Unter der Gürtellinie, aber abseits des Mainstreams

Dieser Text ist Teil 56 von 140 der Serie Die Feministische Bibliothek

Titelbild des Buches „Sex und Subversion - Pornofilme jenseits des Mainstreams“ mit 2 Szenen aus PornofilmenWie toll ist es eigentlich, sich durch ein Buch über Pornofilme zu lesen, während es nebenan die Nachbarn lautstark bei geöffnetem Fenster treiben? Aber das nur so nebenbei. Oliver Demny, der dieses Buch zusammen mit Martin Richling herausgegeben hat, stellt seinem Vorwort zwei Literaturbeispiele zur Seite: Norman Mailers „Der Mann, der Joga studierte“ und Boris Vians „Liebe ist Blind“. Hier geht es um mehr, hier geht es um „Pornofilme jenseits des Mainstreams“, wie der Untertitel dieser Anthologie verrät. Beim ersten Durchblättern fühlt man sich an die Testcard-Ausgaben des Ventil-Verlags erinnert.

Dieser Eindruck verliert sich aber schnell wieder. „Sex und Subversion“ ist zum großen Teil aus der Perspektive von FilmwissenschaftlerInnen geschrieben, die zwar auch den historischen und soziologischen Seitenblick riskieren, aber trotzdem oft zu nah am Zelluloid bleiben. So kommt der ein oder andere Beitrag nicht über die bloße Zusammenfassung einzelner Pornos und detaillierter Szenebeschreibungen hinaus. Es ist durchaus interessant, über die Verquickung von Mensch und Maschine zu lesen, wenn aber nur die Titel mit kurzen Inhhaltsangaben aneinander gereiht werden, wünscht man sich expliziteres Porno-Nerd-Wissen im Hinterkopf oder eine andere Art von Annäherung an den Gegenstand. Ein Vorteil ist diese Szenenbeschreibung nur dann, wenn es darum geht, die Subversivität der „Indie-Pornos“ zu verdeutlichen – alles andere liest sich einfach nur langweilig. Vor allem dann, wenn das Konkrete von einfältiger Wortwahl begleitet wird.

Sie hat langes gewelltes, schwarzes Haar, schwarz nachgezogene Augenbrauen, große, durch dunkle Wimpern umrahmte Augen und dunkelrot geschminkte sinnliche Lippen. Ihre weiße Bluse ist vorne offen, wird aber unter ihren drallen Brüsten von einem schwarzen Kostüm ähnlich einem Korsett zusammen gehalten, das durch einen Push-Up Effekt deren Fülle weiter betont. […] Ihre langen durchtrainierten, schlanken Beine sind nackt und enden in schwarzen High Heels.

Aber dieses Buch hat auch jede Menge Gutes. Unter drei Schwerpunkten widmen sich die AutorInnnen den Porno-Pionieren genauso wie Kapiteln zu „Porno & Gesellschaft“ und der zeitgenössischen Porno-Kunst. Sowohl Josefine Mutzenbacher als auch Bruce la Bruce finden Erwähnung und auch Feminismus und Queerness tummeln sich auf der Spielwiese des Subversiven. So untersucht Julia Frankenberger das feministische Potential von der Verfilmung des ‚Skandalromans‘ „Baise-Moi“ und den Schluss des Buchs bildet die Podiumsdiskussion von sechs Porno­regisseurinnen während des Berliner Pornfilmfestivals 2009. Aber auch hier schläfert die Langatmigkeit zwangläufig ein. Wer sich dennoch wach halten kann, wird mit solchen Aussagen wie der von Shine Louise Houston belohnt:

Es gibt traditionell viele Diskussionen darüber, ob man das Wort Porno benutzen sollte, oder nicht. Solange nicht ein neues Wort für diese Sachen gefunden wird, ziehe ich es vor, das Wort Porno zu benutzen. Vor allem, weil es bei Pornos im Grunde genommen um sexuelle Stimulanz geht. Und meine Filme zeichnen sich definitiv durch sexuelle Stimulation aus. Darum benutze ich das Wort Porno – aber auch um die Filmgeschichte nicht zu missachten, denn ich baue auf einem Genre auf, das seit Anbeginn des Kinos existiert. Auch wenn es mit seinem eigenen Stigma besetzt ist: Wir transformieren es von Grund auf, besetzen es erfolgreich neu. Deshalb passt das Wort Porno auch für uns.

Ebenfalls äußerst lesenswert sind die Artikel von Christian Keßler über den Weirdo Eduardo Cemano und von Waldemar Kesler über die französische Pornoaktivistin Ovidie. Es tut unbedingt not, die Frauen vorzustellen, die das Pornobusiness zu revolutionieren gedenken. Die aus der Nische heraus Pornos produzieren und dabei durchaus den Mainstream im Auge haben. Dass ihnen dabei nicht nur das herkömmliche Hardcore-Business den Weg versperrt, sondern auch die gesellschaftliche Handhabung des Genres Porno, scheint in diesem Buch immer wieder durch.

So betrachtet wagt „Sex und Subversion“ auch den Blick auf Themen wie Rassismus und Gewalt im Porno. Allerdings fehlt es auch hier wieder an einer breiter aufgestellten Perspektive. Genau das ist, zusammen mit den zu Beginn angesprochenen Problemen, ein Kritikpunkt an dieser Anthologie. Tatsächlich wirkt es so, als hätten sich die Herausgeber kurzerhand entschlossen, eine Text­sammlung zu veröffentlichen, ohne die einzelnen Beiträge zu lektorieren. Bei manchen Texten hat man das Gefühl, Filmgucken und Artikelschreiben liefen parallel und die Überarbeitung hat man sich gespart.
Das ist schade, denn der Ansatz der meisten Artikel ist lohnenswert und verdient eine fundierte Auseinandersetzung. So wirkt vieles wie zusammengeschustert und auch wenn es im Zusammenhang mit Porno befremdlich erscheint, viele Passagen wirken lieblos und die Analysen finden kaum über das Vorspiel hinaus.

In der Einleitung heißt es: „Wir wollen der Möglichkeit des Realwichsens die Möglichkeit des Kopfwichsens dazugeben und der Lust des Denkens Material liefern“. An wen genau, ob an PornofreundInnen, FeministInnen oder Film­wisssenschaftlerInnen, sich dieses Material richten soll, bleibt unklar. Dafür ist es stellenweise eine Fundgrube für alle, die nach dem ‚besonderen’ Porno suchen. Auch wenn man mit „Sex und Subversion“ streckenweise unbefriedigt bleibt. Ein Buch wie eine mit buntem Zuckerguss verzierte Schokoladentorte, die man am liebsten an allen Stellen auf einmal anknabbern will, um dann festzustellen, dass sie nicht ganz so lecker ist und schon die ersten Bisse satt machen. Immerhin besteht nach der Lektüre kein Zweifel mehr an der Vielseitigkeit des Genres. Und der DVD-Konsum für den nahenden Herbst dürfte auch gesichert sein.

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