Über Klassismus schreiben

Innerhalb der letzten Woche gab es (jedenfalls in meiner Filterblase) noch einmal eine Explosion an Blogtexten, die sich mit klassistischen Diskriminierungen auseinandersetzten. Ich versuche hier einiges zusammenzutragen.

Das Thema ist selbstverständlich nicht neu und erst in den letzten sieben Tagen aufgetaucht. Schon länger bloggen Menschen zu diesem Themenfeld. So schreibt zum Beispiel ClaraRosa bereits seit 2011 auf dem Blog Class Matters zu Klassismus. Aber auch Blogg_erinnen wie Bäumchen oder Mädchenmannschafts-Autorin Viruletta schreiben immer wieder Texte.

ClaraRosa war es auch, die vor knapp einer Woche mit ihrem Text „Bambule, Randale, Queer-Radikale„, den Anstoss lieferte für die folgende Textlawine. In dem Beitrag fasst sie ihren Frust in Worte:

„Gut, dass das mal wer gesagt…“ und „Toll, dass du dich damit beschäftigst…“- Phrasen, die mit dem formulieren der nächsten Wohnungsanzeige für das 12qm-Zimmer mit Bioessen und taz-Abo für 450 Euro konsequent – vergessen werden. Oder über die Selbsterhöhung der eigenen Demosprüche über die „Stammtischparolen“, die offenbar die Distinktionslinie zwischen von dummen, saufenden, in Kneipen sitzenden Denkunfähigen und ach-so-tollen Politchecker_innen darstellen soll.

Darauf schrieb Chwesta auf dem Blog Regenbogenmaschine im Beitrag „Ihr sagt, ich sei anders“ über eigene Erfahrungen und beginnt prägnant mit:

Mangelnde Selbstreflexion, kein Verständnis für finanzielle Not und ein “pseudo-Armsein” weil es “cool” ist, so voll “Arbeiterklasse-Style”. Das sind die Gründe, warum ich nie das Bedürfnis hatte, mir eine Politgruppe zu suchen.

Denn, und darum geht es in vielen Beiträgen, Klassismus ist auch wieder kein reines „Problem“ der Mehrheitsgesellschaft, sondern findet sich auch wieder in aktivistischen Kreisen. Eben auch in jenen, die sich selbst als links einordnen würden. Und es ist auch ein Faktor, der in vielen feministischen Diskussionen fehlt und als Ausschlussmechanismen für feministische Aktionen zu selten mitgedacht wird.

Um so wichtiger ist es, den Stimmen von Betroffenen, die ja da sind, zuzuhören. Und für einige auch: Zu erkennen, wo mensch selbst betroffen sein könnte und zu überlegen, wie damit umzugehen. Dazu gab es einen passenden Text auf dem Blog Taschenrechner im Kopf. Dort heißt es:

Ich rede nur nicht gerne drüber, zumindest nicht wirklich öffentlich. Zumal ich meist denke, dass es mich ja eigentlich doch nicht betrifft. Weil Engelchen und Teufelchen auf meiner Schulter für jedes Argument ein Gegenargument finden […]

Bei dem dann folgenden inneren Dialog nickte ich nur noch enthuisiastisch, denn genau diese Gedanken huschen auch immer wieder durch meinen Kopf.

Und dann schreibt Viruletta in einem langen, wichtigen Beitrag „Gegen das Verstummen“ an. So erklärt sie unter anderem, warum es eben oftmals so schwer ist Klassismus als betroffene Person zu thematisieren:

Über Sexismus zu reden fällt mir so viel leichter, weil meine Betroffenheit hier offensichtlich erscheint. Und weil es nichts ist, was ein Großteil der Leute irgendwie für selbstverschuldet hält. Bei Klassismus ist das ganz anders. Entweder liegt es an meinen Eltern oder es liegt an mir. Und wenn ich mich „oute“, dann sehen die Anderen mich plötzlich in einem anderen Licht. Weil es sie überrascht. Weil sie nicht damit gerechnet hätte. Warum eigentlich nicht?

Bei ten1000spoons gab es unter dem Titel „Klassismus (in der feministischen Szene) benennen“ eine Zusammenstellung erschienener Texte und die Ansage:

Solange ihr, die diese Texte ignoriert, euch Intersektionalität auf eure Fahnen schreibt, Theorien darüber schwingt, akademisierte, verschwurbelte Texte darüber schreibt und zeitgleich Klassismus ignoriert und Klassismus in euren Reihen reproduziert, bleibt mir gestohlen und feiert euch weiter in eurer links- und queer-elitären Bubble ab. Viel Spaß dabei!

Denn die hier angeprangerten Texte, die versuchten die Erfahrungen und Analysen der Betroffenen als (im besten Fall) „persönlich“  abzutun und mit Theorien daherzukommen, folgten leider schnell. Unter anderem die Blogs Taschenrechner im Kopf und Regenbogenmaschine nahmen diese Argumentationen auseinander.

Natürlich ist diese Zusammenstellung nicht vollständig, Ergänzungen in den Kommentaren sind also gern gesehen!

5 Kommentare zu „Über Klassismus schreiben

  1. Vielen Dank für die Zusammenstellung. In dem Zusammenhanh ist es vielleicht passend, darauf hinzuweisen, dass ihr einen klassistischen Ausschluss in eurem Mitmach-Text produziert habt. Es ist nicht notwendig „Fach“ zu studieren … das ist in etwa so wie die allseits beliebte Frage, was eine studiert, statt zu fragen, ob eine studiert.

  2. @ Maya,

    Danke für deinen Kommentar. Kannst du mir helfen, auf welchen Teil du dich genau beziehst? Meinst du folgenden Satz?

    Es ist absolut nicht notwendig, dass du Gender Studies studiert hast oder feministische Theoriegeschichte als deine Bibel bezeichnest. Das haben und machen wir auch nicht alle – auch wenn wir nichts dagegen haben :)

    Das war eigentlich auch genau so gemeint, also dass es nicht notwendig ist, dass eine_r überhaupt studiert hat – oder haben wir uns da missverständlich ausgedrückt (oder: beziehst du dich auf eine andere Stelle, die ich gerade nicht finde?)

    Ich wäre dankbar für einen weiteren Hinweis!

    Liebe Grüße,
    Magda

Kommentare sind geschlossen.

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