„Party Like It’s 1945…“

schrieb die High-Heel-Antifa, denn heute ist der achte Mai, also Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus, und des Endes der Shoah. Für Antifaschist_innen war schon immer klar, dass der Tag der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands Befreiung bedeutet(e); Eingang in einen breiteren gesellschaftlichen Diskurs fand die Idee der Befreiung vom Nationalsozialismus (und nicht einer zu betrauernden nationalkollektiven Niederlage) allerdings erst mit der Rede des damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker im Jahr 1985. Die Mädchenmannschaft feiert mit und wünscht allen einen kämpferischen achten Mai – alerta, alerta, antifascista!

27 Kommentare zu „„Party Like It’s 1945…“

  1. Dazu mal die etwas andere Meinung:

    Ich habe mit dem Begriff der Befreiung ein Problem, das nichts mit nationalkollektiver Niederlage o.ä. zu tun hat.

    Der Begriff ergibt vollkommen Sinn, wenn er auf die Opfer des Nationalsozialismus bezogen wird.

    In der Weizsäcker-Rede heißt es aber, der 8. Mai sei „für uns alle“ als Deutsche ein Tag der Befreiung, der „uns alle befreit [hat] von dem menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft“. In dieser Verwendung suggeriert der Begriff, dass die Deutschen vor Einrücken der Alliierten allesamt Gefangene einiger weniger Nazis waren, die gewissermaßen von außen her als Kidnapper gekommen waren. Scheint mir, vorsichtig ausgedrückt, ein etwas schiefes Bild zu sein.

  2. @Johanna: Volle Zustimmung natürlich, was diese „Es funktioniert(e) ohne alle“-Lesart betrifft. Im Vergleich zu Weizsäcker hingegen, der sagte, deutsche hätten am 8. Mai keinen „Grund zu feiern“, finde ich es wichtig, den Sieg der Alliierten zum (zumindest inoffiziellen) Feiertag zu machen.

    Ich habe Weizsäckers Rede auch nicht gelobt (da kommt nämlich einiges Widerliches an „Vaterland“ drin vor, zum Beispiel), sondern angemerkt, dass durch diese Rede erst 1985 die Idee, dass man nun anständig deutsch traurig sein müsste wegen der „Kriegsniederlage“ (mangelnde bis vollständig fehlende Entnazifierung, geschweige denn Aufarbeitung sei „Dank“), erstmals überhaupt breiteren gesellschaftlichen Gegenwind bekam. Wie auch oben angemerkt, hat das Feiern des 8. Mais eine antifaschistische Tradition, bevor Weizsäcker (und andere) sie zum neuen Nationalverständnis umzuformulieren versuchten (oder man gar später in der „Berliner Republik“ gerade wegen der NS-„Vergangenheit“ jetzt wieder stolz sein dürfe auf deutschland, aufgrund der vermeintlich so gelungenen Aufarbeitung).

    Der „Alles-Opfer“-Ideologie muss man selbstverständlich entschieden entgegentreten – die „nationalsozialistische Gewaltherrschaft“ fiel nicht vom Himmel, sondern war lange demokratisch legitimiert, und (mehrheits-)gesellschaftlich unterstützt, verankert und ausgeführt.

    Aber: es wurden Menschen in deutschland, Europa und weltweit tatsächlich befreit am 8. Mai durch den Sieg über deutschland – das kann und muss man sowohl gedenken als auch feiern, finde ich. Deshalb habe ich auch nicht geschrieben, dass deutschland befreit wurde, sondern, dass die Befreiung von Nationalsozialismus und das Ende der Shoah stattfand am 8. Mai. In diesem Sinne: Nie wieder deutschland.

  3. Ich kannte den Tag (in der DDR) nur als „Tag der Befreiung“, nicht als Niederlage. Kann aber nur für die Zeit nach 1980 sprechen, vorher war ich noch zu jung, weiß also nicht, ab wann das so gesehen wurde.

    Ich vermute aber: von Anfang an.

  4. Das fällt mir nicht so ganz leicht. Ich bin nun einmal Deutsche. Natürlich kann mensch eine Staatsangehörigkeit im Vergleich etwa zu Geschlecht, Hautfarbe oder sexueller Ausrichtung leichter bzw. überhaupt (wenn auch mit einigem Aufwand) ändern, aber mir geht es auch (vor allem) um meine Herkunft, meine Familie, die Sprache und Kultur, mit denen ich aufgewachsen bin usw. Wenn ich jetzt den Tag der Befreiung feierte, käme mir das wie cultural appropriation vor, angesichts meines persönlichen familären Hintergrunds sogar in einer ziemlich dreisten Form. Die Menschen, von denen ich abstamme und die mich aufgezogen haben, die wurden eben nicht befreit in dem Wortsinn, den ich allein für angemessen halte. Mich jetzt hinzustellen als wackere Antifaschistin, die das alles nichts angeht und die deshalb tüchtig feiern darf, käme mir da nicht richtig vor, sondern (auch angesichts meines Geburtsdatums nach 1945) ziemlich billig.

    Von daher fände ich es schon gut, wenn auf einem Blog, der – wenn ich das richtig sehe – zumindest überwiegend von Deutschland aus von Deutschen und für Deutsche auf Deutsch gemacht wird, die nicht unambivalente Semantik von der Befreiung expliziter angesprochen würde. Ich kann das in dem Posting oben nicht entdecken und fände einen klarstellenden Nachtrag nicht schlecht. Es mag z.B. sein, dass Weizsäcker nicht ausdrücklich „gelobt“ wird, er wird aber in einen positiven Kontext gestellt und es findet sich kein Wort der Distanzierung.

    Was „nie wieder Deutschland“ und „party like it’s 1945“ bedeuten sollen, erschließt sich mir übrigens nicht richtig, sind das nicht etwas pubertäre (im zweiten Fall auch ziemlich unangemessene) Parolen? – Aber das nur nebenbei.

  5. @Johanna: dieser post ist ein Hinweis auf den 8. Mai und das Ereignis der Befreiung vom Nationalsozialismus, das man nach antifaschistischer Tradition feiern kann. Niemand wird allerdings zum Feiern gezwungen, und, wie Du schreibst, ist es natürlich wichtig, die eigene (Familien-)Geschichte und soziale Einbettung in diesem Land zu reflektieren. Ich weiß nicht, warum sich das widersprechen sollte. Der 8. Mai dient sowohl der Anerkennung/Danks des Siegs über deutschland, als auch dem Gedenken der von deutschland Ermordeten. Das heißt nicht, dass ich oder andere Menschen daran hindern wollen, über die eigene antifaschistische Einstellung und_oder Nachholbedarf und weiterbestehende Kämpfe nachzudenken – im Gegenteil. Einer der Links in diesem kurzen Text führt zu weiterem Infomaterial über die Shoah, antisemitische Traditionen in deutschland und fehlender Aufarbeitung; wir wünschen einen „kämpferischen“ 8. Mai.

    Selbst wenn dieser Blog nur von „Deutschen für Deutsche“ gemacht würde (was zum Glück nicht der Fall ist…), fände ich es immer noch richtig, auf den 8. Mai als Tag der Befreiung hinzuweisen. Dieser antifaschistischen Tradition hängen nämlich die wenigsten deutschen an. Zu Weizsäcker habe ich bereits mehr geschrieben in meiner Antwort auf deinen ersten Kommentar (daher verstehe ich nicht, warum Du behauptest, es gäbe hier keine Distanzierung); im post ging es um die geschichtliche Kontextualisierung des Begriffs in seiner (Mainstream-)Verwendung, mit einem Hinweis darauf, dass zwischen „Niederlage“ betrauern und „Befreiung“ von Nationalsozialismus ins breitere Gespräch bringen ganze 40 Jahre lagen. Wie gesagt, die „Befreiung“ tatsächlich zu feiern hat aber bereits länger bestehende antifaschistische Tradition in differenziertem Kontext; auch unter Antifaschist_innen und Kommunist_innen, die in deutschland verfolgt und ermordet wurden.

    Auch die von Dir als „pubertär“ eingestufte „Parole“ [sic] Nie Wieder deutschland hat Geschichte.

  6. Die Geschichte von „nie wieder Deutschland“ ist mir bekannt, vielen Dank. In dem verlinkten Wikipedia-Artikel wird auch die zutreffende Kritik daran wiedergegeben. Ich halte einen solchen Spruch (was an der Bezeichnung als Parole problematisch sein soll, erschließt sich mir übrigens nicht) für Punk und Punk für pubertär, aber wie gesagt, das nur nebenbei.

    Im Übrigen fände ich es schön – wenn mein Kommentar schon freigeschaltet wird -, wenn die Antwort auch den Eindruck erweckte, meine Anmerkungen seien nicht nur sehr selektiv gelesen und verstanden worden. Wenn auf ein Ereignis hingewiesen wird, dass „man“ feiern kann, würde ich auf einem gesellschaftskritischen Blog erwarten, dass auch ein bisschen darüber nachgedacht wird, um welches „man“ es geht und welches „man“ mit diesem Posting wohl erreicht wird. Das beinhaltet bei einer semiöffentlichen Äußerung wie einem Blogpost auch eine Reflexion darüber, wer mit welcher Wahrscheinlichkeit durch diesen Blogpost erreicht wird. Ich habe nicht behauptet, MM würde „nur“ [sic] „von Deutschen für Deutsche“ gemacht, aber mir scheint offenkundig, dass dieser Blog angesichts seines Zuschnitts ein überwiegend deutsches Publikum erreicht, und ich kenne Euch nicht persönlich, vermute aber aufgrund Eurer Selbstdarstellung, dass viele von Euch Deutsche sind. Angesichts dessen fände ich in einem Posting, das mit einem kollektiven wir („die Mädchenmannschaft feiert“ „accalmie feiert“) schließt, ein paar reflexive Elemente angebracht.

  7. Heute soll der Tag der Befreiung von der Shoah sein? Meinst du das ernst? Sorry aber manchmal wäre nochmals durchlesen vor dem posten echt sinnvoll.

  8. @Johanna: Meine Güte („selektive Wahrnehmung“ ist in der Tat ein gutes Stichwort)… Nochmal: dieser post weist auf den 8. Mai als Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus und Ende der Shoah hin. Der Verweis zu Weizsäcker kontextualisiert den Begriff „Befreiung“ in einer nach langer Zeit geänderten (und damit auf NS-Kontinuitäten hinweisenden) Mainsteram-Verwendung, und wird relativiert durch den Hinweis auf differenzierte antifaschistische Traditionen. In den nachfolgenden Kommentaren gehe ich auf Deine sehr wichtige Kritik ein, dass Befreiung in der weizsäckerischen Verwendung ein „neues“ Nationalkollektiv zu stilisieren versucht und Opfermythen Vorschub leistet. Dem widerspreche ich, wie Du. Warum du also immer noch behauptest, es gäbe hier kein „reflexives Element“, bleibt ein Rätsel.

    Alle sind herzlich eingeladen, am Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus über fehlgeschlagene Entnazifizierung, inklusiver persönlicher Familiengeschichten (oder auch die der von Weizsäckers…), nachzudenken. An allen 364 weiteren Tagen des Jahres auch. Dass darauf explizit verwiesen werden sollte – da hast Du Recht.

    Der 8. Mai dient aber zugleich der Anerkennung des erfolgreichen antifaschistischen Kampfs und des Siegs über deutschen Faschismus (den auch die Mädchenmannschaft mitfeiert) – darum ging es in dieser Meldung, und das ist kein gesellchaftlicher Konsens in deutschland -; es ist doch kein Zufall, dass der 8. Mai niemals ein gesetzlicher Feiertag war und bis heute nicht ist. Nirgendwo habe ich „man“ oder gar „wir“ geschrieben im Blogpost oder impliziert, dass ich finde, dass das „Kollektiv“ „deutschland“ befreit wurde – das habe ich seit meiner 1. Antwort wiederholt. Die Links sowohl im post als auch in den Kommentaren leiten zu Hintergrundinfos und verschiedenen Antifagruppen weiter.

    Dass Du „Nie wieder deutschland“ für pubertär hälst (ich hab übrigens nicht Wikipedia verlinkt – da findet sich weitaus mehr unter der schlichten Google-Suche) – wunderbar. Ich nicht, angesichts des Kontexts.

  9. @ Johanna

    Ich verstehe Deine Kritik nicht. Es bleibt Dir doch völlig unbenommen, den Akt der Befreiung, der am 8. Mai zu feiern ist, nicht auf Dich persönlich und Deine „Abstammung“ zu beziehen. Dass dieser Blog von zahlreichen Personen betrieben wird, für die das aus ganz verschiedenen Gründen wesentlich anders aussehen mag, erschließt sich doch schon aus einem kurzen Blick auf die Autor_innenliste und eine kurze Auseinandersetzung mit den politischen und persönlichen Hintergründen des Redaktions-Teams. Ich weiß ja nicht, ob Du das so gemeint hast, aber dass immer wieder so getan wird, als sei die MM ein monolithischer weißer/deutscher Block („von Deutschen für Deutsche“) und dieses damit verbundene Übergehen/Ignorieren der Women of Color in der Redaktion und deren Positionierung verstehe ich nicht. Abgesehen davon, dass ja auch für viele andere (z.B. Homo- und Transsexuelle, Menschen mit Behinderung, Menschen mit abweichenden politischen Überzeugungen etc etc.) der 8. Mai ein Tag der Befreiung darstellt. Jedenfalls finde ich es irgendwie schräg, wenn hier mit antirassistischem Impetus PoC darüber belehrt werden, dass bitteschön reflexive Elemente angebracht seien, wenn ein Kurz-Posting zur antifaschistischen Tradition des Feierns der Befreiung vom Nationalsozialismus veröffentlicht wird.

  10. Hi. Ich finde den Begriff „Party“ in diesem Zusammenhang völlig pietätlos. Wegen aller, die die unter dieser Zeit gelitten haben. Mir ist schleierhaft, warum das „Feier“ in Feiertag mit Party gleichgesetzt wird. Es geht doch wohl um Gedenken und Besinnung. Nach Party kann da wohl nur jemandem zu Mute sein, der absolut keine Vorstellugn davon hat, wie sich Kriegszustände (auch beendete!) wohl anfühlen.

  11. @accalmie: etwas off topic, aber könntest du kurz erklären, welchen hintergrund es hat, dass du „deutschland“ (oder ländernamen allgemein?) kleinschreibst? habe dazu auf die schnelle nichts gefunden.

  12. @Jane: Den Einwand finde ich wichtig. Ich würde aber auch zu Bedenken geben, dass das Feiern der Niederlage deutschlands und des Kriegsendes an diesem Tag und den darauffolgenden durchaus „überschwänglichen“ Charakter hatte, wenn man sich historisches Quellen dazu ansieht (man vergleiche z.B. Bilder vom Trafalgar Square in London oder die von feiernden Menschen und Straßenparaden in vielen anderen Ländern zum „Victory Day“).

    @Pseudoprinzessin: Nazideutschland != DDR.

  13. „Die Shoah wurde mit dem Sieg über deutschland beendet.“ Ich finde auch diese Formulierung problematisch, und zwar aus zwei Gründen:

    1. suggeriert sie eine gewisse Deckungsgleichheit von Krieg und Shoah. Das ist historisch unzutreffend. Natürlich gab es zeitliche und lokale Zusammenhänge, aber die Shoah ist definitiv nicht als Teil des „Kriegsgeschehens“ zu sehen, sondern als eigenständiges historisches Ereignis. Die Kapitulationserklärung vom 8.Mai wird zwar oft als politische, historische Zäsur interpetiert, war aber im Grunde v.a. ein militärischer Akt, der eben das Einstellen der Kämpfe zwischen der Wehrmacht und den allierten Armeen bewirkte. Die Shoah war aber eben kein „Kampf zwischen Armeen“, sondern ein Massenmord an Zivilisten. Die Shoah als Teil des Krieges zu sehen, entspricht übrigens dem Programm jener Nazis, die die Shoah nicht leugnen, sondern legitimieren wollen.

    2. finde ich die Vorstellung die Shoah wäre mit einem Federstrich (oder Schlußstrich?) „beendet“ worden, fragwürdig, da sie das anhaltende Leid der Überlebenden ausblendet – und auch den Blick auf (bundes-)deutsche Kontinuitäten und mangelnde Aufarbeitung verstellt. „beendet“ klingt für mich einfach zu sehr nach „erledigt“.

    Auch weiß ich nicht, ob „feiern“ wirklich die angemessene Reaktion auf das „Ende de Shoah“ ist. Mein Vorschlag wäre daher eine etwas weniger knackige, dafür aber ausgewogenere Formulierung à la: „…besiegelt die Niederlage eines Staates, der innerhalb von 12 Jahren Millionen (jüdischer) Menschen entrechtete und ermordete.“ In diesem Zusammenhang könnte man auch darüber nachdenken, die Formulierung „Shoah“ (welche nur die jüdischen Opfer-und meines Wissens nur die Toten einschließt) durch den offeneren Begriff „Holocaust“ zu ersetzen. Darüber hinaus finde ich es bedenklich, wenn über „Shoah“ / „Holocaust“ die schon 1933 einsetzenden Entrechtungsgeschichte übersehen wird.

    Klar werden durch solche Differenzierungen die Texte etwas langatmiger, aber Geschichte kann eben nicht immer peppig sein.

  14. @anna: „deutschland“ nicht groß zu schreiben hat für mich Antifagruppentradition ;): zum einen, um auf die Künstlichkeit dieses vermeintlichen Kollektivs aufmerksam zu machen, zum anderen, um sich (quasi schon schriftlich) gegen die Verbindung von völkischem Denken, Nationalismus, Antisemitismus, Rassismus und eben NS-Geschichte zu positionieren, die man (dem Weg zu) dieser Nationalstaatsbezeichnung zuordnen kann oder gar muss. Es hat also eine Symbolfunktion. Ich hoffe, das war verständlich erläutert?

  15. Ja, in den Niederlanden oder in London war es sicher so, aber das ist nicht Deutschland. Was gab es an diesem Tag in Deutschland? Einige Überlebende der Schoah. Flüchtlinge. Heimatlose. Verwaiste. Und Trümmer, Verluste und eine ungewisse Zukunft. Schwerste Traumata. Sonst fast nichts. Ich kann mir vorstellen, dass Leute, die noch die Kraft hatten, sich zu freuen, bestenfalls erleichtert waren. Vielleicht wissen ja auch viele nicht, dass feiern sehr unterschiedliche Facetten hat. Zum Beispiel auch Trauern und Gedenken. Gerade das schließt ja den Aspekt der Hoffnung und die Freude über die Befreiung nicht aus. Das passt so in mein AntifaKlischee von Leuten, die denken, dass das einfach ein Grund zum auf die Kacke hauen ist, ohne sich mal über „die Geschichte“ Gedanken gemacht zu haben. Und empatielos würde ich es auch finden, wenn jetzt am 8. Mai Leute so Love-Parade mäßig durch die Straßen ziehen. Das war sicher auch nicht das, was von Weizsäcker gemeint hat. Das meintet ihr vielleicht auch nicht, aber ich finde den Slogan „Party like it´s..“ fast schon verunglimpfend.

    @Johanna: Dir ist schon bewusst, dass das Deutschland, dem du dich so verbunden fühlst (ich mich übrigens auch), erst seit 1949 existiert, oder?

    @PeudoPrinzessin: Das Ende der DDR ist nicht das gleiche, wie das Ende des Nationalsozialismus und der Shoah.

  16. @Matze:

    1. Nein, ich möchte keine Deckungsgleichheit suggerieren oder implizieren, dass man die Shoah dem 2. Weltkrieg unterordnen dürfte – ganz im Gegenteil. Deshalb ist sie explizit hier auch als solche genannt, mit Hintergrundinfos verlinkt und nicht unter „Nationalsozialismus“ und/oder 2. WK subsummiert. KZs wurden ab 1944 sukzessive befreit; bis zur endgültigen Niederlage ging der Massenmord (teilweise nun mit anderen Mitteln) an Jüd_innen, Roma und Sinti, und anderen als „unwert“ definierten Menschen weiter.

    2. Wie in 1. erwähnt, war die „Beendigung“ der Shoah ein sukzessiver Prozess. Unter der Shoah versteht man aber den industriell organisierten Massenmord und Zivilisationsbruch mit Beginn zunehmender Gewalt und Repressalien ab 1933 bis zum Ende des Krieges, offiziell dem 8. Mai. Dass damit (mörderischer) Antisemitismus und/oder eine völkische Ideologie in deutschland „beendet“ worden wäre, ist natürlich nicht der Fall und wird hier auch nirgendwo gesagt. Auch eine vermeintlich abgeschlossene Aufarbeitung des Massenmords soll dieser Satz nicht implizieren – man bedenke z.B. die auch von Dir genannten Kontinuitäten oder die zynische Behandlung von Zwangarbeiter_innen, denen deutschland bis heute ihre hart erstrittenen und zugleich sehr mageren „Entschädigungen“ [sic] vorenthält.

    Holocaust habe ich nicht gewählt, weil es übersetzt „Brandopfer“/“vollständig verbrannt“ heißt und somit problematisch ist (und dieser Begriff nicht ausschließlich für „den Holocaust“ Verwendung findet und somit die Singularität dieses Verbrechens untergräbt). Es gibt dazu in der Geschichtswissenschaft aber natürlich eine Unmenge an Debatten; das Holocaust Research Center von Yad Vashem benutzt eben diesen Begriff; die Shoah Foundation den anderen (der „großes Unglück“ bedeutet), zum Beispiel. Es geht mir aber nicht darum, mich mit diesem post grundsätzlich gegen den Begriff/die Begriffsgeschichte von „Holocaust“ zu positionieren, sondern darum, ein Vokabular zu finden, das das Ausmaß des Verbrechens reflektiert.

    Angesichts dessen, dass es sich bei diesem post um eine neunzeilige Meldung über den 8. Mai als Tag der Befreiung handelt, finde ich es super, dass die Kommentarspalte dazu genutzt werden kann (und wird), das stärker zu diskutieren und zu differenzieren. Der post ist aber keine geschichtliche Aufarbeitung, und war auch nicht als solche angelegt – die dauert nämlich in der Tat viel länger. Es sind aber alle herzlich dazu eingeladen, den Links sowohl im Blogpost als auch den Kommentaren zu folgen (…auch wenn manche das „nicht so peppig“ zu finden scheinen…).

  17. @Jane: Da muss ich sagen, dass ich mit den Überresten von Nazideutschland wirklich keinerlei Empathie habe. Trümmer, Traumata, Verwaiste, eine ungewisse Zukunft, das war kein exklusiv deutsches Phänomen des 2. Weltkriegs – ganz im Gegenteil: exklusiv deutsch war daran nur die Ursache. Gerade da Durchschnittsdeutschland getrauert hat nach dem Krieg (genau genommen, jahrzehntelang), sollte man vielleicht anmerken: das war kein Trauern für die Opfer der Shoah oder des eigenen, selbstverschuldeten Weltkriegs oder der systematischen Drangsalierung, Verfolgung und Ermordung von Millionen von Menschen – die (west)deutsche Nachkriegsgeschichte macht das ja deutlich.

    Du hast natürlich Recht, dass Feiern viele Facetten hat – das hatte es auch in den Ländern der Alliierten. Den Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus zu feiern nach antifaschistischer Tradition (statt zu trauern oder, wie Weizsäcker forderte, sich „nicht zu freuen“ und über „das Vaterland“ nachzudenken… *würg*) stellt sich somit auch Opfermythen und Nationalkollektiv entgegen und ist ein politischer Akt.

    Ich finde aber gleichzeitig, dass das weder eigener Reflektion über (Familien)geschichte noch der Anerkennung des Leids tatsächlich Unschuldiger widerspricht. Gefeiert wird der Tag des Alliierten-Siegs über die nationalsozialistisch Herrschaft deutschlands.

  18. sorry, ich war wohl voreilig. ich hab das jetzt nohcmal geschickt, könnt ihr streichen.

    Den Opfermythos miente ich damit auch nicht, ich finde, es verunglimpft ganz klar die Verfolgten und -wie sag ich das jetzt- tatsächlichen Opfer der Shoah, wenn am 8. Mai alle Party machen wollen. Natürlich war der Krieg kein exklusiv deutsches Phänomen, aber wenn man betroffen ist, macht man doch nicht locker leicht Party an diesem Tag, oder? Menschen werden aus KZs befreit, wir trinken darauf einen Sekt?

  19. @Jane: Was gefeiert und auf was angestoßen wird, ist der Sieg der Alliierten und die Niederlage eines nationalsozialistischen deutschlands. Und das eben an jenem „Victory Day“. Das verunglimpft meiner Meinung nach nicht Verfolgte, sondern zeichnet zugleich Dankbarkeit für, Gedenken an und Anerkennung des antifaschistischen Kampfs und antifaschistische Solidarität aus. Für mich ist das kein Nullsummenspiel.

  20. „Celebrate like it’s 1945“ wäre in mehrfacher Hinsicht passender.
    „Party“ klingt in dem Kontext/Zusammenhang arg missverständlich (wie man an den Kommentaren sieht).
    Just my two pennies.

  21. Wir können also zum Ausgangspunkt dieses posts zurückkehren? Fein :): Hoch die Tassen, auf die Alliierten! #GameOverKrauts

  22. Ich muß sagen, ich finde diesen Bligeintrag spitze.
    Liegt vielleicht auch an…. naja, hier wird viel mit Familiengeschichte argumentiert. Das mach ich jetzt auch, ganz einfach weil mein familiengeschichtlicher Hintergrund wahrscheinlich viel damit zu tun hat, daß ich diesen Post klasse finde.
    Also, kurzer Ausflug in Lady Lukaras Femiliengeschichte:
    meine Familie hat übelst unter den Nazis gelitten. Teiweise aufgrund von Hautfarbe (ein Teil meiner Herkunft ist südafrikanisch), politischer Einstellung… ein Teil der Familie sind Flüchtlinge, wurden vertrieben, die Familie ist deswegen quer über Deutschland verteilt; durch den Krieg und Verfolgung hat sich die Anzahl der Familienmitglieder stark dezimiert. Von 9 Geschwistern meiner Oma haben 4 den Krieg überlebt.

    Als der Krieg dann beendet war, war das für meine Familie eine große Erleichterung – allein schon, daß keine SS-Leute mehr durchs Städtchen patroulliert waren und sie nicht mehr an an jeder Ecke tagtäglich Nazis sehen mußten, Menschen, von denen sie wußten, dass sie sie am liebsten ins Lager stecken würden.
    Da ist dann ein Stadtbild, in dem nicht mehr überall Naziuniformen zu sehen sind, sondern amerikanische Soldaten (die einen eben nicht schon mit jedem Blick zeigen, dass „sie einen nur für sowas wie bessere Tiere halten“, wie es mein Großonkel formuliert hat) schon eine Erleichterung. Deswegen empfinden die älteren Mitglieder meiner Family auch eine unglaubliche Dankbarkeit für die Amerikaner (die ich, als jemand, die das eben nicht miterlebt) wieder etwas kritischer betrachte(n kann).
    Sicher, diese Erleichterung kam jetzt nicht pünktlich am 8. Mai, aber so als Symbol für diesen Wechsel, als Gedenktag für diesen Wechsel, find ich ein konkretes Datum zum Gedenken, und ja, warum auch nicht feiern, eigentlich ganz gut.

    Jedenfalls – meine Familie HAT damals gefeirt. Ja, auch regelrecht „Party gemacht“. Denn in meiner Familie waren viele Musiker, unter anderem eine Jazz/Swingband – und wenn man sein ganzes Leben bisher auch Unauffälligkeit und auch Überleben.
    Und jetzt, da man nicht mehr ständig aufpassen musste, was man tut, konnte man sich seit ewigen Zeiten den Luxus gönen, zu feiern. Und das haben sie auch gemacht. Die Band hat im Hinterhof gespielt, es wurde ein regelrechtes Nachbarfest und alle haben sich ohne Ende besoffen. Mein Opa hat noch lange davon geschwärmt.

    Und aus diesem familenhistorischen Hintergrund muss ich sagen, dass für mich „Party like it’s 1945“ eine coole Aktion ist.

  23. ich wollte damit nur meine ahnunglosigkeit durch mangelndes alter darstellen, ich weiß den unterschied zwischen dem geteilten deutschland und der NS-zeit ^^

Kommentare sind geschlossen.

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