Warum anonym hassen, wenn es auch viel glaubwürdiger geht!?

„Menschen, die Hasskommentare ins Netz setzen, tun dies doch nur, weil sie sich hinter der Anonymität verstecken können.“ Dieses Argument und ähnliche gibt es immer wieder zu hören, wenn über den „Hass im Internet“ diskutiert wird. Häufig sind es zum Beispiel Politiker_innen, die insistieren, dass die Möglichkeit der Anonymität eine der wichtigen Ursachen für den produzierten Hass seien. Sicher wittern diese da ein dankbares Politfeld oder sind fest eingenommen von dominanten Überwachungsdiskursen, die suggerieren, dass mehr Überwachung zu mehr Sicherheit führe.

Ich selbst habe mich auch immer wieder in solchen Diskussionen wiedergefunden und meine immer gleichen Argumente vorgetragen: A) Selbst wenn Anonymität eine entscheidene Rolle hätte dahingehend, ob jemand einen Hasskommentar postet, so ändert dies ja auch noch nichts an den vorhandenen diskriminierenden und hassenden Gedanken (die die Person natürlich auch offline mit sich trägt). B) Ich halte es für gefährlich Anonymität an sich als das Gefährliche einzustufen und nicht auch zu betrachten, wie wichtig gerade auch für Menschen, die von (Mehrfach)Diskriminierungen betroffen sind Anonymität (oder das, was dieser nahe kommt) sein kann. C) Die Anonymitäts-These widerspricht sowieso meinen Erfahrungen und den Erfahrungen vieler Aktivist_innen, die ich kenne. Wie viele Fälle kenne ich/ habe ich selbst erlebt, in der von der Hasskommentare schreibenden Person vom Namen bis zum Arbeitgeber alles bekannt war? Oder beispielsweise die Person unter gleichem Kunstnamen auch öffentlich Vorträge hält (für die Polizei sie aber trotzdem bei Anzeige niemals auffindbar ist)?

Das Argument, dass etwas der Erfahrungswelt nicht entspreche, wird natürlich häufig als anekdotisch abgebügelt. Eine aktuelle Studie der Universität Zürich aber unterfüttert die Annahme, dass sich zum Schreiben von Hasskommentaren bei weitem nicht ständig hinter einer anonymen Fassade versteckt wird, sondern ganz im Gegenteil. In der Pressemitteilung zu den Forschungsergebnissen heißt es:

Wieso sollten sich Verfasser von Hassposts, die ihren Protest als moralische Pflicht rechtfertigen und sich für eine gerechte Sache einsetzen, verstecken? Zudem kann ein Online-Hasser davon ausgehen, dass sein aggressives Verhalten kaum je geahndet wird.

Auch zeigt die Studie auf, dass das Posten unter Klarnamen Vorteile hat. Die postenden Personen würden als glaubwürdiger wahrgenommen werden und erhöhten ihre Chancen Menschen in ihrem Umfeld ebenfalls zu motivieren.

Diese Studien-Ergebnisse werden auch in kommenden Diskussionen nützlich sein, denn die Debatte um Hass und Gewalt im Netz (und wie diesem begegenen) ist noch lange nicht abgebrochen. Doch leider arbeitet die Studie (oder zu mindestens die Pressemitteilung) mit einem sehr weiten Hassbegriff, der sexistisch_rassistisch_ableistische Gesellschaftsstrukturen kaum in den Blick rückt. Als Betroffene von Hassrede werden da „Politiker und Prominente, Unternehmen und Organisationen sowie Menschen bestimmter Nationalitäten und sozial Benachteiligte“ aufgezählt. Konkrete Motivationen bei den Schreibenden wie Rassismus, Cis-Sexismus oder Antisemitismus hingegen bleiben quasi unbenannt.

Letzten Endes werden die wenigstens Feminist_innen von dem Kern-Ergebnis der Studie überrascht sein, denn wo Typen wie Matussek lange Zeit regelmäßig Geld dafür erhielt seinen Sexismus und Rassismus in großen Medien zu verbreiten, verwundert es doch wenig, wenn viele andere auch gern mit ihrem Namen für ihren Hass einstehen.


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