Selbermach-Sonntag (19.7.09)

Juhu, Selbermach-Sonntag! Zeit und Platz für eure Kommentare zum Geschehen der vergangenen Woche.

Schönen Sonntag!

12 Kommentare zu „Selbermach-Sonntag (19.7.09)

  1. Die Gefängnisse im Iran sind überfüllt, man foltert auf den Gängen. Verschiedene Berichte schreiben über Gruppenvergewaltigungen, zur Verächtlichmachung der DemonstrantInnen vor ihrer Familie.

  2. Auf feministing kann man einen Ausschnitt von Rachell Maddows Show auf msnbc sehen, in der sie Pat Buchanan interviewt, der Affirmative Action als Diskriminierung von besonders der weissen Arbeiterklasse (und insbesondere von weissen Männern) darstellt.

  3. Magda,

    ist doch auch so. Der Punkt ist doch eben, daß eine historisch definierte Ungleichheit mittels einer (angenommen temporären) diskriminierenden Maßnahme ausgeglichen werden soll. Natürlich benachteiligt das andere Gruppen relativ, vor allem diejenigen, die ihrer Meinung nach von der historisch angenommenen Bevorteilung nichts abbekommen haben. Diskriminiert wird eben immer, auf die eine oder andere Weise. Zu meinen, daß positive Diskriminierung keine Diskriminierung ist, ist schlicht falsch. Die Ziele sind anders, aber Diskriminierung ist eben trotzdem Diskriminierung. Ob das Pat Buchanan auch so sieht, ist doch letztlich irrelevant.

  4. Habe mir das Video gerade mal angesehen. Niceley played von Maddow die Diskussion um die Frage in den NAACP Zusammanhang zu stellen, aber das Streitgespräch mit Buchanan stellte doch beide Pole der Diskussion sauber dar: Ob und inwieweit man tatsächliche vergangene und soziologisch/statistisch definierte gegenwärtige Diskriminierung durch (vermeintlich) temporärere gesetzlich verankerte positive Diskriminierung ausgleichen darf. Wenn Sotomayor selbst von sich behauptet, ein „affirmative action baby“ zu sein, dann kann man das eben positiv auslegen als „ihre ethnischen und geschlechtlichen Nachteile wurden ausgeglichen“ oder als „sie hat wg. ihrer ethnischen und geschlechtlichen Zugehörigkeit (und der damit statistisch einhergenenden/angenommenen Nachteile) Vorteile bekommen, die anderen nicht zuteil wurden“. Das klassische Legitimationsproblem von formalen Quotenkandidaten. Lösen läßt sich das eben nicht. Ist letztlich eine Frage des Weltbildes.

  5. jj,

    auf vielen Ebenen bevorzugt sind in den USA (und natuerlich nicht nur dort) immer noch maennliche Weisse (Maddow bringt dieses schoene Beispiel: Von 110 Supreme Court RichterInnen sind 107 maennlich, davon 106 weiss). Dieses strukturelle Privileg wird durch affirmative action ausgeglichen – wenn ein Teil der Bevoelkerung folglich einige ihrer Privilegien abgeben muss (die sie gesellschaftlich selten schlechter stellt, dazu gibt es noch zu viele Diskriminierungsmechanismen), ist das keineswegs Diskriminierung sondern ein Ausgleich an Lebenschancen, der sich offenbar nicht einfach nur durch eine gesetzliche Rechtsprechung in Form von „gleiche Gesetze fuer alle“ regeln laesst. Ein so genanntes „affirmative action baby“ zu sein, hat uebrigens nicht mit weniger Kompetenz zu tun. Dies kann man nur behaupten, wenn man annimmt, dass nur bestimmte Menschen nach Harvard, Yale or Princeton gehen koennen, um dort zu bestehen. Problem ist haefig nicht Intelligenz / Kompetenz / Fleiss (das lernt man in den Unis sowieso), sondern die Chance, dort erst zu landen.

    Leider wird das Abgeben von Privilegien faelschlicherweisse haeufig mit Diskriminierung verwechselt.

  6. @Magda:

    Aha. Und wenn wir jetzt einen Deutschen Verfassungsrichter besetzen müssten. Und hätten die Auswahl zwischen: Einer türkischstämmigen Frau, einem schwulen Rollstuhlfahrer, einem Blinden und einem in einem Heim aufgewachsenen Mann und einem Roma. Wen müssen wir dann am ehesten „bevorzugen“?

    Einfach pro Augenmaß zu sagen, die und die Gruppe ist unterrepräsentiert / benachteiligt und braucht einen Ausgleich ist doch viel zu einfach. Viel eher braucht man ausgeklügelte Modelle die (statistisch quantifizierbar) beschreiben, wer benachteiligt ist, einen Ausgleich benötigt. Selbst wenn Du Frauen einen bestimmten Bonus geben willst, kannst Du eventuell „keinen Gewinn“ haben, wenn reaktionäre Seilschaften (Thinktanks, was auch immer) einfach ein paar Frauen in diese Ämter bringen, die ihre konservativen Ansichten teilen.

    Meiner Meinung nach ist es viel wichtiger gesellschaftlich Benachteiligte an der Basis zu fördern. Kostenlose Deutschkurse oder Schulnachhilfe z.B. benachteiligen keine Nichtimmigranten. Oder Aufzüge für einen behindertengerechten Zugang zu Gebäuden. Diese dürfen ja auch von Nichtbehinderten verwendet werden. Das ist doch insbesondere wichtig, da „Positive Diskriminierung“ auch schon äußerst unschöne Seiten zeigen kann. Oder wie ist das mit den vielen Kindern von Akademikern und Pfarrern (oder einfach Nichtproletarier) denen in der DDR das Studium VERBOTEN wurde (bzw. durften sie einfach nicht das gewünschte Fach studieren).

    Gruß
    Jakob

    PS: Ich freue mich über freundliche und sachliche Antworten. Im Zweifelsfall lest bitte die Netiquette. Sätze wie „Du hast es einfach nicht kapiert“ fallen für mich nicht darunter.

  7. Jakob,

    dein Beispiel fuer die Auswahl eines Richters/einer Richterin fuer das deutsche Verfassungsgericht hat mehrere Haken, und wirkt, mit Verlaub gesagt, auch etwas polemisch:

    1. Solch eine Zusammenstellung wuerde sich ‚zufaellig‘ auf Grund vorangegangen bereits genannter Unterdrueckungs- und Ausschlussmechanismen wohl nie ergeben.
    2. Man braucht keine ’statistisch ausgekluegelten Modelle“, um zu ermitteln, wie sich Exklusion in einer Gesellschaft, in deinem Fall Deutschland, darstellt und man braucht auch keine komplizierten Modelle, um dagegen zu wirken: Da du anscheinend mit einem statistischen Blick an die Materie rangehst, rechne einfach aus, z.B. wie viel Prozent tuerkische Mitbuerger/innen wir in Deutschland haben und dann schaue dir an, wie viel Prozent in der Politik, Wirtschaft, Justiz etc. zu finden sind. DA hast du deinen statistischen Beweis, zu welchen Grad sie in den genannten gesellschaftlichen Teilprozessen integriert sind (oder nicht). (–> Ich erkenne an, dass eine Gesellschaft nicht 100% repraesentativ in Wirtschaft, Politik, Justiz etc. vertreten werden kann, aber zumindest befinden wir uns noch nicht mal annaehrend in einem Zusatnd, der die Interessen der verschiedenen Mitbuerger/innen vertritt.)
    3. Du implizierst, dass nur Frauen und/oder Minoritaeten, die eine progressivere Einstellung haben, einen Gewinn darstellen wuerden – so gerne ich dir da zustimmen wuerde, diese Argumentation verlaeuft im Sand bei der generellen Argumentation, Frauen und/oder Minoritaeten zu integrieren. Frauen und/oder Blinde und/oder Tuerk/innen (etc) duerfen konservativ, neoliberal, links-extremistisch oder gruen sein und verschiedenartige Einstellungen haben, wie Maenner auch.
    4. Einziger Nicht-Haken (meiner Meinung nach): Foerderung an der Basis, Thumbs Up! Es gibt dennoch gerade in Politik und Wirtschaft aber einfach noch zu viele nicht zu unterschaetzende Ausschlussmechanismen, die affirmative action unabdinglich machen.

    Strukutrelle Diskriminierung ist, wenn die Stimmen bestimmter sozialer Gruppen in Politik, Wirtschaft, Justiz etc. nicht ausreichend gehoert werden (wollen). Dies trifft fuer weisse, wohlhabende Maennliche einfach nicht zu; deshalb wuerde ich davon absehen, das Wort Diskriminierung zu benutzen.

  8. Magda,

    die 110 Supreme Court Richter sind ja jetzt auch nicht alle aktuell im Amt. Es gab eben auch eine Zeit in der es so war, daß man de facto ein WASP und männlich sein mußte, um eine reelle Chance auf das Amt zu haben. Aber das bedeutet zum einen nicht, daß strukturelle Vorteile immer noch bestehen – wie wir ja sehen – und zum anderen, daß allein die Zugehörigkeit zur ethnischen Gruppe (weiß) und zum Geschlecht (männlich) die Möglichkeit ausschließt, diskriminiert zu werden. Ich finde es höchst problematisch, wenn „Diskriminierung“ nur verwendet werden darf, wenn es nicht um die Probleme weißer Männer geht.

    Die nächste Frage, die sich stellt, ist eben die, inwieweit man strukturelle Diskriminierung überhaupt identifizieren kann bzw. inwieweit diese Definition ein politischer Prozeß der Neuverteilung von Macht ist. Und individuell kann eine wie auch immer motivierte positive Diskriminierung eben auch bei vermeintlich strukturell bevorzugten diskriminierend wirken. Die Sache mit den Testscores beim SAT und den AA-Aufnahmeregeln für Colleges sind doch ein hervorragendes Beispiel. So sehr sich die Linke in den USA über das Feuerwehrtest Urteil auch aufregen mag, es ist eine notwendige Anerkenntnis der Tatsache, daß Diskriminierung keine Einbahnstrasse ist und daß man nicht einfach ins Blaue hinein und auf Basis von bestimmten politischen Annahmen Individuen unterschiedlich behandeln darf.

    Ja, das mag den notwendigen gesellschaftlichen Öffnungsprozeß de facto etwas verlangsamen, aber der Zweck heiligt eben nicht alle Mittel. Es ist immer wieder überraschend, daß man diese Erkenntnis gerade denjenigen nahebringen muß, die mit Gerechtigkeitsargumenten hantieren.

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