Das Testosteron ist schuld!

Männer sind eben aggressiv. Frauen nicht. So denken viele und manifestieren damit alte Stereotype. Wie unbrauchbar die sind, zeigt sich gerade wieder in der Finanzkrise.

(C) Frl. Zucker - fraeuleinzucker.blogspot.com/

Ein Mythos, der sich seit Wochen in den Medien hält, besagt, dass die Finanzkrise nur deshalb ein so schlimmes Ausmaß annehmen konnte, weil vor allem Männer in den Führungsetagen der globalen Wirtschaftskonzerne säßen. Viele wittern nun ihre Chance, die Rundum-Moralkeule rausholen zu können und fordern als Konsequenz mehr Frauen in den oberen Führungsetagen. Ein richtiges Anliegen wird damit durch eine Argumentation legitimiert, die alte Geschlechterrollen-Stereotype verfestigt: Männer sind aggressiv. Frauen nicht. Meistens wird dann noch das Testosteron als Beweismittel herangezogen.

Frauen wird hingegen unterstellt, dass sie hinterlistig seien. Dass sie nicht fähig seien, offen zu sagen, was sie wütend macht. Tatsächlich richtet sich weibliche Aggression oftmals vor allem nach innen, gegen sich selbst, gegen den eigenen Körper. Das liegt daran, dass Jungen und Mädchen von klein auf lernen, dass sie aufgrund ihres Geschlechts auf verschiedene Arten und Weisen mit Frust, Aggression und Wut umgehen müssen. Das wird so erwartet.

Aggressive Mädchen werden tabuisiert, wohingegen man mit Jungen weniger über ihre Wut spricht. Beide Geschlechter leiden letztendlich unter diesen Erwartungen und entwickeln ungesunde Verhaltensweisen, mit Wut und Frust umzugehen – Verhaltensweisen, die sich oft ein Leben lang halten und in Muster übergehen.

Die Männer in den Führungsetagen verhalten sich wahrscheinlich weniger wegen ihres Testosteronspiegels manchmal falsch, sondern vielmehr, weil sie sich „männlich“ verhalten wollen. Schließlich stehen sie in einer Art Konkurrenz-Kampf: Es gibt um sie herum (außer der Sekretärin) nur Männer und alle sind darauf trainiert, das Alphamännchen spielen zu müssen. Herrje, dabei kann nur Mist herauskommen.

Studien, wie sie zum Beispiel McKinsey immer wieder durchführt, belegen tatsächlich, dass oft schon eine Frau reicht, die in diesem Machtkampf kritische Nachfragen stellt oder völlig andere Bewältigungsstrategien einführt, um das ganze Klima zu verändern. Plötzlich scheint ein Kreislauf durchbrochen. Das sollte das Hauptargument für mehr Frauen in den Führungsetagen sein. Denn nur gemeinsam können wir alle einfach menschlich sein und müssen uns nicht in getrennten, geschlechtshomogenen Gruppen beweisen, wer am „männlichsten“ oder „weiblichsten“ ist.

(Dieser Text erschien ursprünglich als Kolumne auf Freitag.de)

17 Kommentare zu „Das Testosteron ist schuld!

  1. Katrin,

    das ist doch wieder so ein logisch unauflösbares Ding. Du behauptest, es gäbe keine biologischen Ursachen (u.a. Testosteron) für männliches Verhalten (oder zumindest dessen Sozialisierung) und genauso kann man ebenso berechtigt das Gegenteil behaupten. Natürlich ist ein gewisser Grad an „diversity“ Entscheidungen zuträglich, aber ein zu großer wieder nicht. Und wenn Frauen wegen ihrer Qualifikation und nicht ihres Geschlechts mitspielen, dann sind sie auch eigentlich nicht mehr wirklich „divers“. Zu verkaufsinteressegesteuerten Studien von Beratungsunternehmen erzähle ich Dir in einer stillen Stunde gerne mehr… Im übrigen bin ich der Meinung, daß eine Frau in Männergruppen ggf. auch erst Konkurrenz auslösen kann. Und dann entstehen Situationen wie auf dem Schulhof. Ist nicht als Argument gegen weibliche Mitarbeit gedacht, nur als Gegenargument zu „mehr Beteiligung von Frauen führt zu besseren Entscheidungen“.

  2. Manchmal muss ich fast darüber schmunzeln, weshalb die Männer plötzlich nicht mehr das Feindbild des Feminismus sein können- und warum Frauen per se auch nicht mehr die besseren Menschen sein dürfen: Weil das ja den „Biologismus“ plötzlich wieder bestätigen würde.

    Manchmal beisst sich die Katze in den eigenen Schwanz.

    Ist nicht böse gemeint, sondern mehr als Fussnote.

    Frauen führen tatsächlich anders. Aber nicht immer besser.

  3. zwei Stichworte: SOZIALISATION und ERZIEHUNG – wird gerne mal mit Biologismus verwechselt. Aber egal. Nur als Fußnote. Nicht böse gemeint.

  4. Ich war eigentlich immer etwas skeptisch, ob die unterschiedlichen Aggressionsmuster nicht doch rein biologische Ursachen haben.

    Die Entwicklung der Jugendkriminalität hat mich allerdings da eines besseren belehrt: Die Mädchen haben, was körperliche Aggressionen und Gewaltverbrechen angeht, rapide aufgeholt.

    Genauso wie vorher schon beim Alkohol und Nikotinkonsum.

    Die Erscheinungsform der Aggressivität scheint also doch primär von der Sozialisation abhängig zu sein. Eine gender-egalitäre Erziehung bzw. Sozialisation bewirkt eine Angleichung auf „Jungs-Niveau“

    Wenn sich das Muster durchzieht, werden immer mehr Frauen „Führungsetagentauglich“.

    Aber das es einen Unterschied macht, ob eine rein männliche Geschäftsleitung oder eine pari mit Männern und Frauen besetzte Geschäftsleitung die Rationalisierung, die Erhöhung der Produktivität pro Arbeitnehmer_In und den Stellenabbau durchführt, glaube ich nicht.

  5. Katrin,

    das wesentliche Stichwort heißt „embodiment“. Kein Mensch ist in der Lage zu sezieren, woher welcher Verhaltensanteil kommt. Es gibt für dies und jenes plausible Hypothesen, und plausiblere Hypothesen, aber letztlich kann man weder einen radikalkonstruktivistischen Ansatz noch einen rein essentialistischen Ansatz belegen. Die Wahrheit wird in der Mitte liegen, und sich mit der komplexen Realität auseinanderzusetzen, wäre meines Erachtens sinnvoller, als sich hinter ein schnell dahergeschriebenes nature oder nurture zurückzuziehen. Das ist einfach zu vereinfachend.

  6. 99 Prozent der Schriften zur Krise sind einfach alberner Mist ideologisch verblendeter Leute, die in ihrer Verzweiflung auch auf Biologismen zurückgreifen müssen, um sich der Wahrheit nicht stellen zu müssen. Ich freue mich schon darauf, wenn bei der nächsten Krise nicht mehr Milliarden, sondern Billionen aufgebracht werden müssen, denn dann fällt das Kartenhaus unweigerlich zusammen. Und dann lach ich den Leuten ins Gesicht, denn nichts anderes verdient diese Gesellschaft als den Zusammenbruch.

  7. @jj: „Ich freue mich schon darauf, wenn bei der nächsten Krise nicht mehr Milliarden, sondern Billionen aufgebracht werden müssen, denn dann fällt das Kartenhaus unweigerlich zusammen.“

    ??

    Bis Ende April 2009 haben die Regierungen rund um den Globus innert kürzester Zeit insgesamt über 11 Billionen Dollar- oder 18 Prozent des globalen Bruttosozialproduktes von 2007- bereitgestellt, um ihre taumelnden Banken und Firmen zu stützen. In der Europäischen Union ging der Europarat kürzlich in einer Schätzung davon aus, dass die Finanz- und Wirtschaftskrise die 27 Mitgliedstaaten bis zu 1,8 Billionen Euro- oder 14 Prozent des Bruttoinlandproduktes (BIP) der EU- kosten könnte. Das ist die teuerste Rechnung aller Zeiten, wie die NZZ am Sonntag in ihrer Ausgabe vom 15. Februar 2009 schreibt (online nicht verfügbar). Ich gebe sogar noch eine Quelle an- ich denke, flawed wird frohlocken..!

    Nach der nächsten Krise werden wir dann wieder auf den altgedienten Tauschandel (ich geb‘ dir n‘ Appel gegen zwei Eier u. ä.) zurückgreifen müssen

  8. …um sich der Wahrheit nicht stellen zu müssen? Die Wahrheit wird ja gerade mit allen Mitteln kaschiert- worunter auch ein neuer Vertrauensmann fällt: Barack Obama, würdest Du dem etwa nicht trauen? Bei dem Lächeln..? Der kann ja nur Gutes (für uns alle?) wollen! Nun will er ja die Finanz- und Kapitalmärkte „mit der tiefgreifendsten Regulierung seit der Grossen Depression“ zu Leibe rücken. Wie schön das klingt: seit der Grossen Depression..!!

    Wir tun nix, aber das wenigstens mit grossen Worten

    Dafür hat der ehemalige Arbeitsminister unter Bill Clinton, Robert Reich, nur Hohn und Spott übrig- absolut zu recht übrigens:

    Watch your wallets. The Street is up to its old tricks. And the White House’s so-called reform is little more than a whitewash.

    Quelle (!): Robert Reich himself!

  9. Warum müssen wir Frauen eigentlich unbedingt in die Führungsetagen, weil das den Firmen und dem Teamgeist nützt? Reicht es nicht, dass wir dorthin dürfen, weil wir es wollen?

  10. @Patricia: Du unterschätzt den Entwicklungs- bzw. den Eskalationsgrad dieser Diskussion ;-)

    Streitpunkt, immer derselbe: Wiviele Frauen wollen das denn nun? Alle? Viele? Ziemlich viele? Nicht so viele? Eher wenige? Wenige? Nur wenige? Einzelne?

    Gute Frage, gutes Statement!

  11. @ marcel

    Das kaschieren der Wahrheit ist bitter notwendig.

    Die gesamte Ökonomie ist hochgradig vom Finanzsektor (Fiat-Money) und vom Vertrauen der Konsumenten in ewiges Wirtschaftswachstum abhängig. Das ganze ist ein multiples, rückgekoppeltes System in dem Massenpsychologie eine entscheidende Rolle spielt.

    Das ist sozusagen die Herz-Lungen-Maschine der Wirtschaftsmächte. Wehe wenn die mal stottert oder gar ausfällt.

    Das Ergebnis wäre fatal.

  12. @Peter: „Die gesamte Ökonomie ist hochgradig vom Finanzsektor (Fiat-Money) und vom Vertrauen der Konsumenten in ewiges Wirtschaftswachstum abhängig.“

    DAS ist das Übel unserer Zeit! Fiat-Money, richtig: Versprechen durch Versprechen durch Versprechen durch Versprechen durch Versprechen durch Versprechen durch Versprechen durch Versprechen durch Versprechen und schlussendlich durch nichts gedeckt. Die sozialen Konsequenzen sind katastrophal. Seit gut zwanzig jahren versucht man krampfhaft, den Faktor Arbeit über den Faktor Kapital abzuwerten- und schlussendlich ganz zu ersetzen. Das darf nicht sein!

    Man könnte Seitenweise darüber schreiben.

    Aber das ist ja kein Wirtschaftsforum.

  13. @Billion
    Nicht die US Billion mit der deutschen Billion verwechseln, ne?
    Billion us-amerik. =Milliarde

  14. Definitiv ist das Testo schuld. Seit ich die Hormone nehm bin ich viel ruhiger geworden – ein bisschen runder auch an den entsprechenden Stellen;-)

Kommentare sind geschlossen.

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