Wer war… Charlotte Perkins Gilman?

Dieser Text ist Teil 18 von 53 der Serie Wer war eigentlich …

„Es gibt keinen weiblichen Verstand. Das Gehirn ist kein Geschlechtsorgan. Man spricht ja auch nicht von einer weiblichen Leber.“ — Charlotte Perkins Gilman in Women and Economics (1898)

Die amerikanische Schriftstellerin Charlotte Perkins Gilman wurde heute vor 150 Jahren in Hartford, Connecticut geboren und beschäftigte sich Zeit ihres Lebens mit feministischen Themen wie z.B. das Frauenwahlrecht und die ökonomische Unabhängigkeit von Frauen. Ihr bekanntestes Werk ist The Yellow Wallpaper, welches erstmals 1892 erschien und heute als ein Standardwerk der frühen amerikanischen feministischen Literatur gilt.

In der Kurzgeschichte The Yellow Wallpaper wird die namenslose von Krankheiten geplagte Protagonistin von ihrem Ehemann, einem Arzt, auf das Zimmer eines Sommerhauses gebracht, wo ihr strengste Bettruhe verordnet wurde. Daraufhin verfällt die Protagonistin immer mehr in Depressionen und beginnt, von der Wandtapete in ihrem Raum krankhaft besessen zu werden. Gerade in der amerikanischen Literatur des 19. Jahrhunderts wurden Wahnsinn und Depressionen auffällig oft von Autorinnen thematisiert, da diese Motive die Lebensrealitäten von vielen Frauen der Mittel- und Oberschicht illustrierten.

Jene Frauen der wohlsituierten Oberschichten lebten oftmals ein abgeschiedenes und zur Langeweile verdammtes Leben. Schriftstellerinnen wie Gilman thematisierten diese eingeschränkten Möglichkeiten und formulierten auch deren Konsequenz: Im wahrsten Sinne des Wortes wurden viele Frauen durch die patriarchalisch strukturierte Gesellschaft „wahnsinnig“. Dieser „weibliche Wahnsinn“ – die Hysterie – eröffnete in der Konsequenz die Möglichkeit einer eigenen (wenn auch skurrilen) Welt, in die sich Frauen zurückziehen konnten.

Die Hysterie wurde zur Zeit der Aufklärung und vermehrt im 19. Jahrhundert als geistige Erkrankung angesehen, deren Ursache in den weiblichen Geschlechtsorganen zu finden sei (Hystera, griech.: Gebärmutter). Hysterie war demnach von Anfang an geschlechtlich konnotiert. Mit dem Konzept des hysterischen Charakters wird die Frau mit ihrer (anerzogenen) Emotionalität „natürlich hysterisch“; im Umkehrschluss sind alle Hysterischen weiblich bzw. haben „weibliche“ Eigenschaften. Diese Erklärungsmuster dienten der Eindämmung des weiblichen Aufbegehrens; jegliche Andersartigkeit wurde sofort pathologisiert. Dass diese Zuschreibungen die Konsequenz einer männlich dominierten Welt sind, beschreibt Gilman in ihrem Buch The Man-Made World or Our Androcentric Culture (1911), in dem sie erstmalig den Begriff „Androzentrismus“ definierte, welches ein Weltbild beschreibt, das männliche Lebensmuster und Denksysteme als universelle Menschennorm definiert.

Charlotte Perkins Gilman wählte 1935 nach einer Krebsdiagnose den Freitod.

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Für die Reihe „Wer war…“ freuen wir uns über eure Vorschläge oder auch Gastblogger_innen, die ihre Lieblingsfeminist_innen vorstellen. Vorschläge/Beiträge einfach an post[at]maedchenmannschaft.net senden.

3 Kommentare zu „Wer war… Charlotte Perkins Gilman?

  1. ich möchte sehr empfehlen: den wunderbaren roman „herland“ (eine utopie) von Charlotte Perkins Gilman. 1915 erstveröffentlicht, erschien er immerhin „schon“ 1980 auch in deutscher sprache. derzeit leider vergriffen, neuauflage nicht geplant. auszüge finden sich im internet – oder das englische original lesen ….

  2. „Jene Frauen der wohlsituierten Oberschichten lebten oftmals ein abgeschiedenes und zur Langeweile verdammtes Leben. Schriftstellerinnen wie Gilman thematisierten diese eingeschränkten Möglichkeiten …. Dieser ”weibliche Wahnsinn” – die Hysterie – eröffnete…“

    Schon 700 v.Chr. wurde dies als „Xanthippen“ im alten Griechenland beschrieben und ebenfalls auf die patriarchalischen einschränkenden Lebensverhältnisse der Frauen zurückgeführt (Simone de Beauvoir).

    Ein weiteres Beispiel wurde vor Kurzem in Quarks & Co. dokumentiert, die Musikerin Fanny Hensel, ebenfalls zunächst von geg. Verhältnissen auf Rollenzuweisungen fixiert :

    http://www.wdr.de/tv/quarks/sendungsbeitraege/2010/0629/006_geschwister.jsp

    M.E. ein interessanter Beitrag, der auch die alte Frage des Einflusses der Sozialisation und gesellschaftlicher Normvorgaben in den Epochen mit strengen Geschlechterrollenzuweisungen aufgriff.

    http://www.fannyhensel.de/bio_frame.htm

    „Bereits als 14-jährige wurde Fanny von ihrem Vater auf ihre zukünftige Rolle als Ehefrau und Mutter verwiesen, und so war ihr Wirken auf den häuslichen Rahmen beschränkt. Sie komponierte überwiegend Klavierstücke und Lieder, die sich in häuslichen Konzerten aufführen ließen.“

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