Rottweiler im Kleid: „weibliche“ Buchcover

„Don’t judge a book by its cover“ – also „Beurteile ein Buch nicht nach seinem Einband“ – so lautet ein Sprichwort im Englischen. Ganz wörtlich zu nehmen ist dieser Hinweis wohl besonders, wenn es um Bücher von Frauen geht. Das zumindest meint die US-amerikanische Autorin Lionel Shriver in ihrer Kolumne im Guardian. Ausgangspunkt ist ihre Feststellung, dass die großen literarischen Hypes im angolamerikanischen Raum weiterhin männlichen Schriftstellern vorbehalten sind – und damit sind keine „Hypes“ vom Schlage Roche oder Hegemann gemeint, sondern in diesem Fall die enthusiastischen Reaktionen auf den soeben erschienene neuen Roman von Jonathan Franzen. Die Erschaffung wirklich „großer“ Literatur werde weiterhin vor allem den „white male literary darlings“ zugeschrieben, wie Shriver ihre Kollegin Jodi Picoult zitiert, die sich per Twitter über die Franzen-Fans mokierte.

Der größte Teil der Leserschaft allerdings, und das ist in Deutschland vermutlich nicht viel anders als in den USA oder England, ist weiblich. Und wenn es darum gehe, dieser Hauptzielgruppe Bücher zu verkaufen, werde gerne auf stereotype Vorstellungen darüber zurückgegriffen, was Frauen mögen. Hier kommt nun wieder das Cover ins Spiel, denn Shriver berichtet über die Covergestaltung der US-Ausgabe ihres Romans „Game Control“,„a wicked, nasty novel about a plot to kill two billion people overnight. The main character is a man, the focal subject demography. Yet what cover do I first get sent? A winsome young lass in a floppy hat, gazing soulfully to the horizon in a windblown field – soft focus, in pastels.“ (Übersetzung: „eine böse und finstere Geschichte über den Plan, zwei Milliarden Menschen einfach umzubringen. Der Protagonist ist ein Mann, das zentrale Thema Bevölkerungsentwicklung. Aber was für einen Coverentwurf bekomme ich? Ein hübsches junges Mädchen mit einem Schlapphut, das in einem Kornfeld steht und schmachtend zum Horizont blickt – in verwischten Pastellfarben.“) Shrivers eigener Vorschlag, Elefantenskelette abzubilden, löst Entsetzen aus, das werde die weiblichen Leser vor den Kopf stoßen. Frauen, so die Gedankengänge der Verlagshäuser, schreiben Bücher für Frauen: „… publishers presume that women only buy a book that looks soft and that appears to be all about women, even if it isn’t. Yet women, unlike men, buy books by and about both sexes.“ (Übersetzung: „Verleger gehen davon aus, dass Frauen ein Buch nur kaufen, wenn es ‚soft‘ wirkt und aussieht, als würde es nur von Frauen handeln, selbst wenn das gar nicht der Fall ist. Frauen jedoch kaufen, anders als Männer, Bücher von und über beide Geschlechter.“)

Eine Covergestaltung, die ein Buch als „Nur für Frauen“ ausweist, siedle es automatisch einige Stufen unter Franzen&Co an und erschaffe somit eine Art literarisches „Ghetto“ für Autorinnen und Leserinnen. Außerdem koste es die Autorin männliche Leser und sei zudem unter Umständen auch noch total unpassend: „trussing up my novels as sweet, girly and soft is like stuffing a rottweiler in a dress.“ (Übersetzung: „meine Bücher als süß, mädchenhaft und weich zu verpacken, ist, als würde man einen Rottweiler in ein Kleid stecken.“)

Zum Buchumschlagthema noch ein Beispiel aus dem deutschen Verlagswesen. Vor drei Jahren empörte sich die norwegische Autorin Ragnhild Moe über die Covergestaltung ihres Debütromans, der in Deutschland im Goldmann-Verlag erschien. Zum Vergleich: Hier das Cover des (unter Pseudonym erschienenen) Originaltitels „Anatomi. Monotoni“ und hier das der Übersetzung unter dem Titel „Die Hände des Cellisten“.

10 Kommentare zu „Rottweiler im Kleid: „weibliche“ Buchcover

  1. Typisch sind auch die Buchcover von historischen Romanen, auf denen fast immer im Halbprofil und andächtig der Oberkörper einer Frau abgebildet ist (je nach Roman als Gräfin, Nonne, Bäuerin, Päpstin etc.) und ggf. im Hintergrund irgendwelche historischen Gebäude. Der Inhalt ist dann wohl meist ebenso einfallslos und stereotyp.

  2. Buchcover sind wirklich häufig ein Problem. Ich nehme allerdings von mir aus schon selten Bücher in die Hand, die ein kitschiges Cover haben. Es sei denn, der Inhalt wurde mir empfohlen. Wie be den Anita-Blake Büchern, die Cover sind zu kitschig, der Inhalt aber echt unterhaltsam.

  3. Buchcover sind ja ansich ein weites Feld, wo scheinbar Diskriminierung, Stigmatisierung und/oder Klischees ganz weit vorne mit spielen dürfen. Ein ebenso häufiges Problem, wie das oben beschriebene, ist das so genannte „whitewashing“. Da werden dann weiße Personen auf Cover gepackt, in denen es gar nicht oder nicht ersichtlich um solche geht – oft auch erst in der 2. Auflage. (Sehr viele Beispiele dafür finden sich z.B. hier: http://thebooksmugglers.com/2010/02/cover-matters-on-whitewashing.html).

    Und das Literatur von Frauen nicht als „große Literatur“ wahrgenommen wird, unabhängig jetzt mal vom Cover, ist ja leider noch ein anderes riesiges großes Feld… :(

    Aber vielen Dank für den Beitrag :)

  4. Ha! Das ist ja lustig dass Ihr genau heute darueber schreibt! Ich habe heute den ganzen Tag auf einer Buchmesse gearbeitet (Buecher schleppen, sortieren, arrangieren… sterbenslangweilig) und habe mich GENAU darueber tierisch aufgeregt. Auf gefuehlten 85 % der Romancover waren Frauen(-teile) abgebildet, ob es Sinn macht oder nicht, und ich habe mir genau heute geschworen solch ein Buch aus Prinzip nicht zu kaufen.

  5. Die grausamsten und blutigsten Krimis, die ich je gelesen habe stammen zum größten Teil von Frauen und jetzt da ich den Text hier gelesen habe habe ich mal bei amazon die Cover angeschaut: In der Tat, die Cover sind alle sehr sagen wir mal „ästehtisch-weichgespült“.

  6. ich frage mich sowieso welche kriterien bei der entscheidung für ein buchcover eine rolle spielen. meist steht das design doch weder mit dem buchtitel noch dem inhalt in zusammenhang. da wird einfach genommen was irgendwer irgendwie irgendwann mal ansprechend gefunden hat. frag mich warum man nicht auf die arbeit von illustratorInnen zurückgreift und zumindest versucht buchinhalt und cover in einklang zu bringen. sollte doch eigentlich beim verkauf ein vorteil sein.

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