Ein kleiner Schritt gegen die Genitalverstümmelung

Zunächst die gute Nachricht: Die Verjährungsfrist bei der Genitalverstümmelung beginnt jetzt erst mit dem 18. Geburtstag des Opfers. Bisher galt: je jünger das Opfer ist, umso eher kommt der Täter davon.

Die schlechten Nachricht ist, dass dies nur ein Teil der geforderten Gesetzesänderungen ist. Bereits vor zwei Jahren verlangte eine Gruppe Abgeordneter, die Genitalverstümmelung als eigene Straftat zu sehen und wie schwere Körperverletzungen mit bis zu zehn Jahren Haft zu bestrafen. Außerdem soll es zur Auslandsstraftat werden. Bisher werden Beschneidungen von Mädchen z.B. im Urlaub nur verfolgt, wenn es auch im Urlaubsland strafbar ist und entweder das Opfer oder der Täter Deutscher ist. In Interviews betonen Regierungspolitiker immer, dass man gegen die grausamen Rituale etwas unternehmen müsse. Sobald es um konkrete Gesetzentwürfe ging, sah man die Änderungen aber als unnötig an und verhinderte lange, dass irgendetwas geschah.

Noch vor einem Monat mussten die 91 Abgeordneten erleben, wie die Koalition das Thema „weibliche Genitalverstümmelung“ von der Tagesordnung des Rechtsausschusses im Bundestag nahm – dabei hatte man in Ausschüssen ausführlich Betroffene angehört und Experten befragt.

Kutz vor der Sommerpause und der Bundestagswahl entstand mit dem Minimalziel dann immerhin noch eine publikumswirksame Schlagzeile. Auch die Überschrift auf Spiegel Online lautet „Genitalverstümmler verlieren Verjährungsschutz“. Wer hier aufhört zu lesen, erfährt von der Verschleppungspolitik nichts. Dabei ist die Debatte noch am Anfang.

„Ich habe das Gefühl, dass das Thema noch immer ein Tabu ist, dem man sich nur ungern nähert – und sich deshalb auch dagegen sträubt, einen eigenen Straftatbestand zu schaffen“, sagt FDP-Politikerin Sibylle Laurischk. „Für uns ist es nach wie vor unvorstellbar, dass kleine Mädchen genital derart verstümmelt werden. Das wird in der westlichen Welt kaum realisiert, ist aber eine Tatsache.“ Sie habe das Gefühl, dass einige Parlamentarier eine intensivere Befassung mit dem Thema scheuten und man bemüht war, das Thema zum Abschluss zu bringen.

Zum Schluss noch eine Frage an den Spiegel:
Warum werden andere Nachrichten aus dem Bundestag (etwa die ebenfalls völlig verwässerte Änderung beim Datenschutz) in der Rubrik „Politik“ veröffentlicht, der Artikel zur Genitalverstümmelung aber in den Bereich „Panorama“ zu Fotostrecken zum Thema „Von Handmade-Tomaten und gesungenem Viagra“ gesteckt?

17 Kommentare zu „Ein kleiner Schritt gegen die Genitalverstümmelung

  1. FYI: Alle Kommentare, die sich nicht auf weibliche Beschneidung/Genitalverstümmelung, das besprochene Gesetz oder die Einordnung im Spiegel beziehen werden gelöscht!

  2. mich verblüfft bei fgm immer wieder die „doppelmoral“: nichts gegen ein strafgesetz, aber ich tät mir sehr viel mehr wünschen, dass die anerkennung von drohender fgm im asylverfahren wesentlich problemloser wäre!

  3. @ Rahab

    Wenn fgm im Asylverfahren eine Rolle spielen sollte, dann wäre die Konsequenz daraus die: Der Mutter würde das Sorgerecht entzogen, da traditionell die Mutter die fgm veranlasst (Männer haben da kein Mitspracherecht) und die Tochter minderjährig ist.

    Danach würde die Mutter ausgewiesen werden. Denn da die Tochter die Gefahr einer fgm glaubhaft gemacht hat, hat sie gleichzeitig auch glaubhaft gemacht das ihre Mutter sich strafbar machen würde. Das ist ein Ausweisungsgrund.

    Die Tochter dürfte zusammen mit ihrem Vater im Land bleiben.

    Uups.

  4. Also, ich weiß ja, dass die 3rd Wave nicht so akribisch mit Sprache umgeht wie die 2nd Wave. Aber eine Kombination wie oben „Beschneidung von Mädchen z.B. im Urlaub“ geht, wie ich finde, trotzdem nicht.

    Was für Ferien sollen das denn bitteschön sein?

    Ein paar Anführungszeichen oder das Wörtchen „vermeintlich“ halte ich für das Minimum, das da noch hinmuss.

  5. @Peter
    ich fürchte, du wirfst da ein bißchen was durcheinander – und hast im übrigen den punkt, den ich meinte, total verpaßt. deshalb noch mal etwas deutlicher: ich halte ein solches gesetz für reine kosmetik, solange in den asylverfahren den frauen/müttern und mädchen/töchtern in unsagbarer weise abverlangt wird, zu beweisen, dass genitalverstümmelung wirklich droht. die angst der deutschen ( in anderen staaten kenne ich mich dazu zu wenig aus), dass vielleicht mal eine asyl bekäme, der fgm garnicht ‚wirklich droht‘, ist so groß, dass sie lieber ein gesetz in die welt setzen, das mehr schein als sein verspricht, statt die frauen/mädchen, die sich auf die furcht vor fgm berufen, ernst zu nehmen. vorher! – hinterher mit strafe zu drohen, kommt mir reichlich witzlos vor.

  6. @ Rahab

    ich fürchte Du hast meinen Punkt elegant umkurvt. Da von fgm minderjährige Frauen betroffen sind, bedarf es gar keines Asylverfahrens, um die Betroffene davor zu schützen. Hier gelten UN-Konventionen zum Schutz von Minderjährigen.

    Da die Mutter eine eigenständige Person ist, kann sie die Bedrohung ihrer Tochter nicht nutzen, um selber Asyl zu erhalten. Asyl ist immer an die konkrete Person gebunden und umfasst nicht automatisch den Rest der Sippe.

    Im Gegenteil legt ja die traditionelle Anwendung der fgm eher den Schluss nahe, das die Mutter Teil der Bedrohung gegen ihre Tochter ist.

    Was ja dann sogar zu Konstellationen führen kann, dass die Mutter hierzulande androht, ihrer Tochter in ihrer Heimat einer fgm auszusetzen wenn sie (die Mutter) hier kein Asyl bekommt.

    Wollen wir uns erpressen lassen?

  7. @Peter
    großartig! hier gelten un-konventionen… wo bitte? etwa in der brd? für flüchtlinge of all three+x sexes? und dann gar noch für minderjährige? – bedaure. aber du scheinst mir keine ahnung zu haben, wovon du sprichst. sondern möchtest auf teufel-komm-raus die mütter zu den eigentlichen verstümmlerinnen machen. dürfte ich fragen, warum?

    … ansonsten fällt mir zu deinem kommentar nur noch ein, dass er sich wie o-ton ausländerbehörde liest! Die mutter droht mit der genitalen verstümmelung der tochter, weil sie uns zwingen will, ihr ein ihr eigentlich nicht zustehendes aufenthaltsrecht einzuräumen …
    diese logik kommt mir sehr bekannt vor. sie ist mir in meiner langjährigen anwaltlichen tätigkeit oft genug begegnet.

    muß ich noch dazu sagen, dass in solchen fällen, in denen irgendwelche pappnasen meinen, sie sollten erpresst werden, die töchter zusammen mit den müttern abgeschoben werden? du wirst mir sicherlich erklären können, weshalb das im ausgesprochenen interesse der töchter liegt! oder?

  8. Genitalverstümmelung ist ein Verbrechen; ein Kapitalverbrechen- ist doch egal, wer schlussendlich die Klinge, die Glasscherbe oder was auch immer- und unter welchen Umständen- ansetzt! Solche „Riten“ haben in unserem Kulturkreis einfach nichts verloren!

    Ähnliche und auch andere Themen wurden auch schon im Forum der Zeit besprochen. Allerdings fehlt da neuerdings eine Stimme…

  9. Kulturkreis? – so lange ist es nun auch noch nicht her, dass in „unserem Kulturkreis“ die genitale verstümmelung von mädchen/frauen als probates heilmittel gegen „unruhezustände“ galt und praktiziert wurde. das war sozusagen Schreber für mädchen.

    aber das ist wahrscheinlich die entscheidende frage: will ich nur nicht in „unseren Kulturkreis“ passende „Riten“ fernhalten oder will ich wirksamen schutz davor bieten, dass solche „Riten“ an menschen mit weiblichen Geschlechtsteilen durchgeführt werden.

  10. Um zu argumentieren halte ich mich an unseren Kulturkreis- natürlich bin ich auch für die internationale Ächtung, bzw. ein Verbot dieser unseligen Praktik.

    Doch es gibt Weltregionen, die dem westlichen Verständnis von Recht und Ordnung nicht zugänglich sind- und ihm im allgemeinen äusserst ablehnend und feindselig gegenüberstehen.

    Deshalb spreche ich explizit von unserem Kulturkreis.

  11. Bemerkenswert finde ich jeweils nur, wie lange eine Gesellschaft- zumal eine westliche- braucht, um solche Grausamkeiten rigoros zu verbieten.

    Sollte die grösste Selbstverständlichkeit sein!

  12. Beschneidungen und Verstümmelungen haben weniger mit Religionen als mit regionalen Traditionen zu tun. Kommentare mit Religionsbashing werden ebenfalls gelöscht werden.

  13. @deleted mind
    deshalb ist es ja auch so bemerkenswert, dass die gesellschaft der BRD (ich gehe bis auf weiteres davon aus, dass es sich bei dieser um eine westliche handelt) sich konsequent davor drückt, den potentiellen wie den tatsächlichen opfern schutz zu geben. was verlangen würde, ihre (menschen-)rechtliche position nicht zu schwächen, beispielweise durch ausdrückliche bei der ratifizierung von un-konventionen niedergelegte vorbehalte – sondern durch nationale gesetzgebung zu stärken. und zwar umfassend.
    da stoßen wir aber in diesem fall auf genau diesselben widerstände wie bei zwangsehe und zwangsprostitution auch. es könnte nämlich, so lassen sich diese widerstände zusammenfassen, darauf hinauslaufen, dass fremde frauen (die manchmal auch noch – pfui spinne! – mit fremden männern verheiratet sind) zu viele rechte bekommen… und dann vielleicht auch noch eine, die es nicht verdient hat, weil sie doch garkeine zwangsprostitutierte war… oder wie ein Peter es uns hier vormacht: es könnte ja sein, dass eine versucht, „uns“ zu erpressen…

    aus einer peter’schen warte läßt sich die gesetzesänderung auch so interpretieren: damit haben wir gezeigt, dass „wir“ „so was“ bei uns nicht haben wollen. wenn die richtigen leute das richtig verstehen, dann kommen sie nicht zu uns sondern gehen woanders hin oder bleiben gleich ‚zuhause‘.

    im übrigen schließe ich mich der kritik an: der bericht über eine solche gesetzesänderung gehört in die rubrik ‚politik‘ – und nicht ins panorama!

  14. Auf internationaler Ebene sind wohl nur Konventionen griffig genug, abgefasst in der UNO-Menschenrechtscharta zum Beispiel oder EMRK (wohl am wirkungsvollsten in Europa).

    Internationales Recht dürfte da wirkungslos verpuffen. Es gibt ja heute schon zahlreiche Staaten, die sich internationalen Verträgen und Abkommen wiedersetzen.

    EMRK und UNO-Menchenrechtscharta sind wohl die beiden einzigen Wege, die zum Erfolg führen.

  15. @ Rahab

    Stimmt. Am Ende läuft es immer auf die Machtfrage und die Frage der Gestaltungshoheit im eigenen Land hinaus. Und damit läuft es am Ende immer auf einen Kompromiss hinaus.

    Glaubst Du, Dein Ansatz ist praktikabler? Ein Bleiberecht für alle?

    Effektiv etwas gegen fgm können nur die Frauen in den betroffenen Regionen tun. Nämlich, diese „Tradition“ abschaffen. Und dies müssen sie aus eigenem Antrieb schaffen, aus eigener Erkenntnis heraus.

    Wenn es erstmal soweit sind, dass die Frauen in westafrikanischen Dörfern nicht mehr Beschneidungsgegnerinnen nackt durchs Dorf treiben
    http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/0,1518,606475,00.html
    sondern die Beschneiderinnen, dann gab es diesen Bewußtseinswandel dort.

  16. und was, Peter, spricht gegen ein bleiberecht für alle, denen fgm droht? solange, bis in den west-afrikanischen der bewußtseinswandel eingetreten ist?
    ich könnte mir vorstellen, dass dies den bewußtseinswandel sogar befördern täte!

Kommentare sind geschlossen.

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