„Die Leute denken, sie wüssten alles über mich. Dabei wissen sie gar nichts“

Braucht die Welt wirklich noch eine Geschichte über Charlotte Roche? Ja – wenn sie so gut ist wie die im heute erschienenen Zeit Leben. Denn die Autorin Annabel Wahba macht sich im Gegensatz zu vielen ihrer Kolleginnen und Kollegen mal die Mühe, Charlotte Roche auch zu begleiten, ihr zuzuhören, ihr nicht mit einer vorgefestigten Meinung entgegenzutreten und überhaupt mal den ganzen Interpretationsquatsch wegzulassen – der den meisten Feuilletonisten ja doch nur dazu dient, sich selbst darzustellen. Und so gerät diese Geschichte zum Portrait einer ganz wunderbaren, durchgeknallten jungen Frau.

Die etwas zu sagen hat. Diesmal hält sich die Verfasserin des Artikels auch angenehm zurück mit einem Urteil, ob Charlotte Roche denn nun Feministin sei oder nicht. Stattdessen darf diese mal selbst ein paar Gedanken mehr zum Feminismus verlieren:

Charlotte Roche erzählt von den Selbsterfahrungskursen der siebziger Jahre, in denen Frauen gemeinsam ihre Körper erkundeten. Heute herrsche unter Frauen Sprachlosigkeit, was Sexualität anbelange. Charlotte Roche will mit ihrem Buch unterhalten, aber vor allem junge Leserinnen scheinen darin etwas Befreiendes zu finden, und sei es nur das Lachen darüber. Ihnen gefällt, dass da jemand ein übertriebenes und dadurch komisches Gegenbild zu den Frauen in der Werbung und im Fernsehen entwirft.

Einen Gedanken zum Thema Feminismus stellt die Zeit-Autorin dann doch noch in den Raum und zeigt, wie wichtig die Feministin Roche für die deutsche Frauenbewegung sein kann:

Dass viele in Charlotte Roche dennoch die Vorkämpferin eines neuen Feminismus sehen, liegt auch daran, dass es in Deutschland nur eine Ikone der Frauenbewegung gibt, Alice Schwarzer. Die hat ihre eigene Sexualität zur Privatsache erklärt. Und deshalb freuen sich jetzt so viele Frauen, dass es eine Charlotte Roche gibt, die sich als Feministin bezeichnet und trotzdem Spaß am Sex mit Männern propagiert.

P.S.: Ich habe mich jetzt übrigens auch endlich getraut und angefangen, „Feuchtgebiete“ zu lesen. Was für ein Spaß! Nach dieser riesigen Aufregung ist das Buch gleich doppelt so lustig. Ich muss mich die ganze Zeit kaputt lachen. Über die Spießer da draußen.

13 Kommentare zu „„Die Leute denken, sie wüssten alles über mich. Dabei wissen sie gar nichts“

  1. Der Artikel hat mir auch sehr gut gefallen, gar nichts wo ich spontan dachte „wasn mist“, stattdessen fühlte ich mich mal gut informiert. Heutzutage viel zu selten, leider…

  2. Also ich bin seit gestern bis ungefähr zur Hälfe der „Feuchtgebiete“ durchgedrungen und habe mich bislang köstlich amüsiert. Das ist zwar keine grosse Literatur, aber eine aüsserst vergnügliche und anschauliche Lektüre. Ich verstehe gar nicht worüber sich die Leute aufregen. Die haben es entweder nicht gelesen und/oder ekeln sich vor sich selbst.

  3. @ Viktoria: Hab ich schon laaange gelesen – super Besprechung! Bin durch und mir geht’s ganz genauso. Bescheuerte Hysterie – die ich allerdings super für Charlotte Roche finde. Ich gönne ihr den Erfolg so dermaßen!

  4. @Susanne: Ach so, ja dann! :-) Freut mich, dass es andere Menschen so sehen, wie ich auch. Auch ich gönne ihr ihren Erfolg. Ich hoffe nur, dass irgendwann mal eine Zeit kommen wird, in der man sich über sowas nicht mehr aufregen wird. Die Aufregung an sich zeigt ja, wie spießig unsere Gesellschaft ist. Nicht, dass wir das nicht schon längst wissen… ^^

  5. Ohne das Buch jetzt im Detail gelesen zu haben kann ich mir aus den Kommentaren und Link von Viktoria den Inhalt ganz gut vorstellen.

    Es steht mir als Mann hier vielleicht nicht zu zu sehr ins Detail gehen und auch auf die Gefahr hin daß mein Beitrag vielleicht wg. Anzüglichkeit gelöscht wird :
    Gut daß sich viele Frauen zu ihrer Körperlichkeit öffentlich bekennen wollen. Ich hatte schon immer dazu ermuntert : Weibliche Erotik hat ein natürliches Recht darauf gelebt zu werden. Außerdem ist diese doch etwas sehr sehr Ästhetisches!

    Wie gesagt, sollte dies zu anzüglich sein bitte ich um Entschuldigung.

    Ich gratuliere Fr. Roche und wünsche ihr weiterhin sehr viel Glück und Erfolg!

  6. Pingback: Katze mit Wut
  7. charlotte roche – over the ocean.

    ich surfe gerade in usa, und habe diese bericht ueber feuchtgebiet:
    http://dailybedpost.com/2008/05/feuchtgebiete-means-wetlands-o.php#more
    gefunden. gelinkt zu dieser:
    http://books.guardian.co.uk/news/articles/0,,2282145,00.html.

    als eine englische-sprachige ami die gerade das buch auf deutsch lese, ich freue mich sehr auf die kommende englische/amerikanische reaktionen! und dann die fragen: was heisst das eine/deutsche/europaeische frau zu sein? feminismus plus national-identitaet. spannend…

    liebe gruesse aus amerika!

  8. @ sarah: Schön, dass du hergefunden hast und dich für Feminismus in Deutschland und Europa interessierst. Wenn du magst, kannst du ja gern mal in die Diskussionen hier reinlesen, da wirst du viele Gedanken zum Thema finden. Als sprachliche Hilfe findest du in der Sidebar auch die Möglichkeit, dir die Seite auf Englisch durchzulesen.

    Viele Grüße aus München!

  9. @ Susanne: danke fuer die freundliche einladung! ich komme gerade nach 5 jahre in DE zurueck. als ich versuche wieder hier anzukommen, ich bin sehr gespannt wie die US/UK medien versuchen c. roche (und damit, natuerlich auch „deutschland“, „europa“, „frauen in europa“, usw) zu verstehen, „compartmentalize“, mitidentifizieren, distanzieren…

    [vielleicht mache ich einen (englisch-sprachig!) pressespiegel drueber…schicke ich dann euch.]

    aber tolle blog, ich bin schon ein grosser fan.

  10. @ sarah: Danke für das Lob! Und so ein Pressespiegel wäre toll! Gern als Linksammlung oder als PDF an mannschaftspost(at)web.de, dann können wir es als Download zur Verfügung stellen.

    Und wenn ich mal ganz schamlos Eigenwerbung machen darf, dann empfehle ich dir „Wir Alphamädchen“ als Lektüre, um einen Überblick zu bekommen, was das Frausein in Deutschland mit sich bringt – Rollenbilder, Probleme, Muttermythos, Vorurteile… Ist natürlich kein allumfassendes Werk, aber einfach geschrieben und das Ergebnis der Frage, die wir uns genau wie du gestellt haben: Was heißt Frausein in Deutschland heute für uns?

Kommentare sind geschlossen.

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