar. Hätte mich ehrlich gewundert wenns anders wäre.

  2. Es ist ganz einfach.
    Wenn frauen als wirtschafliche fehlinvestition gesehen werden, dann wird wohl was dran sein.

    Appelliert an alle eure geschlechtsgenossinnen, aufzuhören sich wie eine fehlinvestition zu verhalten; dabei geht es um die geisteshaltung zur arbeit, gar nicht mal um das risiko kinder zu kriegen.

  3. Doch aries, genau darum geht es, um das Risiko Kinder zu bekommen. So zumindest sehen das viele (die meisten?) Arbeitgeber.

  4. Anna,

    „Doch aries, genau darum geht es, um das Risiko Kinder zu bekommen. So zumindest sehen das viele (die meisten?) Arbeitgeber.“

    Ja, und aus *ihrer*, vermutlich rein betriebswirtschaftlichen, Sicht haben sie Recht damit, denn selbst wenn sich Männer 50% an der Erziehung beteiligen haben Frauen durch Schwangerschaft und die Stillzeit für den jeweiligen Arbeitgeber einen Kostennachteil gegenüber einem gleich qualifizierten Mann. Man könnte natürlich auch für die Einstellung von Männern eine besondere Steuer erheben, die dann zur Finanzierung von Mutterschaftsersatzkräften herangezogen wird. Der Punkt ist, Kinder sind ein wirtschaftlich gesehen ein positiver externer Effekt für die Gemeinschaft, aber eine Internalisierung dieses Effekts ist zumeist unmöglich.

  5. Weißt Du jj, der Staat hat echt viel Geld in meine Ausbildung gebuttert inzwischen… Und warum wurde in mich investiert? Damit ich Kinder bekomme? Ausschließlich, damit ich Kinder bekomme?

    Wäre das so, könnte man die Mädchen auch gleich wieder von den Gymnasien und Realschulen nehmen, ein wenig rechnen, ein wenig Hauswirtschaft, das reicht doch …

    Kinder bekommen, den Sozialstaat somit am Laufen zu halten ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Das kann man nicht auf eine der beteiligten Gruppen abwälzen und sagen „macht halt mal“ bzw „ihr seid schuld, dass….“.

  6. . Doch aries, genau darum geht es, um das Risiko Kinder zu bekommen.
    . So zumindest sehen das viele (die meisten?) Arbeitgeber.

    was macht dich darin so sicher?

    es geht nicht darum dass man einer frau nicht zugestehen würde für die zeit der geburt und kurz danach abzutauchen.

    schau mal wie es in frankreich geht:
    „… und wann kannst du wieder arbeiten? in 3 oder 4 monaten??“

    es geht darum dass viele frauen immer noch die mentalität mitbringen, „ich muss mich hier nicht abrackern wie ein mann. Ich bin ja schließlich eine frau.“

  7. Die Finanzierung von Mutterschaftsersatzkräften ist kein Problem, über die Umlage U2 erhält die Mutter Lohnersatz.

    Das Problem ist, daß es fast nie beim Mutterschutzurlaub bleibt, und da ist dann die ganze betriebspezifische Kompetenz weg. Es muß ein neuer Mitarbeiter erst gesucht, und dann eingearbeitet werden. Nach der Elternzeit muß der AG den wieder hinauswerfen, und die Mutter muß dann meistens auch wieder neu angelernt werden.

    Die Kinderbetreuungsmöglichkeiten sind zwar wichtig, aber mir kann keine gut ausgebildete Akademikerin erzählen, sie könne keine private Kinderbetreuung bezahlen.

  8. aries,
    bevor du über die sogenannte Mentalität moserst

    schonmal versucht in Deutschland
    a) einen Krippenplatz ganztags für ein Dreimonats-Kind zu bekommen
    b) einen Partner zu finden, der nach drei Monaten Mutterzeit nochmal solange Vaterzeit nimmt, bis o.g. Krippenplatz gefunden ist?

    Ja? gratuliere!
    Nein? Dann alles Gute bei solch einem Versuch, wir sammeln auch die Scherben hinterher auf.

    (sagt jemand, der nach kurzer Zeit wieder Vollzeit arbeitet, 50/50 Elternzeit aufgeteilt hat und im Ausland lebt, weils da Ganztags-Betreuungsplätze von hoher Qualität gibt. Wie nennt man sowas? Vereinbarkeits-Emigration?)

  9. noch zwei Sachen nachgelegt:
    1. So sehen die Realitäten bei heterosexuellen Paaren aus, die sich Familienpflichten teilen:
    http://www.nytimes.com/2008/06/15/magazine/15parenting-t.html

    2. Im Rahmen von Effizienz-Studien wurde belegt, dass Eltern, besonders Mütter effizienter am Arbeitsplatz handeln als vorher, also

    mehr Leistung in weniger Zeit bringen

    Leider wird dieser wirtschaftliche Vorteil der Beschäftigung von Müttern von den Vorgesetzten nicht wahrgenommen, aufgrund einer ausgeprägten Long Hours bzw. Anwesenheits-Kultur auf dem deutschen Arbeitsmarkt.

  10. Pscht, pscht, profin, nicht füttern…

    Nils:
    Haha, nee, is klar… Weißt Du, was die gut ausgebildeten Akademikerinnen so verdienen? Weißt Du, dass die meisten Frauen quasi nur arbeiten gehen, um den Hortplatz bezahlen zu können, den sich ja gar nicht bräuchten, wenn sie nicht …. Es RECHNET sich schlicht und einfach oft überhaupt gar nicht, dass beide arbeiten gehen wieder. Das wiederum ist Aufgabe der Politik. Das meine ich: Es geht ALLE was an. Nicht nur die Politik, nicht nur die Familien, nicht nur die Frauen und nicht nur die Arbeitgeber.

    Und ach ja, nur mal so ganz nebenbei: es geht schließlich nicht nur um gut ausgebildete Akademikerinnen…

  11. Und ach ja, ernst gemeinte Frage:

    Wieso soll eigentlich die AkademikerIN genug verdienen, damit SIE die Betreuung zahlen kann?

  12. „Anders gefragt: Wie schaffen wir es, dass auch hier Frauen endlich als wichtiger wirtschaftlicher Input gesehen werden und nicht mehr als die Gefahr einer Fehlinvestition?“

    1. Wir können auf eine Ressourcenverknappung (am Arbeitsmarkt) aufgrund des demographischen Wandels hoffen. Wenn das eintritt, und die Arbeitslosenquote wie z.B. in Dänemark auf unter 1.5% sinkt, dann tun Unternehmer alles, um verfügbare Kräfte anzuwerben.
    2. Wir können Seilschaften bilden, um kluge Frauen (und Männer) in Positionen zu bringen und zu halten, von denen aus sie Gesellschaft verändern können.

  13. Im Endeffekt ist es völlig latz, ob ein Arbeitgeber eine Frau oder einen Mann einstellt. Statistisch betrachtet wechseln Männer schneller den Arbeitgeber, sobald sich eine lukrativere Chance ergibt. Die einen werden schwanger und die anderen suchen nur ein Sprungbrett. Sieht man den meisten vorher nicht an. Aber auch jede Firma, die aufgrund von Mobbing oder unsinnigen Entscheidungen selbstverliebter, inkompetenter Entscheidungsträger hohe Kündigungs- und Neueinstellungsraten produziert, sollte nicht mit solchen Argumenten kommen (und davon gibt es einige).

    @profin:
    Vereinbarkeitsemigration wirds bestimmt demnächst noch häufiger geben. Dänemark oder Frankreich sind gleich um die Ecke, aber viel freundlicher gegenüber arbeitenden Müttern. Auch wenns nicht jeder schließlich machen wird; es gibt im Moment sehr viele junge Leute, die nehmen in Deutschland die gute Ausbildung/das Studium mit und planen schon die Auswanderung… (Und nicht so RTLII – Ich geh nach Kanada und kann kein Englisch – mäßig)

  14. Haha, nee, is klar… Weißt Du, was die gut ausgebildeten Akademikerinnen so verdienen? Weißt Du, dass die meisten Frauen quasi nur arbeiten gehen, um den Hortplatz bezahlen zu können, den sich ja gar nicht bräuchten, wenn sie nicht …. Es RECHNET sich schlicht und einfach oft überhaupt gar nicht, dass beide arbeiten gehen wieder.

    Jaja, sich rechnen: Da muß man eben daran denken, was ein paar Jahre Auszeit über ein Leben kumuliert kosten. (verpasste Lohnerhöhungen, die dann als Diskriminierung ausgelegt werden)

    Wieso soll eigentlich die AkademikerIN genug verdienen, damit SIE die Betreuung zahlen kann?

    Habe ich doch gar nicht gesagt. Es sind doch zwei Verdiener, die den Hort bezahlen können..

    Ich kenne Mütter, die weiterarbeiten wollen, und welche die es nicht wollen. Die, die weiterarbeiten wollen kriegen das auch hin. Wenn der Partner nicht mitzieht ist das natürlich ziemlich hart. (Als Mann kann ich aber mit meiner Kindesmutter auch gut Pech haben)

    Die, die es nicht wollen sind oft sehr kreativ darin, Gründe zu finden warum sie es nicht können..

    Kinder kosten immer etwas. Wer so herangeht, daß es nur Verluste einbringt soll es doch einfach sein lassen. Ich weiß nicht warum immer so getan wird als ob wir unbedingt deutsches Akademikerblut bräuchten – Es gibt genug Kinder, die mehr als suboptimal gefördert werden. Solange das nicht geregelt wird müssen wir die Kinderproduktion nicht ankurbeln.

    Ich sage ja immer: Her mit den Krippenplätzen! Aber immer so tun, als ob Alle außer den armen Müttern für die statistischen Disparitäten verantwortlich sind, ist für mich auch eine Form von Mutterkult.

    @SOE: Genau, und deshalb ist die Arbeitlosenzahl bei Frauen auch nicht höher als bein Männern.

  15. P.S.: Ich kenne eine Facharbeiterpaar, das die Tagesmutter privat bezahlt. Lohnt sich für die Beiden auch..

  16. In Neuseeland werden Frauen offenbar sowohl von Männern als auch von Frauen nicht als defizitär wahrgenommen, da es keine Quoten und Förderprogramme gibt. Schon erstaunlich, dass neuseeländische Frauen ohne Förderung erfolgreicher sind als z.B. deutsche Frauen mit Förderung.

  17. Finde ich nicht so erstaunlich. Vielleicht weil die Frauen dadurch mehr unter Druck sind, sich selbst zu helfen oder sich nicht auf andere verlassen.

  18. Sorry Schnatterinchen, aber die sogenannte Frauenförderung in Deutschland wird locker wieder aufgehoben durch kontraproduktive Instrumente wie das EhegattenSplitting.
    Neuseeland ist auch sehr geprägt von der „no discrimination“ policy wie sie aus der UK und anderen englisch-sprachigen Ländern kommt. Da hat D noch jahrelangen Nachholbedarf…

    # Schnatterinchen schreibt:
    August 30th, 2008 um 12:54 pm

    In Neuseeland werden Frauen offenbar sowohl von Männern als auch von Frauen nicht als defizitär wahrgenommen, da es keine Quoten und Förderprogramme gibt. Schon erstaunlich, dass neuseeländische Frauen ohne Förderung erfolgreicher sind als z.B. deutsche Frauen mit Förderung.

  19. Ich habe 2005 ein Jahr in Neuseeland in einer Gastfamilie gelebt und muss sagen, dass mir dieser Unterschied zu Europa nicht so deutlich aufgefallen ist.
    Klar, man merkt schon, dass dort mehr Frauen als hier arbeiten, aber die Klischees sind im Grunde genau wie hier.

    Interessantes Beispiel ist vielleicht, dass meine Gasteltern beide berufstätig waren. Mein Gastvater hatte eine Autoreparaturwerkstatt. Meine Gastmuter hatte 2 Jobs. Sie hat in der Firma ihres Mannes als Sekretärin gearbeitet und in einem Kindergarten. Trotzdem war sie ganz logischerweise die, die für den Haushalt veratnwortlich war, jeden Abend gekocht hat, geputzt, etc.

    Noch etwas was mir dort aufgefallen ist, ist dass seltsamerweise viele männliche Neuseeländer, vor allem junge, versuchen besonders „Macho“mäßig zu sein. Sich wie ein Arschloch zu verhalten ist unter vielen Jungs ziemlich cool. Wieso das so ist, habe ich nie heraus bekommen.

    Ich würde die Männer dort keineswegs als emanzipierter bezeichnen. ich hatte immer eher das Gefühl, dass viele Frauen eben sich um beides kümmern. Ihren Job und den Haushalt/Kinder.

Kommentare sind geschlossen.

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