Crosspost: Liebe Silke Burmester

Vor einigen Tagen erschien Silke Burmesters ominöser SPON-Text, dessen Thema „Sprachmaskeraden“ und „Behindertenwitze“ waren. Mela hat daraufhin auf ihrem Blog einen sehr lesenswerten offenen Brief veröffentlicht, und uns dankenswerterweise genehmigt, diesen heute hier crosszuposten. Absolut lesenswert sind auf ihrem Blog übrigens auch die inzwischen zahlreichen Kommentare, in denen sich u.a. auch Burmester mittlerweile zu Wort gemeldet hat.

Liebe Silke Burmester.

Heute erschien Ihre Spiegel-Kolumne über Behinderung und Sprache, in der Sie die Frage aufstellen, was wir Menschen mit Behinderungen eigentlich wollen, und postulieren, dass wir uns – in der Essenz – doch bitte nicht so haben sollen. Schlechte Witze wären nun mal gelebte Inklusion.

Frau Burmester, ich verstehe durchaus Ihre Verunsicherung und die Verunsicherung anderer Textarbeiter_innen. Die Ansichten, wie man über Menschen mit Behinderungen berichten darf, verändern sich derzeit in rasender Geschwindigkeit. Das führt manchmal auch zu übertriebener Vorsicht. Unsicherheit mögen Journalist_innen aber gar nicht. Sie müssen ja mit der Sprache arbeiten und dazu brauchen sie allgemein anerkannte, belastbare Richtlinien, was in Ordnung ist und was nicht. Mit Ihrer Kolumne versuchen Sie diese Sicherheit herzustellen und dazu erklären Sie Menschen mit Behinderungen, wie diese Behindertenwitze zu rezipieren haben.

Wären Sie ein Mann, würde ich Ihre Ausdrucksweise mit dem schönen Wörtchen ‘mansplaining’ beschreiben. Leider gibt es noch keinen passenden Begriff für den Umstand, bei dem Nichtbehinderte Menschen mit Behinderungen die Welt und die richtigen Reaktionen auf die Welt erklären. Es wäre an der Zeit dafür.

Aber erst einmal will ich Ihre Frage beantworten, was Menschen mit Behinderungen eigentlich wollen. Die Antwort darauf lautet: Respekt.

Was Sie dagegen fordern, ist der Freibrief, uns Vorurteile gegenüber Menschen mit Behinderungen, Ignoranz und blankes Unwissen nun nicht mehr direkt, aber dann wenigstens im Kleid der Satire vor die Füße rotzen zu dürfen. Alles total lustig und wer nicht mitlacht, oder gar den Mund aufmacht, ist ein_e Spielverderber_in.

Nein, Frau Burmester, Sie und andere Journalist_innen behandeln uns nicht so scheiße wie alle anderen auch. Sie behandeln uns deutlich mieser. Ständig werden wir in den Medien kleiner und hilfloser gemacht als wir sind. Man schreibt, berichtet, filmt über unsere Köpfe hinweg. Man lässt Eltern reden, Betreuer_innen, Heimpersonal, Sonderpädagog_innen – aber selten uns. Wir leiden unter unserer Behinderung, sind an Rollstühle gefesselt, leben in immerwährender Dunkelheit oder in unserer eigenen Welt. Gäbe es ein ausgeglichenes Kräfteverhältnis, bräuchte es Projekte wie Leidmedien oder Aufgerollt gar nicht. Tatsächlich gibt es wenig behinderte Journalist_innen und noch weniger Journalist_innen, die bereit sind, sich auf Menschen mit Behinderungen einzustellen und sie zu Wort kommen zu lassen.

Wir spielen nicht auf Augenhöhe und deswegen sind Behindertenwitze auch keine gelebte Inklusion. Sie entsprechen dem, was man in der Comedy  als ‘Punching Down’ bezeichnet. Sie treten nach unten, wo kein Widerspruch und keine Gegenwehr erwartet wird. So ist auch der rotzige Kommentar des TAZ-Kollegen zu verstehen. Von Nicht-Betroffenen lässt er sich gleich gar nichts sagen, von Betroffenen erwartet er kein Aufmucken. Stattdessen phantasiert er sich noch ein kumpelhaftes Telefonat zusammen. Das ist keine Inklusion. In jeder Handlung, jeder Aussage, scheint die alte Erwartungshaltung durch, dass Menschen mit Behinderungen leise und dankbar zu sein haben, aber keinesfalls laut und wütend.

Leise und dankbar, statt laut und wütend. Genau diesen Wunsch drücken auch Sie in ihrem Text aus, Frau Burmester. Wir sollen den Umstand, wie Dreck behandelt zu werden, als Inklusion begreifen.

Frau Burmester, erweisen Sie uns erst einmal den nötigen Respekt. Dann können wir irgendwann über Behindertenwitze reden.

Ein Kommentar zu „Crosspost: Liebe Silke Burmester

  1. Zusätzlich:
    Es ist nicht besonders witzig, stylistish ausgefallen sich auf Stereotype zubeziehen die Gesamtgesellschaftlichetabliert sind.

    Viel Sprachkreativer: Neue Worte, neue Formulierungen und kein als Kreativität getarntes ber eigentlich super langweiliges punsching down!

Kommentare sind geschlossen.

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