Was trennt den Troll von Diskutierenden?

Kommentare im Internet – das leidige alte Thema. Courtney Stanton hat sich nach einer explodierten Diskussion auf ihrem Blog durch über 1000 Kommentare gelesen und diese untersucht. Hintergrund war die Kontroverse um einen der ältesten Online Comics, Penny Arcade, und einen Witz über Vergewaltigungen.

Stanton schrieb dabei auch über ihre eigenen Erfahrungen und Gefühle als Opfer/Überlebende einer Vergewaltigung. Außerdem ging sie auf die Schnittmengen von rape culture und der Games-Szene Die daran anschließenden Kommentare unterteilte sie nun nach verschiedenen Kriterien: Zunächst teilte sie unterstützende Kommentare und Gegenmeinungen auf. Als zweites unterschied sie passive von aggressiven Beiträgen, die unbedingt nach einer Antwort gierten. Schließlich ging es um die Frage, ob Informationen geteilt wurden oder persönliche Angriffe vorgetragen wurden.

Speziell ging sie in ihrer Untersuchung auf die unvermeidlichen Trolle ein. In diesem Zusammenhang definierte sie diese als Kommentator_innen, die nichts produktives zur Debatte beitrugen, dafür aber meist aggressiv und persönlich wurden. An den entstandenen Diskussionszweigen beteiligten sie sich selten – während 67 % aller „normalen“ Kommentare Antworten auf andere Kommentare waren, war es bei Trollbeiträgen nur zu 17 % der Fall. Sie richteten sich stattdessen gern gegen die Autorin selbst.

Wolke der meistbenutzten Wörter der normalen Diskussionen
Das sagen die Diskutierenden - Folie via kirbybits.wordpress.com
Wolke der meistbenutzten Wörter der Trolle
Das sagen die Trolle - Folie via kirbybits.wordpress.com

Erstaunliche Unterschiede zeigten sich bei den Inhalten. Trollen ging es fast ausschließlich um rape – Vergewaltigung. Dazu noch ein paar hoffnungsvolle Drohungen (“I hope you get raped” – Ich hoffe, du wirst vergewaltigt) und erstaunlich oft das Wort fat – fett. In den weiteren Diskussionen ging es dagegen deutlich ausgewogener und näher am Thema zu. Stanton lässt die Kommentare unter den entsprechenden Beiträgen inzwischen allerdings nach zwei Wochen schließen. Am Ende seien es immer wieder die gleichen Argumente und das sei einfach ermüdend.

Wer sich von Beleidigungen, ekligen Angeboten und Todesdrohungen gegen Video- und Computerspieler_innen ein Bild machen will: Den alltäglichen Sexismus sammelt inzwischen das neue Blog Fat, Ugly or Slutty.

9 Kommentare zu „Was trennt den Troll von Diskutierenden?

  1. Ein hässliches, hässliches Thema. Ich glaube nicht, dass man irgendeine Meinung dazu haben kann, ohne sich die Klamotten furchtbar schmutzig zu machen.

    Ich fand die Reaktion auf den ursprünglichen Webcomic überzogen und, so paradox das klingt, unsensibel: Ich sehe einen riesigen Unterschied zwischen Vergewaltigungswitzen wie z.B. dem, der John McCain zugeschrieben wird, und der Art und dem Zweck, wie Penny Arcade Vergewaltigung benutzt hat: Wer jede Verwendung des Begriffs „Vergewaltigung“ in einem humoristischen Kontext (egal, in welchem und wozu) als Beitrag zur Vergewaltigungskultur anklagt, banalisiert die schlimmen Finger.

    That said: Die Reaktion von Penny Arcade darauf war auch nicht besser und zeugt von mangelnder Auseinandersetzung mit den Vorwürfen – vor allem war sie verantwortungslos: Wer in so einer exponierten Stellung wie die Penny-Arcade-Macher ist, hat Verantwortung, und die besteht nun mal auch darin, dass schlafende Trolle nicht weckt. Das hätten sie wissen und vor allem auch danach handeln müssen, haben sie aber nicht.

    Äh, und jetzt hab ich irgendwie das Gefühl, auf Flamebait angebissen zu haben. Mist. Also noch was zum eigentlichen Thema des Artikels: Ich fand die Auswertung interessant, vor allem den „Trolle antworten selten auf andere Beiträge“-Teil: Das wäre doch mal eine große Hilfe für Moderationssysteme :)

  2. Schon wieder diese Penny-Arcade-Geschichte? Die Reaktion auf den Comic war überzogen und einer Fehlinterpretation geschuldet.

    Dort ist kein Witz über Vergewaltigungen gemacht worden, sondern einer über das nur vorgeblich heldenhafte Verhalten von Spielern in den diversen Computerspielen – zwar scheinen die Aufgaben so gestaltet zu sein, dass der Spieler der Gute ist, aber in Wirklichkeit ist ihm völlig egal, was er macht, er erledigt nur die ihm gestellten Aufgaben, um die Belohnungen einzuheimsen.

    Besonders absurd ist das Ganze, weil die ursprüngliche Kritik an dem Comic auch noch das „Geständnis“ beinhaltete, dass das gegenseitige Ermorden der Figuren durchaus lustig ist. Kein Wunder, dass seitens Penny Arcade dann entsprechend humorvoll reagiert wurde.

    Das wiederum wurde erneut kritisiert und die ganze Sache nahm ihren Lauf. Dass sich letztlich auch noch aggressive Trolle dazugesellen, ist zwar unangenehm, aber kaum zu verhindern (natürlich können die Kommentare moderiert/freigeschaltet werden).

  3. @Tobias Nein, die Ursprungsgeschichte ist hier nicht Thema, auch nicht als Flamebait. Unsensibel finde ich es, Beschwerden von Vergewaltigungsopfern als das eigentliche Problem darzustellen, die alles noch schlimmer machen. S.a. http://www.fugitivus.net/2009/06/24/a-woman-walks-into-a-rape-uh-bar/

    @Timo Reitz Nein, nicht „schon wieder“, auf diesem Weblog ging es noch nie um die Geschichte. Ob der Witz über Vergewaltigungen direkt oder nur nebengründig geht – Vergewaltigung ist immer noch ein Thema im Witz. Und die ursprüngliche Kritik richtete sich derart explizit gegen den Einstz von Vergewaltigung, dass darauf humorvoll zu reagieren einfach unangemessen war.

    The problem is, I just don’t find rape funny. Because rape survivors exist among us, and after being victimized by rapists, they are revictimized by a society that treats even real rape like a joke, forced to live in a culture that actually has a lot of rape jokes, including those about rape victims being actively denied justice for no other reason than because people don’t take rape seriously. I don’t find rape funny because rape victims are often doubted, mocked, and insulted openly.

    http://shakespearessister.blogspot.com/2010/08/rape-is-hilarious-part-53-in-ongoing.html

    Abschließend noch ein Hinweis auf die Netiquette, das Thema hier sollte weiterhin die Analyse der Kommentare sein.

  4. @Helga:
    Das ist richtig, war auch nicht auf diesen Blog bezogen, habe ich aber nicht klargestellt (tue ich hiermit).

    Es macht einen gewaltigen Unterschied, ob ein Witz über etwas ist oder etwas nur in dem Witz vorkommt. Die Reaktion von Penny Arcade auf die Kritik mag dir unangemessen erscheinen, allerdings war schon die Kritik völlig unpassend, denn der Comic trägt nunmal nichts zur Rape Culture bei. Du musst bedenken, dass aus Sicht der Penny-Arcade-Macher dieser Zusammenhang völlig aus der Luft gegriffen ist und sie das Thema somit nicht wirklich ernstgenommen haben. Da hat die Kritik mehr geschadet, als dass sie etwas gebracht hat.

    Den Hinweis auf die Netiquette halte ich übrigens für Provokation, denn ich habe die Netiquette just zuvor nochmal gelesen. Im Blog-Artikel steht nunmal „(…) und einen Witz über Vergewaltigungen“, was aus meiner Sicht falsch ist, und in diesem Kontext sind die Kommentare zu sehen. Wobei mich interessieren würde, ob die diese spezielle Formulierung ebenso für falsch hältst, das geht leider aus deiner Antwort nicht hervor.

    Der klassischen Definition von Trollen dürften übrigens viele Beiträge gar nicht entsprechen, denn zwar tragen Beleidigungen und Drohungen nichts zur Diskussion bei, allerdings haben Trollbeiträge auch den Sinn, möglichst viele (und vor allem auch lange) Reaktionen zu provozieren, das dürfte da nicht so häufig erfüllt sein.

    Ansonsten ist die Analyse leicht: Wenn jemand nur vorhat, zu drohen und beleidigen, wird er natürlich seine Worte so wählen, dass er den maximalen Effekt zu erzielen glaubt. Das ist bei dem Thema logischerweise Vergewaltigung und bei Frauen generell das Äußere (Figur – „fat“)*. Finde ich nun nicht so überraschend.

    *Bevorzugt durch Leute, die den „Wert“ einer Frau an ihrem Äußeren bemessen.

  5. „der Comic trägt nunmal nichts zur Rape Culture bei. “

    Doch. Erstmal kann der bei Vergewlatigungs/Mißbrauchsopfern ganz schön triggern.
    Zweitens: wenn man etwas in einen Witz einbezieht, trägt man nur dazu bei, diese Sache als „Normalität“ darzustellen.
    Den Ursprungscomic fand ich auch nicht so schlimm – aber ich bin auch kein Mißbrauchsopfer. Und wenn ein Mißbrauchsopfer sagt, daß ihn/sie dieses Comic in irgendeiner Weise verletzt, werde ich die letzte sein, die ihm/ihr das abspricht!

    Das aber haben die 2 Comicmacher getan. Sie haben sich auch noch über die „Empfindlichkeit“ einer Vergewaltigungsüberlebenden lustig gemacht statt einfach zu sagen „hey, sorry, wir wußten nicht, daß das wen triggern kann, war keine absicht“. damit wär die sache gegessen gewesen, aber nö, sie mußten ja darauf beharren, so zu tun, als sei kritik an rape culture per se lächerlich.

  6. @Helga:
    Aus mir unerklärlichen Gründen kannte ich die ursprüngliche Geschichte nicht, es gibt also was nachzuholen.

    Nein, die Ursprungsgeschichte ist hier nicht Thema, auch nicht als Flamebait. Unsensibel finde ich es, Beschwerden von Vergewaltigungsopfern als das eigentliche Problem darzustellen, die alles noch schlimmer machen. S.a. http://www.fugitivus.net/2009/06/24/a-woman-walks-into-a-rape-uh-bar /

    Ich sehe das nicht unbedingt allein so: Amanda Pranton meinte damals:

    I think this rhetorical device of casting survivors as a group of women too delicate to even understand context and meaning, while well-meaning, actually hurts rape survivors by reinforcing the erroneous notion that once a woman is raped, she’s forever ruined and broken.

    Der ganze Artikel nimmt uns das weitere Diskutieren zum Glück ab, ich hätte nicht mehr zu sagen hat, als da steht.

    Zum eigentlichen Theme das Beitrags hab ich dann leider auch nicht mehr zu sagen. Trolle sind eine beklagenswerte Erscheinung, deren Effekt nur mit Arbeit beizukommen ist – oder die mit technischen Mitteln zu bekämpfen sind. Die Analyse fand ich da ganz hilfreich, aber ich bin auch kein Entwickler von Foren- oder Kommentarsystemen. :)

  7. Ich sehe die Kritik an „Penny Arcade“ auch nicht als berechtigt an. Sie haben Vergewaltigung ja als Folter dargestellt, als schlimmes Schicksal, vor dem der Sklave auf jeden Fall zu retten ist.

    Wenn sie geschrieben hätte „every night, one of our children and one of us is killed by hours of tortur“ oder „one piece of our body is hacked of“ würde man sich dann auch so aufregen? Gerade die letzten beiden sind ja wohl durchaus schreckliche Schicksale, aber darf man sie deswegen nicht als schreckliche Schicksale anführen?

    ich verstehe insofern nicht ganz, woher die Sonderrolle der Vergewaltigung in einem möglichen Kanon schrechlicher Verbrechen wie etwa Verstümmelung oder qualvoller Tötung herrühren, die die Reaktion rechtfertigen.

  8. @Sabine:
    Die anderen Beispiele, die du gegeben hast, sind aber irgendwie ernsthaft – hätten sie einfach nur „raped every night“ gesagt, hätte zumindest ich auch kein Problem damit gehabt. Aber „raped to sleep by dickwolves“? Ich meine, zuerst mal „in den Schlaf vergewaltigen“: Analog aufgebaut zu „in den Schlaf wiegen, singen etc.“, also eher positive Dinge. Denn, um schlafen zu können, muss ich doch entspannt sein, ruhig. Bringt für mich nicht wirklich rüber, dass wir vergewaltigen als „schreckliches Schicksal“ ansehen.
    Und dann „Schwanzwölfe“? Die beabsichtigte/erhoffte Reaktion darauf ist doch nicht „wie furchtbar“, sondern „höhö, Schwanzwölfe!“. Das ganze Konzept ist dazu bestimmt, die Sache lächerlich zu machen. Deshalb fand ich die Kritik durchaus berechtigt und hätte mir ein „Ups, tschuldigung“ gewünscht. Oder, um ehrlich zu sein, sogar gar keine Reaktion. Hätte ich auch nicht dramatisch gefunden. Aber die Reaktion, die sie gezeigt haben? War echt das Letzte.

  9. „..dafür aber meist aggressiv und persönlich wurden..“

    Ich kenne den Effekt zu Genüge genauso wie die notorischen „Antwortenforderer“ : „Die Frage hadda auch noch nich beantwortet!“

    Was diese Forderungen motiviert :

    „Trollen ging es fast ausschließlich um rape – Vergewaltigung. “

    Bin ich nicht nicht ganz hintergestiegen. Erstmal halte ich eine passende Klassifizierung für sinnvoll. Hediwg Dohm unterschied ja auch zwischen Herrenrechtler, mater dolorosa, Radauantifeministen, Maskulinisten. Mir fällt spontan leider nur erstmal die Begrifflichkeit „Pimpfrechtler“ ein.

    Was sich dahinter verbirgt ist wohl das alte Problem gewisser fragiler Identitäten, die ihr „männliches“ Ego gefällt sehen wenn Frauen schreiben, autonom und selbständig sind.

    Vielleicht sind die Geisteseliten auch ein bisschen mit diesem Bereich verbandelt :

    http://www.sueddeutsche.de/reise/beschwerden-von-urlaubern-duemmer-gehts-immer-1.401732-4

Kommentare sind geschlossen.

Betrieben von WordPress | Theme: Baskerville 2 von Anders Noren.

Nach oben ↑