Ein Babyboom, der keiner ist

Eine Erfolgsmeldung jagt die nächste aus dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Gestern wurde beispielsweise ein neuer Geburtsrekord vermeldet, sogar groß in der Tagesschau. Oder die Vätermonate: Auch eine riesige Erfolgsstory, wenn man Ursula von der Leyen glauben darf.

Nun hat sich Wolfgang Michal auf carta.info die Zahlen, die da grad so heftig beklatscht werden, genauer angeschaut – was bisher vielen anderen Journalisten nicht so richtig die Mühe wert schien. Und siehe da:

Von Januar bis September 2008 wurden in Deutschland 517.549 Kinder geboren. 2007 waren es – im Vergleichszeitraum – 514.152. Der Zuwachs beträgt also grandiose 0,66 Prozent. Würde man den September nicht mitrechnen und nur die Zeiträume von Januar bis August vergleichen, so würde der Kinder-Zuwachs auf magere 700 zusammenschmelzen. Aber auch das ist noch ein Plus, wenn auch ein sehr, sehr bescheidenes von 0,15 Prozent (und eigentlich nicht erwähnenswert). Würde man den Vergleichszeitraum dagegen um einen Monat verlängern, also den Oktober in die Rechnung mit einbeziehen, dann stünde vermutlich ein Minus unter dem Strich, denn der Oktober 2007 war mit 64.572 Geburten der geburtenstärkste Monatdes ganzen Jahres 2007.

Was lernen wir daraus? Wer seine Politik mit guten Zahlen untermauern will, sollte unbedingt darauf achten, die richtigen Vergleichszeiträume auszuwählen.

Auch bei den Vätern rechnet Michal durch, von welchen Zahlen wir da eigentlich sprechen. Nämlich von weniger als uns weisgemacht werden soll. Was überhaupt mal wünschenswert wäre: Wenn die 100 Prozent Mütter, die Elternzeit nehmen, genauso beklatscht werden würden wie die 15 Prozent Väter – von denen zwei Drittel auch nur die obligatorischen zwei Monate freinehmen.

4 Kommentare zu „Ein Babyboom, der keiner ist

  1. Pingback: Lüge Baby-Boom?
  2. Das ist echt zum Lachen. Mal abgesehen vom mickrigen Zuwachs, könnte man es noch auf die „gebärfähigen“ Frauen umrechnen oder was auch immer.
    Aber die Statistik hat es sogar ins Radio geschafft, so kann man mit Zahlen jonglieren.

    Abgesehen davon halte ich es für eine Zumutung, wenn bei steigenden Geburtenzahlen von einem Erfolg gesprochen wird – als wären Frauen Gebärmaschinen, die nun ein wenig mehr funktioniert haben als das Jahr zuvor…

  3. Michals Zahlen sehen besser aus als sie sind. Die einzige vergleichbare Zahl ist die Geburtenziffer, da diese die Geburten proportional zu den gebährfähigen Frauen rechnet. 100.000 Kinder von 10 Mio Frauen sind einfach anders zu bewerten als die gleiche Zahl von 20 Mio Frauen. Bei dieser Ziffer dürfte sich der *Unterschied* gerademal bei der 2. Stelle hinterm Komma bemerkbar machen.

    Zumindest hier in Bayern ist das Elterngeld ein Griff in die Taschen der Eltern und damit eher als Verschlechterung zu begreifen.

    @Ariane
    Zum Kinderzeugen gehören immer 2. Technisch gesehen zumindest ein Spender und die Mutter. Wenn man davon ausgeht, das Kinder im Laufe ihres „kindseins“ eine ganze Menge Geld kosten sind steigende Zahlen durchaus als Erfolg zu werten. Schließlich spiegelt sich darin die Erwartung „trotz“ Kind einen erwünschten Lebensstil pflegen zu können. Wenn die Politik daher von einem Erfolg spricht behauptet sie damit, dass sie für Familien bessere Voraussetzungen geschaffen hat.

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