Die schöne Mutter

Dieser Text ist Teil 24 von 45 der Serie Muttiblog

Die letzten Kolumnen drehten sich vor allem um das Bild der „guten Mutter“, das durch viele Köpfe geistert und Mütter mit Erwartungen überfrachtet. Aber ein noch viel subtileres und gemeineres ist das der „schönen Mutter“.
Frau in High Heels und Bluse, Minirock und Leggins, die eine Aktentasche, Pfanne und Staubwedel mit drei Armen hält, sowie ein Baby in einem kleinen Wagen hinter sich herzieht

(C) Eva Hillreiner, www.evahillreiner.de

In meinem Rückbildungsgymnastikkurs waren etwa sechs Frauen. Gefragt, was sie sich von der Rückbildung erhofften, sagten die meisten: „Einen strafferen Bauch“. Dass es hierbei vor allem um einen straffen Beckenboden geht – das interessiert erst einmal keine. Nein: Viel wichtiger ist es, dass dieses „derangierte“ Körpergefühl wieder weg geht. Denn die meisten Frauen haben nach Schwangerschaft und Geburt leider keinen Körper, mit dem sie gleich wieder eine Victoria-Secrets-Fashion-Show laufen könnten.

Manche Frauen – und zu ihnen zähle ich – haben so einen Körper leider auch nach etlichen Monaten oder Jahren nicht wieder. Uns kann aber zum Glück heute geholfen werden, wie mir eine Werbung für plastische Chirurgie in der S-Bahn offerierte: „Straffer Bauch – auch nach der Geburt!“ und entsprechende Klinik – hier in Berlin. Vielleicht sollte ich meine Familie einmal fragen, ob sie mir diesen Wunsch nicht auch einmal erfüllen können – so wie es diese Familie für ihre Mutter tat:

„Es ist unglaublich schlecht für das Körpergefühl einer Frau, so einen Bauch zu haben. Es kann sie psychisch beeinträchtigen.“ – Das sind die Mantras, die uns über Fernsehen, Werbung in der S-Bahn und in Zeitschriften immer wieder vermittelt werden. Und wir denken dann: „Na gut – wenn es sie psychisch beeinträchtigt, dann sollte sie es besser machen.“ – ohne aber zu fragen: Warum beeinträchtigt es sie denn psychisch? Die Mädchenmannschaft hat dieses Thema hier schon oft behandelt. Das Wort „Winkfleisch“ und die damit einhergehende negative Bewertung einer bestimmten Art von Oberarmen ist eine Schöpfung der Plastischen Chirurgie, die keine Mühe scheut, uns noch mehr „Problemzonen“ unserer Körper zu erfinden. Eine erschreckend große Prozentzahl von Frauen hat eine negative Beziehung zu ihrem Körper: 92 Prozent aller Frauen – hingegen nur 17 Prozent der Männer (vgl. die Standard). Und davon haben viele keinen schlaff herunterhängenden Bauch, keine vom Stillen ausgelutschten Brüste.

Ergo: Ich sollte dringend etwas an meiner Körperwahrnehmung tun – denn so bin ich definitiv nicht normal!

Dabei war diese Wahrnehmung wirklich harte Arbeit: Ich habe sehr lange mit meinem Bauch, mit meinen Brüsten, mit den Schwangerschaftsstreifen und auch den kleinen Dellen an den Oberschenkeln gehadert. Einen Bikini anzuziehen habe ich mich überhaupt nicht mehr getraut. Und habe auf diese Weise dazu beigetragen, dass etwas im Grunde ganz Normales: Schwaches Bindegewebe ist bei Frauen alles andere als eine Seltenheit und führt eben oft zu „Entstellungen“ nach der Geburt! – dass diese Normalität aus der Gesellschaft verschwindet. Wer von ihr „gezeichnet“ wurde, muss sie verhüllen. Wie Susanne bereits einmal vorstellte hat die amerikanische Psychoanalytikerin Susie Orbach solche Phänomene  in ihrem Buch „Bodies“ untersucht. Tatsächlich macht die ständige Arbeit am Körper auch vor einer Mutter nicht Halt – nein: Kann sie noch viel härter Treffen. Und die Schönheitschirurgie schafft es damit, aus einem „freudigen Ereignis“ für die Mutter schlimmstenfalls eine – eigentlich völlig unnötige – Depressionsfalle zu schaffen. Zu verstehen, dass ich als Mutter vor allem eines dagegen tun kann – nämlich selbstbewusst meinen „hässlichen“ Bauch im Bikini zur Schau zu stellen – hat mir geholfen, meine Körperwahrnehmung wieder ins Lot zu bringen und über solcherlei Werbung nicht auf dumme Gedanken zu kommen.

10 Kommentare zu „Die schöne Mutter

  1. Schöner Blog. Ich habe mich dazu entschlossen meinen „Geburts-Bauch“, mein hängender Busen und meine Arme (= Winkfleisch??) zu lieben. Das geht noch nicht ganz, aber ich versuche es. Ich glaube nämlich, dass ich so mehr glücklich werde als diese ständige Körperfixierung = ich – ich – ich – ich.

    (PS: Schwaches Bindegewebe gibt es auch bei Frauen, die keine Kinder bekommen haben :) :) Sogar total fitness-orienterierte, schlanke Frauen können „Riffeln“ an z.B. Beine oder Po haben.)

  2. Toll geschrieben.
    Ich finde das schon ziemlich krass, dass in der S-Bahn Werbung für plastische Chirugie gemacht wird!

  3. Ich bin noch immer ganz erstaunt darüber, was die Schwangerschaft mit meinem Körperbewusstsein gemacht hat: Seit sich der Bauch sichtbar wölbte, war ich mit meinem Körper total versöhnt und auch jetzt, 7 Monate nach der Entbindung stehe ich meinem schlaffen Bauch deutlich gelassener gegenüber als vor der Schwangerschaft.
    Und bei uns im Rückbildungskurs waren vor allem die zu schwachen, verspannten Schultern die Problemzone Nr. 1, einen strafferen Bauch hat sich nur eine von 10 Frauen gewünscht. Aber ich habe auch schon so Sprüche gehört, dass ich ja noch einiges abnehmen müsse, das erste Mal 7 Wochen nach der Geburt!!! Darauf habe ich dann geantwortet, dass es nur gut sei, dass er niemals in die Verlegenheit komme, dass sein Körper innerhalb von 9 Monaten so extremen Veränderungen unterworfen sei und deshalb natürlich leicht reden hätte…
    Eine Freundin, die durch eiserne Disziplin 4 Monate nach der Entbindung wieder in ihre Jeans Größe 34 passte, beneidet mich sogar für meine Gelassenheit.

  4. Ich wäre ja persönlich für einen Rückbildungskurs für Väter.
    Leider war ich Symphatieschwanger, dann Symphatieschwangerschaftsdiabetesdiätisch und verfiel schlussendlich auch in den Symphatie-Still-Fressrausch meiner Frau.
    Mit dem Ergebnis, dass ich nun so vor mich hinschwabbel, während sie bereits wieder Kampfgewicht hat.
    Humor ist wenn man trotzdem lacht, gelle. ;)

    So mal der kleine Exkurs eines Vaters… wenn man darf ;)

  5. Danke für den Artikel! Beziehungsweise danke für die Reihe, die ich wirklich gerne lese.
    Ich habe bisher kein Kind geboren, aber vielleicht ähnlich wie Du auch beschlossen, den Kampf gegen meinen Körper einzustellen. Es nutzt ja eh nichts, wir werden alle älter, d.h. nach gängigem Schönheitsideal makelbehafteter. Das heißt (zumindest für mich), ich kann versuchen dagegen anzugehen und den Rest meines Lebens mit meinem Körper hadern, weil er nicht dem Idealbild entspricht, oder ich kann meine Bewertung meines Körpers ändern. Die zweite Variante ist vermutlich auch ein nicht endender Prozess, aber irgendwie positiver…

    Erinnerte mich übrigens an das „Hübsch-Gebären-Set“:
    http://www.feministing.com/archives/015226.html

  6. Ganz, ganz toller artikel!!! War klasse ihn zu lesen. Ich habe selbst zwar auch keine Kinder, kenne den Kampf gegen den eigenen Köper aber ganz gut.
    Bis vor 3 Jahren habe ich auch noch mit mir selbst gekäpft, gegen irgendwelche Dellen an den Schenkeln, die ich habe obwohl ich sehr viel Sport mache und mich gesund ernähre… Hab dann zum Glück irgendwann rausgefunden, dass die Dellen und Dehnungsstreifen keinem was zu leide tun und mir selbst am wenigsten :-) Ich muss wirklich sagen, seitdem ich mich mit meinen Schenkeln, deren Dellen und Streifen angefreundet habe, lebt es sich um einiges entspannter und zufriedener :-)
    Und genau dieses Gefühl gelangt auch nach außen und hat viel mit einer positiven Ausstrahlung zu tun…
    Leider haben immer noch viel zu wenig Frauen diese Auffassung….

  7. super beitrag, danke fürs zuammenfassen. bei mir wars genauso. unglückliche klappspatenfrauen, die sich über ihren nicht existenten „schwabbel“ beschwerten, sind wahrscheinlich alle inkontinent, weil statt beckenboden nur der bauch trainiert wird. ätzend!

    statt uns einzureden, wir müssten nach dem hardcoreprogramm aussehen wie 16-jährige, sollten sie lieber parties für uns schmeissen.

  8. Super Idee, Rike!!!

    Erschreckend finde ich im übrigen auch meine Beobachtung, dass die Frauen in der Sauna am Frauentag viel mehr dem Durchschnitt, was die Figur betrifft, entsprechen, als an den gemischten Tagen…

  9. Mir selbst fällt fällt es auch immer wieder schwer, mich wegen bestimmter „Problemzonen“ nicht schlecht zu fühlen. Ich muss tatsächlich immer wieder daran arbeiten, nicht an den Problemzonen, sondern an meinem verzerrten Selbstbild. Ich habe ein Jahr in England gelebt, dort ist es noch viel schlimmer. Die letzten 10 Seiten von Frauenmagazinen sind voll von Werbung für Schünheits-OPs und das heftigste was ich gesehen habe, war ein Werbeposter auf der Innenseite eine Klotür. Sie zeigte Eine junge Frau mit üppigen Dekoltee, hiter ihr ein gutaussehender Typ, der seiner Freundin stollz die Arme um die schlanke Taille legte. „Now I have everything“ stand auf dem Plakat. Es war Werbung für Brustvergrößerungen…

Kommentare sind geschlossen.

Betrieben von WordPress | Theme: Baskerville 2 von Anders Noren.

Nach oben ↑