Sex vs. Religion

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat entschieden: Sexuelle Aufklärung in der Schule geht vor religiösen Empfindlichkeiten.

Wie unter anderem die ZEIT berichtet, hatten die Eltern zweier Grundschüler in Ostwestfalen geklagt, ihre Söhne sowohl von einem Theaterprojekt, das sexuellen Missbrauch thematisierte, als auch einer Karnevalsveranstaltung befreien zu können. ‚Karneval in Ostwestfalen’… fragt sich die Kölnerin in mir… ;)

Die Eltern argumentierten, das Theaterprojekt mit dem Titel „Mein Körper gehört mir“ bringe den Kindern bei, sie könnten ungeachtet göttlicher Gebote und nur aufgrund ihres Gefühls individuell über ihre Sexualität entscheiden. Karneval erklärten sie zu einem katholischen Fest, in dem sich die Feiernden „meist völlig enthemmt – befreit von jeglicher Moral – wie Narren benähmen“

Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, Kinder müssten andere Denkweisen aushalten:

Denn solche mit dem Schulbesuch verbundenen Spannungen zwischen der religiösen Überzeugung einer Minderheit und einer damit in Widerspruch stehenden Tradition einer anders geprägten Mehrheit sind grundsätzlich zumutbar

Ferner argumentierten die Richter,

dass die Schule mit der Sensibilisierung der Kinder für etwaigen
sexuellen Missbrauch und dem Aufzeigen von Möglichkeiten, sich dem zu entziehen, das ihr obliegende Neutralitätsgebot nicht verletzt hat

Ein Bußgeld in Höhe von 80 Euro müssen die Eltern nun zahlen – mit Sicherheit weniger als die Alimente, die ihre Söhne im Falle einer, durch Unwissenheit hervorgerufenen, Vaterschaft zahlen müssten.

7 Kommentare zu „Sex vs. Religion

  1. manche christen aber auch! dabei galten propheten zu ihrer zeit als narren yhwh’s! und Hosea mußte sogar auf befehl von yhwh eine ’sona‘ (übliche übersetzung: hure) heiraten! oder nehmen wir king David… der hopste leichtbekleidet vor der bundeslande her… wer hebräisch kann, weiß, dass es zwei wörter für tanzen gibt, eins für weiblichen rundtanz, reigen, und eins für männlichen hoch-hops-tanz. nun kann sich ja jede und jeder denken, was da alles an king David hopste und kann die ihm angetraute Shaul-tochter Michal verstehen, die das an-s-tößig fand.

    … und dann bleibt immer noch die frage, wie solche eltern ihren kindern erklären, wie sie eigentlich gemacht wurden.

    kurzum: ich hab bisher nur die presse-erklärung überflogen, den beschluß selbst noch nicht. sieht aber so aus, als sei es ein klug formulierter beschluß.

  2. Nur, dass das im Februar 2007 war. Da sind die Jungs wohl trotzdem dem Sexualkundezeugs entkommen.

    Aber ich bin sehr froh, dass das keine Muslime waren, denn das wäre ja „typisch“ gewesen, und hier waren es nun mal Baptisten. Ansonsten entwickelt sich das Jahr zum Jahr der guten Rechtsentscheidungen, siehe auch Muslime und Schwimmunterricht.

  3. Also ich kann dem BVerfG da nicht folgen. Solche „Theaterstücke“ sind natürlich eine „gezielte Beeinflussung in einer politischen, ideologischen oder weltanschaulichen Richtung“.

    Insofern verletzt ein Sexualkundeunterricht, der über die Erklärung und Vermittlung biologischer Zusammenhänge hinausgeht und ein von der Mehrheit der Gesellschaft aktuell „erwünschtes sexuelles Verhalten“ aktiv promoted die Neutralitätspflicht der Schule.

    Und richtet sich damit gegen die im Grundgesetz festgeschriebene Erziehungsautonomie der Eltern.

    Vielleicht sollte man wirklich mal die Lehrpläne der Schulen ideologisch entrümpeln und sich besser auf die Fakten beschränken.

    Und warum die Schüler nach Ansicht des BVerfG zwingend an einer schulischen Karnevalsveranstaltung teilnehmen müssen, erschließt sich mir auch nicht. Eine solche Veranstaltung hat mit dem eigentlichen Lehrauftrag der Schule rein gar nichts zu tun, jedwede Teilnahme sollte daher freiwillig sein.

    Dem Tenor des BVerfG-Urteils nach können Schüler demnächst auch noch zu Gottesdiensten zwangsverpflichtet werden, diese sind schließlich auch in vielen Landstrichen eine „Tradition der Mehrheit“ (was nach dem BVerfg als Kriterium ausreicht, damit Schüler zwingend daran teilnehmen müssen)

    Fazit: Eine weitere Schwächung der Grundrechte durch das BVerfG im Sinne eines Ausbaus staatlicher Macht. Schlecht.

  4. hm. wenn ich’s mir recht überlege, dann stellt allein schon unterrichtung in lesen und schreiben eine einschränkung der elterlichen erziehungsautonomie dar. und wenn dann noch die grundrechenarten dazukommen, dann ist der weg bis zur unterhaltsklage nicht mehr weit. ich wußt’s schon immer: die schulpflicht ist des teufels!

  5. Zitat: „Also ich kann dem BVerfG da nicht folgen. Solche “Theaterstücke” sind natürlich eine “gezielte Beeinflussung in einer politischen, ideologischen oder weltanschaulichen Richtung”.“

    So weit würde ich nicht gehen..sexueller Missbrauch gehört meiner Meinung nach selbstverständlich zur Aufklärung, und die kann ja auch über andere Mittel als der traditionelle Unterricht gehen. Ausserdem finde ich diese Aufklärung überaus notwendig. Falls die Aufklärung selbst eine „unzulässige Beeinflussung“ wäre, so wären dies auch Benimmregeln, Respekt beibringen..und das gehört nunmal auch zur Ausbildung/Erziehung. Die Frage könnte natürlich sein, inwiefern diese Aufklärung nur auf EINER Art von Ideologie basiert, zb. wie Sexualität sein muss. Aber in diesem Fall ist die ideologische durchtränkung nicht so stark dass es störend wäre.. das Missbrauch etwas schlechtes ist willst du hoffentlich nicht bestreiten? Ich finde den Entscheid sehr vernünftig, vor allem wenn man betrachtet was zurzeit in den USA läuft.

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