Trans*feindlichkeit im Stadtbad Neukölln

SchwarzRund bloggt, poetisiert und workshoppt aus Schwarzer, cis, queerer, latin@, fat und neurodiverser Perspektive. A. bat sie darum das gemeinsam Erlebte niederzuschreiben.

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»Wellness ist ein Akt des Wiederstandes«, dieses Zitat von Audre Lorde wird oft und gerne zitiert. Wie sehr dies aber wortwörtlich den Alltag Schwarzer Trans*personen in Deutschland beschreibt, wurde uns am 3.11.15 im Stadtbad Neukölln erneut deutlich gemacht.

Das Stadtbad Neukölln (bekannt aus der Fernsehserie „Sense 8“, in der unter anderen die Transfrau Jamie Clayton eine der Hauptrollen spielt) hat neben seiner einzigartigen imposanten Bauweise einen weiteren Alleinstellungsfaktor in Berlin: Das Wasser ist immer angenehme 30°C warm, somit kriegt mensch ein recht bezahlbares Wellnesserlebnis.

Wir betraten also den binären Umkleidebereich (einen anderen gibt es nicht), sofort zischte uns eine Person entgegen, dass »hier der Frauenbereich ist«, wir bedankten uns für die Information und betraten den Kabinenbereich. A. verschwand in die erstbeste Kabine, in der Hoffnung, sich dieses mal ohne weitere verbale Angriffe umziehen zu können. Als ich in meine Umkleide wollte, stürmte eine weiße Person auf uns zu. Lauthals und agressiv erklärte sie, dass es so nicht gehe, dass, hier der Frauenbereich sei. A. erklärte erneut und ruhig, dass A. eine Trans*person ist und somit sich hier umzieht, aufgrund der Selbstidentifikation Frau. A. ging erneut in die Einzelkabine, die agressive Frau trat mit mir in den Dialog. Sie würde jetzt die Badleitung rufen, dass es letzte Woche schon erklärt worden sei, dass sie Angst um ihre Kinder hätten, wenn Männer hier seien, dass nackte (Cis-)Frauen sich von A.’s Anwesenheit belästigt fühlten… Es wurde immer gewaltvoller, jedweder Hinweis auf ihre Grenzüberschreitungen, Stigmatisierungen, Trans*feindlichkeiten und Beleidigungen wurden beantwortet mit Misgendering und der rassistischen Annahme, dass wir ja aggressiv seien, weil wir nicht diskussionslos solche Verletzungen hinnahmen.

Die Badleitung kam hinein, in Begleitung zweier Männer, die unhinterfragt den Umkleidebereich betreten durften. Frau K. forderte uns mehrfach auf, ihr die Hand zu geben und uns vorzustellen, wir blieben bei einem „Hallo“, zu ängstlich in diesem gewaltvollen Raum unsere Namen zu sagen. Wir wiesen darauf hin, dass wir gerne schwimmen gehen würden und keinen Bedarf hätten, mit der Badleitung zu reden. A. erklärte erneut das eigene Trans- und Frausein und die daraus resultierende Berechtigung für diesen Bereich. A. erklärte auf Nachfrage, was denn los sei, dass es eneut zu verbalen Übergriffen im Umkleidebereich kam. Wir wurden aufgefordert, den Umkleidebereich zu verlassen um über die Situation zu sprechen, leicht bekleidet in Badesachen wurden wir also vom Schwimmbadpersonal abgeführt. Nur widerstrebend wurde zugestimmt, dass A. erstmal die eigenen Sachen im Frauenumkleidespint lassen durfte.

Die darauf folgenden dreißig Minuten im Gespräch mit der Badleitung wurden immer schmerzhafter. Wir wurden immer wieder unterbrochen im Gespräch, unsere Körper gegendert und A. gemisgendert – »Wie ich Sie jetzt sehe sind Sie ein Mann«. Jedwede Aufklärungsversuche über das Gleichbehandlungsgesetz wurden weggewischt mit dem Hinweis auf die Badeverordnung (die wohl nach Frau K’s Einschätzung über deutsche Gesetze erhoben ist). Die Lösung die uns vorgeschlagen wurde war ein Fernhalten von Trans*körpern aus den Umkleiden, eine eingeschränkte Nutzung des Schwimmbades (»Sie wollen eh nur in die kleine Halle, oder?«) und beeinhaltete den stark geäußerten Wunsch, dass A. ja einfach mit der Trans*gruppe schwimmen gehen könnte, die sich einmal monatlich trifft. So sehr ein solches Angebot zu begrüßen ist, einmal im Monat für zwei Stunden in ein kaltes Schwimmbad in einem ganz anderen Stadtteil gehen zu dürfen (für einen erhöhten Preis von 5€), ist nicht zu vergleichen mit jener Nutzungsmöglichkeiten der öffentlichen Bäderanstalten für Cispersonen.

Wie sieht es aus, wenn Trans*personen Sportschwimmen wollen? Hier reicht ein einmaliges Schwimmen im Monat kaum aus. Oder es körperliche Gründe gibt, bei denen Schwimmen eine gute Form der Selbsttherapie sind? Gerade in einem Land, in dem Trans*personen einen so stark eingeschränkten Zugang zur Gesundheitsversorgung haben, sollten eben solche Orte des Wellnesses, des Sports und der Öffentlichkeit nicht versperrt bleiben.

Als wir erfragten, ob wir, wenn wir uns auf ihren Vorschlag einließen, der beinhaltete, dass wir zum Wechsel zwischen den Schwimmhallen durch den gegenderten Bereich müssen, im Gegenzug wenigstens mit der Unterstützung gegen Übergriffe durch die Badleitung rechnen könnten, wurde versucht nicht zu antworten. Am Ende sollten wir abgespeist werden mit einem »Ich denke darüber nach, aber es ist sehr schwierig«.

So sehr es der Badeleitung auch missfällt, das Argument, »dies könne nicht hier geklärt werden, sondern muss woanders politisch geregelt werden« reicht nicht aus. Auch die Antwort, dass sie sich nun seit letzter Woche ja auch informiert habe, reicht nicht aus. Sie in ihrer Funktion als Badeleitung in einem öffentlichem Schwimmbad müssen ihrer Aufgabe nachkommen allen Nutzer*innen dies zugänglich zu machen, derzeit finanziert Berlin mit 50 Mio Steuergeldern die Berliner Bäderlandschaft. Dass einer Gruppe ebenjene nicht zugänglich gemacht werden, ist nicht tragbar. Berlin wirbt mit seinem bunten, queerfreundlichen Image, die Realität sieht aber anders aus. Nur Initiativen ist es zu verdanken, dass von 62 Berliner Schwimmbädern wenigstens eines einmal im Monat für zwei Stunden die Nutzung für Trans*Personen ermöglicht.

Beim Verlassen des Schwimmbades versuchte Frau K. unsere Namen zu erfragen, wollte ihren nur nach siebenfacher Aufforderung mitteilen. Es wurde versucht, unsere Tickets einzubehalten. Die Kitabetreuerin weigerte sich, ihren Namen oder den Namen der Kita mitzuteilen, sie wies nur darauf hin, daxs »solche Leute« immer so aggressiv seien.

Wir fordern von allen zuständigen Stellen in Berlin, dass Wellness und Sporttreiben allen zugänglich gemacht wird. Nicht Täter*innen trans*feindlicher Übergriffe benötigen ihre Unterstützung, sondern die Opfer von Cissexismus.

25 Kommentare zu „Trans*feindlichkeit im Stadtbad Neukölln

  1. untragbar, solches Verhalten, aber leider wohl nicht so selten. Ich hoffe, ihr geht einen Rechtsweg oder mindestens eine Beschwerde an das zuständige Amt?

  2. Vielen Dank für’s Aufschreiben und für den offenen Brief.

    Wenn ich das richtig nachgeschaut habe, gibt es nur eine allgemeine Adresse, die mensch anschreiben kann. Ich denke, dass es sich trotzdem lohnt, dort viele Mails mit dem Betreff des Artikels zu senden mit Bitte um Stellungnahme. Hoffentlich gibt es eine Reaktion.

    Viel Kraft für A.!

  3. Einfach nur schrecklich, das Vorkommnis und das ihr diese Erfahrung machen musstet. :(
    Ich würde den Bericht gerne an ein Mitglied der Bezirksverordnetenversammlung Neukölln weiterleiten. Wäre das in eurem Sinne (oder nicht)? Liebe Grüße, Anna

  4. Wau. Das ist ja super verletzend. Sorry, dass A. das erleben musste. Aufjeden den Vorfall melden. Sende viel Kraft und hoffe auf baldiges, gemeinsames empowerendes Wellness. <3

  5. Natürlich ist das scheiße. Mensch sollte sich aber auf keinen Fall der Illusion hingeben, das sei ein Skandal. Das ist die absolut normale Vorgehensweise. Habe noch nie erlebt, dass solche Situationen anders ablaufen. Es ist für viele von uns ja nicht mal möglich ein beschissenes Klo zu betreten… Leute müssen endlich kapieren, dass Transfeindlichkeit kein Abweichen von der Norm ist sondern die absolut unhinterfragbare gesellschaftlich erwünschte Normalität.

  6. Oh Mann, ey. Das tut mir leid. Und ich will einfach nicht verstehen, wie es so unmöglich sein kann, den eigenen Geist mal für eine Gesprächsdauer auf „offen“ zu schalten (die Badleitung, die Kitafrau). Aber wie es scheint, ist diese selbstversichernde Haltung der Standard, und das ist in jeder Hinsicht frustrierend.

  7. Danke fürs teilen! Wurde gerade beim Lesen voll wütend!
    Denke es ist eine gute Idee solche Erfahrungen aufzuschreiben und ein bisschen Rabatz damit zu machen. Werde auf jeden Fall eine Email schreiben an die oben aufgeführten Stellen.

  8. Auch ich sende mein Beileid. Diese Situation kann einen wohl verdammt schwer treffen, wenn man nicht darauf vorbereitet ist. Und ja, man sollte schauen dagegen vorzugehen. Irgendwie.
    Ich komme jedenfalls grad in Kampflaune und würde am liebsten einen Flashmob mit Trans*personen veranstalten wollen. Hach das wär schön<3

  9. Das ist die traurige Realität.
    Auch in Städten wie Berlin.
    Leider.
    Ich kann auch nichts positives über die Dame der Bäderleitung sagen.
    In den jeweils zwei Stunden transschwimmen im letzten Jahr, hielt sie sich zwar im Hintergrund, aber ich habe gemerkt, dass sie durch den Besuch der „außergewöhnlichen“ schon mindestens gereizt erschien.
    Ich fordere hiermit alle transmenschen auf, auch außerhalb des transschwimmens, das stadtbad Neukölln aufzusuchen.
    Frau K. Sowie das Personal brauchen einfach mehr Kontakt zu aufgeschlossenen echten Menschen mit Herz ;)
    Ich saß sonst fast ausschließlich am beckenrand und war für die Sicherheit der transmenschen untereinander verantwortlich. Ich bin sehr gespannt, wie sicher ich dann beim schwimmen an einem ganz normalen badetag bin..ein „Gespräch“ mit mir, dürfte sehr anstrengend für die bäderleitung werden und würde mit einer Anzeige bei den Ordnungshütern enden!

    Ganz Liebe Grüße an A. Und alle sportbegeisterten Transmenschen
    „Ihr seid Menschen, die „besorgten Bürger“ scheinbar nicht!“

  10. Mich als Transfrau schock das Geschehen auch, doch leider wird eines nicht klar: Wie weit ist die betroffene Person in ihrer Transition und wie trat sie dort auf? Für die Einschätzung des Geschehens wäre das sehr hilfreich, wenn hier etwas präziesere Informationen vorhanden wären. Das soll keine Entschuldigung sein, aber der offene Brief führt zu Disskusionen innerhalb der Community.

  11. Hi!
    @Johanna: Ich (als /weiße/, junge Transfrau) finde nicht, dass das nötig ist.
    War das nicht unsolidarisch das zu schreiben?
    Ist Transition je nach geschlechts-identität nicht auch oft gar nicht körperlich?
    Brauchen nicht gerade trans*menschen, die z.b. am Anfang ihrer Transition stehen
    besonders Schutzräume, da vieles schmerzhafter ist?
    Ist es nicht genau das Problem um das es geht?
    Die Unterdrückung von Menschen, die nicht der cis-norm entsprechen?
    Warum wäre es dann wichtig?
    Was wäre denn, wenn Du die Person auch falsch gegendert hättest?
    Würde das vielleicht heißen, dass Du privilegierter bist als die Person oder
    glaubst Du, dass es bei Privilegien nur um Frau oder Mann geht?

    Ich hatte die Diskussion schon in /weiß/-dominierten Selbsthilfegruppen.
    Dort haben die Personen, die am privilegiertesten waren,
    (was jung-sein, /weiß/-sein, der-cis-norm-entsprechen betrifft)
    am meisten für ein fernbleiben von vielen Transfrauen aus
    Schwimmbädern plädiert.
    Obwohl im Raum ca. 50 Trans*leute waren, haben die meißten dazu geschwiegen.
    Genau wie zu dem Rassismus der vorher kam.
    Genau wie zu dem „wir können nicht wegen jeder Nase die Krankenkasse bitten“
    von der privilegierten jungen zur frisch-geouteten Alten Frau.
    Genau wie das „wir sollten uns freuen, dass wir überhaupt was bekommen“ von der gleichen.
    Genau wie das „wenn wir Respekt von cis-menschen wollen, müssen wir auch sie respektieren“, was sich auf NICHT INS SCHWIMMBAD GEHEN bezog.
    Wieder von der gleichen, die daraufhin noch so ganz selbstverständlich AUFZÄHLT,
    WAS GEHT und WAS NICHT GEHT als Transfrau.
    Obwohl sie nicht weiß, wie es ist, sich später zu outen, mit größerer „uneindeutigkeit“ zu dealen.
    Und zuletzt hat die Moderation noch einer Trans*person gesagt,
    sie solle doch einfach zur nächstbesten Änderungs-Schneiderei gehen,
    als sie fragte, ob es Trans*freundlichere gibt.
    Nach dem Motto: „EINFACH MACHEN, ALSO ICH WÜRDE DA EINFACH REINGEHEN“..

    Und das alles mitgetragen von der schweigenden Masse.
    Alles bei einem Treffen,
    wo eine erfahrenere sagte, dass öffentliche Debatten alle 10 Jahre wieder kommen würden,
    und immer ‚alles ja so neu‘ ist. Und immer alles wieder neu erkämpft werden muss.

    Mich macht es fertig zu sehen, wie unsolidarisch viele von uns sind.
    Mich macht es fertig zu realisieren, dass wir dazu erzogen wurden,
    von den unendlich vielen cis-menschen die immer in den Machtpositionen sind.
    und sogar über unsere Körper bestimmen.
    [Als Kind. Beim Jobcenter. ChefInnen. Gewerkschaft. Ärzte. Polizei. Schließer…]

    Aber es liegt auch viel daran,
    wer* von uns es wie einfach hatte. Was begünstigend war, wen wir kannten…

    Ich möchte, dass sich die Selbsthilfe-Gruppen ändern.
    Dass sie Trans*Menschen helfen als Trans*Menschen. Nicht nur den Privilegiertesten.
    Selbstbewusst. Selbstkritisch. Ehrlich. Verantwortlich. Mit dem Bewusstsein,
    wie unterschiedlich Trans*sein ist. Mit Empowerment unter uns je nach Position. Lernend.
    Mit der Gewissheit, cis-ally’s zu haben, die wir Weitervermitteln können. Verlässlich.
    Kämpferisch. Solidarisch. Revolutionär.

  12. Ein paar weitere Fragen:

    -Dürfen Trans*Menschen Fehler machen?
    -Dürfen Trans*Menschen sich unsicher sein?
    -Über ihre Körper?
    -Ihre Identität?
    -Ihre Entscheidungen?
    -Dürfen Trans*Menschen sich um entscheiden?
    -Dürfen Trans*Menschen kriminell sein? mehr oder weniger als andere?
    -Dürfen Trans*Menschen flirten? Wo?
    -Dürfen Trans*Menschen lieben, hassen, trauern, melancholisch-sein, wüten, lachen, weinen?
    -Dürfen Trans*Menschen unverantwortlich sein?
    -Dürfen Trans*Menschen sich gehen lassen?

    [gerne ergänzen (^^,)/** * ]

  13. Dürfen wir aufs Klo gehen?
    Dürfen wir ausgefallene Klamotten tragen?
    Dürfen wir uns mit fremden Kindern unterhalten?
    Dürfen wir uns verlieben?
    Dürfen wir verletzt sein, wenn Freundinnen damit angeben, dass sie uns kennen?
    Dürfen wir selbst entscheiden, wieviele und was für Kosmetik wir verwenden?
    Dürfen wir in öffentlichen Verkehrsmitteln etwas anderes machen als in der Ecke sitzen und aus dem Fenster starren?

  14. Ich schreibe das erste mal hier. Ich bin sehr zögerlich, denn ich schreibe in Deutschland zum Thema Trans* nicht mehr. Diese Entscheidung habe ich Mitte des Jahres getroffen.

    Ich komme aus einer Kultur, in der wir 4 respektierte Geschlechter kennen. Das binäre ist mir fremd und abstrakt. Ich bin eine respektierte und angesehene Angehörige des 3. Geschlechts. Dieses Geschlecht hat einen Namen. Es kann sich benennen und existiert. Es hat eine Identität. Es ist keineswegs rosa, auch hier wirken koloniale Strategien, aber es kommt zu einer Rückbesinnung und wachsendem Self-Empowerment.

    Ich habe viele Jahre lang versucht, in weißen, deutschen Trans*- Zusammenhängen, Initiativen und Projekten zu arbeiten. Ich habe hart – sehr hart – gearbeitet. Ich habe zu Themen gearbeitet wie Transphobie, Cissexismus, Heteronormatismus, etnischer Rassismus, Körperrassismus (insbesondere Körperrassismus gegen die Körper von Trans*-Menschen) für eine Trans*-Identität jenseits der Cisnormierung, für die Menschenrechte von Trans*-Menschen und vieles mehr. Für mich ist Trans* ein feministisches Thema.- Ich bin gescheitert.

    Stattdessen wurde ich zur Zielscheibe von „Transphobie durch Trans*-Menschen“, „Cissexismus von Trans*-Menschen“, „Heteronormatismus von Trans*-Menschen“, Körperrassismus (insbesondere Körperrassismus gegen die Körper von Trans*-Menschen) durch Trans*Menschen, Ablehnung jedweder Trans*-Identität durch Trans*-Menschen – ja selbst von ihren Menschenrechten wollten sie nichts wissen. Von Selbststigmatisierung, Selbstpathologisierung und der Selbstwahrnehmung als „krank“ und der Selbstwahrnehmung als „Störung“ umso mehr. Am Ende begegnete man mir offen mit ethnischem Rassismus.

    Am Ende stand ich kurz vor der Verzweiflung. Ich mußte achtgeben, daß ich nicht krank wurde. Meine Kräfte waren vollständig erschöpft. Ich kenne sehr viele, die daran verbrannt sind. Ausgebrannt.

    Ich denke, damit ist meine Sicht des eigentlichen PROBLEMS deutlich skizziert. Die von Ally angesprochene Praxis der SHGs ist bekannt. Sie ist TEIL DES PROBLEMS.

    Ich arbeite immer noch zu Trans*. Weltweit, aber auch noch in Deutschland. Heute achte ich auf meine Ressourcen. Ich arbeite zielgerichtet und sehr effektiv zum Thema „Menschenrechte von Trans*-Menschen“.

    Alle von Ally und Annalina aufgeworfenen Fragen sind so unglaublich wahr und berechtigt. Es sind rethorische Fragen, die Antworten – wenn man die „offiziellen“ Erwartungshaltungen nimmt – sind bekannt.

    Aber ich beantworte all diese Fragen mit Ja. „JA!“ Ich tue all das! Selbstbewußt, offensiv und konfrontativ.

    Eine Frau K. hätte ein Problem. Am nächsten Tag wäre ich mit meiner (weißen) Trans*-Partnerin im Schwimmbad gewesen – und ja – auch mit uns wäre das Gespräch mit Frau K. für Frau K. überaus anstrengend geworden und es hätte damit geendet, daß am Ende die Polizei gerufen worden wäre…zum Nachteil von Frau K. – Leider wohne ich nicht in Berlin, sondern bei Hamburg.

    Es geht um Visibility und Pride. Laßt Euch beides bitte nicht nehmen. Beides ist Euer Recht. Zeigt Euch und seid stolz auf Euch!

    Für die meisten Fragen gilt natürlich, daß man Menschen braucht und finden muß, die einem wohlgesonnen sind. Man sollte sich nicht gerade in jemanden verlieben, der_die einem nicht gut tut…Es ist für uns elementar, uns mit Menschen zu umgeben, die uns gut tun. Ich weiß, daß das schwer ist – aber es geht!

    Ich füge noch eine Frage hinzu: Dürfen Trans*-Menschen Sex haben?

    Ja! Zärtlich, verspielt, ausgelassen, wild, hemmungslos, experimentierend, verliebt, hingebungsvoll, lüstern, verrucht, lachend, weinend, the hard way, soft, leidenschaftlich, Selbst-bewußt ihren eigenen Sex.

    Zärtliche liebe Grüße an Euch alle,
    Larah

  15. Hey, Larah Lakota Yuuna! :)
    Vielen Dank für Dein Teilen Deiner Erfahrungen!
    Und Danke für Deine Arbeit!
    Das tut mir echt leid, dass Du so viele
    unentschuldbare entsolidarisierende Erfahrungen
    machen musstest.
    Ich habe mich auf Hamburg bezogen, weil ich hier wohne..
    °°,
    Oh mensch, ich hab echt tränen geweint als ich Deinen
    Kommentar gelesen hab.
    Auch der Schluss war so wunderschön geschrieben.
    Ich habe auch oft ein Problem damit, doll genug darauf
    zu achten, mit wem ich mich umgebe…

    Ich weiß, dass ist seltsam hier aber hättest du vielleicht lust,
    mir eine mail zu schreiben? Ich versuche schon länger,
    in Selbsthilfegruppen unseren Kampf und Feminismus
    hereinzutragen und überhaupt auch mal über Diskriminierung
    zu reden, fühl mich damit aber oft sehr alleine.
    Außerdem bildet sich gerade auch eine feministisches
    Trans*vernetzung… naja, wenn Du magst, schreib mir,
    gerne auch nur so.. gerne auch nicht, wie es für dich wann
    passt… (nachtliebhaberin@emailn.de)
    Ich wünsche Dir viel Kraft, Liebe und Solidarität!
    Ally

  16. Dürfen wir Drag Kings und Queens sein?
    Dürfen wir Wissenschaftler*innen sein?
    Dürfen wir als Psychiater*innen anderen Trans*Menschen Gutachten stellen?
    Dürfen wir älter werden?
    Dürfen wir uns mit über 40 outen?
    Dürfen wir Eltern sein?
    Dürfen wir über natürlichkeit bestimmen?

    @Larah Lakota Yuuna:
    Vielen Dank für all Deine Arbeit und es tut mir unendlich leid,
    was Du und so viele erleben musstest.
    Ich saß weinend vor dem Bildschirm gerade am ende
    deines Beitrags. (°°;)
    Ich profitiere in Hamburg wahrscheinlich von all deiner
    Aufklärungsarbeit.

    @Annalina: Es hat mich so gefreut, welche Fragen dazukamen, danke!

  17. Dürfen Trans*-Menschen „richtig“ sein?

    Dürfen Trans*-Menschen „vollständig“ sein?

    Dürfen Trans*-Menschen „heil“ sein?

    Dürfen Trans*-Menschen integer sein?

    Dürfen Trans*-Menschen sichtbar sein?

    Dürfen Trans*-Menschen stolz sein?

    Hey Ally,
    Vielen Dank für Deine Wertschätzung und guten Wünsche. Es ist das erstemal, daß sich jemand in diesem Land bei mir für etwas bedankt. Ein schönes Gefühl. Dankeschön!

    Dürfen Trans*-Menschen „Tante“ sein?

    Dürfen Trans*-Menschen „Schwester“ sein?

    Dürfen Trans*-Menschen „Tochter“ sein?

    @Ally: Du hast Post Nachtvogel. ;)

    Alles liebe,
    Larah

  18. Dürfen Trans*-Menschen auch Nein sagen?

    Dürfen Trans*-Menschen über ihre Sorgen reden?

    Dürfen Trans*-Menschen eine Intimsphäre haben?

    Dürfen Trans*-Menschen ihre eigene Familie gründen?

    Dürfen Trans*-Menschen schön sein?

    Dürfen Trans*-Menschen Vorbilder sein?

    Dürfen Trans*-Menschen anderen Menschen etwas beibringen?

    Dürfen Trans*-Menschen andere in ihre Schranken weisen?

    Dürfen Trans*-Menschen ihre eigenen Ideale haben?

  19. International Transgender Day Of Remembrance 2015, nov. 20

    Der Transgender Day of Remembrance fand das erste Mal am 20.11.1999 in Gedenken an Rita Hester statt, eine Schwarze Trans*frau, die ein Jahr zuvor am 28.11.1998, ermordet wurde. Der Transgender Day of Remembrance ist wichtig, um auf die Existenz von Trans*Menschen in einer Gesellschaft aufmerksam zu machen, die offiziell nur zwei Geschlechter (Cis-Mann oder Cis-Frau) anerkennt und alle anderen als vermeintlich nicht-existent ausblendet. Der Transgender Day of Remembrance ist wichtig, um die Gewalt anzuerkennen und zu thematisieren, die tagtäglich auf Trans*Communities ausgeübt, jedoch strukturell ausgespart und normalisiert wird.

    Gewalt gegen Trans*Menschen wird sowohl auf zwischenmenschlicher, als auch struktureller Ebene ausgeübt. Gewalt gegen Trans*Menschen bedeutet somit nicht nur, dass Trans*Menschen körperlich angegriffen, schwer verletzt und teilweise ermordet werden, sondern auch, dass ihnen strukturell gleiche Lebenschancen und gleiche Rechte verwehrt werden. Dies passiert zum Beispiel indem sie rechtlich-medizinisch als ‚psychisch krank’ pathologisiert werden, indem ihre Namen und Geschlechtsidentitäten oft nicht anerkannt werden, indem ihnen gewünschte medizinische Behandlung verweigert wird, indem sie offiziell nicht existieren und/oder in allen wichtigen Lebensbereichen (Schule/Bildung, Arbeit, Gesundheitswesen, Wohnungsmarkt) strukturell ausgeschlossen bzw. diskriminiert werden.

    In anderen Worten: Es ist wichtig Transphobie nicht als einzige Ursache der Gewalt zu sehen. Es braucht mehr Aufmerksamkeit für die mehrdimensionalen, miteinander verbundenen Unterdrückungsmechanismen der Gesellschaft, die diese Gewalt weiterhin ermöglichen sowie die Lebenschancen von Trans*Menschen strukturell begrenzen. Zum Beispiel wird Trans*Menschen, aufgrund der Pathologisierung und weiteren Diskriminierungen wie z.B. Rassismus, Klassismus und Sexismus, der Zugang zum Gesundheitssystem sowie zum Arbeits- und Wohnungsmarkt erschwert und teilweise auch ganz verunmöglicht.

    Die Pathologisierung, also die medizinisch-rechtliche Klassifikation von Trans-Identitäten als psychiatrische Störung ist eine wichtige Dimension, die den Nährboden für Diskriminierung und Gewalt hervorbringt.

    Aus diesem Grund unterstützt die Lesbenberatung Berlin e.V. /LesMigraS die internationale Bewegung, die sich für eine bedingungslose Beendigung der Pathologisierung von Trans*Menschen und gleichzeitig für eine verbesserte,
    sozialstaatlich finanzierte Trans*Gesundheitsversorgung einsetzt. Trans*Personen sind nicht krank, Gewalt und Diskriminierung können aber krank machen! Es braucht eine Gesellschaft, die mehr als nur zwei Geschlechter anerkennt!

    Jedoch ist es auch wichtig den Blick nicht nur nach außen zu richten. Denn auch innerhalb von Trans*Communities werden Trans*Menschen marginalisiert, nicht mitgedacht und oft indirekt ausgeschlossen. Es ist Zeit, die Erfahrungen von Trans*Personen, insbesondere von Trans*of Color, Trans*Frauen/Weiblichkeiten, Trans*Geflüchteten, Trans*Sexarbeiter_innen und Trans*Kindern und Jugendlichen sowie Trans*Menschen mit Behinderungen in den Mittelpunkt zu rücken – sowohl innerhalb der LSBTIQ-Szenen, als auch außerhalb dieser. Denn insbesondere mehrfachdiskriminierte Trans* Menschen, also die Menschen, die Gewalt sowohl aufgrund ihres Trans*Seins, als auch aufgrund von Rassismus und/oder aufgrund ökonomischer Strukturen erfahren, sind von lebensbedrohlicher Gewalt betroffen.

    Diese Gewalt und die Verluste lassen uns trauern. Erinnern und Trauern sind aktive Prozesse der Sensibilisierung, aber auch der Selbstreflexion: Um diese Trauer zu politisieren, ist es wichtig nicht nur an die abscheuliche Gewalt zu erinnern, sondern vor allem die Leben der ermordeten Trans*Menschen in den Vordergrund zu stellen, ihre Namen, Leben und Lieben, als auch Widerstände zu gedenken. Trauer wird so auch ein Ausdruck des Feierns und gleichzeitig ein Weg, die Leben von Trans*Menschen zu feiern durch das Etablieren oder Aufbauen von stärkeren Communities.

    Wir möchten die Trans*femininen Menschen of Color dafür feiern, dass sie international in der Vergangenheit und auch heute in der ersten Reihe der Queer- und Trans*Bewegungen kämpfen und den intergenerationellen Dialog zwischen den Trans*Bewegungen fördern. Die Älteren in den Communities waren die Stimmen vor uns, erlebten viele Herstories von Gewalt und ermöglichten neue Herstories von widerständigem Leben.

    Als Lesbenberatung Berlin e.V. /LesMigraS setzen wir uns dafür ein, dass Trans*Menschen anerkannt und als wertvoller Teil der Communities betrachtet werden. Wir engagieren uns, um zu sensibilisieren und die Gewalt zu bekämpfen, die auf Trans*Communities ausgeübt wird, aber auch um Raum für Heilung und Wachstum zu schaffen. Wir wollen heute und jeden Tag die vielfältigen Leben von Trans*Menschen in verschiedenen Formen anerkennen, betrauern und feiern.

    Lesbenberatung Berlin e.V. Kulmer Str. 20a, 10783 Berlin http://www.lesbenberatung-berlin.de 030. 21 72 753
    Ansprechpartnerin: Jennifer Petzen
    LesMigraS Antidiskriminierungs- und Antigewaltbereich der Lesbenberatung Berlin e.V http://www.lesmigras.de 030. 21 91 50 90

    http://tdor.info/

    http://www.glaad.org/tdor

    Auch ich habe Schwestern verloren. Die letzte am 21.09.2015. Ihr Name ist CLAIRE SMITH, Austin/Texas.
    Larah

  20. Erschreckend wie Menschen dort im Schwimmbad behandelt werden. Das ist genau der Grund, waurm ich mich über Unsicherheiten über meine Geschlechtszugehörigkeit fürchte: Der Umgang in der Gesellschaft damit. So eine Situation ist furchtbar demütigend.

    Umso wichtiger darauf aufmerksam zu machen.

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