Political Correctness: Fleischhauers Trottelargumentation

Jan Fleischhauer hat Angst. Sie muss riesig sein, denn was er schreibt, vielleicht seiner Verzweiflung geschuldet, ergibt keinen Sinn. In seiner aktuellen Kolumne „Political Correctness: Auf dem Weg zur Trottelsprache“ (Spiegel Online, 17.01) vergleicht er Begriffe, die nicht zusammenpassen wollen.

Argumente? Logik? Empathie? Fehlanzeige! Er will einfach den N*könig, die N*küsse und die ganze Palette „Diskriminierung“. Ganz egal wie, die Begriffe sollen in den Kinderbüchern bleiben und zwar ausgeschrieben. Zuerst kennt Fleischhauer natürlich nur Schwarze, die das selbstverständlich auch in Ordnung finden. Klar, die „Einzelfälle“ aus dem Umfeld, wer erfindet sie nicht.

„Ich zum Beispiel habe noch nie einen Schwarzen getroffen, der daran Anstoß genommen hätte, dass in Deutschland über Jahrzehnte die berühmten N*küsse [er schreibt es natürlich aus] und Mohrenköpfe verkauft wurden.“

Um sein Argument zu stärken vergleicht er rassistische Sprache mit Siedegebäck. Es geht um den „Berliner“, einen Krapfen. Er hätte auch die Thüringer Wurst nehmen können. Der „Berliner“ ist ein Siedegebäck und heißt so, weil es eine regionale Spezialität ist und nach dem Herkunftsort benannt wurde (Krapfen Berliner Art). Wie gesagt, Thüringer.

Nun ist es keine leichte Kost Begriffe aus der Kolonialzeit mit Namen regionaler Spezialitäten zu vergleichen, aber Herr Fleischhauer macht das. Nach dem Vergleich, seine Folgerung: die Berliner_innen beschweren sich nicht über die Bezeichnung des Krapfens „Berliner“. Also warum beschweren sich die N*, ähm, Schwarze über den N*kuss? Da findet analoges Denken auf Level Minus 100 statt. Jedenfalls wird bei Fleischhauer diskriminierende Sprache noch groß geschrieben, ist so herrlich unkompliziert. Die unzähligen Artikel, (Geschichts-)Bücher, Gespräche und Kämpfe rund um rassistische Begriffe, wird schließlich mit den vermeintlichen Einzelfällen aufgehoben.

Der Kolumnist findet weitere Anknüpfungspunkte etwa bei seinem Lehrmeister Wolf Schneider, damals noch in der Journalistenschule… Erinnerungen an eine vergangene Zeit, die bei ihm circa 30 Jahre zurückliegen (hoffentlich).

„der strenge Sprachlehrer Wolf Schneider, der für politische Vorgaben wenig Interesse hatte und Burkina Faso unverdrossen weiter Obervolta [sic!] nannte, weil er nicht bei jedem drittklassigen Militärputsch die nächste Staatsumbenennung mitmachen wollte, wie er uns leichthin mitteilte.“

Fleischhauers Logik: Was damals für den weißen Mann richtig war, das kann heute nicht falsch sein. Weder existiert die Obervolta, die UdSSR noch ist Pluto ein Planet. Diese Denke ist veraltet, uninformiert und einfach falsch.

Nicht nur das, Herr Fleischhauer diffamiert und das ist ekelhaft. Den Leserbrief, den Mekonnen Mesghena verfasste, um auf rassistische Begriffe im Kinderbuch „Die kleine Hexe“ von Otfried Preussler aufmerksam zu machen, ist keine „Stein-ins-Rollen-gebracht“ Aktion der Heinrich-Böll-Stiftung. Es ist die Geschichte eines engagierten Vaters, der seiner Tochter ersparen „wollte diese diskriminierenden Worte in ihrem Lieblingsbuch zu lesen und sich unwohl dabei zu fühlen“ (Rheinpfalz am Sonntag, 13.01). Mekonnen Mesghena, Leiter des Referats „Migration und Diversity“ in der Heinrich-Böll-Stiftung, schreibt den Verlag an. Es beginnt ein E-Mailverkehr, der vier Wochen dauern wird. Der Verlag entscheidet in der Neuauflage diesen Jahres die rassistischen Begriffe aus dem Buch zu streichen. In den deutschen bildungsbürgerlichen Wohnzimmern und den Feuilletons bricht eine Empörungswelle („Sprachpolizei“, „Zensur“ et cetera) aus. Und so ergeht es vermutlich auch Jan Fleischhauer, er schreibt weiter:

„Wer sich berufsbedingt mit Fremdenfeindlichkeit [sic!] beschäftigt, kommt möglicherweise nicht umhin, hinter jedem Satz und Strauch eine Diskriminierung zu wittern.“

An dieser Stelle beginnt dann auch offen die Diffamierung gegen Mekonnen Mesghena und da wird es unterirdisch, Orpheus. Neben den vielen Fragen, die bei so einem Text aufkommen, der für den Erhalt diskriminierender Sprache plädiert, stellt sich auch die Frage wie es dazu kommt, dass Spiegel Online es zulässt eine Person, ihren Beruf, und die Funktion so diffamieren zu lassen? „Migration und Divestity“ bedeutet gleich Fremdenfeindlichkeit? Und weshalb ist es „berufsbedingt“, eine Paranoia zu haben oder eine Pathologisierung vom selbsternannten Dr. Fleischhauer zu erhalten? Warum wird ins Lächerliche gezogen, was nicht zum Lachen ist? Von einem, der offenbar keine Lust hat sich mit Rassismus auseinanderzusetzen und es auch einfach nicht muss, weil weiß, männlich, privilegiert.

Fleischhauer ist nicht neugierig, will nichts mehr Wissen, weiß schon alles, will nur bestätigen, nämlich das Ewiggestrige. Das ist im besten Fall schlechter Journalismus. Und wenn man etwas genauer hinsieht, dann hat Herr Fleischhauer bestimmt auch noch etwas Pippi in den Augen. Ärgerlicher ist, dass dieser Text so eine große Plattform (SPON) erhalten hat und diese auf Kosten von Diffamierungen. Sein Vergleich mit dem Neokolonialismus und der Emanzipation ist wieder so eine Geschichte.

41 Kommentare zu „Political Correctness: Fleischhauers Trottelargumentation

  1. weißsein ist pathologisch; vielleicht muss mensch es fleischhauer nachsehen. ha, von wegen! ohne jux, die kolumne ist dermaßen grotte, dass mir die vergleiche ausgegangen sind. ihr text, liebe sabine, ist hingegen pointiert, bissig und treffsicher. gefällt mir gut! ich wünschte, mir wäre ein ähnlich spitzer bleistift gegeben. so mache ich mir ihre diagnose zu eigen: fleischhauer ist nicht neugierig. so ist es.

  2. Ach du liebes Lottchen! Seltenso einen Quadratunsinn wie Fleischhauers Artikel gelesen (diese Woche zumindest,seufz…).Hochgradig denkfaules Schulaufsatz-Niveau.Für so was kriegt mensch bei SPON Geld bezahlt?

  3. Ich habe den Teaser auf SpOn gelesen, gesehen, dass es die Kolumne von Fleischhauer ist und gewusst, dass es nicht lesenswert sein würde. Fleischhauer ist der Franz Josef Wagner des Spiegel-Online-Portals: Wer intelligente Texte von ihm erwartet, muss zwangsläufig enttäuscht werden. Unverständlich, dass er auf so einer Seite auch noch Raum bekommt, seinen geistigen Durchfall zu verbreiten.

  4. Hallo,

    und danke für den Text. Er wird mir in Zukunft bei ein paar Diskussionen die notwendigen Worte liefern.

    Viele Grüße
    Christian

    PS: Wer es sich richtig dreckig geben möchte, lese mal die Kommentare unter dem Fleischhauer-Artikel. Ernüchternd.

  5. @sprinkledcupcake

    in mir regt sich auch immer unverständnis, wenn leute glauben, mittels ignorieren würde mensch irgendwas gegen diskriminierung tun.

  6. Das ist wahrscheinlich vom Thema ablenkend („derailing“), aber mir drängt sich die Frage gerade wieder auf: Weshalb eigentlich wird N* nicht ausgeschrieben, „Mohr“ aber schon? Mir wurde das bislang nicht so recht klar, weshalb N* diesen Sonderstatus hat. Andere Wörter sind nicht minder beleidigend, oder nicht? Vielleicht ist hier nicht der richtige Ort, weshalb ihr den Kommentar auch gerne übergehen könnt, aber vielleicht kommt ihr ja nochmal darauf zurück? Das wäre nett.
    Würde mich das interessieren, denn dann entstünde die Frage, wie konsequent die Abkürzung zitierter beleidigender Wörter betrieben werden sollte. (Ich schreibe zitierte, da das Problem sich in dem Fall ergibt. Solange die Wörter nicht bloß dokumentiert werden, sondern direkt gebraucht werden, ist die mehr oder minder offene beleidigende Absicht eh klar und verdient die entsprechenden Reaktionen.)

  7. Ich habe die Kolumne nicht gelesen, und ich werde das auch nicht tun – und ich finde es echt erschreckend und sehr geballt, was diese Woche alles (EMMA, Zeit, SpOn) auf uns an megagrottigem Backlash-ismus einprasselt. Seufz. Seufz. Dreifachseufz.
    Vielen Dank fürs Kontern.

  8. der artikel von fleischhauer ist ekelhaft und das ausmaß der zustimmenden kommentare darunter noch viel ekelhafter.

  9. Den Artikel in der ZEIT habe ich gestern gelesen. Der ist genau so unterirdisch. Machtverhältnisse werden ausbeblendet…konkret zeigt sich das ja hier wieder im Berliner-Vergleich. Dass ein Unterschied besteht zwischen kolonialen Abhängigkeitsprozessen, in deren Zusammenhang sich eine diskriminierende Sprache entwickelt hat und dem Berliner Karpfen, kommt dem weißen Mann gar nicht erst in den Sinn.
    Ich denke, es ist wichtig darauf zu reagieren, um die Machtverhältnisse mit Blick auf die Meinungshoheit aufzubrechen.

  10. Ich verstehe nicht was daran so schwer zu verstehen ist. Die damit bezeichnete Gruppe von Menschen entscheidet, ob das Wort in Ordnung ist, oder nicht. Welche Arroganz da wieder von Sprachschönheit und ‚Damals war’s doch auch ok‘ zu faseln. Der Moral-o-Meter funktioniert doch so. Wer wird dadurch verletzt, dass ich das N-Wort sage? Wer wird dadurch verletzt wenn ich das N-Wort durch ein anderes N-Wort ersetze? Richtig!!! Prima Video dazu „When White people can say the „N -Word“ “ https://www.youtube.com/watch?v=QM9pAhu6Sxk&playnext=1&list=PL2A76275022474D44&feature=results_main

  11. Auch wenn ich diesen Artikel komplett unterschreiben kann, stellt sich mir doch die Frage, ob Du Dir nicht viel zu viel Mühe für einen konservativen Megatroll wie Fleischhauer gemacht hast.

    Ich bin mir schon länger sicher, dass Fleischhauer einfach eine kleine Marktlücke entdeckt hat und nun glücklich in seiner Rolle aufgegangen ist… Ich finde es jedenfalls schon wieder spannend, wie er es Woche für Woche schafft, sämtliche Schuld der Welt auf „links-grüne Gutmenschen“ abzuladen… seine Gedankengänge sind dabei so dermaßen wirr, dass mir das schon wieder einen gewissen Respekt abnötigt… sich aufregen, oder gar rational dagegen argumentieren, hilft bei so jemanden (und vor allem der ihm zustimmenden Spon-Forumsmeute) überhaut nicht, es ist ein Kampf gegen (rechtsdrehende) Windmühlen und es ist wohl deutlich sinnvoller seine Zeit für andere Sachen zu opfern.

  12. Danke für deinen Artikel! Was du schreibst lässt sich eins zu eins auf den zeit-Artikel von gestern übertragen. Ich habe leider die 4,20 dafür ausgeben nur um mich grün und blau zu ärgern. Wer ihn lesen möchte – zur wissenschaftlichen Analyse – kann sich bei mir melden!

  13. Frittenbuddhist: Eigentlich stimme ich dir zu, aber selbst in feministischen Kreisen trifft man teilweise auf Stimmen, die allen ernstes die Verarmung der deutschen Sprache proklamieren, zb wenn man sich den Beitrag zu Rassismus in Kinderbüchern hier bei der MM durchliest, bzw die Kommentare, die da kommen..

  14. Fleischhauer versteht gar nix. Der Berliner heißt ja nicht so, weil das Gebäck auf eine wie auch immer konstruierte Ähnlichkeit mit den Bewohnern Berlins hinweisen soll. Der N*kuss dagegen natürlich schon, weil er (in seiner Ursprungsform, inzwischen gibt es ja auch die mit weißer Schokolade) braun ist. Ich wäre dann dafür, die weißen Varianten „Bleichgesichtkuss“ zu taufen – aber das fände der dann wahrscheinlich noch witzig (Stichwort Machtverhältnisse). Zum Abgewöhnen.

  15. Guter Artikel, aber es gibt auch einen Grund weshalb das Gebäck „Berliner“ in Berlin Pfannkuchen heißt. Die Antwort auf die Frage warum das so ist lautet immer, dass man sich ja nicht selbst essen würde. Deshalb bezweifle ich auch, dass es sich um eine Berliner Spezialität handelt.

  16. danke sabine, super artikel! keinen raum für fleischauer, dieses würstchen, und seinen ekelhaften konservativen mittelklasse-rassismus, bah!

  17. @maria:
    Du hattest gefragt, ob schon jemand einen Kommentar von Preußler gelesen habe. Ich weiß nicht, ob die Frage noch aktuell ist, aber die taz ging vor einigen Tagen auf dessen Position ein: http://www.taz.de/!108466/
    Anscheinend hat er sich von der Notwendigkeit überzeugen lassen.

    (Eine Änderung ohne Zustimmung wäre vermutlich urheberrechtlich ohnehin problematisch gewesen)

  18. Anmerkung zum Kommentar von abc: Ich empfehle dem SPON-„Autor“ mal, in Berlin in einer alteingesessenen Bäckerei einen „Berliner“ zu bestellen. Das wäre dann schwarze Pädagogik (http://de.wikipedia.org/wiki/Schwarze_P%C3%A4dagogik) zur Sprachhygiene…

    Die von Fleischhauer beschworene Euphemismustretmühle ist meiner Meinung nach ein Resultat der Tatsache, dass die Sprachhygiene zwar ein wichtiger Aspekt im Kampf gegen Diskriminierung und im besten Fall ein Zeichen des Respekts ist – aber weite Teile der Bevölkerung passiv, wenn nicht gar aktiv dagegenhaltend in diesem Kampf agieren. Wenn sich die Gedankenwelt dahinter nicht ändert, schleicht sich das eigentlich Gemeinte, die althergebrachte rassistische Denke, in die neuen Begriffe ein.

  19. Es lohnt, auch einfach mal die Verlagsseite anzusehen: Erklärung und FAQ

    Aus der Erklärung: „Grundsätzlich werden Textänderungen nie ohne die Zustimmung des Urhebers vorgenommen […] Letztendlich obliegt die Entscheidung dem Autor.“

  20. Pingback: akrassismuskritik
  21. Gerade über die nützliche Linksammlung der Regenlichtzeitung gefunden (Edit: Ich finde den verlinkten Beitrag auch super, nur noch der Hinweis, dass darin rassistische Begriffe zitiert werden – Anna-Sarah) :
    http://scienceblogs.de/zoonpolitikon/2013/01/20/sprachpolizeiakademie/

    Der Eintrag ist ja wirklich schlicht und einfach großartig. Denn er ist auf eine solche Weise humorvoll, dass das unfreiweillig komische der Stellungnahmen, die das Unterlassen von Beleidigungen zur Zerstörung des Abendlandes aufblasen, sichtbar wird.

    Literatur: Was Goethe schrieb.
    Toll.

  22. Huh, ich finde es hochgradig interessant wie solche „Diskussionen“ ablaufen. In diesem Fall hat sich ein Vater über rassistische Sprache beschwert (und wie ich den Inteviews entnehme in sehr sachlicher und ruhiger Weise).Das ruft dann Menschen auf den Plan die irgendwie „panisch“ werden, den Untergang der Kultur heraufbeschwören, absurde Vergleiche und Argumente rausballern und außerdem eine stark emotionalisierte Sprache wählen mit der sie dann dem Beschwerdeführer (wir erinnern uns, er hat sich sachlich beschwert) vorwerfen es ginge hier doch nur um SEINE Empfindlichkeiten.
    Ich habe eher den Eindruck, dass die Gefühle der Gegner (also derer die unbedingt weiter N* lesen und sagen wollen) verletzt wurden, so wie sie sich aufregen. Nur wieso das so wichtig ist dass man absolute Horror-Zukunfts-Szenarien ausmalen muss (Alles wird zensiert, das hört dann nicht mehr auf, Shakespere und Goethe und dann gibts gar keine Bücher mehr und Gemälde werden übermalt und…*nach Luft schnapp*) hat sich mir noch nicht erschlossen. Wiesoooooo ist es füe sie so wichtig, Kindern weiterhin Bücher mit rassistischen Worten vorlesen zu können? Argh!
    Gruselig finde ich, dass ich inzwischen auf 2 Blogs, die ich eigentlich gerne lese (nachdenkseiten und bildblog) Links auf „man muss doch N* sagen dürfen-Artikel entdeckt habe aber keinen der interessanten, logischen gut recherchierten Artikel die erklären warum man dass keineswegs sagen dürfen muss.

  23. Pingback: akrassismuskritik

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