Spielball der US-Politik: Frauen und ihre Gesundheit

Keine Zahlung von Verhütungsmitteln durch die Krankenkassen mehr und Zwangsultraschall vor einer Abtreibung – in den USA verstärkt sich der Kampf gegen Frauen, ihre körperliche Selbstbestimmung und homosexuelle Paare.

In Virginia sollten Frauen vor einer Abtreibung künftig eine vaginale Ultraschalluntersuchung über sich ergehen lassen, auch gegen ihren Willen. Dieser Passus wurde zwar gekippt, trotzdem hat sich die Lage für Frauen dramatisch verschlechtert, so TPM. Eine (äußerliche) Ultraschalluntersuchung ist immer noch Pflicht. Zur bisherigen Warteperiode ist eine zweite nach dem Ultraschall hinzugekommen, so dass Frauen nun mindestens drei Mal ihre_n Ärzt_in aufsuchen müssen. Auch muss ihnen genau beschrieben werden, was auf dem Ultraschallbild zu sehen ist, wenn sie das Bild nicht anschauen wollen.

Immerhin gekippt wurde der Änderungsantrag von Senator Roy Blunt in der Verhütungsdebatte, nach dem Arbeitgeber_innen Verhütungsmittel aus den Versicherungen ihrer Angestellten hätten streichen lassen können. Die Debatte schwelt seit August letzten Jahres, als Obama betriebliche Krankenversicherungen verpflichtete, Verhütung ohne Extrakosten für die Versichten abzudecken. Ausgenommen blieben von Anfang an Kirchen, die dies im Februar aber auch für kirchliche Institutionen wie Schulen und Krankenhäuser durchsetzten. Denn wenn es um die Körper von Frauen geht, zählt schließlich nicht deren Wille, sondern die religiösen Bedenken … anderer Menschen. Bei einer Anhörung des republikanischen Abgeordneten Darrell Issa dazu durften folgerichtig nur Männer sprechen.

Ein Unterstützer des der republikanischen Präsidentschaftskandidaten Rick Santorum empfahl Frauen stattdessen, auf altbewährte Methoden zu setzen und eine Aspirintablette zwischen die Knie zu klemmen. Warum das nicht gegen Babies bei heterosexuellem Sex hilft, aber Spaß machen kann – bitte hier entlang. Apropos Santorum. Der verkündete Anfang Januar, im Falle seiner Wahl alle bisherigen Ehen von homosexuellen Paaren annullieren zu lassen, gegebenenfalls auch scheiden zu lassen.

Derzeitiger Höhepunkt ist die Kontroverse um den ultra-konservativen Radiomoderator Rush Limbaugh (der mit den egozentrischen Hochzeitsfotos). Der hatte Pillennutzerinnen als Schlampen beschimpft und verlangte als Ausgleich für die Verschwendung seiner Steuergelder Sextapes. In seinem verbalen Ausfall gegenüber „Feminazis“ vergaß er dabei nur, dass weiterhin Arbeitgeber_innen in die Krankenkassen einzahlen, nicht „der Steuerzahler“. Während seine zahlreichen bisherigen Ausfälle weitgehend folgenlos blieben, kündigten ihm diesmal die Anzeigenkund_innen.

Den traurigen Schlußpunkt der Debatte setzten gestern fürs erste Michael Moore und Keith Olbermann. Aus dem Shitstorm #MooreandMe hat ersterer anscheinend nichts gelernt und zeigt in seiner Wortwahl ein weiteres Mal, wer Macht hat (Männer mit Geld) und auf wen er herabschaut (Sexarbeiterinnen und „Schlampen“):

Tweet von Michael Moore: "Rush- As soon as u started losing the big $$ from your hate speech, you caved & obeyed the men who pay u. Who's the prostitute now, bitch?"

17 Kommentare zu „Spielball der US-Politik: Frauen und ihre Gesundheit

  1. Wir müssen da ganz genau hinschauen und nicht nur abwehren nach dem Motto, „die spinnen eh, die Amis“. Schließlich werden in Frankreich immer mehr Abtreibungskliniken geschlossen und in Deutschland hatten wir erst kürzlich die Geschichte mit der Krankenkasse, die Babyprämien zahlt. Nur weil wir Frauen im Moment viele Rechte in Bezug auf Schwangerschaftsabbrüche haben, heißt das nicht, dass wir sie immer haben werden…

    PS: Oben im Text steht „Radiomoderator“ doppelt…

  2. Ich danke auch für die Zusammenfassung!

    Zum Glück gibt es auch in den USA viele kritische Stimmen und eine kreative starke Gegenbewegung mit tollen Frauen wie Sandra Fluke und engagierten Organisationen. Auch feministische Männer mischen mit: Hier ein Video männlicher Schauspieler und Comedians zur Deutungshoheit beim Thema Frauengesundheit (englisch, ein anderer Blog gab dafür eine Triggerwarnung heraus: rassistische Stereotype und sexuelle Belästigung. Leider scheint das die tatsächliche Debatte ganz gut zu repräsentieren).
    http://www.funnyordie.com/videos/251fa6410b/women-s-health-experts-speak-out

  3. @ Strickmuster
    unfassbar, dass die so ein Gesetz einführen wollen! Ich frage mich welche Einfluss das auf die InVitro Befruchtung hat. Wenn die Zellen Bürgerrechte haben, müsste man ja auch alle in den Uterus „füllen“.
    Meiner Meinung nach kann das Gesetz aber keinen Einfluss haben auf die Pille, denn da entsteht ja gerade keine befruchtete Eizelle, da es keinen Eisprung gibt. Wohl aber bei der Spirale.

    Was ist bloß mit den USA los? Gehirnwäsche?

  4. @Lina: Die Pille verhindert auch die Einnistung befruchteter Eizellen (per Gestagen), falls doch ein Eisprung stattfindet. Personhood Bills werden von Liberals deshalb auch als Gefahr für die Legalität der Pille verstanden.

    Bei InVitro Befruchtung ist zumindest zu erwarten, dass nicht mehre Eizellen befruchtet werden dürfen, sondern nur eine. Die muss dann auch eingepflanzt werden. Alles andere wird von den Fundis als „In den Müll werfen von Menschen“ abgelehnt.

  5. @Lina:
    Eine Mischung aus sehr vielen durchgeknallten evangelikalen Protestanten und einigen durchgeknallten Steinzeit-Katholiken sind von den Wahlerfolgen der Republikaner im Jahr 2010 immer noch so besoffen, dass sie jetzt ihre kühnsten Träume verwirklichen wollen.

    Das Problem ist, dass die Gefahr eines Erfolges durchaus real ist (gerade in den Bundesstaaten gibt es einige, in denen die gesetzgeberische Gewalt komplett in den Händen republikanischer Mehrheiten liegt, was zu so Gesetzentwürfen wie den im Artikel oben erwähnten führt), weil die politische Meinung im Volk trotzdem noch recht gleichmässig gespalten ist und Wahlentscheidungen eher aus wirtschaftlichen denn aus sozialen Gründen getroffen werden. Ein frauenfeindliches Weltbild hin oder her; im November entscheiden wahrscheinlich eher der Benzinpreis und die Arbeitslosenquote (oder ein Krieg gegen den Iran) über die Wiederwahl Obamas als das politische Programm der Republikaner.

  6. @Eule: Das Problem ist m.E. nicht nur der mögliche Sieg der Republikaner, sondern auch die langfristige Beeinflussung der öffentlichen Meinung. Ob Verhütung „unmoralisch“ ist, ist plötzlich wieder Thema, und die Position kontra Verhütung wird von den Medien als diskutable Meinung dargestellt. Damit hat sich die Debatte in Sachen „Frauenpolitik“ von „wie unterstützen wir Frauen am sinnvollsten“ zu „wieviele Freiheiten darf/soll man Frauen wieder nehmen“ verschoben. Fundamentalisten, die eigentlich ausgelacht und von ernsthaften Debatten ausgeschlossen werden sollten, werden als ernstzunehmende Politker / Autoritäten in Sachen Moral präsentiert, und bejubelt. Das wieder zurückzudrehen kostet Kraft, die dann nicht mehr in progressive Veränderungen investiert wird. Man sieht ja, dass sich die Demokraten da immer wieder auf Kompromisse einlassen, um noch schlimmeres Übel abzuwenden. Es geht also wahrscheinlich rückwärts, egal wer gewinnt. Und aus der Falle rauszukommen ist schwierig.

  7. @Strickmuster:
    Ja. Ein Sieg der Republikaner könnte u.U. diese Beeinflussung institutionell untermauern, etwa durch Zementierung der konservativen Mehrheit im Supreme Court (evtl. nötige Ginsburg-Nachfolge?). Es gibt zwar durchaus zivilgesellschaftlichen Widerstand gegen die sozialpolitischen Pläne der Republikaner (Wisconsin, Virginia usw.), aber dummerweise meist nur als Reaktion und nicht vorausschauend. Bei den Medien rächt sich der Grundsatz ausgleichender Berichterstattung (keine Position beziehen, immer beide Seiten eines Themas gleichberechtigt zu Wort kommen lassen – auch dann, wenn eine Seite extrem ist) in Zusammenhang mit einseitigen Kanälen (Fox News, diverse Radiosender).

    Langfristig ist es noch ein Glück, dass die Republikaner blind genug sind, es sich durch eigene Dummheit mit grossen Wählerschichten – Frauen, Minderheiten, jungen Erwachsenen, Armen – zu verscherzen, weil die klassische Kernwählerschicht (reiche alte weisse Männer) noch zahlreich und vor allem bei geringer Wahlbeteiligung aktiv ist. Bleibt zu hoffen, dass sich an dieser Blindheit nichts ändert.

  8. p.s. immerhin, einige firmen werden RL nicht mehr sponsern. zK updates hier – englisch
    http://thinkprogress.org/media/2012/03/02/436852/rush-limbaugh-advertisers/

    zu dem, was so unter „the republican war against women“ i.d. usa abläuft (vgl. zB „Backlash“ von Susan Falludi) kann/werde ich mich auch hier nicht äussern, u.a. wg. komplexität (bzw. meiner persönl. erfahrungen seit 30+ jahren mit den usa) und weil mEn „systemvergleiche“ (speziell dld.-usa) schwierig sind.

    nur kurz wg. „sprachverwirrung“ intra-/trans-vaginalem ultraschall.
    engl. trans-vaginal wurde u.a. benutzt weil das verwendete instrument engl. ultrasound transducer heisst,
    dabei intravaginal (also in die vagina) eingeführt wird.

    mir ist der grosse preisunterschied dieser untersuchung
    aufgefallen (stand 2006) : dld. ca. 80 E (bei privater bezahlung; im rahmen einer vorsorgeuntersuchung voll bezahlt durch dt. KV), usa ca. 400 $ (als vorsorgeuntersuchg. mit einer us-KV mit 20% eigenanteil).

    wenn solch eine untersuchung nun in diversen us-staaten als vorbedingung für eine abtreibung gesetzlich gefordert wird, dann müssen frauen* dies selbst=privat (!) bezahlen.
    dies bestätigt u.a. auch hier :
    „They’re expensive and because they must be paid for out-of-pocket people in poverty will be affected the most, making abortion more inaccessible and in some cases unobtainable.“
    http://seriouslyamerica.tumblr.com/post/18851175038/midwife-first-trimester-ultrasounds-are-not-part-of

  9. Aber ich sehe ich da was falsch oder läuft nicht bei uns auch einiges in der Richtung? Ich meine bei uns müssen alle über 20 Jährigen Frauen doch auch die Pille aus eigener Tasche bezahlen und viele sehen schon die befruchtete Eizelle als unter Art. 1 Abs. 1 GG fallendes menschliches Leben an…

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