Bloggen, um Armut sichtbar zu machen

Dieser Text ist Teil 59 von 115 der Serie WWW Girls

In jeder Folge der WWW Girls stellen wir euch eine Bloggerin und ihr Weblog vor. Heute:

Gespenst der Armut

Wie heißt du?
Elke Brüns (im Pass steht: Dr. Elke Brüns)

Seit wann bloggst du?
Seit März 2010.

Drei Bloggerinnen mit weißen Laptops auf denen der Venusspiegel prangt, darum der Slogan - Feminists of the WWW: unite

(c) Frl. Zucker, fraeuleinzucker.blogspot.com

Warum hast du damit angefangen?
Ich forsche gegenwärtig zur Armut. Der, die, das Blog ermöglicht mir, sich aktuell vollziehende Konstruktionsprozesse von Armut, aber auch verwandte Themen schneller zu kommentieren, als dies wissenschaftlich möglich wäre, denn dort dauert alles bekanntlich länger. Außerdem kann ich die vielfältigen Facetten des Themas Armut kommentieren, darunter auch solche, über die als Literaturwissenschaftlerin sonst nicht oder nur selten schreiben würde (Musik, Filme, Videos etc.). Und last but not least: Ich habe angefangen zu bloggen, weil ich gerne schreibe und Dinge gestalte.

Worüber schreibst du?
Über die kulturellen Konstruktionen von Armut. Also die Diskurse, Bilder, Symbole und auch Praktiken, die wir mit Armut verbinden. Es geht mir darum, wie wir über Armut sprechen, wie wir sehen und konstruieren: Es geht um Deutungsmuster – und damit um Deutungsmacht. Diese Bilderwelten des Sozialen zeitigen ja Realitätseffekte und schaffen unsere soziale Wirklichkeit mit. Ich blogge darüber, weil diese soziosymbolische Dimension in den Armutsdiskussionen kaum thematisiert wird, aber gerade darum gesellschaftlich, politisch, sozial immens wirksam und wichtig ist. Gegenwärtig stellt sich z.B. die Frage, ob es, wie manche behaupten, eine „Kultur der Armut“ gibt. Das bedeutet, dass nicht mehr materielle Resourcen und Gerechtigkeit debatiert werden, sondern eine quasi „vererbte“ Disposition zur Armut postuliert wird. Die Armen müssten aus dieser Sicht dann erst einmal „umerzogen“ werden.

Was dir ohne Internet nicht passiert wäre:
Spontan fällt mir Folgendes ein: Mein PC hatte einmal seinen internen Kalender eigenmächtig um 5 Jahre rückdatiert. Meine Mails wurden deshalb nicht mit dem Absendedatum 2009 sondern mit dem Absendedatum 2004 verschickt. Da die elektronischen Postsortierer die eingehenden Mails ganz korrekt nach Datum einsortieren, landeten meine Mails bei den Empfängern auch unter der Jahreszahl 2004. Die Post im realen Leben mag zwar langsam sein, aber sich rückwärts in den Time Tunnel zu begeben, das hat auch sie noch nicht geschafft. Und während meine Mails die Vergangenheit besuchten, saß ich (mehr oder weniger) gegenwärtig am PC und fragte mich, warum niemand auf meine Mails antwortete. Ich kam mir doch ein bisschen einsam vor, keine Kommunikation mehr im stillgewordenen weltweiten Netz. Zum Glück hat ein aufmerksamer Freund nach einer Woche den Fehler bemerkt – und schon kommunizierte das Netz wieder emsig vor sich hin…

Wovon braucht das Internet mehr:
Gute Frage. Mehr untereinander vernetzte Wissenschaft. Forschung, die sich an ein breiteres Publikum wendet und auch so schreibt. Anderseits gibt es auch manchmal des Guten zu viel. In diesem Sinne: weniger Eitelkeiten (nicht alles muss ins Netz). Und unbedingt: weniger Werbung!

Frauen im Web…
haben eine lange Tradition. Arachne hieß die Weberin, die zur Strafe zur Spinne umgewandelt wurde und deshalb statt (lesbare, weil bildlich illustrierte) Teppiche zu weben (unlesbare) Netze spinnen musste. Anders als in der griechischen Mythologie ist das Netzespinnen heute keine Strafe, sondern eine Möglichkeit zur Artikulation.

Deine tägliche Web-Lektüre:
Perlentaucher, verschiedene Blogs, überregionale Zeitungen.

Tipps und Bewerbungen für die WWW Girls an post(at)maedchenmannschaft.net.

Ein Kommentar zu „Bloggen, um Armut sichtbar zu machen

Kommentare sind geschlossen.

Betrieben von WordPress | Theme: Baskerville 2 von Anders Noren.

Nach oben ↑