Ein Schritt vor und einer zurück in Pakistan

In Ausweispapieren haben die Hijras Pakistans (Mann-zu-Frau-Transgender) schon eine Weile ihre eigene Kategorie – gestern wurde diese nun bestätigt. Laut The News werden sie künftig auch erben können. Außerdem verbot Iftikhar Muhammad Chaudhry, der Oberste Richter, die Durchführung von „Ge­schlechts­veri­fi­kations­pro­zessen“ und kündigte an, Belästigung durch die Polizei härter zu bestrafen.

Letzteres ist dringend notwendig, da die Polizei Frauen und Transgender zu oft nicht ernst nimmt. Weltweite Schlagzeilen machte daher 2002 Mukhtaran Mai, die ihre Vergewaltiger bei der Polizei anzeigte. Fünf ihrer sechs Peiniger sind vor kurzem endgültig freigesprochen worden, die Todesstrafe des sechsten zu lebenslänglich umgewandelt. Die Gerichte beriefen sich dabei auf mangelnde Beweise, ein Umstand dessen Ursache Mai noch tiefer sieht: „Die Polizei hat nicht einmal meine eigenen Aussagen ordentlich aufgenommen.” sagte sie der BBC.

Helfen soll da der Einsatz weiblicher Polizeikräfte – das deutsche Auswärtige Amt sponsort seit 2009 eine Trainingsschule speziell für angehende Polizistinnen.

5 Kommentare zu „Ein Schritt vor und einer zurück in Pakistan

  1. Hijras mit Mann-zu-Frau-Transgender zu beschreiben, trifft die Kategorie und Selbstbeschreibung Hijra nicht wirklich. Hijra ist eine Bezeichnung für die es im Deutschen keine direkte Übersetzung gibt (weil sie in unserere heteronormative Konzepte nicht reinpassen und weil unsere queere Terminologie zu eurozentrisch ist). Mann-zu-Frau-Transgender ist eine Annäherung, die eine Vorstellung gibt, die aber viel zu kurz greift. Es gibt auch Interpretationsansätze die Hijra-Gemeinschaften als Ort für Intersexuelle sehen.

    In Deutschland scheint es eine Faszination mit Hijras zu geben, die sich vorallem in einer doppelten Exotisierung/Othering ausdrückt (jenseits ‚unserer‘ heteronormativen Ordnung und im exotischen Indien/Pakistan). Diese drückt sich in furchtbaren Filmen wie Between the Lines aus. Daher ist es im deutschsprachigen Raum auch nicht einfach gute Literatur zu Hijras zu finden. Deswegen empfehle ich für alle, die mehr über Hijras erfahren wollen:

    Reddy, Gayatri (2006): With Respect to Sex. Negotiating Hijra Identity in South India, Delhi: Yoda.

  2. Auch die Beschreibung „Menschen mit meist männlichem Chromosomensatz, die aber männliche Geschlechterrollen ablehnen und sich dementsprechend als Frauen oder Transgender geben und bezeichnen“ aus dem älteren Blogeintrag trifft, glaube ich, das Selbstverständnis von Hijra nicht wirklich. Mit deutschen/europäischen/usamerikanischen Begriffen ist es glaube ich sehr schwer, Hijras darzustellen (zumindest habe ich den Eindruck aus den Berichten, Artikeln, Filmen, die ich zu Hijras gelesen habe). Reddys Ethnographie war die erste Literatur, die mir einen Eindruck von der Vielfalt von Hijras und deren Spezifik gegeben hat. In Indien und Pakistan gibt es auch Transgender, die mit unserer Begrifflichkeit gut zu beschreiben sind – aber die untescheiden sich von den Hijras. Bei Hijras sind neben spezifischen Vorstellungen zu Gender auch Fragen von Klasse, eine bestimmte Gemeinschaftsbildung und Rituale bedeutend – und natürlich eine Geschichte von Ausgrenzung, die mit der Inklusion in bestimmte gesellschaftliche Rituale verbunden ist. (Dazu z.B. Narrain, Arvind (2003): „The Human Rights of an ‚Unpeople'“, in: Combat Law, 2/4/2003, 35-38.)

    Seit meiner Recherchereise zu lesbischen Aktivistinnen in Indien (siehe zum Beispiel) werde ich in Deutschland immer wieder zu Hijras angesprochen und habe daher angefangen, mich mehr mit dem Thema zu beschäftigen. Dabei ist mir die besondere Faszination hier mit Hijras sehr aufgefallen (über sie wird sehr viel mehr berichtet als über andere nicht-heteronormative Lebensformen in Südasien). Deswegen hatte ich wohl auch bei Deinem Blogeintrag das Bedürfnis, das Bild der Hijras noch mehr zu differenzieren.

  3. Interessant… Hatte direkt die verstörenden Bilder aus Between the lines im Kopf, als ich den Artikel las… Schön, mal eine Kritik dazu zu lesen.
    Der Film vermittelt in meiner Erinnerung den Eindruck, Hirjas wären quasi die Rolle, die das primitive Kastensystem schwulen Männern und Transfrauen zuweist. Diese müssen dann anschaffen gehen, sich infolge von Gruppenritualen unbetäubt kastrieren lassen und ich erinnere mich auch an ein sehr ekelhaftes Bestattungsritual, das erwähnt wurde…
    Jetzt frage ich mich natürlich umso mehr, was Hirjas denn nun eigentlich sind… Und da fand ich die Antworten bis jetzt auch nur so mittelmäßig aufschlussreich…

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