Wie war’s eigentlich beim Frauenbarcamp?

Natürlich ist so ein Frauen-Barcamp nicht nur für Frauen gedacht. Vor allem dann nicht, wenn es um emanzipatorische Bestrebungen geht, die die ganze Gesellschaft betreffen. Trotzdem sind die Männer rar an diesem Samstag in der Berliner Kalkscheune. Aber so richtig stören tut das eigentlich niemanden. Was im vergangenen Jahr als der Versuch begann, Frauen ein Forum für politische, soziale und private Belange zu bieten, findet in diesem Jahr unter der Frage „Was wollt ihr eigentlich?“ seine Fortsetzung.
Das Barcamp soll eine „agendafreie Organisationsform“ sein. Wie das aussieht, zeigt sich bei der morgendlichen Sessionplanung: Nach knapp zwanzig Minuten stehen ein Dutzend Vorträge, Workshops und Wünsche für Diskussionsrunden auf dem Plan. Im Laufe des Nachmittags kommt noch einiges dazu. Nicht runtergeleiertes Expertenwissen und einschläfernde Monologe soll es hier geben, sondern ein Miteinander, Diskussionen auf Augenhöhe und der Austausch von Wissen.

Kübra Gümüsay über ihre erste, von Achselhaaren motivierte, Begegnung mit dem Feminismus (Foto via Barcamp Frauen)

Die Erstsemester-Studentin kann den Wunsch nach einer Session über Körperbilder genauso in den Raum werfen, wie die erfahrene Managerin ihren routinierten Vortrag über gläserne Decken halten kann. Die Anzahl der Teilnehmerinnen ist im Vergleich zum Vorjahr gewachsen – am Ende sind es 150. Und es zeigt sich, dass auch die Bandbreite an Themen zugenommen hat. Vom Karriere-Gap in der Wissenschaft über Sexual Harassement hin zu Netzpolitik reichen die Vorschläge. Dazwischen finden sich noch welche zu Ehrenmord, Burn-Out oder dem „Überleben als Single“.
Die lockere Planung ermöglicht Flexibilität und gibt dem gesamten Barcamp etwas Entspanntes. So entspannt, wie ein nächtliches Gespräch an der Bartheke. Vom Moderationskoffer in den Workshop-Räumen bis hin zu den kostenlosen Getränken ist alles gut organisiert. Bloß die Soja-Milch fehlt einer Twitterin für ihren Kaffee.

Jenny Huschke, Referentin für Gleichstellungspolitik beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB), beginnt ihren Workshop zum Thema „Frauen auf dem Arbeitsmarkt – wie will ich arbeiten und leben?“ mit einer Vorstellungsrunde. Und so erfährt man: Da sitzt eine 31-jährige Berufstätige neben einer 15-jährigen Schülerin, die zweifache Mutter in den Vierzigern neben der Berufsanfängerin, deren Freund kein EU-Bürger ist und die sich fragt, ob diese Beziehung nur durch eine Ehe gesichert werden kann.
Das große Thema ist die Vereinbarkeitsfrage: Eine Teilnehmerin erzählt, dass sie sich neben ihrem Vollzeitjob weiterbildet, in der Abendschule. Sie fragt sich, wie sie es schaffen soll, auch noch ein Kind zu bekommen. Reicht die Kraft, überlegt sie. Und sie ist nicht die Einzige. Selbst die jungen Frauen, die mit Anfang 20 gerade erst begonnen haben, zu studieren, denken bereits darüber nach, wie das mal alles zusammen gehen soll, Familie und Beruf. Eine Studentin stellt provokativ die Frage, was überhaupt schlimm daran sein soll, wenn man als Mutter zu Hause bleiben will. Warum das nicht als Privileg gesehen würde. Was sich in der Diskussion an Lebensentwürfen und Perspektiven deutlich unterscheidet, findet in der Forderung nach anderen Strukturen doch zusammen. Da sind sich alle einig. Erst am Ende des Workshops stellt sich die Erste vor, die sagt, sie wolle im Job vor allem viel Geld verdienen. Man solle durchaus an sich denken, schließlich sei der eigene Lebensentwurf nicht für die Gesellschaft bestimmt.
Der Widerspruch folgt: Das Wollen allein reiche nicht aus, sagt eine Diskutantin. Es brauche auch andere Betreuungs- und Arbeitsmodelle, um Familien und Frauen zu fördern. „Das muss immer wieder neu gerodet werden, die Wege sind ganz schnell zugewachsen.“ Und das es nicht alleine gehe. Zugegeben: Erkenntniserhellend ist das nicht unbedingt, aber ein Zuspruch für die jüngere Generation und das Zugeständnis der Älteren, nicht in der Resignation zu verharren.
Und dann gibt es noch den optimistischen Tipp derjenigen, die schon länger auf dem Arbeitsmarkt unterwegs sind, dass Zukunftsentwürfe sich verändern können und man sich eine Fehlertoleranz zugestehen darf. Beruflich wie auch privat.
Eine Kritik vom Vorjahr haben sich die Veranstalterinnen zu Herzen genommen: die der fehlenden Diversität. Die Frauengeneration, die sich aktuell mit Feminismus auseinander setzt ist nur: weiß, akademisch, mittelständisch und heterosexuell – so die oft vorgetragene Kritik. Im vergangenen Jahr traf das auch auf die Teilnehmerinnen des Barcamps zu. In diesem Jahr ist die Mischung vielfältiger.
Mit der Journalistin Kübra Gümüsay steht auch eine kopftuchtragende Muslimin auf dem Podium, um genau darüber zu sprechen, dass die Sichtbarkeit ihrer Religion unabhängig von ihrem feministischen Engagement ist. Der Raum ist brechend voll. Kein Wunder bei dem Titel: „Die radikal feministische Muslimin“. Das habe einfach gut geklungen, sagt Gümüsay später.
In ihrem viertelstündigen Vortrag erzählt sie, dass es für viele unvereinbar erscheint, Muslimin und Feministin zu sein. Dabei ist sie überzeugt, dass sie ihre religiöse Identität nicht ablegen müsse, um für Frauenrechte einzutreten. Und sie wirbt für Zusammenhalt. „Denn nur gemeinsam sind wir wirklich stark“, sagt sie und zeigt auf den Spruch ihrer Powerpoint-Präsentation: „Oh yeah. Peace und so“.
Gümüsays Vortrag ist humorvoll, das anschließende Gespräch wechselhaft. Manche Fragen an die 23-Jährige sind persönlich, manche zustimmend, andere kritisch. Gümüsay reagiert souverän und erntet Lacher, wenn sie die Frage nach dem Netzwerk muslimischer Feministinnen beantwortet: „Wir sind nicht organisiert, wir sind total wischiwaschi.“
Ja, denke ich am Ende, wir sind vielleicht alle wischiwaschi, aber wir sind da, wir zeigen Präsenz und stellen Fragen. Auch dafür steht dieses Barcamp.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei der Freitag

7 Kommentare zu „Wie war’s eigentlich beim Frauenbarcamp?

  1. Ich sehe diese Veranstaltung mit sehr gemischten Gefühlen: Einerseits ist es sicherlich Aufklärung in Reinform, die Rassist_innen von der SPD mal mit einer echten Muslima zu konfrontieren. Aber trotzdem: Sollte man ausgerechnet mit der Partei zusammenarbeiten, die sich am engagiertesten für repressive Maßnahmen gegenüber Muslim_as einsetzt? Macht ihr euch da nicht mitschuldig?

  2. … achja… Ich schreibe gerade Vollzeit an einer Diskursanalyse über die Sarrazin Debatte, weshalb ich den ganzen Tag über Rassismus, die SPD und verwandte Probleme nachdenke… Wird langsam etwas viel hier… Sorry…

  3. @Galumpine:
    Vielfalt im Sponsoring/Unterstützung ist durchaus positiv zu bewerten, ansonsten kommt es zu Abhängigkeiten oder einer prägenden Richtung, was ein ergebnisoffenes Arbeiten erschwert. Außerdem find ichs nen bissl hart „RassistInnen von der SPD“ zu sagen. Das ist eine enorm vielfältige Partei, will dich mal vor ner x-beliebigen JuSo Gruppe darüber referieren hören das sie ja potentielle RassistInnen seien. Überspitzt gesagt.

  4. @Nandoo: Die Jusos die ich kenne ziehe ich da eigentlich regelmäßig mit auf… Von Angesicht zu Angesicht ist das eh besser, weil ich dann (meistens) klarmachen kann, dass ich das nicht böse meine, auch wenn ich seit frühester Kindheit ein großer Fan von Provokationen bin… Wenn viele SPD-Mitglieder nicht rassistisch denken (was ich glaube), sollten sie den Integrationspolitischen Kurs den die Partei derzeit fährt aber auch bekämpfen. Es geht nicht darum, dass Rechtspopulisten wie Sarrazin, Buschkowsky oder Donanyi unbedingt rausfliegen müssen. Solange die SPD allerdings nicht in der Lage ist, diesen Stimmen überhaupt rational entgegenzutreten und eine antirassistische Position innerhalb der SPD zu artikulieren, distanziere ich mich in aller Schärfe von ihnen.

  5. Ich sehe diese Veranstaltung mit sehr gemischten Gefühlen: Einerseits ist es sicherlich Aufklärung in Reinform, die Rassist_innen von der SPD mal mit einer echten Muslima zu konfrontieren.

    Und die muslimischen Frauen in der SPD sind dann unechte Muslima, oder wie?

  6. Der reinste Tokenism. Etwa so, als würde ein Homophobie-Vorwurf an die CDU mit der Existenz der LSU „gekontert“ werden.
    Und die „echte Muslima“ war doch einfach nur wörtlich gemeint: Ein echter, lebendiger Mensch im Gegensatz zum rassistischen Propaganda-Konstrukt des „Kopftuchmädchens“.

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