Wie „macho” ist die EU?

Dass in der Europäischen Kommission nicht nur Männer vertreten sind, war ein Kraftakt – schließlich ist doch ein Drittel mit Frauen besetzt worden. Wie Julien Frisch berichtet, gibt es nun eine Interviewserie mit den Kommissarinnen. Die Journalistin und Bloggerin Prune Antoine fragt nach, warum es so wenige hochrangige Politikerinnen gibt, wie „macho” die EU und ihre Institutionen sind und was sich ändern sollte.

So erklärt etwa die griechische Kommissarin für maritime Angelegenheiten und Fischerei Maria Damanaki:

… it is considered a challenge to be a working mother, and rightly so. I know that at first hand as I have three children. Why then, is it not generally considered to be an equal challenge to be a working father? Is anybody going to ask a male politician about his father experience?

Zu deutsch: Es wird zu Recht als Herausforderung gesehen, eine arbeitende Mutter zu sein. Ich weiß das aus erster Hand, da ich drei Kinder habe. Warum wird es dann allgemein nicht als gleiche Herausforderung gesehen, ein arbeitender Vater zu sein? Fragt irgendjemand einen männlichen Politiker nach seiner Erfahrung als Vater?

Die Interviews sind bisher leider nur in Englisch oder Französisch erschienen. Links zu oder Übersetzungen gerne an post(at)maedchenmanschaft.net schicken.

Vielen Dank an Kirsten für den Hinweis.

Julien Frisch hat sich netterweise die Mühe gemacht und das erste Interview mit Viviane Reding übersetzt:
„Wenn wir Barrosos Mädchen sind, dann ist er genauso unser Junge“

Den Sprung in den Frühling…verpasst. Berlin, 4. Mai 2010: Die Mützen haben noch Ausgang und Röcke fallen noch immer über Leggins; am Alex sind es bloß 10 Grad im Schatten. Um die Atmosphäre aufzuwärmen habe ich euch eine Reihe exklusiver Interviews mit den lustigen Damen von der zweiten Barroso-Kommission zusammengemixt. Acht Frauen wurden für die 27 Posten ernannt, ein eher „symbolisches” Drittel des Entscheidungsorgans der EU. Denn wenn tatsächlich die Gleichheit von Mann und Frau hochtrabend als „gemeinsamer Wert der EU” ausgerufen wird, dann sind die Statistiken doch wenig schmeichelhaft: Geringere Beschäftigungsquote, unterrepräsentiert in Politik und Wirtschaft, Ungleichheit bei der Aufteilung der Heimarbeit, höhere Armut… Das Leben des schwachen Geschlechts auf dem Kontinent ist manchmal wenig rosig. Aber was denken die Damen Kommissarinnen? Ihre Sicht auf den Alltag des sehr männlichen europäischen Universums, ihre Kämpfe und ihre Überzeugungen in fünf Fragen.

Erster Teil mit Vivivane Reding, 59 Jahre, luxemburgische Politikerin, Mitglied der Christlich-Sozialen Partei und Kommissarin für Justiz, Grundrechte und Bürgerschaft. Viviane Reding ist auch Vizepräsidentin der Europäischen Kommission.

Glauben Sie, dass man die EU-Institutionen als „macho” bezeichnen könnte?
Wenn das bedeutet, dass die EU-Institutionen von Männern dominiert sind, dann kann ich nicht zustimmen. Im Allgemeinen haben wir eine gute Quote in der Kommission: 51% Frauen und 49% Männer. Über die Jahre sind wir davon weggegangen, einfach nur eine Politik zu verfolgen, die darauf aus war, die Zahl der Frauen in Verwaltungs- und Leitungsfunktionen zu erhöhen und versuchen nun ein breiteres Konzept voranzubringen, dass einen besseren Ausgleich von Arbeit und Privatleben für alle Mitarbeiter/innen ermöglicht. Wir haben Heimarbeit und flexible Arbeitszeiten eingeführt und unterstützen auch Teilzeit. Das Problem ist, dass es immer noch zu wenig Frauen in den oberen Führungspositionen gibt – nur 17%. Das ist nicht genug. Ich möchte Frauen unterstützen, sich einfach um höhere Positionen zu bewerben. Meist fehlt es nicht an Gelegenheiten sondern es scheitert daran, dass Frauen glauben, sie seien nicht qualifiziert genug für eine bestimmte Position. Wir brauchen einen Mentalitätswechsel: Frauen, die von sich überzeugt sind und Männer, die das Potenzial und die Kreativität schätzen, die Frauen in einbringen können. Wenn „macho” bedeutet, dass Barroso ein Mann ist und die Kommissarinnen ihm irgendwie direkt untergeordnet sind, dann muss ich erneut verneinen. Er ist der Präsident und bestimmt die allgemeinen Leitlinien. Trotzdem haben die einzelnen Kommissare große Freiheit ihre Politik zu bestimmen. Am Ende entscheidet die Kommission immer als Kollektivorgan. Ein Journalist hat die Kommissarinnen mal als „Barrosos Mädchen” bezeichnet. Ich habe geantwortet, dass wenn wir seine Mädchen sind, er auch unser Junge ist. Ich glaube nicht, dass die Europäische Kommission als „macho” bezeichnet werden kann oder sollte.

Hatten Sie Probleme in Ihrer Karriere, sich durchzusetzen?
Nein, niemals. Das hängt wahrscheinlich zum Teil damit zusammen, dass ich immer stolz darauf war, die zu sein die ich bin und dass ich stolz bin, eine Frau zu sein. Ich habe immer davon profitiert, eine Frau zu sein. Ich war die erste weibliche Journalistin, die in Luxemburg über Politik geschrieben hat. Ich wurde Politikerin und habe gleichzeitig meine drei Söhne aufgezogen. Als ich EU-Kommissarin für Telekommunikation wurde, war ich ziemlich von Männern umzingelt. Zunächst haben sie meine Ankündigung, Roaming-Gebühren zu regulieren nicht sehr ernst genommen. Die haben wahrscheinlich gedacht: „Lass die Frau reden.” Aber dann habe ich gehandelt, und das hat sie ziemlich überrascht. Mein Rat ist daher: Tut es einfach! Ihr werden überrascht sein, wie viel man erreichen kann und ihr werdet euch über die (meist männlichen) überraschten Gesichter um euch herum wundern.

Spielt die Tatsache, dass Sie eine Frau sind, eine Rolle bei ihrer täglichen Arbeit als Kommissarin? Wenn ja, wie?
Immer wenn ich mit Frauen spreche, die nicht ganz so selbstbewusst erscheinen, versuche ich diese Botschaft zu übermitteln. Ich wurde niemals unterdrückt und hatte niemals Problem, weil ich eine Frau bin. Aber natürlich ist mir bewusst, dass Fraunen in der Gesellschaft wegen ihres Geschlechts manchmal auf Probleme stoßen. In diesen Fällen kann ich sie nur ermuntern, dieses laut auszusprechen. Wenn man nicht weiß, dass du ein Problem hast, kann man dir auch nicht helfen.

Wenn Sie etwas an der EU ändern könnten, was wäre das?
Die EU erscheint oft als riesiges bürokratisches Projekt, das nichts mit dem normalen Bürger zu tun hat. Ich möchte die EU näher an die Bürger bringen. Ich habe vor kurzem einen Plan für die nächsten fünf Jahre vorgestellt, der das Leben der Bürger einfacher machen soll, wenn sie sich entscheiden, im Ausland zu leben, zu arbeiten und zu studieren oder ins Ausland zu reisen. Diese ehrgeizigen Vorschläge werden bürokratische Hürden entfernen, die das Leben der Bürger einschränken und der Wirtschaft zusätzliche Kosten und rechtliche Unsicherheit auferlegen.

Könnten Sie Europa in drei Worten definieren?
Freiheit, Chancen, Solidarität.

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